Jakob Ignaz Hittorff, der Pariser Stadtbaumeister aus Köln: Auch eine deutsch-französische Geschichte. Von Ulrich Schläger

Vorwort

Wie nur wenige vor und nach ihm hat Jakob Ignaz Hittorff das Pariser Stadtbild geprägt. Das weltberühmte Prunkstück der Pariser Ost-West-Achse von der Place de l’Étoile um den Triumphbogen über die Champs-Élysées, „die schönste Avenue der Welt“, bis zur Place de la Concorde mit dem Obelisken von Luxor ist mit dem Namen Hittorffs verbunden.  Dazu kommen zahlreiche andere Bauten, die das Pariser Stadtbild prägen,  wie die Kirche Saint- Vincent-de-Paul und der Gare du Nord, der Cirque d’hiver und das Rathaus des 5. Arrondissements – um nur einige besonders prominente Beispiele zu nennen. Hittorff steht damit in einer Reihe mit Henrich IV., Napoleon und -nach ihm- dem Baron Haussmann. Trotzdem ist er -gerade auch im Vergleich mit den genannten Gestaltern der Stadt- eher ein Unbekannter. In Paris erinnern nur eine kleine unbedeutende Straße an ihn und eine noch kleinere und triste, Cité genannte Gasse.

Umso verdienstvoller ist es, dass Ulrich Schläger, Lesern dieses Blogs schon bekannt durch seinen Beitrag über den Engel in der rue Tourbigo, sich der Persönlichkeit und des Werks von Hittorff, seines Kölner Landsmanns, angenommen hat.

In der nachfolgenden Würdigung erläutert Schläger die Bedeutung Hittorfs als Wissenschaftler, Architekt und Stadtplaner, er zeichnet seinen Werdegang nach und er beschäftigt sich mit den Gründen, warum Hittorff weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Ich freue mich sehr über diesen Beitrag, zumal es dabei auch um eine auf diesem Blog besonders willkommene deutsch-französische Geschichte geht.

Weitere Beiträge Ulrich Schlägers über emblematische Pariser Bauten Hittorffs werden dann in lockerer Reihenfolge auf diesem Blog erscheinen.

Merci, Monsieur Schläger und allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs bonne lecture!

Wolf Jöckel

Hommage für Jakob Ignaz Hittorff

Erinnert werden soll an Jakob Ignaz Hittorff, der am 20. August 1792 in Köln geboren wurde und hochdekoriert am 25. März 1867 in Paris verstarb, „ein Künstler von umfassendem Wissen und Wirken; ein zum Franzosen gewordener Deutscher, der mit gleicher Liebe an dem alten wie dem neuen Vaterland hing“ [1].  Und auch seiner Heimatstadt Köln, die einen Teil seines reichen Erbes bewahrt, blieb Hittorff verbunden.

Abb. 1: Félix-Joseph Barrias:  Jacob Ignace Hittorff  (1869)

Dieses posthume Portrait veranschaulicht Hittorffs außerordentliche Erfolgsgeschichte. Es zeigt ihn in seinem Arbeitszimmer, seine Rechte gestützt auf den Schreibtisch mit den Insignien seines Berufs: Zirkel, Dreieck, Bleistift, Feder und Tintenfass. Die bronzene Statuette der Minerva, Göttin der Künste und Wissenschaften, Bücher und Bilder im Hintergrund illustrieren sein Selbstverständnis als Künstler und Wissenschaftler. Gekleidet ist er im grün bestickten Rock der Académie des beaux-arts, hoch dekoriert mit den Auszeichnungen illustrer Akademien und Fürstenhäuser, darunter die Orden eines Chevalier und Commandeur der Légion d‘honneur, die Goldmedaille des Royal Institute of British Architects und den preußischen Orden „Pour le Mérite“ für Kunst und Wissenschaft.

Als Architekt und Stadtplaner sind in Paris nicht nur so geschichtsträchtige und bedeutende Plätze der Stadt wie die place de la Concorde und die place de l’Étoile/ place Charles-de-Gaulle, sondern auch die Avenue des Champs-Élysées mit seinem Namen verknüpft. Seine Bauten in Paris umfassen ein breites architektonisches Spektrum: Es reicht von Vergnügungs- und Theaterbauten (Restaurants, Rotonde du Panorama, Cirque d’Éte, Cirque Napoléon, heute Cirque d’Hiver,  Théâtre de l’Ambigu sowie Théâtre Marigny), Rathäusern (im 1. und 5. Arrondissement), sozialen Einrichtungen (wie das Waisenhaus Maison Eugène Napoléon, die heutige Fondation Eugène Napoléon), der Kirche Saint-Vincent-de-Paul bis hin zu dem größten Pariser Bahnhof, dem Gare du Nord, nicht gerechnet die Entwürfe zu Brunnen, Gaslaternen, Kandelabern, sonstigem Stadtmobiliar, Privathäusern, Renovierungen und nicht ausgeführten Projekten wie u.a. ein Palais de l‘Industrie ganz aus Eisen und Glas an den Champs-Élysées oder ein Theater- und Museumsprojekt für seine Vaterstadt Köln.

Zugleich hat Hittorff als „Entdecker der Polychromie der antiken Architektur“[2]  die Altertumswissenschaft maßgeblich mitgeprägt. Er stellt damit „einen der letzten Prototypen des Architekten-Archäologen dar, der einst der Schlüssel zu den Fortschritten der europäischen archäologischen Wissenschaft war.“ [3] Das macht ihn zu einer emblematischen Figur, wie Beulé [[4]] in der bewegenden Grabrede, die er zu seinem Gedenken am 12. Dezember 1868 vor der Académie des Beaux-Arts hielt, nachdrücklich betonte:

„Es war dem 19. Jahrhundert vorbehalten, dem Studium des Altertums eine Durchdringung und einen Respekt zu verleihen, die alles wieder zum Leben erwecken. Die Ruinen Griechenlands und Italiens sind eine Schule für ganze Generationen; die geschicktesten Schüler sammeln in verlassenen oder vom Fieber bewachten Ländern die kleinsten Details der griechischen und römischen Denkmäler; sie ernähren sich von diesen gleichzeitig so schönen und so einfachen Werken, sie entdecken sie, sie restaurieren sie, sie messen sie, sie drehen den kleinsten Trümmerteil um, wie ein Kommentator die Sätze eines wertvollen Manuskripts umdreht. Mit einem Wort: Durch Genauigkeit, Feingefühl und Eklektizismus begnügen sich unsere Architekten nicht mehr damit, Wissenschaftler zu sein; sie sind zu Archäologen geworden. Der Mann, den wir heute ehren, meine Herren, war einer der Förderer dieses Triumphs der Archäologie.

Abb. 2: Farbige Restitution des Tempels des Empedokles in Selinunt (Sizilien) durch Hittorff aus seinem Werk über die Polychrome Architektur bei den Griechen. 1851

Hittorff war ein Gelehrter ebenso wie ein Künstler. Die Académie des Inscriptions et Belles Lettres hätte ebenso wie die Académie des Beaux-Arts das Recht gehabt, ihn in ihre Mitte zu berufen. Wenn er seine Kunst liebte, pflegte er die Wissenschaft mit Rausch und lebte inmitten des Altertums wie in einem Heiligtum. Er zählt zu den komplexen und interessanten Figuren unserer Zeit, aufgrund der Vielfalt seiner Fähigkeiten und der Aufrichtigkeit einer Leidenschaft, die sein ganzes Leben erfüllte. […] Deshalb, meine Herren, prägt Hittorff die französische Kunst des 19. Jahrhunderts; er hinterlässt seine Spuren als Künstler und vor allem als Gelehrter.“ [5]

Hittorff zählt zu den bedeutendsten Architekten im Frankreich des 19. Jahrhunderts. Er hat nachhaltig Architekten wie Henri Labrouste und Charles Garnier in Frankreich und Gottfried Semper in Deutschland beeinflusst und fungierte „als Fährmann, als Vermittler zwischen dem Neoklassizismus und dem Eklektizismus“. (Adeline Grand-Clément)

Das Panthéon Parisien, das Album der zeitgenössischen gefeierten Persönlichkeiten, ehrte ihn in den 1860-er Jahren mit einer Auflistung seiner Werke, einer Portraitfotografie und einer Kurzvita.

Abb. 3: Albumblatt aus Étienne Carjat: Album des Célebrités comtemporaines. Paris 1861-1864

Hittorff war noch vieles mehr als „nur“ Architekt und Archäologe: als Architecte des fêtes et cérémonies de la Couronne war er Festdekorateur der Bourbonen. Als Restaurator des Palais Beauharnais [6] (der damaligen preußischen Gesandtschaft und jetzigen Residenz des deutschen Botschafters in Paris) trug er entscheidend zum Erhalt der glanzvollen, von Percier und Fontaine geschaffenen Innendekoration im Empire-Stil bei. Er war freier Unternehmer, der in emaillierten Lavaplatten ein lukratives Marktprodukt erkannte.

Als begnadeter Kommunikator, heute würden wir Netzwerker sagen, bediente er sich des kompletten Programms der Öffentlichkeitarbeit: durch Vorträge, Beiträge in Zeitschriften und Architekturjournalen, durch vielfältige Stellungnahmen zur Baukunst seiner Zeit und nicht zuletzt mit seinem intensiven Briefwechsel. Er fungierte als Übersetzer und Herausgeber bedeutsamer Werke der Altertumsforschung wie dem Werk von James Stuart über die Antiken in Athen. Er benutzte das volle publizistische Instrumentarium auch bei den aufwändigen Publikationen seiner eigenen Studien in Sizilien.

Als Präsident der Société libre des Beaux-arts, einer Vereinigung von Künstlern und Kunstliebhabern, die sich der Förderung der Künste und der Künstler widmete, pflege er engen Kontakt zur Pariser Kunstszene. Als Mitglied zahlreicher internationaler wissenschaftlicher Gesellschaften reichte sein Einfluss weit über Frankreich hinaus.

