Im Januar 2019 wurde auf diesen Blog ein Text über das nun gut 100 Jahre alte 2018 neu eröffnete Pariser Hotel Lutetia eingestellt: Ein Bauwerk zwischen Art Nouveau und Art Déco in neuem Glanz.[1] Am Anfang wird dort aus einem anlässlich der Neueröffnung erschienenen Artikel der „Süddeutschen Zeitung“ zitiert:
„Könnte man alle Gäste des vergangenen Jahrhunderts hier versammeln, dann stünden nicht nur Charles de Gaulle, Pablo Picasso und Heinrich Mann gemeinsam an der Bar, dann träfen die Überlebenden deutscher Vernichtungslager in der Lobby auf Wehrmachtsoffiziere, die von hier aus Frankreich ausspionierten. Von 1940 bis 1944 besetzte der als Abwehr bezeichnete militärische Geheimdienst der Nazis das Hotel. Zwischen April und August 1945 wurden am selben Ort alle deportieren Juden und Widerstandskämpfer versammelt, die nach Frankreich zurückkehrten. Und als wäre all das nie passiert, sitzen entlang der Fassade damals wie heute kleine, dicke Putten zwischen übervollen Weinreben. Anfang des 20. Jahrhundert in Stein gehauen von Paul Belmondo, dem Vater des Schauspielers Jean-Paul Belmondo.“[2]
Das Hotel Lutetia ist, das wurde ja auch schon im ersten Teil des Blog-Beitrags deutlich, ein ganz außerordentliches Hotel voller Geschichte und Geschichten- jetzt sogar mit literarischem Ruhm gekrönt. Denn es ist gerade dieses Hotel, in dem sich Édouard Péricaut, die zentrale Figur in dem wunderbaren Roman „Wir sehen uns da oben“ von Pierre Lemaitre, in den letzten Tagen vor seinem selbstgewählten Tod einquartiert. Im Ersten Weltkrieg wurde sein Gesicht von einer Granate entstellt und er wurde für tot erklärt. Nach dem Krieg bietet er unter falschem Namen Kriegerdenkmäler an und kommt durch die Anzahlungen rasch zu Geld. So kann er sich, als Monsieur Eugène, eine noble Suite im Lutetia leisten und erregt mit seiner Freigiebigkeit und den phantasievollen Masken, mit denen er seine „geule cassée“ verdeckt, Aufsehen.
„Niemand wusste, womit er sich eigentlich beschäftigte, immer trug er übergroße Masken und niemals dieselbe, und er hatte alle möglichen phantastischen Einfälle: ein Kriegstanz auf dem Korridor, sodass die Zimmermädchen losprusteten, oder dekadent großzügige Blumenlieferungen…. Er schickte die Laufburschen in das gegenüberliegende Kaufhaus Bon Marché, damit sie dort die unmöglichsten Sachen für ihn kauften, von Talmi über Federn, Papier mit Goldschnitt, bis hin zu Filz und Farben, und alles fand man dann auf seinen Masken wieder. Und das war längst nicht alles! In der letzten Woche hatte er ein Kammermusikorchester mit acht Musikern ins Hotel bestellt. Kaum hatte man ihn über deren Ankunft informiert, war er die Treppe heruntergekommen und hatte sich auf die erste Stufe gegenüber dem Empfang gestellt, um den Takt anzugeben. Das Orchester führte den ‚Türkischen Marsch‘ von Lully auf, wonach er wieder nach oben verschwand. Monsieur Eugène hatte an das gesamte Personal Fünfzig-Francs-Scheine verteilt, wegen der Umstände.“[3]
Welches andere Pariser Hotel wäre passender gewesen für die letzten Tage des Monsieur Eugène? Und welches andere Hotel hätten Georgette und Bernard, ein literarisch und philosophisch hochgebildetes Paar von über 80 Jahren, wählen können, um dort im November 2013 vor ihrem Freitod gemeinsam eine letzte Nacht zu verbringen? Die Wahl der „Liebenden des Lutetia“, fiel auch –aber wohl kaum alleine deshalb- auf dieses Hotel, weil Georgette 1945 dort ihren Vater nach 5-jähriger Deportation wiedergefunden hatte… [4]
Midnight in the Lutetia
Aber natürlich ist das Lutetia vor allem ein Ort prallen Lebens, besonders in den zwanziger Jahren, die auch für das Lutetia die „goldenen“ waren. Aufgrund seiner Lage und Architektur war das Hotel Anziehungs- und Treffpunkt einer anspruchsvollen und i.A. auch wohlhabenden Kundschaft. Würde man, wie die Süddeutsche Zeitung ansatzweise in ihrem anfangs zitierten Artikel die ganze Prominenz vereinen, die zu den Kunden des Lutetia gehörte, dann käme ein höchst eindrucksvolles Panorama zusammen. Hier nur eine kleine Auswahl:
Da ist beispielsweise André Malraux, der 1921 der Bitte der Übersetzerin Clara Goldschmidt (seiner späteren Frau) nachkam, sie endlich von ihrer Jungfernschaft zu befreien. [4a] Und das geschah genau am 14. Juli, dem Nationalfeiertag, und eben im Hotel Lutetia, wo der junge Schriftsteller André Malraux (und spätere Kulturminister de Gaulles) damals – wenn auch nur in einem kleinen Zimmer (chambre de bonne)- wohnte. Im gleichen Jahr machte der junge Offizier Charles de Gaulle während seiner Hochzeitsreise im Lutetia Station und hatte offenbar so gute Erinnerungen daran, dass er das Hotel auch danach noch mehrfach frequentierte –ebenso wie seine Frau, die eine treue Kundin des Bon Marché war. Als im Juni 1940 der gerade zum General avancierte de Gaulle als Unterstaatssekretär ins Kriegsministerium nach Paris versetzt wurde, logierte er wieder im Lutetia, bevor er es –vor der anrückenden Wehrmacht- wieder verlassen musste, um der schon in den Süden ausgewichenen Regierung zu folgen. Und dieser Aufbruch war offenbar so überstürzt, dass er einen Teil seiner Ausrüstung dort zurückließ, u.a. sogar seinen Offizierssäbel von der Militärschule St. Cyr. Alles wurde im Keller wohlverwahrt bis zur Libération, und sicherlich –zumindest zum Schluss- im Rang einer Reliquie.
