Normandie (Teil 1): Die allgegenwärtige Vergangenheit

Der nachfolgende Text ist ein ganz spezieller Reisebericht. Es geht –im ersten Teil- um die allgegenwärtige Vergangenheit des 6. Juni 1944, also des Débarquement bzw. des  D-day, und der darauf folgenden Kämpfe zur Befreiung Frankreichs von der nationalsozialistischen Besatzung. Auf Spuren dieser Vergangenheit stößt man  auf Schritt und Tritt, ja man wird, teilweise  geradezu aufdringlich, darauf hingewiesen, gehören  sie doch, eher mehr noch als der Teppich von Bayeux, sozusagen zur touristischen Grundausstattung der Region.

In zwei nachfolgenden Teilen soll dann auf Schattenseiten dieser Vergangenheit eingegangen werden, die es auch gibt, die sich aber weniger für ein touristisches Marketing eignen:  Die Erinnerung an die  zivilen Opfer, vor  allem der Bombardements vor, während und nach dem  Débarquement (Teil 2) und schließlich:  Der „Atlantikwall“ als steinernes Zeugnis der Collaboration und  die Rolle der alliierten Truppen, die nicht durchweg dem gerne gepflegten Bild der heroischen und selbstlosen Befreier entsprach (Teil 3).  

Seit wir uns in Paris niedergelassen haben, verbringen wir öfters einige Tage im Jahr in der Normandie: Da wohnen wir im Maison de campagne unserer Freunde Marc und Marie-Hélène: ein altes  Bauernhaus, deren frühere Besitzer offenbar Cidre hergestellt haben: Eine Tür in der Scheune hat eine bauchige Form, damit die Fässer gut hindurch passten. Die Lage ist wunderbar:  gleich daneben die romanische Kirche mit einem alten Friedhof, wo wir abends manchmal hingehen, um die letzten Sonnenstrahlen zu genießen und den Blick auf die weiten Felder und auf den Turm der Klosterkirche von Cérisy. Die Ruhe ist –wenn man  von Paris kommt- besonders eindrucksvoll – was man hört sind das Zwitschern  der Vögel, das Muhen der Kühe und morgens und abends die Kirchenglocken. Im Frühjahr freuen wir uns über die Primeln und Orchideen am Wegesrand, dann über die blühenden  Apfelbäume, im Sommer und Herbst über das nahe gelegene Meer und lange Strandspaziergänge. Überall in der Umgebung gibt es Wochenmärkte, in denen die Bauern ihre Produkte anbieten, Fischhallen, in denen man frisch angelandeten  Fisch kaufen kann, Cidre- Bauern, die auch naturreinen Apfelsaft und Calvados verkaufen. Natürlich scheint  nicht immer die Sonne, worüber sich Bewohner aus anderen Regionen Frankreichs gerne mokieren, aber in „unserem“ Bauernhaus gibt es einen riesigen offenen Kamin, um den  herum man sich es abends gemütlich machen kann. Insgesamt: Idylle pur.

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Aber es gibt dahinter auch die  überall präsente Vergangenheit, und das gilt selbst in der beschriebenen Idylle: Der Wetterhahn auf dem Kirchturm der alten Kirche ist von Kugeln durchsiebt. Und es gibt überall in der Landschaft und in den Ortschaften des Bessin Denkmäler die daran erinnern, was dort 1944 geschah. Besonders eindrucksvoll in Trevières, der ersten befreiten Stadt der Normandie: Im ehemaligen und nicht wiederaufgebauten  Zentrum des Städtchens steht eine bronzene Marianne zu Ehren der Gefallenen des Ersten Weltkrieges, deren Gesicht 1944 durch eine Granate abgerissen wurde.

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Vor allem aber gibt es  –hier wie an vielen anderen Stränden Frankreichs-  die vielen Bunker und ehemaligen Geschützstellungen des sogenannten Atlantikwalls, manchmal  noch halb versteckt im Boden vergraben, manchmal mit brutaler Präsenz an markanten Positionen sich präsentierend, manchmal als zersprengte Ruinen über die Strände verstreut.