Wir sehen hier eine komplexe, vielschichtige, Persönlichkeit, in der sich geradezu das 19. Jahrhundert mit all seinen Brüchen, Widersprüchlichkeiten, Irritationen, aber auch seiner Dynamik widerspiegelt. Einerseits schuf Hittorff als Subjekt durch seine Neugierde, seine schöpferische Kraft, sein Wissen  und seine Ideen ein beeindruckendes architektonisches Werk, andererseits war er aber als Objekt politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen und Veränderungen unterworfen und wurde von ihnen bestimmt. Und in der Tat bestimmten und beeinflussten bedeutende politische und soziale Umwälzungen sein gesamtes Leben und Wirken.

Als der 18-Jährige Hittorff 1810 nach Paris kommt, herrscht noch Napoleon I. Es folgt die Restauration der Bourbonen-Herrschaft. Mit deren Sturz in der Juli-Revolution 1830 beginnt die sogenannte Juli-Monarchie des „Bürgerkönigs“ Louis-Philippe, die gleichfalls mit einer Revolution im Februar 1848 endet. Die nachfolgende 2. Republik hat aber keinen Bestand. Ihr „Prinz-Präsident“ Louis Napoleon reißt mit seinem Staatsstreich im Dezember 1851 die Macht an sich und etabliert sich 1852 als Kaiser Napoleon III.

Diese politische Instabilität spiegelt die Umstrukturierung der Gesellschaft wider: der Adel verliert an Einfluss gegenüber einer immer selbstbewussteren Bourgeoisie. Im Gefolge einer wachsenden Industrialisierung mit einem stärker werdenden Proletariat, das als Bedrohung der Herrschenden wahrgenommen wird, nehmen die sozialen Spannungen zu. Gleichzeitig stellen Bevölkerungszunahme, das Wachstum der Städte, die damit verbundenen hygienischen Probleme und die gesteiger te Mobilität Städte wie Paris vor neue Herausforderungen. Zugleich eröffnen Fortschritte der Technik neue Möglichkeiten des Bauens.

An Hittorff lässt sich verfolgen, wie er auf diese wechselnden Bedingungen reagiert, die auch seine wirtschaftliche Existenz bedrohen.  Charakteristisch ist für ihn, die gesellschaftlichen Strömungen seiner Zeit zu erkennen und zu nutzen. Dazu gehört auch seine Fähigkeit, die technischen Möglichkeiten und Innovationen seiner Zeit in seine Arbeit einzubeziehen.

Um seine Ziele zu erreichen weiß Hittorff um die Bedeutung der Reputation und die Wege dahin. Er weiß, dass sein Ruf nicht allein von seinen künstlerischen Fähigkeiten, einem Übermaß an Einsatz und Fleiß abhängt, sondern auch davon, welche Verbindungen er knüpft, um sich Einfluss zu verschaffen. Man kann dies Opportunismus nennen oder ein Höchstmaß an Flexibilität (Anpassung, Arrangieren). All dies wird, wie wir sehen werden, sein Wirken beeinflussen und über seinen Erfolg entscheiden.

Skizze seines Werdegangs

Jakob Ignaz Hittorf wird 1792 inmitten der Kölner Altstadt am Heumarkt geboren. Zwei Jahre später besetzen französische Revolutionstruppen die Stadt. Mit der Gründung des Département de la Roër (benannt nach dem Fluss Rur) wird Kölns Einverleibung in die Französische Republik vorbereitet. Es beginnt das, was die Kölner die „Franzosenzeit“ nennen. Seit 1801, mit dem Frieden von Lunéville, gehört Köln offiziell zu Frankreich. Hittorff wird erstmals französischer Staatsbürger. Unter der französischen Administration modernisieren sich Rechts-, Verwaltungs- und Wirtschaftssystem der Stadt. Köln löst sich aus den ständischen Verhältnissen und entwickelt sich zur größten deutschen Gewerbestadt.

Abb. 4: Hittorffs Geburtshaus (2. v.l.) am Heumarkt mit der Kirche Klein-Sankt Martin im Hintergrund

Sein Vater Franz Alexander Hittorff, ein wirtschaftlich erfolgreicher Blechschläger (= Klempner, Spengler), der überdies mit Erwerb und Verpachtung von säkularisierten Kirchenimmobilien sowie durch ein Bestattungsmonopol wohlhabend geworden ist, bestimmt, wie in dieser Gesellschaftsschicht üblich, den Bildungsweg und die Berufswahl seines Sohnes. „Die Investition in den Architektenberuf seines einzigen Kindes folgt der Formel ‚Aufstieg durch Bildung‘ der Mittelschicht des frühen 19. Jahrhunderts und der Aufstiegsperspektive einer Handwerkerfamilie. Die Berufswahl, obwohl von Jakob Ignaz nicht selbst getroffen, wird akzeptiert und ganz im Sinne der familiären und sicherlich auch der eigenen Ambitionen realisiert. Hittorffs Lebenslauf ist eine Mustergeschichte der Subjektivation“, also der Erlangung von Autonomie durch die Unterwerfung unter soziale Machtstrukturen. [7]

Dieses Verhaltensmuster wird seine Anpassungsfähigkeit an die unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse kennzeichnen: Hittorff kann sich mit veränderten Arbeitsbedingungen arrangieren, ohne die eigenen Ziele aus den Augen zu verlieren.

In Köln besucht er die öffentliche Zentralschule. Er hört dort Vorlesungen seines Lehrers und Förderers Ferdinand Franz Wallraf, Professor der Schönen Künste, er bekommt Unterricht von dem Architekten Christian Löwenstein und dem Maler Caspar Arnold Grein, ergänzt vom Besuch der Ateliers und Werkstätten von Michael Leidel, des Baurats Schaufs und des Steinmetzen Franz Leister.

Abb. 5: Anton de Peters, Porträt Ferdinand Franz Wallraf, 1792

Er erwirbt damit „von der Pike auf“ zielgerichtet Grundkenntnisse (Mathematik, Geometrie, Zeichnen, Materialkunde, handwerkliche Fertigkeiten) für seinen späteren Beruf.  Noch in seiner Schulzeit entwirft er im Alter von 16 Jahren (!) in der Kölner Schildergasse ein (im Zweiten Weltkrieg zerstörtes) Bürgerhaus, das „frühe Kenntnisse in Sachen klassische Entwurfsprinzipien und Formensprache“ [8] zeigt.

Abb. 6: Jakob Ignaz Hittorff – Haus Schildergasse 84 in Köln, 1808

Hittorff kommt, gefördert von Ferdinand Wallraf, zusammen mit seinem Freund Franz Christian Gau 1810 nach Paris. Anders als Leo von Klenze, Friedrich von Gärtner und Gottfried Semper geht es ihnen aber nicht um die Komplettierung ihrer Fachkenntnisse. Vielmehr wollen sie in Paris Architekten werden und wirken. Paris ist hierzu die erste Adresse. Die Stadt ist das europäische  Macht- und Kulturzentrum. Sie war nach dem Willen Napoleons zu einem „Zweiten Rom“ geworden. Hier können, auch als Folge der napoleonischen Raubzüge, die bedeutendsten Kunstwerke studiert werden; hier gilt die École des beaux-arts als Schmiede der Architekturelite.

Dank der Einstellung im Baubüro von François-Joseph Bélanger  (1745-1818) kann sich Hittorff rasch im Pariser Architektenmilieu etablieren. Bélanger ist Regierungsarchitekt (architecte du gouvernement), sein Atelier zählt „zu den ersten Adressen im napoleonischen Paris.“ [9]  Beim Bau der riesigen Kuppel der Kornhalle, der Halle au Blé, sammelt Hittorff erste Erfahrungen bei der Konstruktion mit Gusseisen und Glas: Es ist die erste Kuppel dieser Art in der Geschichte der Architektur. [10]

Abb. 7: François-Joseph Bélanger, Detail des Grabmals auf dem Friedhof Père Lachaise, division 11                

Mit dem Sturz Napoleon verliert Bélanger zwar sein Amt, avanciert unter den Bourbonen aber rasch zum Architekten der Menus Plaisiers du Roi, zum höfischen Festdekorateur, ein Posten, den er schon im Ancien Régime innehatte.  Hittorff kann von Bélanger lernen, dass „auch privatpolitische Klugheit und Flexibilität“ [11] zu einem erfolgreichen Architekten gehören.

Bereits ein Jahr nach ihrer Ankunft in Paris, also 1811, werden Hittorff und Gau als Schüler der École des beaux-arts immatrikuliert. Von den sechsunddreißig Schülern, die damals den schwierigen »concours« (Wettbewerb) um den Eintritt in die berühmte Ausbildungsstätte bestanden, und auf den sich beide ein Jahr vorbereitet hatten, erlangt Hittorff den fünfzehnten und Gau den siebzehnten Platz. Diese gute Einstufung war insofern belangvoll, als die meisten Teilnehmer des Ausleseverfahrens aus Paris stammten und über ganz andere Ausbildungsmöglichkeiten verfügten als die beiden gebürtigen Kölner.

Charles Percier, Professor an der Académie des beaux-arts, neben Pierre-François-Léonard Fontaine führender Vertreter des Klassizismus und Architekt Napoleons, wird sein zweiter Lehrer. „Beim Ersteren [Bélanger] hatte Hittorff die Baustellenluft kennengelernt beziehungsweise den Architektenberuf als einer Erwerbsbiographie, bei Letzterem [noch Prominenterem] erhielt er die Weihen der höheren Baukunst.“ [11]

Abb. 8: Robert Lefèvre, Portrait von Charles Percier, 1807

Im frühen 19. Jahrhundert wird an der École des beaux-arts Architektur nicht als Praxis, das ist die Sache der Baubüros, sondern als Bau-Kunst nach den Gesetzen der klassischen Ästhetik gelehrt. Dieses duale System bestimmt in Frankreich die Laufbahn des Architekten, wo Bau-Praxis und Bau-Kunst einander ergänzen.