Und dann findet sich im Lutetia der Zwischenkriegszeit fast alles ein, was im literarischen und intellektuellen Leben Frankreichs Rang und Namen hat. So André Gide, der öfters für einige Tage im Lutetia wohnt, um dort in Ruhe zu schreiben, sich mit befreundeten Schriftstellern zum Tee zu treffen und mit manchen Freunden auch noch danach. So auch Roger Martin du Gard, der französische Literatur-Nobelpreisträger von 1937, der sich im Lutetia einquartiert, um seinen zahlreichen gesellschaftlichen und literarischen Verpflichtungen nachkommen zu können, die diese Auszeichnung mit sich brachte. Das Lutetia betrachtete ihn gewissermaßen als seinen Nobelpreisträger. Auch Antoine de Saint-Exupéry war öfters mit seiner Frau Gast im Lutetia, wenn er mal wieder –über beide Ohren verschuldet- finanzielle Auseinandersetzungen mit seinen Vermietern hatte. Das hinderte das Paar allerdings nicht, jeder ein extra Zimmer und sogar auf verschiedenen Stockwerken zu beziehen. Saint-Exupéry wird sich beim Auszug sicherlich nicht, wie de Gaulle 1940, mit der „parole historique: ‚Ma note, je vous prie‘“ verabschiedet haben.[5] Aber ich nehme an, dass das Lutetia da großzügig war. Immerhin hatte man einen „VIP“ mehr unter den Kunden, mit denen man den Ruf des Hotels weiter mehren konnte. Und an diesem Ruf arbeitete das Lutetia auch ganz bewusst und raffiniert. Ab und zu wurde etwa ein Hotel-boy durch die Lobby oder die verschiedenen Salons geschickt, um – beispielsweise- Mr. Charlie Chaplin auszurufen, als würde der gerade im Lutetia wohnen und am Telefon verlangt- und das konnten dann ein anderes Mal Jean Gabin, Picasso oder Matisse sein. Der Möglichkeiten waren viele und die Anwesenden fühlten sich in jedem Fall sicherlich erhoben und in ihrer Überzeugung gestärkt, mit dem Lutetia eine exzellente Wahl getroffen zu haben.
Denn dann gab es ja auch noch die Ausländer im Lutetia. Russische Emigranten beispielsweise, die Amerikaner, vor allem natürlich Joséphine Baker, „qui y séjourna souvent avec sa tribu d’enfants“ (Hoteltext), der Kreis um Hemingway und –nicht zu vergessen: Samuel Becket und James Joyce, der –wie Assouline berichtet, einem Angestellten des Hauses auf die Frage, was er denn wirklich mache, antwortete: „Moi? Je m’emploie à donner du travail aux universitaires pour les trois siècles à venir, au moins. J’y ai mis tellement de devinettes et d’énigmes que cela va bien les occuper. Il n’y a de meilleur moyen de gagner l’immortalité que de susciter la discussion des érudits sur ce qu’on a voulu dire.“ (S.149). Er sei also dabei, die Professoren der nächsten drei Jahrhunderte –mindestens- zu beschäftigen, so viele Andeutungen und Rätsel habe er in seine Werke eingebaut. Es gäbe kein besseres Mittel zur Unsterblichkeit als eine Diskussion zu provozieren, was man denn habe sagen wollen – ein Rezept, das ja auch von anderen Autoren – auch deutscher Sprache- befolgt wurde.
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Auch nach dem zweiten Weltkrieg fehlte es im Lutetia nicht an Prominenz. Sartre wohnte zwar nicht in diesem Hotel, war aber öfters dort zu Gast ebenso wie Michel Foucault und Catherine Deneuve, die dort gewissermaßen eine Dependance hatte. Ein prominenter Gast des Hotels war auch der gockelige Philosoph Bernard-Henri Levy, der den damaligen französischen Präsidenten Sarkozy und die französische Öffentlichkeit wortreich von der Notwendigkeit eines militärischen Eingreifens in Libyen überzeugte und der das dort angerichtete Chaos mit dem Verweis auf die Legitimität „progressiver Gewalt“ und die Französische Revolution verteidigte. (Die ist ja in Frankreich –wie auch derzeit wieder im Zusammenhang mit den sogenannten Gelbwesten- gerade für manche linken Intellektuellen dazu gut, der Gewalt und dem Chaos positive Seiten abzugewinnen). Dann zum Schluss dieses ersten Blicks auf die Lutetia-Prominenz lieber noch eine nette Anekdote, den Komiker und Gründer der restos du cœur Coluche betreffend. Der quartierte sich in den 1980-er Jahren nach seiner Scheidung mehrere Wochen im Lutetia ein, ärgerte sich dabei aber über die Politessen, die an seinem vor dem Hotel aufgestellten Wagen Strafzettel befestigten (kennen wir gut), worauf er sie aus seinem Hotelfenster mit Joghurtbechern bewarf. ( Das erinnert mich an eigene Jugendstreiche, wobei wir in den kargen Nachkriegsjahren die unten vorbeilaufenden Passanten natürlich nicht mit wertvollem Joghurt bewarfen, sondern –im Sommer- lediglich mit etwas Wasser erfrischten). Die empörten Pariser Politessen wollten dann natürlich den Übeltäter ausfindig machen, was aber die Hotelleitung –devoir de réserve oblige- selbstverständlich verhinderte.