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Omaha Beach

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Bei unseren Normandie-Ausflügen ist diese Vergangenheit aber in besonderem Maße allgegenwärtig, befinden wir uns doch im Bereich der „Landungsstrände“, der 5 normannischen Strände also, an denen am 6. Juni 1944, dem sogenannten D-Day,  alliierte Truppen landeten. Und der uns am nächsten liegende – und wie wir finden: schönste- Strand ist der Omaha-Beach, auch bloody Omaha genannt, an dem das Débarquement die meisten Opfer unter den Landungstruppen forderte.

Da gibt es denn eine ganze Reihe von Museen, zum Beispiel das  repräsentative Overlord-Museum in Colleville (Overlord ist der Deckname für das Landungsunternehmen) mit seinen herausgeputzten Erinnerungsstücken, aber auch –wie in Vierville auf der anderen Seite von Omaha-Beach-  kleinere Ausstellungen mit verrostetem Landungsschrott am Straßenrand.

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Und es gibt am Omaha-Beach überall, manchmal protzig und unübersehbar, manchmal bescheiden, Denkmäler für einzelne Einheiten der amerikanischen Landungstruppen, die an deren jeweiligen Beitrag zur Landung erinnern und an die dabei erbrachten Opfer.

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Und schließlich befindet sich am Strand das künstlerisch gestaltete zentrale Denkmal, an dem sich 2014 zum 70. Jahrestag der Landung Repräsentanten der damals beteiligten Staaten versammelten, Obama, Putin, Hollande, Merkel, Elisabeth II. – eine Gelegenheit über aktuelle Krisen zu sprechen und auch Gelegenheit für ein erstes Gespräch zwischen  Putin und dem ukrainischen  Präsidenten Poroschenko. Da hat die Geschichte immerhin einmal –im Ansatz- zu den daraus zu ziehenden Konsequenzen Anlass gegeben.

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Ganz nahe dabei und ganz  unscheinbar ist an der Mauer der Uferpromenade eine Tafel angebracht, die an die Operation „Aquatint“ erinnert,  ein englisches Kommandounternehmen vom September 1942, das aber scheiterte und mit dem Tod oder der Gefangenschaft des gesamten Kommandos endete- darunter auch einem Polen, einem Holländer und einem Sudetendeutschen…

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Manchmal wird man übrigens auch noch auf andere Weise an die blutige Vergangenheit dieser Strände erinnert: Vor einigen Jahren verspürte ich beim Schwimmen am Omaha-Beach plötzlich einen heftigen Schmerz im Bein. Ich hatte es mir an einem der noch im Sand steckenden rostigen  Überreste der Landung aufgerissen, die nur bei Ebbe sichtbar sind. Und obwohl noch bis in die 1950-er Jahre hinein die Aufräumarbeiten am Strand andauerten, gibt es noch genug solcher Erinnerungsstücke im Meer: Reste von Landungsbooten, von „Rommel-Spargeln“ und des auch an  diesem Strand eingerichteten künstlichen Hafens Mulberry A,  der aber zwischen dem 19. und dem 21. Juni 1944 in einem Sturm zerstört wurde. Wenn man bedenkt, dass er allein 15 km stählerne, auf dem  Meer schwimmende Straßen umfasste, kann man sich vorstellen, wie viel Schrott -150.000 Tonnen-  dabei entstand….

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Die Landungsstrände sind schon seit langem –und immer noch- ein touristischer Anziehungspunkt ersten Ranges, auch oder vor allem für amerikanische, britische oder kanadische Touristen. Früher waren das oft noch Veteranen, jetzt sind es eher Verwandte auf den Spuren ihrer Vorfahren. Für sie gibt es eine Fülle von spezialisierten Angeboten. Da gibt es die Albion Voyages, die „personalisierte und exklusive Rundfahrten mit gebildeten Historikern für die Betreuung von Familien und Veteranen“ anbietet,  Around Europe Battlefield Tours, denen wir schon einmal im belgischen Ypern begegnet sind, laden zu einer 8-stündigen Privattour an die beiden amerikanischen Landungsstrände ein  (500-800 Euro je nach Teilnehmerzahl), aber es geht auch billiger mit Overlordtour, Churchill Shuttle oder Gold Beach Évasion.  Der besonder Tipp: “Lassen  Sie Geschichte lebendig werden an Bord eines authentischen und mythischen Jeeps aus der damaligen  Zeit.“