Um 1820 hat Hittorff fast den Status und das Ansehen Bélangers erreicht, er war ihm 1818 als Chef der Menus Plaisiers du Roi in Zusammenarbeit mit Jean François Joseph Lecointe, gefolgt. Sulpiz Boisserée, berühmt als Kunstsammler, Kunsthistoriker und durch die Auffindung des Plans für die Westfassade des Kölner Doms, schildert Hittorff nicht ohne einen leisen Spott als  „arrivierten Hofarchitekten, zu dessen Ambiente längst die tonangebenden Kreise von Paris gehören“ (Pisani, 41). Alexander von Humboldt, bekannt für seine spitze Zunge, bezeichnet den jungen Architekten „als eine Art Dandy“. Beide, Boisserée und Humboldt, werden aber erkennen, dass Hittorff seine Position durch Leistung und weniger durch Klientelismus oder „Weiberprotektion“ verdankt.

Was Hittorff noch fehlt, ist die akademische Anerkennung. Hittorff hatte 1815 nach dem Sturz von Napoleon Bonaparte durch Beschluss des Wiener Kongresses seine französische Staatsbürgerschaft verloren. Er kann zwar in Paris bleiben, aber für das Stipendium der französischen Akademie in Rom, den großen Prix de Rome, nicht kandidieren.

Hittorff findet einen Weg, der zugleich seine Arbeit als Architekt akademisch vertieft und ihm ein Renommée ähnlich dem eines Prix de Rome-Trägers verschafft: Er lässt sich immer wieder beurlauben, reist 1820 nach England, 1821 nach Deutschland, wo er Karl Friedrich Schinkel in Berlin trifft. 1822 begibt er sich frei von akademischen Verpflichtungen zusammen mit seinem jungen Mitarbeiter Ludwig Zanth (1796-1857)  über Norditalien nach Rom.  Zanth wird später württembergischer Hofarchitekt und geadelt. In Rom knüpft Hittorff rasch Kontakt zu den Künstlerkreisen um Berthel Thorvaldsen und zu der Académie de France in der Villa Medici. Rom ist nur eine Etappe. Für die Erforschung der griechischen Tempelanlagen auf Sizilien, das eigentliche Ziel der Reise, engagiert Hittorff  den in Rom lebenden jungen deutschen Maler und späteren Architekten Wilhelm Stier, der die Bauzeichnungen anfertigt. Paestum, besonders aber Pompeji und Herculaneum werden besucht und in über 200 Blättern gezeichnet. Von September 1822 bis Juni 1824 forscht die Gruppe in Sizilien. Hittorff wird das seine „nützliche Pilgerfahrt“ nennen. Es seien „die schönsten Tage seines Lebens“ gewesen. [12]

Abb. 9: Jacob Ignaz Hittorff  in Italien von Moritz Daniel Oppenheim, 1824. Im Hintergrund die Ruinen von Agrigent.

Frucht dieser „Pilgerfahrt“ sind die z.T. in Zusammenarbeit mit Ludwig von Zanth publizierten Werke zur Architektur in Sizilien:

  • Antiquités de l‘Attique, L‘Architecture antique de la Sicile,
  • L‘Architecture moderne de la Sicile, De l’architecture polychrôme chez les Grecs, ou restitution complète du temple d’Empédocles dans l’acropolis de Sélinunte,
  • Restitution du temple d’Empédocle à Sélinonte, ou L’architecture polychrome chez les Grecs.

Diese Werke bilden die Grundlage zu seiner Farbtheorie der griechischen Architektur. Durch sie wird er zum Vorreiter ihrer Farbigkeit (Polychromie) in einer Jahrzehnte-langen Auseinandersetzung. Sie sind das Eintritts-Billett zur akademischen Architektenelite.

 Abb. 10: Portrait Hittorffs von Carl Joseph Begas, 1821  

Nach seiner Italienreise heiratet er 1824 Rose Élisabeth Lepère. Darüber zerbricht die Freundschaft zu seinem Weggefährten Franz Christian Gau, mit dem zusammen er um die Tochter von Jean-Baptiste Lepère geworben hatten.

Abb. 11: Madame Hittorff als Göttin Juno. Von Jean-Auguste-Dominique Ingres, einem Freund Hittorffs

Auch wenn man beiden mit der Werbung keine Karriereabsichten unterstellen will, so bedeutete doch Hittorffs Heirat die Aufnahme in einen einflussreichen Personenkreis um diesen französischen Architekten, der als Künstler Napoleon Bonapartes Ägyptenkampagne begleitet und einen Großteil der Entwürfe zum wenig später entstandenen, berühmten Monumentalwerk der Description de l’Égypte beigesteuert hatte. Überdies hatte er die Metallarbeiten an der Siegessäule auf der Place Vendôme geleitet. Später wird Hittorff nach Lepères Tod den Bau der Église Saint-Vincent-de-Paul weiterführen.

1842 wird Hittorff per Beschluss von König Louis-Philippe wieder französischer Staatsbürger. Als Krönung seiner Laufbahn, die er als 18-Jähriger in Paris begonnen hatte, wird er am 22. Januar 1853 zum ordentlichen Mitglied der Académie des beaux-arts, Sektion Architektur, gewählt. Er ist damit „membre de l’Institut“ und gehört nun zur crème de la crème der französischen Wissenschaft.

Am Ende seines Lebens kann Hittorff auf ein vielfältiges, internationales  Werk zurückblicken, gegründet auf eine exzellente Fachausbildung im renommierten Baubüro von Bélanger und bei Percier an der École des beaux-arts (1811-1816), auf Fortbildungs- und Forschungsreisen, auf eine nie nachlassende Neugierde, einen  ungeheuren Fleiß und Organisationsvermögen und nicht zuletzt auf die Fähigkeit, Verbindungen zu  führenden gesellschaftlichen Kreisen, zu wissenschaftlichen, akademischen Institutionen und Gesellschaften zu knüpfen – Hittorff spricht neben deutsch und französisch auch italienisch und englisch – sowie auf die Pflege oft lebenslanger Bekanntschaften und Freundschaften zu Künstlern und Berufskollegen.

Ein zu Unrecht Vergessener

Dass heute Hittorff dennoch in der breiten Öffentlichkeit, nicht aber in Fachkreisen, in Vergessenheit geraten ist, hat mehrere Gründe.

Zum einen liegt es daran, dass „die Scheidung zwischen der Welt der Künstler und der Welt der Archäologen begann… Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde jede Welt autonom und die Hellenisten waren nicht mehr auf die Künstler angewiesen, um ihre Forschungen durchzuführen, da sie ihre eigenen Untersuchungsinstrumente und Arbeitsmethoden entwickelt hatten.“ [13] Darüber hinaus war der Polychromie-Streit am Ende des Jahrhunderts ausgefochten.

Zum anderen verringerte sich in Hittorffs Zeit der Einfluss der Architekten aus der Tradition der École des beaux-arts zugunsten der Technokraten der École polytechnique und der École centrale des arts et manufactures bei der Umgestaltung von Paris, maßgeblich forciert durch Georges-Eugène Haussmann, seit 1853 Präfekt des damaligen Départements de la Seine, das Paris einbezog.

Dabei beruhte der Wirkungsverlust von Hittorff keineswegs in seiner Prägung durch die École des beau-arts, der – so bei Walter Benjamin und Sigfried Giedion- eine Hemmung des Fortschritts und damit der Moderne unterstellt wurde. [14].  Hittorff – und das gilt auch für Victor Baltard und Henri Labrouste, beide auch Eleven der École des beaux-arts – war autonom genug und verstand sehr wohl, neuartige Techniken (Einsatz von Fertigbauteilen, innovative Tragkonstruktionen) und Materialien (Glas und Eisen) für eine Architektur zu verwenden, in der moderne Technik und die Formensprache der Hochkunst verbunden waren. Beispiele dafür sind der Pariser Nordbahnhof, Gare du Nord, und die Bibliothèque Sainte-Geneviève. Von einem Kampfplatz zwischen „Konstrukteur und Dekorateur“ [15] kann da keine Rede sein.

Abb. 12: Portrait de Baron Haussmann, par Henri Lehmann (1860, Musée Carnavalet)

Der wesentliche Grund, warum Hittorff in Vergessenheit geriet, lag in der Dominanz von Effektivität und Funktionalität, die unter Haussmann die städtische Planung und die Transformation von Paris bestimmten und mit den Boulevards, Markthallen, Bahnhöfen, Grands Hotels, Warenhäusern und Parks, den groß dimensionierten Verkehrsschneisen, dem unterirdischen leistungsfähigen Abwasser-, Trinkwasser- und Verkehrssystem (Métro) auf den Trümmern des vieux Paris die „Hauptstadt de 19. Jahrhunderts“ (Walter Benjamin) erschufen.  Der „ehemals fraktale Stadtraum [ging] in einen logistischen Gesamtorganismus“ [über], „in dem Menschen, Transportmittel, Waren und Kapital zu zirkulieren begannen[16].

Für Haussmann war die Stadt nicht mehr die Summe einer repräsentativen Architektur, eine „Stadt als Werk der Kunst“[17]. Im Mittelpunkt standen nicht mehr wie bei Hittorff Ästhetik, Streben nach Schönheit und mit Bedeutung aufgeladene Objekte, seien es Plätze, Bauten, Säulen, Obelisken und anderes, sondern strukturierter Raum, der der Nutzung zu dienen hatte, wie die Place de l’Ètoile mit ihren 12 Achsen als riesiger Verteiler und Zirkulationsraum.

Zuvor hatten in der Lebensspanne von Hittorff in Paris andere Kriterien für die Gestaltung der Stadt gegolten:

Unter Napoleon Buonaparte sollte Paris als kulturelles und machtpolitisches Zentrum mit seinen Kunstsammlungen und seinem an der römischen Antike orientierten Klassizismus als neues, glanzvolleres Rom, als Zentrum eines neuen Imperiums alle Hauptstädte Europas überstrahlen und seine Macht und den Ruhm seiner Armee demonstrieren. Diese Botschaft war nicht nur nach außen gerichtet, sondern auch an die eigenen Untertanen. Im Stolz, im Bewusstsein einer so machtvollen Nation anzugehören, sollte die durch die Wirren der Revolution zerbrochene Einheit der Nation wieder beschworen werden.