Die deutsche Volksfront, der Lutetia-Kreis und Heinrich Mann
Viel Prominenz also, so dass Woody Allan auch gut sein „Midnight in Paris“ im Lutetia – und allein im Lutetia- hätte drehen können. Eine wichtige Episode des „Midnight in the Lutetia“ hätte dann unbedingt den deutschen Emigranten im Lutetia der 30-er Jahre gewidmet sein müssen. Immerhin heißt „von 1933 bis zur Okkupation durch die Wehrmacht 1940 … die europäische Hauptstadt der deutschen Kultur Paris“.[6] Viele Flüchtlinge von 1933 sahen sich in einer Traditionslinie , die von den deutschen Ehrenbürgern der ersten französischen Republik wie Schiller und Klopstock über Heine und Börne bis zu ihnen reichte. „Insofern ist Paris anfangs nicht nur Flucht-, sondern auch Wunschort des künstlerischen Exils.“[7] Frankreich war denn auch das Land mit der größten Zahl deutscher Flüchtlinge zwischen 1933 und 1939 – etwa 55.000 waren es (mit allerdings stark abweichenden Zahlenangaben in der Literatur), von denen etwa 8000 in Paris lebten bzw. zum Teil auch eher hausten. Denn mit Ausnahme der Volksfront-Regierung Léon Blums betrieben die französischen Regierungen eine äußerst restriktive Asylpolitik, eine Arbeitserlaubnis wurde nur in den seltensten Fällen gewährt. Für Intellektuelle und Schriftsteller, die die französische Sprache nicht oder nur unzureichend beherrschten und die von ihrem heimischen Publikum und ihren herkömmlichen finanziellen Ressourcen abgeschnitten waren, war die Situation natürlich besonders kritisch. Ein Mittel zum geistigen und materiellen Überleben war der Versuch, Paris zum intellektuellen und politischen Zentrum des deutschen Exils zu machen- mit deutschen Zeitungen, Exil-Verlagen, Cabarets, Literaten-Cafés, Solidaritäts-Gruppen wie dem SDS (das war damals der Schutzverband deutscher Schriftsteller) und zum Treffpunkt und Tagungsort der deutschen Emigration. Das Lutetia war dabei allerdings eher der Prominenz vorbehalten: Zu ihnen gehörten u.a. auch Max Horkheimer, der Direktor des (Frankfurter) Instituts für Sozialforschung, der 1934 Stammgast im Lutetia war, der kommunistische „Pressezar“ Willi Münzenberg, Klaus Mann, der in der „Bar Lutèce“ mit André Gide über die ernüchternden Moskau-Erfahrungen diskutierte, und –natürlich- Heinrich Mann, der am 20. November 1935 seinen Bruder Thomas informierte: „Du erreichst mich brieflich oder telegraphisch bis 25. in Paris (7.) Hotel Lutetia, Bd. Raspail“. [8]
In Paris und im Lutetia hielt sich Heinrich Mann allerdings zur zeitweise auf. Während der ersten Jahre seines Exils lebte er nämlich an der Côte d’Azur, so wie zeitweise viele andere deutsche Exilierte: Thomas und Golo Mann, Lion Feuchtwanger, Egon-Erwin Kisch, Joseph Roth, Franz Werfel, Arnold und Stefan Zweig, Franz und Helen Hessel, die Eltern von Stéphane Hessel, Bertolt Brecht und viele andere. [9] Hier war -damals jedenfalls noch- das Leben wesentlich billiger als in Paris, und zunächst gingen viele davon aus, nach dem erhofften schnellen Zusammenbruch des NS-Regimes bald wieder vom sommerlichen Intermezzo am Meer nach Deutschland zurückkehren zu können. Die terroristische feste Etablierung der Nationalsozialisten bedeutete dann aber für die politisch engagierten Exilierten, sich im Exil als Repräsentanten eines „besseren“, „anderen“ Deutschlands einrichten zu müssen, einen Beitrag zum Kampf gegen den Faschismus zu leisten und gleichzeitig eine Zukunftsperspektive für ein Deutschland nach Hitler zu entwickeln. Und dazu sollte das Projekt einer deutschen Volksfront im Exil dienen. Voraussetzung eines solchen Zusammenschlusses von Kommunisten, Sozialdemokraten, Christen und bürgerlichen Intellektuellen war die Abkehr der Kommunisten von ihrer seit 1928 vertretenen ultralinken „Sozialfaschismus“-Theorie, nach der ihr Hauptfeind nicht der Nationalsozialismus, sondern die Sozialdemokratie sei. Diese Position wurde 1935 auf dem VII. Weltkongress der Komintern in Moskau selbstkritisch als „sektiererisch“ verurteilt, womit –zumindest formal- eine unabdingbare Voraussetzung für ein Volksfront-Bündnis geschaffen war. Und nun waren es gerade die Kommunisten, die hier die Initiative ergriffen: Willi Münzenberg, der in Paris die kommunistische Öffentlichkeitsarbeit koordinierte, lud für den 26. September 1935 zu einer ersten Tagung ins Hotel Lutetia ein, die der Schaffung einer deutschen Volksfront dienen sollte. Eine weitere Konferenz folgte am 2. Februar 1936 wiederum im Lutetia. Das Umfeld dafür war günstig: Im Juni 1935 tagte in Paris im Haus der Mutualité der Erste Internationale Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur, Ausdruck eines notwendigen gemeinsamen Kampfes gegen den Faschismus.[10] Am 14. Juli 1935, also dem französischen Nationalfeiertag, verabschiedeten die französischen Kommunisten, Sozialisten und die –eher bürgerlich-linksliberalen- Radikalsozialisten einen Freundschaftsvertrag und Aktionsplan, und an der Spitze des traditionellen Demonstrationszuges von der Bastille zur Place de la Nation marschierten die Führer der drei die französische Volksfront tragenden Parteien. Am 16. Februar 1936 feierte die spanische Volksfront ihren Wahlsieg, am 3. Mai gewann bei den Parlamentswahlen das französische Volksfrontbündnis unter Léon Blum. Dazu kam die zunehmend deutlicher werdende Bedrohung durch die deutsche Aufrüstung: Am 7. März 1936 marschierten deutsche Truppen ins entmilitarisierte Rheinland ein, von der NS-Propaganda als „Sprengung der Ketten von Versailles“ gefeiert.[11] Dass unter diesen Umständen die im Exil lebenden deutschen Antifaschisten sich zusammenschließen müssten, war also ein Gebot der Stunde. Auf den organisatorischen Rahmen dafür einigte man sich bei dem Treffen im Lutetia vom 2. Februar. Es wurde ein Leitungsgremium (Lutetia-Comité) von Kommunisten, Sozialisten, Vertretern der SAP, des „Freiheitlichen Bürgertums“ und von Katholiken gebildet, das weitere Tagungen der Plenarversammlung (Lutetia-Kreis) und die Schaffung einer Deutschen Volksfront vorbereiten sollte. Zum überparteilichen Vorsitzenden des Lutetia-Comités wurde Heinrich Mann gewählt.[12]
Heinrich Mann im französischen Exil (Foto Buddenbrook-Haus Lübeck)
Dass die Wahl gerade auf ihn fiel, war kein Zufall. Denn Heinrich Mann war schon in der Weimarer Republik eine repräsentative Gestalt der deutschen Demokratie und Literatur gewesen- 1932 hatte ihn der Kreis um die „Weltbühne“ sogar als Präsidentschaftskandidaten –gegen Hindenburg, Hitler und Thälmann ins Spiel gebracht- er war in Frankreich genauso heimisch wie in Deutschland und vor allem hatte er schon 1932, also vor der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten und lange vor dem Kurswechsel der Kommunisten, für eine Einheitsfront der Arbeiterparteien geworben und die Kommunisten aufgefordert, ihre rein platonischen Forderungen nach einem Umsturz der Gesellschaft aufzugeben, „wodurch nur ihre alleräußersten Feinde die Macht bekämen, ihnen alles zu nehmen“ [13], was sich dann ja auch auf tragische Weise bestätigte.