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Und Souvenirs gibt es natürlich unzählige und in jeder nur denkbaren Form:

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T-Shirts, Uniformen, Aufkleber, Puzzles, sogar einen deutschen Wehrmachtsteller für 58 Euro und eine deutsche Geschosshülse (vielleicht als Blumenvase verwendbar ?) für 45 Euro. Und damit die Sinne nicht zu kurz kommen: Caramel-Bonbons aus Isigny und den D-day Camembert, von uns auch „Kampfkäse“  genannt, der aber wirklich gut schmeckt und bei unseren Besuchen in der Normandie nie fehlen darf. Die GIs an den Landungsstränden dürften zwar kaum Karamellbonbons gelutscht und normannischen Camembert verzehrt haben, aber offenbar eignet sich der D-day immer noch als marketing-Strategie.

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Lecker ist auch der Normandy- D-day Honig mit der flotten Biene am Maschinengewehr des amerikanischen Panzers:

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Als Schaufensterpuppen dienen schmucke Soldaten, wie hier im Buch- und Presseladen in Trevières:

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Und  es gibt auch  propere, leichtgeschürzte American Pin- up Girls mit Patronengurt…

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Zu den Zielen der D-day-Rundfahrten gehört auch der amerikanische Soldatenfriedhof oberhalb des Omaha Beach. Es ist der zentrale  Soldatenfriedhof für die in der Normandie gefallenen amerikanischen Soldaten, eine grandios gelegene, sehr eindrucksvolle Anlage.

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In dem dazu gehörenden Besucherzentrum werden –wie an anderen alliierten Erinnerungsorten an den Landungsstränden- Geschichten von „competence, courage and sacrifice“ der hier beerdigten  Männer und Frauen und ihrer Kameraden erzählt. Das ist sehr konkret und anschaulich – und geeignete Beispiele gibt es ja auch mehr als genug. Beispielsweise die Erkletterung und Eroberung des 30 Meter über dem Meer auf einer Klippe gelegenen Pointe du Hoc mit seinen strategischen deutschen Artilleriestellungen, der ja auch in dem Film „Der längste Tag“ eine wichtige Rolle spielt. Ein Besuch dort lohnt sich unbedingt: Es ist ein wunderschöner Ort mit Rundumblick, übersät allerdings von den Resten der weitläufigen Befestigungsanlagen und von tiefen, jetzt mit blühenden Primeln und Ginster bewachsenen Kratern,  die –ähnlich wie  in Verdun-  die  Massivität  der Kämpfe anschaulich machen.

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Oder die geniale Idee der Einrichtung künstlicher Häfen, mit denen die deutsche Wehrmachtsführung nicht gerechnet hatte. Die hatte eher mit einem Angriff auf einen der großen Häfen gerechnet, weil ein leistungsfähiger Hafen unabdingbare Voraussetzung für den nachhaltigen Erfolg des Landungsunternehmens war. Aber nach der gescheiterten „Generalprobe“ von Dieppe hatten die Alliierten  erkannt, dass die Eroberung der gut gesicherten Kanalhäfen zu risikoreich war. Stattdessen entwickelten sie das Konzept künstlicher Häfen, das am Omaha Beach zwar scheiterte, sich in Arromanches aber hervorragend bewährte. Sehr lohnend ist eine Klippen- Wanderung von der weiter westlich gelegenen ehemaligen deutschen Geschützstellung von Longues-sur-Mer nach Arromanches, wo man bei Ebbe noch am Strand und in einem  riesigen  Halbrund im Wasser die massiven Reste von Mullberry B sehen kann.

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Dass an solchen  Orten oft auch von heroischen Taten gesprochen  wird, ist verständlich. Umso mehr, als die alliierten Soldaten bei ihrem Einsatz 1944  sicher sein konnten, ihr Leben für eine gute Sache einzusetzen, für die Befreiung Westeuropas und Deutschlands von der deutschen Besatzung bzw. der Hitler-Diktatur – anders als bei  vielen weiteren vorausgegangenen  und nachfolgenden Militäraktionen, wo die Berufung auf hehre Ideale nur Ausdruck ideologischer Verblendung oder Propaganda waren.