Die Bourbonen verfolgten mit ihren Aufträgen an die Architekten andere Ziele. Mit ihren Kirchen-Bauten und -Renovierungen wollten sie den Ikonoklasmus an der Sakralarchitektur während der Französischen Revolution auslöschen. Insbesondere Karl X. wollte die Allianz zwischen Thron und Altar wiederherstellen, an das ancien regime anknüpfen und die Erinnerung an das ermordete Königspaar wachhalten. Diesen Zielen dienten die aufwändigen höfischen Inszenierungen einschließlich ihrer ephemeren Architekturen, die Sühnekapelle (chapelle expiatoire) auf dem ehemaligen Friedhof Madeleine (Cimetière de la Madeleine) und die Umwidmung der Place Louis XV in Place Louis XVI. Die Umgestaltung des Platzes mit der Statue Ludwig XVI. wurde nicht mehr realisiert.  

Die Julimonarchie unter Louis-Philippe schließlich, gekennzeichnet durch Bereicherung der produzierenden und finanziellen Bourgeoisie und extremer Armut der Arbeiterklasse, evozierte wiederholte Unruhen der unteren Schichten. In der Beschwörung einer kollektiven Einheit (Stichwort: Place de la Concorde) sollte die gespaltene Gesellschaft durch ikonologische Bilder zusammengeführt und der Terror der Revolution verdeckt werden. Mit der Restaurierung einiger Wahrzeichen von Paris (Notre-Dame, Église Saint-Germain-des-Prés u.a.m.) sollten kollektive Erinnerungsorte neu belebt und ein Gemeinschaftsgefühl geschaffen werden. Mit Gebäuden in verschiedenen historischen Stilen wollte man der Stadt neuen Glanz verleihen, mit Zonen für Freizeit, Unterhaltung und Spiel die Bürger ruhigstellen. Eine Sanierung der Arbeiterviertel unterblieb bei all diesen Aktivitäten.

Jacques Ignace Hittorff beherrschte als Absolvent der École des beau arts, als ehemaliger Architecte des fêtes et cérémonies de la Couronne der Bourbonen und als Künstler in hohem Maße die Fähigkeit, den architektonischen und städtebaulichen Projekten Glanz und Bedeutung zu verleihen. Hittorff dachte in emblematischen Bildern und Räumen, aufgeladen mit Geschichte und kulturellen Traditionen. Diese Fähigkeit schätzten auch Louis Philippe und danach Napoleon III., der an das Erste Kaiserreich anknüpfen wollte. Doch die Zeiten hatten sich geändert.

Die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert und das damit verbundene rasche Wachstum der Bevölkerung und des Verkehrs hatten in Paris, wie in anderen europäischen Großstädten, zu überfüllten städtischen Zentren, schlechten Wohn-, Arbeits- und Lebensbedingungen geführt. Die teilweise noch mittelalterlichen Infrastrukturen mit Mangel an Licht, frischer Luft, sauberem Trinkwasser und leistungsfähigem Abwassersystem waren Brutstätten für die massive Ausbreitung von Krankheiten und haben zu den katastrophalen Epidemien des 19. Jahrhunderts geführt. Gleichzeitig stellte das wachsende Proletariat, das in diesen überfüllten, ungelüfteten und ungesunden Wohnungen leben musste, einen potentiellen revolutionären Sprengsatz dar. Eine umfassende Umwandlung und Sanierung von Paris waren unumgänglich, weil die Stadt als Gemeinwesen nicht mehr richtig funktionierte.

Diese Transformation wurde flächendeckend rigoros, ja oft brutal, aggressiv und diktatorisch von Haussmann vorangetrieben, der die bis dahin dominierende Beaux-Arts-Elite, zu der Hittorff gehörte, in der städtischen Bauverwaltung ablöste, weil er der Auffassung war, dass diese die Modernisierung von Paris nach ihren Beaux-Arts-Normen und wegen ihres Elitebewusstseins nicht bewältigen und mittragen könnten. Das Heer von Architekten wurde zugunsten von Ingenieuren der École des ponts et chaussées und der École polytechnique reduziert, „denn die Ingenieure seien Beamte, die einer straff organisierten Hierarchie angehören und sich ausschließlich dem öffentlichen Dienst widmen…Deren Hierarchieergebenheit befördere die Disziplin und den reibungslosen Ablauf behördlicher Vorgänge.“ [18] Es ging um die Etablierung  technokratischer Regime, „in denen sich Verwalten und Verhalten und nicht zuletzt Gestalten den Kategorien der Rationaliät unterstellen.“ [19]

Die Architekten Victor Baltard und Hittorff behielten zwar ihre Stellen im Service d’architecture. Haussmann wird später in seinen Memoiren behaupten, beiden gleichsam ‚Vernunft‘ eingebläut zu haben. Der Konflikt zwischen Haussmann und Hittorff wird hier überdeutlich und führte zu der zunehmenden Ausgrenzung Hittorffs bei der Gestaltung von Paris. Diese Ausgrenzung hatte ihren primären Grund nicht in Haussmanns technokratischem Regime, wie Pisani meint, sondern sicherlich gleichwertig in einer sehr persönlichen von Neid, Eifersucht und Vorurteilen geprägten Aversion gegenüber Hittorff, wie Haussmanns Memoiren und andere Quellen zeigen.

Hittorffs Wirken in Paris wird im Gedächtnis verschattet und verdrängt von der übermächtigen Gestalt Haussmanns. Und die Stadt Paris hat leider dieser Missachtung Hittorffs Vorschub geleistet.

Während einer der großen Boulevards nach Haussmann benannt wurde, fand sich für Hittorff nur eine kleine, unbedeutende Straße im 10. Arrondissement, die als Sackgasse in der tristen Cité Hittorff endet. [20]

Abb. 13. & 14: Straßenschild rue Hittorff und cité Hittorff, Paris 10. Arrodissement

Ein weiteres Beispiel für die Verdrängung Hittorffs aus dem Gedächtnis der Stadt ist die Informationstafel vor dem repräsentativen Rathaus des 5. Arrondissements am Pantheon-Platz.

Auf dieser Tafel wird der Innenarchitekt genannt, nicht aber die Architekten Jean-Baptiste Guénepin, der den Bau begonnen, und vor allem Hittorff, der dem Rathaus seine charakteristische neo-klassizistische Fassade gegeben hat. Ein weiteres Beispiel dafür, dass Paris nicht sehr respektvoll mit Hittorff umgeht. In Köln gibt es ein Sprichwort: Me moss och jönne könne (Man muss auch gönnen können). Haussmann konnte das nicht und manche Verantwortliche in Paris auch nicht.

Bestattet wurde Hittorff auf dem Pariser Friedhof Montmartre. Dort befindet sich auch das Grab eines weiteren in Köln geborenen und dann in Frankreich eingebürgerten Deutschen, der ebenfalls Bedeutendes für Paris geleistet hat: gemeint ist der Violoncellist und Komponist Jacques Offenbach.

Abb. 15 Grabmal Hittorffs auf dem Cimetière de Montmartre, 4. Division, Avenue de Montebello.  Hittorff ist dort zusammen mit seinem Schwiegervater Jean-Baptiste Lepère bestattet.

Die neben dem Grabmal Hittorffs liegende prächtige neogotische -und natürlich polychrome- Kapelle der Gräfin Potocka ist übrigens auch sein Werk…

Abb. 16: Grabmal der in St. Petersburg geborenen und in 1845 in Paris verstorbenen comtesse Marie Potocka, princesse Soltikoff

In den nachfolgenden Beiträgen soll Hittorffs Wirken in Paris am Beispiel einiger Plätze und Bauwerke veranschaulicht werden. Ausgewählt werden Werke, in denen sich die künstlerischen Vorstellungen Hittorffs am eindrucksvollsten niederschlagen und für deren Bau er neue Techniken und Materialen zu nutzen verstand; weiterhin soll auch berücksichtigt werden, inwieweit sich an den ausgewählten Bauten die Anpassung an die wechselnden Herrschaftsverhältnisse aufzeigen lässt und wo sich die Konflikte mit Haussmann am deutlichsten manifestierten:

– Place de la Concorde

– Place de l’Étoile  (place Charles-de-Gaulle)

– Gare du Nord (Nordbahnhof)

– Sommer- und Winterzirkus (cirque d’étè und cirque d’hiver)

Ulrich Schläger, Köln im September 2023

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Jacob Ignace Hittorff, 1869 (?), von FélixJoseph Barrias ; Quelle: Sammlung Wallraf-Richartz-Museum, Köln

Abb. 2: Élévation principale du temple, in: Restitution du temple d’Empédocle à Sélinonte, ou L’architecture polychrome chez les Grecs. 1851. Quelle: Heidelberger historische Bestände – digital https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/hittorff1851bd2/0007/image,info,thumbs

s.a.https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Reconstruction_of_the_Temple_of_Empedocles,_Selinunte,_Sicily,_by_Jacques_Ignace_Hittorff,_1830_(published_in_1851).webp

Abb. 3: Albumblatt aus Étienne Carjat: Album des Célebrités comtemporaines. Paris 1861-1864

Abb. 4: Hittorffs Geburtshaus (2. von links) am Heumarkt mit der Kirche Klein-Sankt Martin im Hintergrund. Quelle: Karl Hammer: Jakob Ignaz Hittorff – Ein Pariser Baumeister 1792-1867. Pariser Historische Studien; hrsg. Deutsches Historische Institut in Paris, Band 6, 1968, Anton Hirsemann, Stuttgart.