Jetzt war also Heinrich Mann zum „Wortführer der antifaschistischen Bewegung“ (Kantorowicz) geworden, die im Hotel Lutetia versuchte, sich organisatorische Strukturen zu geben und sich auf gemeinsame Grundsätze für ein postfaschistisches Deutschland zu einigen. Heinrich Mann reiste nun also öfters von Nizza, wo er damals wohnte, nach Paris und nahm dafür die Strapazen ganztägiger Bahnreisen auf sich: „Ich war eine Woche abwesend und in Paris durch unsere neueren Bemühungen bis zur Erschöpfung beansprucht“, schrieb er am 6. Februar 1936 seinem Bruder. (Briefwechsel, S. 225). Immerhin wohnte er dann im Lutetia, das er von Besuchen in den 20-er Jahren gut kannte und das ganz sicherlich auch seinem Bedürfnis nach Repräsentation entsprach: Die Treffen des Lutetia-Kreises mit zum Teil über 100 Teilnehmern fanden sogar im nobelsten Salon des Hauses, dem damaligen „Président“ (heute Salon Cristal) statt.
(Das Bild wurde 2011 bei einem Kammerkonzert noch vor der Renovierung des Hotels ausgenommen)
Details des unter Denkmalschutz stehenden Salon Cristal mit seinen Lalique-Leuchten
Zu den Teilnehmern der Treffen im Lutetia gehörte auch als Vertreter der SAP, einer linken Abspaltung der SPD, Willy Brandt, der dazu aus seinem norwegischen Exil nach Paris kam. In seinen Erinnerungen schreibt er:
„Ich hatte 1934,1935, auch im Frühjahr 1936 noch meine Erfahrungen gemacht mit den Exiloberen und dem Pariser Emigrantenmilieu, aber auch Hoffnungen gezogen aus der breiten sozialistisch-kommunistischen Einheitswelle, die zuerst und vor allem eine antifaschistische Welle zu sein schien. Sie erfasste Frankreich und rollte durch das Paris der vertriebenen Deutschen. Ich sprach auf großen Versammlungen, Zusammenkünften deutscher Schicksalsgefährten und ließ mich (…) von der neuen Aufbruchstimmung mitreißen…“[14]
Das Projekt einer Deutschen Volksfront hatte drei Adressaten: zunächst natürlich die Exilierten selbst, deren Zersplitterung überwunden und deren Status und materielle Grundlagen verbessert werden sollen. In diesem Bereich kam es im Lauf des Jahres 1936 während der Regierungszeit des Front Populaire in Frankreich auch durchaus zu Fortschritten.[15] Adressaten waren natürlich auch die Deutschen in der Heimat, die man der Solidarität versichern und zum Widerstand aufrufen wollte. Das geschah zum Beispiel mithilfe einer „Kundgebung an das deutsche Volk“, die bei dem Treffen vom 6. Februar 1936 im Lutetia verabschiedet und massenhaft in Deutschland verbreitet wurde. Welche Resonanz sie dort fand, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Und schließlich wandte man sich auch an die Bevölkerung/die Regierungen der Länder, die die aus Deutschland geflohenen bzw. vertriebenen Menschen aufgenommen hatten. Dabei ging es vor allem um eine Aufklärung über die Zustände in Deutschland und um die Warnung vor einem drohenden Krieg. Im Dezember 1936 wurde von dem Volksfrontausschuss ein gemeinsamer Aufruf „Bildet die deutsche Volksfront! Für Frieden, Freiheit und Brot!“ verabschiedet und in den Publikationsorganen des Exils, aber auch in ausländischen Zeitungen wie „L’Humanité“ veröffentlicht.[16]
(Pariser Tageszeitung vom 8.1.1937)
Darin steht an erster Stelle die Gefährdung des Friedens durch Nazi-Deutschland:
„Die Volksinteressen werden rücksichtslos der Vorbereitung eines neuen Krieges geopfert, der furchtbarer sein wird als alle bisherigen Kriege. Auf dem letzten Nürnberger Parteitag hat Adolf Hitler die Steigerung dieser Politik angekündigt. Sie droht nicht nur Deutschland, sondern die ganze Welt in eine entsetzliche Katastrophe zu stürzen.“
Angesichts der Appeasement-Politik Frankreichs und Großbritanniens stießen solche Warnungen allerdings eher auf taube Ohren. Die Vertreter des deutschen Exils waren da gewissermaßen einsame Rufer in der Wüste…
Besonders schwierig waren die programmatischen Diskussionen und Auseinandersetzungen im Lutetia-Kreis, an denen sich auch Heinrich Mann intensiv beteiligte. Selbstverständlich war für ihn, der 1932 ein leidenschaftliches „Bekenntnis zum Übernationalen“ veröffentlicht hatte, dass ein vom Faschismus befreites Deutschland seinen Platz in einem geeinten Europa haben müsse. Und besonders wichtig war für ihn die Rolle der Erziehung in einem künftigen deutschen „Volksstaat“, also die Herausbildung von vernünftigen, verantwortungsbewussten, „sittlichen“ Menschen, wie er in einem Beitrag über ein „Minimalprogramm der Deutschen Volksfront“ betonte. Dass er damit die ethische Dimension über die rein sozial-ökonomische stellte, stieß allerdings auf den Widerstand von Kommunisten und Sozialisten.