Das Gedenken an die zahlreichen deutschen Soldaten, die bei den Kämpfen in der Normandie ihr Leben  gelassen haben, ist da  ungleich schwieriger. Competence, courage und sacrifice ist sicherlich auch ihnen zuzuschreiben, aber wenn die für ein verbrecherisches System und dessen Eroberungskrieg erbracht werden, ist eine Ehrung wie auf alliierter Seite unmöglich. Der Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge, der die drei deutschen Soldatenfriedhöfe in der Normandie betreut, hat aber gewissermaßen aus dieser Not eine Tugend gemacht. Am Beispiel des ganz in unserer Nähe liegenden Friedhofs von La Cambe ist das sehr eindrucksvoll zu erleben: Dort sind 21.300 deutsche Soldaten bestattet –in einer Anlage mit schlichten Steinkreuzen von kleinen in den Rasen eingelassenen Steinplatten mit Namen, Dienstgrad, Geburts- und Todesdaten der hier Bestatteten, so wie auch auf den beiden anderen deutschen Soldatenfriedhöfen.

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Es ist sehr bewegend, durch die Reihen der Grabplatten zu gehen und  sich die Namen und Daten der hier Bestatten anzusehen.

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Da gibt es Kasimir Janiczki, dessen Todesdatum offenbar nicht bekannt ist und von dem, wie sonst immer, kein Dienstgrad angegeben ist: Vermutlich ein Mitglied der sogenannten  „Osttruppen“, Männern aus Osteuropa, die –Rassenlehre hin oder her- gegen Ende des Krieges in der Wehrmacht –und besonders auch am Altlantikwall – Dienst taten. Unterscharführer Fodor Szislawky dürfte wohl auch ein Osteuropäer gewesen sein, allerdings –wie sein Dienstgrad anzeigt- als Mitglied der Waffen-SS – vielleicht in einer der „Fremdenlegionärs“-Einheiten, die die Waffen-SS im Laufe des Krieges aufbaute (wie ja zum Beispiel auch die SS-Division Charlemagne, für die Franzosen zum Kampf gegen den Bolschewismus angeworben wurden). Und da ist auch noch das Grab des Fliegers Hans Martin, der mit noch nicht einmal 18 Jahren in den Tod geschickt wurde- aber vielleicht  hat er sich freiwillig an die Front gemeldet, weil er an den „Führer“ und den „Endsieg“ glaubte. Der Grenadier Fritz Preusser, dessen sterbliche Überreste im Ossuarium von Huisnes-sur-mer liegen, könnte übrigens –vom Alter her- fast der Großvater des jungen Hans Martin sein: Er war 60 Jahre alt, als er im November 1945 –vermutlich als Kriegsgefangener- in Frankreich verstarb: Teil des letzten Aufgebots und auch ein Aspekt des verbrecherischen Charakters des Kriegs.

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Vor all diesen einzelnen Gräbern und unzähligen Grabreihen steht man oft ratlos, immer beschämt und  fassungslos. Und man versteht umso mehr das Wort Albert Schweitzers, das der Volksbund als Mahnung und Auftrag für die von ihm betreuten Friedhöfen versteht: Die  Soldatengräber sind die großen Prediger des Friedens. Auf diese Weise wird die Problematik des Gedenkens an die toten Soldaten des Hitler-Regimes positiv gewendet: Als Auftrag zur Verständigung, zum Frieden- vor allem an die Jugend, für die die Kriege im Herzen Europas nur noch Kapitel in den Geschichtsbüchern sind.

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Besonders deutlich und anschaulich wird dieses Konzept im Friedenspark, der dem Soldatenfriedhof von La Cambe angegliedert ist. Er  besteht aus über 1200 Ahornbäumen, gestiftet von Privatleuten und jeweils versehen  mit einem  kleinen Schild zur Erinnerung an einen nahen Menschen, der im Krieg gefallen ist, manchmal auch mit einer Friedens-Botschaft.

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Und dazwischen stehen Stelen, auf denen in deutsch, französisch und englisch Opferzahlen des Ersten und Zweiten Weltkrieges und der Kriege nach 1945 aufgeführt sind- und das Wort Albert Schweitzers und ein  weiteres von Karl Jaspers: „Die Frage des Friedens ist keine Frage an die Welt, sondern eine Frage an jeden selbst.“ Stoff zum Nachdenken.