Abb. 5: Anton de Peters, Porträt Ferdinand Franz Wallraf, 1792; Quelle Sammlung Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln

Abb. 6: Jakob Ignaz Hittorff – Haus Schildergasse 84 in Köln, 1808; Quelle: Karl Hammer: Jakob Ignaz Hittorff – Ein Pariser Baumeister 1792-1867. Pariser Historische Studien; hrsg. Deutsches Historische Institut in Paris, Band 6, 1968, Anton Hirsemann, Stuttgart. Siehe auch: https://www.wikiwand.com/de/Schildergasse#Media/Datei:K%C3%B6ln_-_Schildergasse_links_Antonsgasse_mit_Apotheke_zum_goldenen_Kopf,_rechts_Nr._84_altes_Polizeipr%C3%A4sidium,_erbaut_1808,_RBA.jpg

Abb. 7: Henri-Victor Roguier: François-Joseph Bélanger portrait de profil en relief enchâssé dans une couronne de lauriers,  marbre, cimetière du Père Lachaise. https://fr.wikipedia.org/wiki/Fran%C3%A7ois-Joseph_B%C3%A9langer

Abb. 8: Charles Percier von Robert Lefèvre;   Château de Versailles. Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Charles_Percier_par_Robert_Lef%C3%A8vre_-_Ch%C3%A2teau_de_Versailles.jpg

Abb. 9: Jacob Ignaz Hittorff in Italien, Moritz Daniel Oppenheim, 1824, zugeschrieben; Quelle: Kölner Stadtmuseum. Siehe dazu: Michael Keine, Jacques-Ignace Hittorff: The Discovery of Polychromy in the Ancient Architecture of Sicily and the Consequences for Contemporary Art and Archaeology in France 

https://www.nga.gov/research/casva/research-projects/research-reports-archive/kiene-2013-2014.html

Abb. 10:  Jakob Ignaz Hittorff, von Carl Begas, 1821; Quelle: Sammlung Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud   https://www.stylepark.com/de/news/stadtplanung-oeffentlicher-raum-best-practice-jakob-ignaz-hittorff-place-de-la-concorde-paris-ausstellung-    

Abb. 11: Portrait von Madame Jacques Ignace Hittorf als Göttin Juno, von Jean-Auguste-Dominique Ingres. 1864 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Portrait_of_Madame_Jacques_Ignace_Hittorf_as_Juno,_by_Jean-Auguste-Dominique_Ingres,_1864,_oil_on_canvas_-_Krannert_Art_Museum,_UIUC_-_DSC06234.jpg

Abb. 12: Portrait de Baron Haussmann, par Henri Lehmann (circa 1860, Musée Carnavalet) https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Henri_Lehmann_-_Portrait_du_baron_Haussmann_%281809-1891%29,_pr%C3%A9fet_de_la_Seine_%281853-1870%29_-_P2213_-_Mus%C3%A9e_Carnavalet.jpg

Abb. 13. & 14: Straßenschild rue Hittorff und cité Hittorff Paris 10. Arrodissement Fotos: Wolf Jöckel (September 2023)

Abb. 15: Stele des Grabmals von Hittorff auf dem Friedhof Montmartre. http://voyageursaparistome18.unblog.fr/2015/04/05/la-chapelle-sepulcrale-de-la-comtesse-potocka-1845/

Abb. 16: Das von Hittorff entworfene Grabmal der Gräfin Potocka auf dem Friedhof Montmartre http://voyageursaparistome18.unblog.fr/2020/11/28/les-chapelles-neogothiques-du-cimetiere-de-montmartre-1842-1910/

Literatur

  • Karl Hammer: Jakob Ignaz Hittorff – Ein Pariser Baumeister 1792-1867. Pariser Historische Studien; hrsg. Deutsches Historische Institut in Paris, Band 6, 1968, Anton Hirsemann, Stuttgart. Auch zugänglich unter: https://perspectivia.net//publikationen/phs/hammer_hittorff
  • Uwe Westfehling: J. I. Hittorffs Pläne für ein Denkmalforum in Paris. Wallraf-Richartz-Jahrbuch, Vol. 36 (1974), pp. 273-294 (22 pages); https://www.jstor.org/stable/24657147
  • Jakob Ignaz Hittorff. Ein Architekt aus Köln im Paris des 19. Jahrhunderts.
  • Wallraf-Richartz-Museum Köln, Graph. Sammlung, 21. Januar – 22. März 1987. In Zusammenarbeit d. Musée Carnavalet Paris u.d. Wallraf-Richartz-Museums Köln. Red. der ins Dt. übertr. Fassung: Uwe Westfehling u. Antje Zimmermann
  • M. Christine Boyer: The City of Collective Memory: Its Historical Imagery and Architectural Entertainments. MIT Press, 1994
  • Bruno Klein: Napoleons Triumphbogen in Paris und der Wandel der offiziellen Kunstanschauungen im Premier Empire, Zeitschrift für Kunstgeschichte, 59. Bd., H. 2 (1996), pp. 244-269
  • Adeline Grand-Clément. Hittorff, un architecte à l’école de la Grèce. In:  Anabases – Traditions et réceptions de l’Antiquité, 6, 2007, 6, S.135-156. https://journals.openedition.org/anabases/3459
  • Pierre Pinon, Jacques Ignace Hittorff. Institut nationale d’histoire de l’art 2009. Mit einem Verzeichnis der Publikationen Hittorffs und einem Literaturverzeichnis (die deutschen Titel sind allerdings zum Teil fehlerhaft wiedergegeben). https://www.inha.fr/fr/ressources/publications/publications-numeriques/dictionnaire-critique-des-historiens-de-l-art/hittorff-jacques-ignace.html
  • Paris erwacht! Hittorffs Erfindung der Place de la Concorde. Ausstellungskatalog zur gleichnamigen Ausstellung im Wallraf-Richartz-Museum Köln (07.04. – 09.07.2017)
  • Christiane Hoffrath und Michael Keine, 1792 – 1867, Hommage für Hittorff. Bilder, Bücher und Würdigungen. Inventar der Zeichnungen von Jacob Ignaz Hittorff in der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, Band 6. Köln 2020 https://fliphtml5.com/igjcc/gajt/basic
  • Salvatore Pisani: Architektenschmiede Paris – Die Karriere des Jakob Ignaz Hittorff. De Gruyter Oldenburg 2022


Anmerkungen

[1] Karl Hammer: Jakob Ignaz Hittorff – Ein Pariser Baumeister 1792-1867. Pariser Historische Studien; hrsg. Deutsches Historisches Institut in Paris, Band 6, 1968, Anton Hirsemann, Stuttgart.

[2] NDB 9, 1972  https://www.deutsche-biographie.de/sfz32651.html#ndbcontent

Siehe dazu auch: Adeline Grand-Clément, Hittorff, un architecte à l’école de la Grèce. In: Varia, Traditions du patrimoine antique 6/2007  https://doi.org/10.4000/anabases.3459

[3] Adeline Grand-Clément: Hittorff, un architecte à l’école de la Grèce  (Anabases 6 ,2007, p. 135-156; hier p. 155)

[4]  Charles Ernest Beulé (1826-1874), Archäologe und Numismatiker. Mitglied derAcadémie des Inscriptions et Belles-Lettres und seit 1862 Secrétaire perpétuel der Académie des Beaux-Arts.

[5] zitiert nach: Adeline Grand-Clément. Hittorff, un architecte à l’école de la Grèce. Anabases – Traditions et réceptions de l’Antiquité, 2007, 6, pp.135-156.  Übersetzung von U. Sch.)

[6] Siehe dazu die Blog-Beiträge: https://paris-blog.org/2023/04/22/das-palais-beauharnais-in-paris-ein-bedeutender-ort-der-deutsch-franzosischen-beziehungen-und-ein-juwel-des-empire-stils-teil-1-bau-und-geschichte/ und https://paris-blog.org/2023/05/01/deutschlands-schonstes-haus-steht-an-der-seine-das-palais-beauharnais-in-paris-teil-2/

[7]Salvatore Pisani: Architektenschmiede Paris – Die Karriere des Jakob Ignaz Hittorff. De Gryter Oldenburg, 2022,  S.26 und 24

[8] Salvatore Pisani, ebd., S.27.

[9]  Salvatore Pisani, ebd., S.30

[10]  Sophie Flouquet, Un Monument réinventé. In: Éditions Beaux Arts. Heft Bours de Commerce. 2021, S. 66

[11]  Salvatore Pisani, ebd., S.40

[11] Salvatore Pisani, ebd., S.36

[12]  Die Alben von Jakob Ignaz Hittorff. Band 5: Sicile ancienne. Universitäts- und Stadtbibliothek Köln 2017https://www.academia.edu/31923660/2017_Sicile_Ancienne_Hittorff_and_the_Architecture_of_Classical_Sicily_Die_Alben_von_Jakob_Ignaz_Hittorff_vol_5_?email_work_card=view-paper Zitat auf der inneren Umschlagseite.

[13] Adeline Grand-Clément. Hittorff, un architecte à l’école de la Grèce. Anabases – Traditions et réceptions de l’Antiquité, 2007, 6, pp.135-156.

[14] siehe hierzu Salvatore Pisani ebd. S.16

[15] siehe hierzu Salvatore Pisani ebd. S.16

[16] Salvatore Pisani, ebd., S. 271.

[17] M. Christine Boyer: The City of Collective Memory: Its Historical Imagery and Architectural Entertainments. MIT Press, 1994

[18] Salvatore Pisani, ebd., S. 271.

[19] Salvatore Pisani, ebd., S. 272.

[20] Bei Wikipedia (abgerufen am 13.9.2023) sind noch alte Straßenschilder mit falschem Namen (Hittorf) und falschem Geburtsdatum (1793) abgebildet. https://de.wikipedia.org/wiki/Rue_Hittorf#/media/Datei:Paris_10e_Cit%C3%A9_Hittorf_175.JPG

Auf der offiziellen Seite des Rathauses (https://mairie10.paris.fr/pages/contact-7603  abgerufen am 13.9.2023) wird ebenfalls noch die falsche Schreibweise des Namens verwendet.