[17] In diesen Programmdiskussionen wurden schon von Anfang an die erheblichen ideologischen Gegensätze innerhalb und zwischen den verschiedenen Gruppierungen und Vertretern des deutschen Exils deutlich, die wesentlicher Grund für das Scheitern des Projekts einer Deutschen Volksfront waren. Dazu kamen Zweifel des Vorstandes der Exil- SPD in Prag am Kurswechsel der KPD, so dass die SPD-Mitglieder im Lutetia-Kreis und –Komitee keine offiziellen Vertreter des SOPADE-Vorstandes in Prag (also der Exil-SPD) waren, sondern gewissermaßen auf eigene Initiative agierten. Es gab ja auch durchaus kommunistische Hardliner, die der Auffassung waren, Willi Münzenberg komme den Bürgerlichen im Volksfront-Kreis zu sehr entgegen. Als Scharfmacher tat sich da besonders der im Moskauer Exil lebende Walter Ulbricht, der spätere Statthalter Stalins in der SBZ/DDR, hervor, den Heinrich Mann als „vertracktes Polizeigehirn“ bezeichnete, das man loswerden müsse. [18] Entscheidend waren aber vor allem die Moskauer Prozesse: Im August 1936 wurden im ersten Schauprozess Sinowjew, Kamenew und weitere Mitstreiter Lenins wegen angeblicher Beteiligung an einem trotzkistischen Mordkomplott zum Tode verurteilt. Und André Gide, ein Jahr zuvor noch von den Kommunisten auf dem internationalen Pariser Schriftstellerkongress gefeiert, wurde nach der Veröffentlichung seines kritischen Reiseberichts „Retour de l’U.R.S.S.“ ebenfalls als Trotzkist abgestempelt und zum Opfer eines kommunistischen Kesseltreibens.[19] Damit war im Grunde allen weiteren Volksfront-Bemühungen der Boden unter den Füßen weggezogen.
An Heinrich Mann jedenfalls lag dieses Scheitern nicht. Er war bei dem Projekt der Schaffung einer deutschen Volksfront durchaus mehr als nur ein als ein Aushängeschild. Willy Brandt geht in seinen Erinnerungen sogar so weit, von der „Deutschen Volksfront des Heinrich Mann“ zu sprechen.[20] Der war „die integrierende Figur“ in dem „zum Teil etwas wirren und kontroversen“ Lutetia-Kreis (Walter Fabian), und er bemühte sich selbst noch nach den Moskauer Prozessen, zu kitten, was nicht mehr zu kitten war. Das wurde und wird ihm dann auch immer wieder massiv und zum Teil hämisch vorgeworfen. Heinrich Mann hat sich in der Tat „oft geirrt, verrannt“.[21] Vor allem, was seine unkritische Haltung gegenüber der stalinistischen Sowjetunion angeht, die für ihn –wie Frankreich- ein Traumland war, imaginierter Ort einer „verwirklichten Idee“.[22] Nur allzu richtig war aber seine Einsicht, dass nur zusammen mit der Sowjetunion der Kampf gegen den Faschismus zu gewinnen sei. Es war dann ja in der Tat die russische Bevölkerung, die die größten Opfer im Kampf gegen das Dritte Reich gebracht hat, und es waren die westlichen Alliierten, die sich mit Stalin verbündeten und ihm schließlich weite Teile Europas auslieferten.
Neben seinen zeitraubenden und teilweise illusionären politischen Aktivitäten hat Heinrich Mann aber auch „an seinem herrlichen Toleranz- und Menschlichkeitsroman ‚Henri Quatre‘ geschrieben“, der –und deshalb gehört er zu diesem Abschnitt- auch ein Volksfront-Roman ist.[23] Dieser historische Roman war gedacht als Huldigung an den größten König, den Europa je hatte, wie Heinrich Mann in einem Brief an seinen Freund, den französischen Germanisten Félix Bertaux, 1937 schrieb. Darüber hinaus sei es ihm aber auch darum gegangen „à me consoler des malheurs du temps présent et à en concevoir la réparation“. In dem monumentalen Roman entwirft er ein Gegenbild zum nationalsozialistischen Deutschland: Henri Quatre gewährt im Edikt von Nantes seinen Untertanen die Religionsfreiheit, das sonntägliche Huhn im Topf bezeichnet sprichwörtlich das Bemühen des „guten Königs“, das Wohlergehen seines Volkes zu mehren, und Henri verzichtet im Roman auf jede kriegerische Expansion, um Frankreich nach langen Jahren äußerer und innerer Kriege endlich den Frieden zu sichern. Denen, die den Roman im Angesicht des Faschismus lasen, wird die Botschaft übermittelt, „dass das Böse und Furchtbare überwunden werden kann durch Kämpfer, die das Unglück zum Denken erzog, wie auch durch Denkende, die gelernt haben, zu reiten und zuzuschlagen“. (HM 1939). Dieser militante Humanismus war ein einigendes Band der deutschen Volksfront, und sie und die dort geführten ermüdenden ideologischen Debatten hat Heinrich Mann wohl auch im Kopf, als er seinen Helden nach einer langen Debatte mit Prälaten über seinen geplanten Übertritt zum Katholizismus denken lässt: „Gott hat nicht hingehört, ihn langweilen die Dinge des Glaubens, und ob ein Bekenntnis oder das andere, ihn rührt es nicht. Er nennt unseren Eifer kindisch, unsere Reinheit aber verwirft er als baren Hochmut“. (Bd II, S. 130).