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Sehr störend und ärgerlich ist allerdings, dass dieser Ort der Besinnung und des Gedenkens direkt an der vielbefahrenen vierspurigen Europastraße von Caen nach Cherbourg und einem großen Verkehrskreisel gelegen ist. Von „letzter Ruhe“ kann man da kaum sprechen, wenn die Lastwagen vorbeidonnern. Eine ganze Reihe der Friedensbäume sind sogar direkt an den Rand der Schnellstraße zwischen dem Hain auf dem Hügel und dem Friedhof gepflanzt. Der Soldatenfriedhof von Huisnes, von dem aus man einen wunderbaren Blick auf den Mont Saint Michel hat, wäre da ein viel besserer Ort gewesen. Warum also ausgerechnet in La Cambe an der Autobahn? Das fragt man sich -und es ist nur eine von vielen Fragen, die sich aufdrängen-  wenn man mit  historischem Interesse und offenen Augen diese wunderbare Region besucht. Doch dazu mehr im Teil 2.

Eingestellt am 29.4.2016

Das Beitragsbild -die brennenden Kerzen mit der Aufschrift: we will remember for peace- ist aufgenommen in der Kathadrale von Bayeux

 

Ergänzung 2019:

Frankreich hat im Januar 2018 die Aufnahme der Landungssträne in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes beantragt. Der Schauplatz der alliierten Landng „erinnert an den Kampf für Freiheit und Frieden“, heißt es in dem französischen Antrag. Nach Angaben der Region unterstützen ihn mehr als 60.000 Menschen, darunter auch der US-Milliardär Christopher Forbes, dessen Vater Malcolm im Juni 1944 am Utah Beach landete. Die Aufnahme der Strände in die Welterbeliste wäre eine Premiere. Die UNESCO hat noch nie einen Kriegsschauplatz ausgezeichnet. Allerdings wird sie sich nach eigenen Angaben „nicht vor 2021“ mit dem französischen Antrag befassen. (https://science.orf.at/stories/2985601/)

Dessen ungeachtet wurde aber der 75. Jahrestag  der alliierten Landung in der Normandie aufwändig und mit großer politischer Prominenz gefeiert. Noch im September 2019 waren im Bereich des Omaha-Beachs die Spuren der Feierlichkeiten überall zu sehen, wie die nachfolgenden Bilder zeigen.

Natürlich gibt es immer noch die üblichen kulinarischen D-Day-Andenken wie die Karamell-Bonbons von Isigny.

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Oder -etwas merkwürdig- den Landungswein in weiß, rot und rosé – der landesübliche Cidre wäre da sicherlich passender gewesen, aber für die überwiegend amerikanischen Landungs- Touristen wohl weniger überzeugend.

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Auffällig waren aber besonders die allgegenwärtigen Stars und Stripes.

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Hier am Kino von Trevières, einem Städtchen unweit des Omaha-Beachs

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Auch die ortsansässige Grundschule trug zu den Feierlichkeiten bei.

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Und vor allem hatten sich fast alle Geschäfte für das Jubiläum herausgeputzt:

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Der Buchhändler von Trevière, bei dem wir während unserer Aufenthalte in der Normandie immer die Zeitung kaufen, hatte sich natürlich besonders auf das Jubiläum eingestellt:

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Eine kritische Anmerkung zu den Bildern der die GIs herzenden jungen Frauen und den anfliegenden Befreiungs-Flugzeugen kann ich mir allerdings nicht verkneifen: Gerade Trevière wurde tagelang von den amerikanischen Truppen bombardiert und es gab zahlreiche zivile Opfer.

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Vier im Krieg gefallenen französischen Soldaten des Ortes stehen, wie die Tafel neben der Kirche und der  Marianne mit der „geule cassée“ aufführt, 20 zivile Opfer des „friendy fire“ gegenüber. Für deren Familien ist der 6. Juni sicherlich nicht ein ungetrübter Feiertag mit Volksfestcharakter.