Weitere Beiträge zu Hittorffs Bauten in Paris:

Der Bahnhof von Bobigny, seit 2023 Erinnerungsort der Deportation von Juden nach Auschwitz

Am 18. Juli 2023 wurde der ehemalige Bahnhof von Bobigny als Mahnmal für die Deportation von Juden aus Frankreich offiziell eingeweiht.

80 Jahre vorher hatte der erste Konvoi den Bahnhof Bobigny in Richtung Auschwitz verlassen.

Knapp die Hälfte der Deportierten dieses Konvois wurde nach der Ankunft im Lager sofort in den Gaskammern ermordet, nur von 73 Deportierten weiß man, dass sie die Hölle von Auschwitz überlebten. Zusammengestellt wurden die für die jeweiligen Konvois bestimmten Juden im Durchgangslager von Drancy (ein Blog-Beitrag dazu ist geplant) , das über keinen eigenen Bahnanschluss verfügte. Die Juden wurden also zunächst in Bussen des Pariser Verkehrsbetriebs zum Bahnhof Bourget-Drancy  gebracht; ab Juli 1943 diente der Bahnhof Bobigny als Ausgangspunkt für die Transporte.

Der Bahnhof bestand aus zwei Teilen, einem Abfertigungsgebäude für Fahrgäste und einem Güterbahnhof. Der Fahrgastbetrieb war aber schon vor Beginn des 2. Weltkriegs eingestellt worden. Im Bahnhofsgebäude waren einige für die Deportationen abgestellte Bahnbedienstete mit ihren Familien untergebracht, im Erdgeschoss war Raum für die deutschen Soldaten, die die „Verladung“ der aus Drancy Ankommenden in die Wagen organisierten und überwachten.  Es gab also keine unerwünschten Beobachter.

Dies ist der Fahrgastbahnhof aus den 1920-er Jahren, aufgenommen von der Avenue Henri Barbusse. Rechts verlaufen die Gleise der Grande Ceinture. Der Güterbahnhof befand sich auf der anderen Seite des Gebäudes und hatte einen eigenen Gleisanschluss.  Foto Wolf Jöckel, Januar 2011

Nach dem Krieg diente der Güterbahnhof als Industriestandort und Lager für Eisenschrott. Die besondere Vergangenheit des Bahngeländes war nicht mehr im öffentlichen Bewusstsein.

Bild aus einer Fotoausstellung von Sylla Grinberg „Von Bobigny nach Auschwitz“, die 2011 auf dem Gelände des Bahnhofs gezeigt wurde.

Diese Zeit des Vergessens dauerte bis 1987. Damals teilte die SNCF der Stadt Bobigny mit, dass sie den Abriss des Fahrgastgebäudes beabsichtige. [1]  Bürgermeister war damals Georges Valbon,  gleichzeitig auch Präsident des conseil général des Departements Seine-Saint-Denis. Valbon war die historische Bedeutung des Bahnhofs bewusst, wobei man damals sogar fälschlicherweise davon ausging, dass vom Fahrgastgebäude aus die zur Deportation bestimmten Juden in die Züge verladen worden seien. Um das Ansinnen der SNCF abzuwenden, wandte sich Valbon an den damaligen Premierminister Jacques Chirac und schlug ihm die Einrichtung eines Museums der Deportation auf dem ehemaligen Bahngelände vor. Immerhin hatte Chirac eine besondere Sensibilität, was die Erinnerungspolitik an den Holocaust angeht.[2] 1988 erklärte sich dann die SNCF bereit, ihre Abriss-Absicht „zu überdenken“. Aber es dauerte noch bis 2005, bis endlich– vier Jahre nach dem Lager von Drancy-  die Anlage  unter Denkmalschutz gestellt wurde. Das Gelände wurde von Eisenschrott und Überwachsung befreit, die Bohlen der Eisenbahnschienen freigelegt und einige Informationstafeln angebracht.[3]

Am 25. Januar 2011 übertrug die SNCF in einer öffentlichkeitswirksamen Feierstunde das ihr gehörende Gelände an die Stadt Bobigny, und es wurde vereinbart, die Anlage zu einem „Haut Lieu du Souvenir de la Déportation“ zu entwickeln.

Aufräumarbeiten nach der Feierstunde. Foto: Wolf Jöckel Januar 2011

Die SNCF übergab damals das Bahngelände an die Stadt und verpflichtete sich, die marode große Lagerhalle zu renovieren, an der die Deportationszüge abfuhren.

Immerhin ist der Bahnhof von Bobigny der einzige und bedeutendste noch existierende Ort in Frankreich, der an die Deportation von Juden erinnert. In 13 Monaten, vom Juli 1943 bis zum 17. August 1944- wenige Tage vor der Befreiung von Paris- wurden von hier aus 22 407 Männer, Frauen und Kinder in plombierten Viehwagen im Rahmen der sog. „Endlösung“ nach Osten, vor allem in das Todeslager von Auschwitz-Birkenau, transportiert.

Bis 2023 war das Gelände allerdings abgesperrt und meist unzugänglich. Ein Zutritt war nur im Rahmen von vereinbarten Führungen möglich. Der zögerliche Umgang mit der angemessenen Würdigung des Ortes hat vielfältige Gründe. Ganz generell hat die Bedeutung des Völkermords an den Juden erst spät im öffentlichen Bewusstsein einen gebührenden Platz erhalten. In Frankreich kam dazu, dass General de Gaulle nach dem Krieg von einem einzigen Frankreich sprach, das Widerstand gegen die deutschen Besatzer geleistet habe. Die französischen Polizisten, die Internierungslager bewachten und die den Nazis die von ihnen verhafteten Juden auslieferten, passten ebenso wenig in das Bild des im Widerstand geeinten Volkes wie die Deportationszüge, die aus Wagons der SNCF zusammengestellt waren.

Claude Tartas, der als kleiner Junge mit seinen Eltern in dem Fahrgastgebäude wohnte, berichtet:

„Vom Fenster unserer Wohnung sah ich die Busse, die die Juden die Rampe hinunter zur Lagerhalle fuhren (…) Am Tag vor der Abfahrt eines Konvois wurde Bahnpersonal von den Deutschen requiriert, um bestimmte Arbeiten zu verrichten: Die Wagen zu rangieren, die Öffnungen mit Stacheldraht zu verschließen, einen Wasserbehälter in die Mitte der Wagen zu stellen etc.“ (Broschüre, S. 6)

Und es war auch französisches Bahnpersonal, das die Konvois bis zur deutschen Grenze fuhr. Dass die französische Polizei Handlanger der nationalsozialistischen Judenverfolgung war, konnte aber nicht auf Dauer verdrängt werden: 1967 wurde das Buch von Claude Lévy und Paul Tillard über die große Pariser Judenrazzia La grande rafle du Vel d’Hiv“ veröffentlicht, in dem zum ersten Mal in großer Breite und Eindringlichkeit die Mitverantwortung der Regierung von Vichy und die Beteiligung der französischen Polizei dargestellt wurde. Der Zeichner Cabu von Charlie Hebdo hatte dazu eindringliche Zeichnungen beigesteuert. Und es gab einige Jahre später den spektakulären Fall des Maurice Papon: Der war  im Zweiten Weltkrieg als Generalsekretär der Präfektur von Bordeaux verantwortlich für die Verhaftung von etwa 1600 Juden, die zwischen 1942 und 1944 zunächst nach Drancy und von dort weiter über die Bahnhöfe Bourget-Drancy und Bobigny nach Auschwitz deportiert wurden. Papon machte nach dem Krieg mit ausdrücklicher Billigung de Gaulles weiter Karriere, wurde Pariser Polizeichef und sogar Minister, bis 1981 die satirische Wochenzeitschrift Le Canard enchaîné seine unheilvolle Vergangenheit aufdeckte.  

Bei der französischen Staatsbahn dauerte die Konfrontation mit der dunklen Seite ihrer Geschichte länger: Die cheminots, die Bahnbediensteten, hatten ja das von Kommunisten, Sozialisten und Gaullisten gemeinsam gepflegte Renommee, gewissermaßen die „Speersitze der Résistance“ gewesen zu sein.[4] Der Mythos eines kollektiven  Widerstands der cheminots entstand schon direkt nach dem Krieg, wobei der Film „La Bataille du Rail“ von 1946 eine wesentliche Rolle spielte. Initiiert wurde er, wesentlich geförderdert von der Direktion des Unternehmens, von der Widerstandsbewegung innerhalb der SNCF. Der Film erhielt auf dem ersten Festival von Cannes die Goldene Palme, der Regisseur  wurde ebenfalls preisgekrönt.[5]

Erst 2011 gestand Guillaume Pepy, der damalige Vorstandsvorsitzende der SNCF zu, dass sein Unternehmen, wenn auch gezwungenermaßen, ein Rad in der nationalsozialistischen Maschinerie der Vernichtung gewesen sei.[6] Nachgeholfen hat dabei wohl auch die Drohung, ohne ein solches Schuldeingeständnis von lukrativen amerikanischen Aufträgen für Schnellzugverbindungen von vornherein ausgeschlossen zu werden…[7]

Das neue Mahnmal

Das im Juli 2023 offiziell eingeweihte Mahnmal ist kein traditionelles geschlossenes Museum. Es umfasst das ehemalige Bahngelände, auf dem so weit wie möglich Spuren der Deportationszeit bewahrt sind und auf dem an mehreren Stationen anschaulich und eindrücklich Informationen vermittelt werden.

Eingangspavillon mit Infotafeln

Hier ein Luftbild des Lagers von Drancy, der cité de la Muette. Es handelte sich eigentlich um ein innovatives Projekt des sozialen Wohnungsbaus, das, kurz vor seiner Fertigstellung Ende der 1930-er Jahre, als Internierungslager genutzt wurde: Von der Französischen Republik für republikanische Spanienflüchtlinge und nach Kriegsbeginn für deutsche Staatsbürger, also vor allem Menschen, die wegen Verfolgung aus politischen oder rassistischen Gründen aus Nazi-Deutschland geflüchtet waren, nach dem Sieg der deutschen Wehrmacht zunächst  für französische und britische Kriegsgefangene und schließlich als Zwischenstation und Sammellager für Juden, bevor sie im Zuge der „Endlösung“ in die Vernichtungslager transportiert wurden.