Erstausgabe des „Henri Quatre“ 1935 und 1938
Die Lektüre des „Henri Quatre“ lohnt auch heute noch, was jedenfalls so unterschiedliche Menschen wie Elke Heidenreich, Ulrich Wickert oder Peer Steinbrück bestätigen. Besonders bewegend finde ich aber das, was Denise Bardet in ihrem Tagebuch schreibt. Sie war die Grundschullehrerin von Oradour-sur-Glane und wurde am 10. Juni 1944 zusammen mit ihren Schülern von deutschen Soldaten ermordet. Für sie stehen Heinrich Mann und sein „Henri Quatre“ für den „humanisme allemand“ und sie entnimmt dem Buch die Botschaft, all unseren Mut zu bewahren „au milieu de l’affreuse mêlée où tant de formidables ennemis mous menacent“. Und sie schreibt weiter: „Nous sommes, nous Français, en état de guerre avec l’Allemagne, et il est nécessaire aux Français de se durcir et de savoir même être injuste, et de haïr pour être aptes à résister… Et pourtant il nous est facile de continuer à aimer l’Allemagne qui n’est pas notre ennemie: l’Allemagne humaine et mélodieuse. Car dans cette guerre, les Allemands ont tourné leurs premières armes contre leurs poètes, leurs musiciens, leurs philosophes, leurs peintres, leurs acteurs…” (S. 51/52). Was für eine wunderbare Würdigung des “anderen, besseren” Deutschlands, als deren Repräsentanten sich die Emigranten und die im Lutetia tagendenden Vertreter der deutschen Volksfront verstanden.
Die deutsche Abwehr im Lutetia
Als die deutschen Truppen Frankreich besetzten und sich in Paris niederließen, kam es im Hotel Lutetia zu einem makabren Wechsel der deutschen „Gäste“: Während die Mitglieder des Volksfrontausschusses entweder in Internierungslagern ums Überleben kämpften oder versuchten, über die Pyrenäen oder das Meer Frankreich zu verlassen, richtete Admiral Wilhelm Canaris im Hotel Lutetia die Pariser Zweigstelle seiner Abwehr ein – er selbst residierte in Berlin, im Lutetia war aber immer ein Zimmer für ihn reserviert. Die feinen Herren von der Abwehr ließen es sich im Lutetia gut gehen. Allerdings mussten sie auf die besten Tropfen des Hauses verzichten, da das Personal diese vorher in einem fest zugemauerten Stollen unter dem Hotel sicher gelagert hatte. Gefangenenmisshandlungen, Folter oder dergleichen gab es im Lutetia nicht. Das wussten die gefangenen Agenten und Widerständler. Aber sie wussten auch, dass sie- wenn sie sich nicht auf das angebotene „offene Gespräch von Mann zu Mann“ einließen, damit rechnen mussten, an die Gestapo übergeben zu werden- das Gefängnis Cherche-Midi lag gleich gegenüber im Boulevard Raspail. 1944 gehörte dann der Chef der Abwehr selbst zu den Opfern. Nach dem Attentat vom 20. Juli wird der „Meisterspion Hitlers“ von der Gestapo verhaftet. Er hatte sich zwar nicht an dem Anschlag auf Hitler beteiligt, hatte aber Männer des Widerstands in seinem Umkreis gedeckt, und er hatte schon früh die Erschießung polnischer Intellektueller und die nachfolgenden Judenmassaker –auch Hitler gegenüber- kritisiert. Am 9. April 1945 wurde er –gemeinsam mit Dietrich Bonhoeffer- im KZ Flossenbürg umgebracht, weil er – mit seinen eigenen letzten Worten- versucht hatte, dem „verbrecherischen Wahnsinn Hitlers, der Deutschland zur Vernichtung führte“, entgegenzutreten.[24]
Das Lutetia als Treffpunkt der rescapés
Und als wäre das alles noch nicht genug: Noch einmal wurde das Lutetia nach der Befreiung zu einem außergewöhnlichen und mit der deutschen Geschichte eng verbundenen dramatischen Schauplatz: Hier versammelten sich „die den Lagern Entronnenen in gestreiften Pyjamas unter den Lüstern des Hotels“ (Patrick Modiano[25]) und hofften, hier Familienangehörige zu treffen. Und in der Eingangshalle und der Grande Galerie des Hotels, wo heute Gucci, Armani und Co ihre Preziosen ausstellen, waren die Wände bedeckt mit Suchmeldungen. Die Kinder von Irène Némirovsky haben hier mehrere Wochen lang –vergeblich- auf ihre Mutter gewartet. Die Rescapés sollten 3-5 Tage im Lutetia bleiben, um die erforderlichen Formalitäten zu erledigen und sich zu erholen- alles war schon von der provisorischen Regierung in Algier genauestens geplant, aber mit einem solchen Ausmaß von Elend hatte offenbar niemand gerechnet.
Dieses Elend wird sehr bewegend von Marguerite Duras in „La Douleur“ beschrieben: Das Warten auf ihren Mann Robert Antelme (im Buch Robert L.), seine mühsame Neuentdeckung von Normalität und –natürlich- die erste Begegnung mit ihm nach seiner Befreiung aus dem Lager Buchenwald:
„Dans mon souvenir, à un moment donné, les bruits s’éteignent et je le vois. Immense. Devant moi. Je ne le reconnais pas. Il me regarde. Il sourit. Il se laisse regarder. Une fatigue surnaturelle se montre dans son sourire, celle d’être arrivé à vivre jusqu’à ce moment-ci. C’est à ce sourire que tout à coup je le reconnais, mais de très loin, comme si je le voyais au fond d’un tunnel. C’est un sourire de confusion. Il s’excuse d’en être là, réduit à ce déchet. Et puis le sourire s’évanouit. Et il redevient un inconnu. Mais la connaissance est là, que cet inconnu c’est lui, Robert L., dans sa totalité.”