Und was mir auch aufgefallen ist:

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Überall im Bereich des  Omaba-Beachs waren an den Laternenmasten  Bilder amerikanischer Soldaten befestigt, „Helden des Zweiten Weltkriegs“. Ich habe aber unter den vielen Portraits keinen einzigen farbigen Soldaten entdecken können. Das scheint ein generelles Phänomen zu sein. In einem Bericht von Associated Press zum 75. Jahrestag heißt es:  „while portrayals of D-Day often depict an all-white host of invaders, in fact it also included many African Americans.“ Die waren allerdings  -aufgrund der auch in der Armee herrschenden Rassentrennung- in eigenen Verbänden organisiert. Sie hatten also einen doppelten Feind:   „African Americans fougt both segregation and Nazi Germans.“ ( https://www.nbcnews.com/news/nbcblk/fighting-germans-jim-crow-role-black-troops-d-day-n1013716 )  Und es wird in dem Artikel auf ein Buch verwiesen über  „The Untold Story of D-Day’s Black Heroes, at Home and at War.”  Vielleicht werden die vergessenen schwarzen Helden des D-Day  ja dann zum 100. Jahrestag der alliierten Landung gewürdigt werden. Aber das werde ich sicherlich nicht mehr erleben….

 

 

 

 

 

5 Gedanken zu “Normandie (Teil 1): Die allgegenwärtige Vergangenheit

  1. Albrecht Sonntag

    Bonjour ! Bin grade eher per Zufall auf Ihren schönen Reisebericht aus der Normandie von 2016 gestossen. Gute Lektüre über eine Region, in der ich einige Jahre gelebt und gearbeitet habe.
    Amüsiert hat mich dabei Ihr Bedauern, dass der Friedenspark in La Cambe direkt an der grossen, lärmenden National-Strasse angelegt wurde. Das ist insofern amüsant, als der Friedenspark überhaupt nur durch den vierspurigen Ausbau, Mitte der 90er Jahre, dieser Achse möglich gemacht wurde. Früher verlief die Strasse direkt am Eingang zum Friedhof vorbei, aber plötzlich war da ein Terrain mit jeder Menge Abraum vom Strassenbau. Die örtliche Verwaltung bot das so entstandene Grundstück dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Dort hatte man die Idee eines Parks mit Baumpatenschaften. Eine meiner Studentinnen führte im Sommer 95 (wenn mich meine Erinnerung nicht trügt), eine Umfrage unter den Besuchern durch, und die Idee fand breiten Anklang. Also legte der Volksbund seinen ersten Baumhügel neben dem neuen Infozentrum an. Aber die Nachfrage wollte gar nicht nachlassen. Worauf die Behörden dem Volksbund auch die Bepflanzung des Grünstreifens entlang der Strasse gewährte, sowie eines Hügels am Kreisverkehr bei der Ausfahrt. Und so waren es dann plötzlich um die 1200 Bäume.
    Beste Grüsse aus Angers!

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  3. Monika Walldorf

    Lieber Wolf, danke für deinen Normandie-Bericht, der mich an unseren Aufenthalt dort vor ca. 25 Jahren erinnert, vor allem die Betroffenheit, die wir an vielen Gräbern, Kampfstätten und Mahnmalen empfanden. In einer Kirche in einem kleinen Dorf war eine Fotoausstellung mit Aufnahmen aus dem Krieg, die wir anschauen wollten. Dazu mussten wir den Schlüssel bei einer alten Dame in der Nachbarschaft holen. Ihre Freundlichkeit erstarrte rasch in Ablehnung, als die hörte, dass wir Deutsche sind. Sicherlich hat sie liebe Angehörige verloren… Unsere 3 Söhne haben daraufhin zivilen Ersatzdienst anstelle von Wehrdienst geleistet.
    Liebe Grüße, Mo

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    1. Liebe Mo, da hat sich seitdem sicherlich viel geändert. Wir haben bei unseren vielen Aufenthalten in der Normandie nie irgendwelche Ressentiments erfahren, weil wir Deutsche sind. Eher im Gegenteil. Die deutsch-französische Versöhnung und Freundschaft ist inzwischen sehr fest in den Gesellschaften beider Länder verankert – ganz unabhängig von den jeweiligen Regierungen…. Liebe Grüße Wolf

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