Diese Infotafel zeigt die Lage des Ínternierungslagers Drancy, das rot markiert ist, und der Bahnhöfe Bourget-Drancy (links oben auf dem Plan) und Bobigny (Mitte links). Beide Bahnhöfe lagen in der Nähe des Lagers und gehörten zur „Grande ceinture“, einer – im Gegensatz zur Petite Ceinture-  Paris in weitem Bogen umrundenden Eisenbahnlinie, so dass die Transporte – ohne Paris zu berühren- direkt nach Osten dirigiert werden konnten. Der Bahnhof Bobigny hatte dazu den Vorteil, dass er fast völlig von der Umwelt isoliert war. Deshalb wurde er von Alois Brunner, dem SS-Hauptsturmführer und Eichmann-Vertrauten, der im Juli 1943 das Kommando in Drancy übernahm, zum Ausgangspunkt der Transporte in die Vernichtungslager bestimmt.

Der Weg zum Güterbahnhof und zum Fahrgastgebäude

Die Rampe, die die Deportationsbusse zu den bereitgestellten Zügen hinunterfuhren, gibt es nicht mehr. Dafür wurde jetzt ein leicht zick-zack-förmiger Weg angelegt, der von mächtigen Holzpfählen gesäumt ist: Darauf kurze Sätze von Deportierten, auch Botschaften, die sie aus den Fenstern der Viehwagen geworfen haben.

Lastwagen warten darauf, uns zum Bahnhof von Bobigny zu fahren.

Verladung am 18.7.43 morgens um 6.30 Uhr am Bahnhof Bobigny (Seine) auf unmenschliche und bestialische Weise

Heute Morgen bin ich nach Osten abgereist. Lebewohl! Auf Wiedersehen vielleicht

Wenn es los geht, sagten die Älteren, gehe es nach Pitchipol. (Pitchipol bedeutet etwas sehr weit Entferntes, Unbekanntes). Simone Lagrange, Konvoi 76 vom 30. Juni 1944.

An der Wand des Fahrgastgebäudes befinden sich zwei Erinnerungstafeln: Die obere erinnert an die Deportation jüdischer Männer, Frauen und Kinder von den Bahnhöfen Bobigny und Bourget. Sie stammt aus dem Jahr 1993. Initiator der Tafel war der damalige Bürgermeister von Bobigny Georges Valbon. In einer Zeit, in der die Zukunft des Bahngeländes noch völlig ungewiss war, hatte diese Plakette eine eminente politische Bedeutung.

Die kleinere untere Erinnerungstafel erinnert an den Konvoi 73, den einzigen Konvoi, der nur aus Männern bestand und nicht Auschwitz als Ziel hatte, sondern Kaunas in Litauen und Talinn in Estland, was lange nicht bekannt war. Familien und Freunde dieses Konvois gründeten schließlich einen Verein, um die Geschichte des Konvois zu erforschen und an Jüngere weiterzugeben. Dieser Verein stiftete die Plakette und organisierte vor dem Fahrgastgebäude Gedenktage.

Die Mauer

Vor dieser Mauer verliefen die -heute freigelegten- Gleise, auf denen die Deportationszüge bereitgestellt wurden.  Heute befindet sich davor eine Plattform, die den Maßen eines der für die Deportation benutzten Wagons entspricht. Dort können an Gedenktagen Blumen abgelegt werden.

Darüber ein Ausspruch, der Paul Eluard zugeschrieben wird:   

Si l’écho de leurs voix faiblit, nour périrons

Wenn das Echo ihrer Stimmen schwindet, werden wir zugrunde gehen

Davor liegen noch die alten Pflastersteine, über die die Deportierten gegangen sind, bevor sie in die Wagons einstiegen. (Die glatten Steine auf der rechten Seite bestehen aus durchgeschnittenen alten Pflastersteinen).

Aufschriften auf dem vor dem Lager Drancy aufgestellten Wagon: 8 Pferde oder 40 Menschen. Meistens wurden allerdings wesentlich mehr Deportierte in den Wagen zusammengepfercht.

Wenn man in Bobigny aus den Bussen von Drancy aussteigt, gibt es keine französischen Polizisten mehr. Ich höre Schreie, Befehle, Gebrüll. Wir werden gewaltsam zusammengedrängt. Dann werden wir zum Bahnsteig geschoben. Ich sehe den Güterzug und denke naiv, dass er abfährt und ein anderer Zug für uns eintrifft. Aber wir werden wieder zu den Wagons gedrängt: Schnell! Es ist das erste Wort, das ich auf Deutsch lerne. (…)

Die Wagons werden verriegelt.. Die Nacht bricht herein und ich habe keine Angst. Ich denke, dass wir auf den Feldern oder in der Fabrik arbeiten können. Mein kleiner Neffe ist 14 Jahre alt, aber er sieht aus wie ein junger Mann, er ist stark und weiß sich zu helfen. Was meinen Vater angeht, er kann mit einer Nähmaschine umgehen, ich versichere ihm: „Sie stecken dich in die Werkstatt!“ Wie hätte ich daran zweifeln können?“

Ginette Kolinka wurde mit ihrem Bruder, ihrem Vater und ihrem Neffen von Bobigny nach Auschwitz-Birkenau deportiert.[8]

Fotos: Wolf Jöckel, November 2017

Dies ist ein Wagon, wie er für die Deportationen verwendet wurde. Er steht in Drancy zwischen dem früheren Lager und der Außenstelle des Mémorial de la Shoah. Es gab wohl auch Überlegungen, den Wagon in den neuen Erinnerungsort in Bobigny zu überführen, wohin er eigentlich besser passen würde, die allerdings nicht umgesetzt wurden.

Ein Wagon wird von einem Wehrmachtssoldaten verschlossen und verriegelt. Ein französischer Gendarm schaut zu. Eine Zeichnung von Cabu aus dem Jahr 1967 [9]

Ida Grinspan, deportiert am 10. Februar 1944 mit dem Konvoi 68:

Der kleine, altmodische Bahnhof Bobigny war unser letztes Bild einer zivilisierten Welt (…) Die Hölle beginnt mit der absoluten Enge des Wagens, dessen einziges Oberlicht ein dünnes, maschenförmiges Rechteck zum Winterhimmel öffnet. Man hat es schon oft gesagt: Nichts zum Ausstrecken auf dem Boden, kaum genug Platz, um auf ein paar Strohballen zu sitzen. In der Mitte des Wagens ein Eimer Wasser, der bald leer sein wird, und ein Eimer als Toilette, der schnell voll ist.[10]

Die Lagerhalle

Ein Güterbahnhof als Ausgangspunkt für die Judentransporte entsprach völlig der nationalsozialistischen Rassenideologie. Jetzt soll die Lagerhalle als Ort für Konferenzen, Diskussionen, Ausstellungen, Konzerte und andere künstlerische Aktivitäten genutzt werden.

An der weißen Tafel auf der von hier aus sichtbaren Seitenwand sind Briefe und Botschaften von Deportierten wiedergegeben.

„Verladung am 18.7.43 morgens um 6.30 Uhr am Bahnhof Bobigny (Seine) auf unmenschliche und bestialische Weise. Männer-Frauen-Kinder. Alles durcheinander, Als Wegzehrung zwei  Eimer Wasser und Brote. 40 Menschen in plombierten Viehwagen, die Fenster mit Stacheldraht versperrt.   Aus dem Zug geworfene Nachricht von Jacques Baltar – Konvoi Nr. 57 vom 18. Juli 1943

Die Stelen

Eine lange Reihe von Stelen aus Stahl erinnert an alle Konvois, die in Frankreich zusammengestellt wurden. Eingezeichnet sind die Nummer des jeweiligen Konvois, sein Datum, die Zahl der Deportierten, wobei die Kinder gesondert aufgeführt sind, Ausgangs- und Endpunkt des Konvois, meist auch der Anteil der bei der Ankunft des Konvois sofort Ermordeten und die Zahl der (wenigen) Überlebenden.[11]

Öfters gibt es auch noch zusätzliche Informationen:

Die Deportierten des Konvoi 10 vom 24. Juli 1942 waren ausschließlich ausländische Juden, die in Frankreich Zuflucht gesucht hatten und die bei der großen Judenrazzia des Wintervelodroms (Vel‘ d’Hiv) vom 16./17. Juli 1942 ergriffen worden waren. Zum ersten Mal bestand dieser Konvoi mehrheitlich aus Frauen. Nur 6 Überlebende des Konvois sind bekannt.

Im August 1942 wurden besonders viele Kinder der Razzia des Wintervelodroms deportiert und es wird damit an ein für Frankreich besonders schmerzliches Kapitel seiner Geschichte erinnert. Es war ja die französische Verwaltung, die diese Razzia vorbereitete, und es waren französische Gendarmen, die sie durchführten. Wurden zunächst die von der deutschen Besatzungsmacht angeforderten arbeitsfähigen Männer und Frauen deportiert, so jetzt auf ausdrücklichen Wunsch der Vichy-Regierung auch die Kinder.

Die ersten Stelen für die Konvois aus Le Bourget sind diagonal aufgestellt, die Stelen für die nachfolgenden 21 Konvois aus Bobigny direkt dem Betrachter zugewandt. Dazwischen ist eine „Lücke“ – einen Konvoi 56 gab es nicht.  

Der Konvoi 77 ist der letzte große Konvoi aus Bobigny.  Es ist ein besonders großer Konvoi, was bedeutet, dass die Deportierten noch weniger Platz in den Viehwagen hatten: Die im Bahnhof bereit gestellten Züge hatten immer die gleiche Anzahl Wagen.

 Bemerkenswert ist auch die große Anzahl von Kindern: Alois Brunner machte besonders Jagd auf sie. Am bekanntesten sind die Kinder von Izieu, die überwiegend mit dem Konvoi 71 nach Auschwitz deportiert wurden.