Heute erinnert eine “in etwas verschämter Distanz zum Hoteleingang an der Außenfassade angebrachte Tafel“ (Jasper) an diese Zeit:
„Von April bis August 1945 wurden in diesem Hotel, das damals als Empfangszentrale diente, ein großer Teil der Überlebenden aus den nationalsozialistischen Konzentrationslagern aufgenommen. Diese Menschen waren glücklich, die Freiheit wiedergefunden zu haben und ihre Angehörigen, von denen sie gewaltsam getrennt waren. Ihre Freude kann aber nicht die Angst und den Schmerz vergessen machen, den die Familien jener Tausenden von Deportierten zu erleiden hatten, die hier vergeblich auf ihre Rückkehr warteten.“ (Übersetzung bei Jasper, S. 339)
Das Hotel Lutetia ist also nicht nur in ein architektonisches Juwel aus Art Nouveau und Art Déco, sondern es ist auch ein außergewöhnlicher Ort der Erinnerung – gerade auch an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte, an die damals begangenen Verbrechen, aber auch an den –in Frankreich viel zu wenig bekannten[26]– deutschen Widerstand, an die Vertreter eines anderen, besseren Deutschland, die sich hier zusammenfanden. Auch eine darauf hinweisende Erinnerungstafel würde dem neu renovierten Hotel gut anstehen und wäre ein schöner Beitrag zur deutsch-französischen Freundschaft. Sie könnte vielleicht diese Aufschrift haben:
In diesem Hotel trafen sich in den Jahren 1935 bis 1937 Vertreter des deutschen Widerstands unter dem Vorsitz des Schriftstellers Heinrich Mann, um eine Volksfront gegen den Nationalsozialismus aufzubauen.
Dieser „Lutetia-Kreis“ repräsentierte das aus Nazideutschland vertriebene, in der europäischen Kulturtradition verwurzelte Deutschland des Friedens und der Freiheit.
Dans cet hôtel se réunirent, dans les années 1935 à 1937, sous la présidence de l’écrivain Heinrich Mann, des représentants de la résistance allemande en exil qui voulaient fonder un Front populaire allemand contre le nazisme.
Ce „Cercle Lutetia“ représentait une Allemagne de paix et de liberté, une Allemagne enracinée dans la tradition culturelle européenne: celle que le régime nazie avait bannie.
Literatur:
Assouline, Pierre: Lutetia. Roman. Paris: Gallimard 2005. Deutsche Ausgabe: Lutetias Geheimnisse. München: Karl Blessing 2006
Cahier de jeunesse de Denise Bardet, Institutrice à Oradour-sur-Glane, Le 10 juin 1944 Ed. Lucien Souny 2002
Holz, Keith u. Schopf, Wolfgang: Im Auge des Exils. Josef Breitenbach und die Freie Deutsche Kultur in Paris 1933 bis 1941. Berlin: Aufbau-Verlag 2001. Édition française: Allemands en exil. Paris 1933-1941. Paris: Éditions Autrement 2003
Hôtel Lutetia. L’esprit de la Rive Gauche. Paris: Éditions Lattès 2009
Jasper, Willi: Hotel Lutetia. Ein deutsches Exil in Paris. München/Wien: Carl Hanser 1994 Französische Ausgabe: Hôtel Lutétia – Un exil allemand à Paris. Paris: Éditions Michalon 1995
Willi Jasper, Der Bruder Heinrich Mann. Eine Biographie. FFM 1994 (vor allem Kapitel IX: Exil)
Langkau-Alex, Ursula: Deutsche Volksfront 1932-1939. Zwischen Berlin, Paris, Prag und Moskau. 3 Bde Akademie-Verlag 2004/2005
Langkau-Alex, Ursula: L’année 1936 et le mouvement du front populaire allemand en exil. In: Matériaux pour l’histoire de notre temps, n°7-8, 1986. L’année 1936 dans le monde, sous la direction de Stéphane Courtois. pp. 6-8. https://www.persee.fr/doc/mat_0769-3206_1986_num_7_1_401426
Simonin, Chantal: Heinrich Mann et la France. Une biographie intellectuelle. Villeneuf d’Ascq 2005
Weitere Blog-Beiträge zum Hotel Lutetia:
Weitere Blog-Beiträge mit Bezug zu deutschsprachigen Schriftstellern in Paris/im französischen Exil:
- „Dadurch, dass ich zum Glück die Kinder habe, ist alles doppelt schwer.“ Anna Seghers im Pariser Exil 1933-1940 https://paris-blog.org/2018/11/19/dadurch-dass-ich-zum-glueck-die-kinder-habe-ist-alles-doppelt-schwer-anna-seghers-im-pariser-exil-1933-1940/
- Das Grabmal Ludwig Börnes auf dem Père Lachaise in Paris: Eine Hommage an den Vorkämpfer der deutsch- französischen Verständigung https://paris-blog.org/2018/07/10/das-grabmal-ludwig-boernes-auf-dem-pere-lachaise-in-paris-eine-hommage-an-den-vorkaempfer-der-deutsch-franzoesischen-verstaendigung/
- Mit Heinrich Heine in Paris https://paris-blog.org/2017/10/02/mit-heinrich-heine-in-paris/
- Der Erste Internationale Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur im Haus der Mutualité 1935 https://paris-blog.org/2019/04/15/das-haus-der-mutualite-in-paris-2-der-erste-schriftstellerkongress-zur-verteidigung-der-kultur-von-1935/
- Exil in Frankreich: Sanary, Les Milles und Marseille https://paris-blog.org/2016/04/18/exil-in-frankreich-sanary-les-milles-und-marseille/
- Der Cimetière de Picpus: Ein deutsch-französischer und amerikanischer Erinnerungsort (Stefan Zweig, Rainer Maria Rilke) https://paris-blog.org/2016/07/01/der-cimetiere-de-picpus-ein-deutsch-franzoesischer-erinnerungsort/
Anmerkungen:
[1] https://paris-blog.org/2019/01/01/das-hotel-lutetia-1-ein-bauwerk-zwischen-art-nouveau-und-art-deco-im-neuen-glanz/
[2] https://www.sueddeutsche.de/reise/frankreich-pariser-chic-1.4058103
[3] Pierre Lemaitre, Wir sehen uns da oben. Stuttgart 2014, S. 420
[4] http://www.europe1.fr/faits-divers/main-dans-la-main-les-amants-du-lutetia-voulaient-mourir-ensemble-1719805
[4a] http://www.lepoint.fr/c-est-arrive-aujourd-hui/14-juillet-1921-andre-malraux-aide-clara-goldschmidt-a-perdre-sa-virginite-dans-une-chambre-de-bonne-13-07-2012-1485434_494.php (Dass in diesem Artikel auch Michel Houellebecq eine Rolle spielt, passt historisch nicht ganz- gehört aber zur Konzeption dieser Artikelserie, in der historische Tatsachen und Fiktion munter vermischt werden).
[5] Assouline, S. 171
[6] Holz/Schopf, Klappentext
[7] Allemands en exil, S. 13
[8] Thomas Mann-Heinrich Mann, Briefwechsel 1900-1949 FFM 1984, S. 225
[9] Siehe dazu den Blog-Text: Exil in Frankreich: Sanary, Les Milles und Marseille. https://paris-blog.org/2016/04/18/exil-in-frankreich-sanary-les-milles-und-marseille/
[10] Siehe dazu den entsprechenden Blog-Beitrag
[11] Jasper, Lutetia, S. 99
[12] Siehe dazu im Einzelnen:
Jasper, Der Bruder Heinrich Mann, S. 288f; Langkau-Alex, Deutsche Volksfront Band 1. Es gibt auch einen Fernsehfilm von Hans Rüdiger Minow aus dem Jahr 1982 zum Thema: Per Adresse: Hotel Lutetia . Bezug des Films über : https://wdr-mediagroup.com/geschaeftsfelder/i-o/mitschnittservice/#privatpersonen Ein kleiner Ausschnitt ist zu sehen unter: https://www.google.de/search?q=Per+Adresse%3A+Hotel+Lutetia&oq=Per+Adresse%3A+Hotel+Lutetia&aqs=chrome..69i57.6717j0j8&sourceid=chrome&ie=UTF-8
[13] Arbeiterzeitung, Wien 3.4.1932
[14] Willy Brandt, Erinnerungen. Berlin 1997, S. 97
[15] Siehe dazu: Frédéric Monier, Léon Blum, les socialistes français et les réfugiés dans les années 1930. Fondation Jean Jaurès, 13.7.2016 https://jean-jaures.org/nos-productions/leon-blum-les-socialistes-francais-et-les-refugies-dans-les-annees-1930
[16] Bild und Text aus: Langkau-Alex, L’année 1936 https://www.persee.fr/doc/mat_0769-3206_1986_num_7_1_401426
siehe dazu auch: WDR, Stichtag vom 22.12. 2016: 21. Dezember 1936: Emigranten rufen zu „Volksfront“ gegen Hitler auf. https://www1.wdr.de/stichtag/stichtag-emigranten-volksfront-hitler-paris-100.html
[17] Siehe Langkau-Alex, Band 1, S. 342/343
[18] Siehe dazu: Stéphane Courtois, La seconde mort de Willi Münzenberg. In: Communisme 38/39 (1994), S. 25 ff Zitat aus: Willi Jasper, Der Bruder Heinrich Mann, S. 297f. In einem Brief an Lion Feuchtwanger schrieb Heinrich Mann Ende Oktober 1937: „Das Dringlichste ist, den Ulbricht loszuwerden. (…) Er ist ein vertracktes Polizeigehirn, sieht über seine persönlichen Intrigen nicht hinaus, und das demokratische Verantwortngsgefühl, das jetzt erlernt werden muss, ist ihm fremd.“ (zit. bei Jasper a.a.O., S. 299) Und Alfred Kantorowicz berichtete über ein Gespräch mit Heinrich Mann, in dem der über Ulbricht geäußert habe: „Sehen Sie, ich kann mich nicht mit einem Mann an einen Tisch setzen, der plötzlich behauptet, der Tisch, an dem wir sitzen, sei kein Tisch, sondern ein Ententeich, und der mich zwingen will, dem zuzustimmen.“. zit. a.a.O., S. 298/299
[19] Siehe dazu den Blog-Beitrag: Der Erste Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur im Haus der Mutualité in Paris 1935
[20] A.a.O., S. 108. Entsprechend auch in Willy Brandts Erinnerungsbuch „Links und frei. Mein Weg 1930-1950“. Hamburg 1982. Da ist ein ganzes Kapitel „Heinrich Manns Volksfront“ gewidmet. (S. 140f)
[21] Volker Weidermann FAZ 4.8.2010
[22] Siehe Manfred Flügge, Traumland und Zuflucht. Heinrich Mann und Frankreich. Berlin 2013, S. 130f Besonders deutlich wird die idealisierende Sicht Heinrich Manns auf die Sowjetunion in seinem Erinnerungsbuch „Ein Zeitalter wird besichtigt“.
[23] Zitate aus: Volker Weidermann FAZ 4.8.2010. Zum „Henri Quatre“ siehe auch: Wolf Jöckel, Heinrich Manns ‚Henri Quatre‘ als Gegenbild zum nationalsozialistischen Deutschland. Worms 1977
[24] Richard Bessett, Hitlers Meisterspion. 2007, S. 277
[25] zit. von Jasper, S. 338
[26] Um nur einige Beispiele zu nennen: Das von dem französischen Historiker Gilbert Merlio immerhin 2001/2003 herausgegebene Standardwerk über „Les résistances allemandes à Hitler“ kann noch für sich in Anspruch nehmen, „eine wenig bekannte Seite“ der deutschen Geschichte darzustellen und zu analysieren. Das 2004 erschienene Buch Terry Parssinens über die durch das Münchner Abkommen vereitelten Staatsstreichpläne von 1938 trägt den Titel La Conspiration oubliée. Georg Elser wird in dem ihm gewidmeten Text von Wikipedia fr vorgestellt als „une figure majeure mais longtemps méconnue de la résistance contre le nazisme“ (https://fr.wikipedia.org/wiki/Georg_Elser ). 2015 war es schließlich die deutsche Botschaft in Paris, die das Erscheinen eines Buches über den deutschen Widerstand förderte, denn: La résistance allemande au régime hitlérien demeure peu connue en France. Philippe Meyer, Ils étaient Allemand contre Hitler. Das Vorwort zu dem Buch schrieb die damalige deutsche Botschafterin in Paris, Susanne Wasum-Rainer. Auch meine eigenen Erfahrungen bestätigen, dass der deutsche Widerstand in Frankreich –auch unter Intellektuellen- wenig bekannt ist. Résistance gilt gewissermaßen als französisches Alleinstellungsmerkmal.
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