Bemerkenswert ist schließlich das Datum dieses Konvois: Am 6. Juni 1944 waren die Alliierten in der Normandie gelandet. Genau am 31. Juli, als der Konvoi 77 Bobigny verließ, durchbrachen die alliierten Truppen bei Avranches die deutsche Verteidigungsfront. Der Weg nach Süden und Osten war damit frei. Aber auch in den Wochen der erbitterten Kämpfe in der Normandie wurden die Konvois mit großer Intensität fortgesetzt; anders als 1942/1943: Damals gab es eine Unterbrechung – die einzige in der frenetischen Abfolge der Konvois, und zwar zwischen den Konvois 45 (11.11.1942) und 46 (9.2.1943). Grund war die Besetzung des Vichy-Territoriums durch die damit beschäftigten deutschen Truppen im November 1942. Im Sommer 1944, als der „Endsieg“ in weite Ferne gerückt war,  hatte die Exekution der „Endlösung“  Priorität…

Sammelpunkt für die zur Deportation bestimmten Juden war das Lager Drancy. Es gab noch andere Sammellager wie Pithiviers oder Beaune-La-Rolande, aber der Weg zur Deportation führte über Drancy. Und von dort aus nach Bourget oder Bobigny, wo die Züge nach Auschwitz abfuhren.[12]

Erinnerungsplakette im Gare de l’Est in Paris. Foto: Wolf Jöckel

Von 1942 bis 1944 wurden 70 000 Juden aus Frankreich, davon 11 000 Kinder, aus den Bahnhöfen Drancy, Bobigny, Compiègne, Pithiviers und Beaune-la-Rolande in die nationalsozialistischen Vernichtungslager deportiert. Nur 2500 von ihnen überlebten. Vergessen wir das niemals! Die Söhne und Töchter der aus Frankreich deportierten Juden.

Der Weg von Bobigny nach Auschwitz

Abfahrt Paris Bobigny

Nach 6 Stunden 30 Minuten: Bar-le-Duc

Nach 10 Stunden Metz

Nach 13.30 Stunden Saarbrücken

Nach 19 Stunden 40 Minuten Frankfurt

Nach 30 Stunden 35 Minuten Engelsdorf bei Leipzig

Nach 33 Stunden 50 Minuten Dresden

Nach 37 Stunden 50 Minuten Görlitz

Nach 51 Stunden 35 Minuten Kattowitz

Nach 53 Stunden

Ankunft Auschwitz-Birkenau

Dies ist die Stele für den allerletzten Konvoi aus Bobigny. Er verließ Bobigny am 17. August, eine Woche vor der Befreiung von Paris. Zu diesem Konvoi gehörten der Kommandant von Drancy Alois Brunner und weiteres deutsches Militärpersonal – sicherlich nicht in Viehwagons untergebracht. Die Deportierten des Konvois sollten im Bedarfsfall als Geiseln verwendet werden.

Brunner gelang die Flucht, er tauchte zunächst in Ägypten, dann in Syrien unter, wo er unter dem Präsidenten Hafez-el-Assad, dem Vater des heutigen syrischen Machthabers, als Berater beim Aufbau eines Repressionsapparates fungierte. Beate und Serge Klarsfeld machten sich auf seine Suche, konnten aber nicht erreichen, dass Brunner  -wie Eichmann- zur Rechenschaft gezogen wurde.[13] Brunner starb 2001 in einem syrischen Versteck, bis zum Schluss fest davon überzeugt, richtig gehandelt zu haben.

Der Point X

Der Point Z markiert die Einmündung der Gleise des Güterbahnhofs in die Grande Ceinture und -über den Knotenpunkt Noisy le Sec- in die Vernichtungslager führende Bahnlinie nach Osten. 

Foto: Wolf Jöckel Januar 2011

Simone Veil, die spätere französische Gesundheits- und Sozialministerin und Präsidentin des Europäischen Parlamens,  wurde am 13. April 1944 im Alter von 16 Jahren mit ihrer Mutter und ihrer Schwester mit dem Konvoi 71 von Bobigny nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Aus ihrer Autobiographie:

Am 13. April wurden wir um fünf Uhr morgens verladen für eine neue Etappe dieses anscheinend endlosen Abstiegs in die Hölle. Busse brachten uns zum Bahnhof Bobigny, wo wir in Viehwaggons steigen mussten, die einen sofort nach Osten losfahrenden Konvoi bildeten. Da es weder zu kalt noch zu heiß war, wurde der Albtraum nicht zur Tragödie. (…) Die Reise dauerte zweieinhalb Tage; vom 13. April im Morgengrauen bis zum Abend des 15. in Auschwitz-Birkenau. Dies ist eines der Daten, die ich nie vergessen werde, zusammen mit dem meiner Rückkehr nach Frankreich, dem 23. Mai 1945. Sie sind Meilensteine ​​in meinem Leben. (…) Sie bleiben mit meinem tiefsten Inneren verbunden, wie die eintätowierte Nummer 78651 auf der Haut meines linken Arms.[14]

Praktische Informationen

La gare déportation de Bobigny, lieu de mémoire
151 avenue Henri Barbusse
93000 BOBIGNY

Zugang mit öffentlichen Verkehrsmitteln:

Métro Linie 5 bis Station Pablo Picasso, umsteigen in Straßenbahn T 1 Richtung les Courtilles  bis Station Escadrille Normandie-Niemen. Von dort aus kurzer Fußweg auf der avenue Henri Barbusse

Oder:

Métro Linie 5 bis Porte de Pantin. Von dort Bus 152 in Richtung Bondy Jouhaux-Blum bis Haltestelle gare/Bahnhof (Grande ceinture)

Öffnungszeiten:

Mittwochs bis sonntags von 9.30 bis 12.30h und von 14 bis 17 h

Informationstafeln in französischer und englischer Sprache.


Anmerkungen

[1] Siehe die Broschüre „L’ancienne gare de Bobigny, un lieu de la Déportation des internés du camp de Drancy. L’histoire, passée, présente et à venir d’un site. Herausgegeben von der Stadt Bobigny. Ohne Jahresangabe.  Ich erhielt 2011 bei einem Besuch des Bahngeländes eine noch nicht endgültige Version der Broschüre – damals noch mit zahlreichen Fehlern bei deutschen Ausdrücken. In der Broschüre gibt es eine ausführliche Zeittafel, in der die Zeit von 1946-1987 mit der Überschrift „L’oubli“ versehen ist. Ich hatte im Januar 2011 Gelegenheit, das Gelände mit Anne Bourgon zu besuchen. Anne Bourgon war zwischen 2007 und 2015 seitens der Stadt Bobigny für die „réhabilitation de cette friche ferrovieaire“ zuständig. ( Siehe das Interview mit Anne Bourgon in Libération vom 27. Januar 2023:  la gare de déportation de Bobigny est «un espace vide qui parle de l’absence et il ne fallait surtout pas le remplir»

[2] https://paris-blog.org/2022/07/09/vor-80-jahren-die-grose-razzia-des-wintervelodroms-vel-dhiv/  Siehe auch:  https://books.openedition.org/editionsmsh/3600?lang=de

[3] Siehe dazu: Frédérique Pelletier, Le long chemin vers un lieu de mémoire. In: Ancienne gare de déportation de Bobigny. Un mémorial à ciel ouvert. Bobigny 2023. Diese Broschüre liegt im Eingangspavillion aus. Weiterhin als Broschüre zitiert.

[4] Siehe Sébastien Albertelli,  Les cheminots, fers de lance de la Résistance française et acteurs majeurs de la Libération. In:  Jean Lopez und Olivier Wieviorka (Hrsg), Les mythes de la Seconde Guerre mondiale (2018), S. 113 bis 124  

[5] https://www.lexpress.fr/economie/sncf-1940-1944-conte-enquete-sur-un-mythe-francais_1428784.html

[6]https://www.google.com/search?q=https%3A%2F%2Fwww.lemonde.fr%2Fsociete%2Farticle%2F2011%2F01%2F25%2Fbobigny-la-sncf-doit-s-expliquer-sur-son-role-dans-la-shoah_  „Guillaume Pepy, a reconnu que son entreprise, bien que „contrainte, réquisitionnée“, fut „un rouage de la machine nazie d’extermination“.

[7] La SNCF s’excuse pour son rôle dans la déportation. L’entreprise a exprimé „peine et regret“ alors qu’elle était menacée d’être évincée d’un appel d’offres américain. https://www.lexpress.fr/societe/la-sncf-s-excuse-pour-son-role-dans-la-deportation_936096.html

[8] Auszug aus ihrem Buch Retour à Birkenaus, Grasset 2019. Zitiert in der Broschüre, S. 8

[9] Le „convoi des femmes“: Pithiviers, le 3 août 1942/Der „Konvoi der Frauen“: Pithiviers, 3. August 1942. Le Nouveau Candide Nr. 316 vom15. Mai 1967  Siehe: https://paris-blog.org/2022/07/17/zeichnungen-der-razzia-des-vel-dhiv-von-cabu-eine-ausstellung-im-memorial-de-la-shoah-in-paris/ 

[10] Zitiert in Un mémorial à ciel ouvert, S. 7

[11] Eine genaue Auflistung aller Konvois mit näheren Informationen bei: https://fr.wikipedia.org/wiki/Convois_de_la_d%C3%A9portation_des_Juifs_de_France

[12] Nachfolgendes Bild: https://www.sortiraparis.com/arts-culture/exposition/articles/286742-ile-de-france-le-memorial-de-l-ancienne-gare-de-deportation-de-bobigny-ouvre-ses-portes

[13] Siehe dazu: Beate et Serge Klarsfeld, Mémoires. Flammarion 2015. S. 475f: Sur la piste  de Alois Brunner und S, 521/522: Contre Brunner, de New York à Berlin-Est. Und: S. 531-535: Derniers rebondissements dans l’affaire Brunner.

[14] Aus: Simone Veil, Une vie. 2007. Zit. Broschüre, S. 7, Übersetzung W.J.