Zu Fuß zum Mont-Saint-Michel: La traversée de la baie

Es gibt auf diesem Blog schon zwei Beiträge zur Normandie, deren Gegenstand die Landung der Alliierten im Juni 1944 ist, konkret: der einerseits sehr touristisch- offensive, andererseits aber auch der eher verschämt-zurückhaltende Umgang mit diesem Ereignis. Diesmal steht der Mont-Saint-Michel im Mittelpunkt, an der Grenze zwischen Normandie und Bretagne gelegen. Den vielen Berichten über den „heiligen Berg“ im Meer  kann man Neues nicht mehr hinzufügen, auch wenn manches vielleicht doch nicht so bekannt sein mag- zum Beispiel, dass der Mont- Saint-Michel vom Beginn der Neuzeit bis 1863 als Staatsgefängnis diente, gewissermaßen als „Bastille des mers“, wie er auch genannt wurde. [1]

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Zu den prominenten Gefangenen in den finsteren „cachots“ gehörte auch Auguste Blanqui, von dem schon einmal im Rahmen des Spaziergangs auf dem Père Lachaise die Rede war.[1a]

Inzwischen ist der Mont- Saint- Michel vor allem eine touristische Attraktion ersten Ranges. Wenn man  selbst Tourist ist, darf man sich ja nicht über andere Touristen beschweren, auch wenn man gerade in Ferienzeiten vielleicht Schwierigkeiten haben wird, einen Parkplatz für sein Auto zu finden  oder sich, am Berg angekommen,   nur mühsam den Weg nach oben bahnen kann.  Der Mont- Saint- Michel ist eben alles andere als ein „Geheimtipp“: Nach dem Eiffel-Turm und dem Schloss von Versailles nimmt er mit mehr als 2,5 Millionen Besuchern im Jahr auf der Rangliste der meistbesuchten touristischen Ziele Frankreichs immerhin den dritten Platz ein.

Eine  weniger massentouristische Alternative ist es, auf einem alten Pilgerweg den Berg zu Fuß zu erreichen. So wandert man durch ein Weltnaturerbe der UNESCO zu einem Weltkulturerbe- eine übrigens weltweit einmalige Gelegenheit. Möglich ist das allerdings aufgrund nur im Rahmen einer geführten Gruppe.

Grund dafür sind die besonderen topographischen Verhältnisse und die Gezeiten in der Bucht. Sie  ist zwar in den letzten Jahrhunderten immer mehr verlandet, so dass sie nur noch bei besonders hohen Wasserständen von allen Seiten von Waser umspült war – so wie das  auf alten  Stichen  noch eindrucksvoll zu sehen ist.[2]

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Die Verlandung der Bucht wurde wesentlich beschleunigt durch den Bau eines Dammes vom Festland zur Klosterinsel, um den motorisierten Touristen einen einfachen Zugang zu ermöglichen. Inzwischen wurde  dieser Damm für den privaten Autoverkehr gesperrt und der große Parkplatz am Fuß des Mont-Saint-Michel beseitigt.  Und vor allem:  Der massive Deich wurde durch eine Brücke ersetzt und der in die Bucht mündende Fluss Couesnon mit einer neuen Absperrung versehen. So kann das aufgestaute Wasser phasenweise abgelassen werden, so dass es mit hohem Druck ausströmt. Die durch die Flut in die Bucht gelangten Sedimente werden dadurch wieder ausgewaschen und  das Wasser kann wie einst bei Flut den Klosterberg umspülen.

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Möglich geworden sind diese Arbeiten übrigens  durch einen wesentlichen Beitrag des Europäischen Regionalfonds (FEDER), worauf eine aktuelle Ausstellung auf dem gerade eröffneten Seine-Park in Paris, der früheren Autostraße Voie Pompidou, hinweist.

Bei Ebbe ist es aber nach wie vor möglich, die Bucht zu Fuß zu überqueren. Denn immerhin gibt es hier die größte Differenz an der Atlantikküste bzw. in ganz Europa zwischen Ebbe und Flut von bis zu 12 Metern Höhenunterschied. Das bedeutet, dass bei Ebbe die Bucht weitgehend trocken fällt, die  Flut  dann allerdings auch mit großer Geschwindigkeit  in die Bucht einströmt. Aber gerade deshalb kann man sich nicht selbst auf den  Weg machen, sondern benötigt einen Führer, der die Gezeiten, die Untiefen, die Schlammlöcher und Flüsse in der Bucht kennt und auch die Zeiten, wann die Absperrung des Couesnon geöffnet wird. Im Mittelalter galt der Weg zum Klosterberg als äußerst gefahrvoll.  „Gehst du nach Saint-Michel, vergiss nicht, vorher dein Testament zu machen“, steht in alten Schriften. „Denn bei Flut kommt das Meer mit derartiger Macht wie ein galoppierendes Pferd.“[3]

Um solchen Gefahren zu entgehen, muss man sich einer Führung anvertrauen. Führungen werden (u.a.) angeboten von  der Maison de la baie de Genêts am Bec d’Andaine Im Süden der Halbinsel Cotentin.  Es ist unbedingt erforderlich, sich dort (in Ferienzeiten frühzeitig) anzumelden und entsprechend auszurüsten: in kälteren Jahreszeiten mit warmer Kleidung und Gummistiefeln, bei wärmeren Temperaturen mit Mütze, wasserfesten Sandalen –auch wenn man die meisten Strecken barfuß geht- genügend Trinkwasser und Sonnenschutz.[4]

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Es wird von den Veranstaltern ausdrücklich darauf hingewiesen, rechtzeitig an Ort und Stelle zu sein, also 15 – 30  Minuten vor dem festgelegten Termin.  Ist man etwas zu früh angekommen, kann man die Zeit bis zum Beginn der Wanderung gut in den ruhigen Dünen am Strand verbringen. Man hat dann schon den Blick auf das Felseninselchen Tombelaine, das als Zufluchtsort von Eremiten und im hundertjährigen Krieg als Fort diente und das man auf dem Weg zum Mont-Saint- Michel passieren wird. Und man sieht von hier aus die wildeste, schroffste Seite des Mont-Saint-Micel  mit den Stützmauern des gotischen Klosters.

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Und jetzt noch einmal aus der Vogelperspektive:

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In den ruhigen Dünen kann man sich einstimmen auf die Wanderung zum Berg (ca 7 km).  Der Weg zum Mont-Saint-Michel gehörte im Mittelalter zu den bedeutendsten christlichen Pilgerpfaden. Das beruht –wie meist in solchen Fällen- auf einer Legende: Danach forderte der Erzengel Michael den Bischof von Avranches, Aubert, im Schlaf dreimal auf, auf dem damals noch Mont-Tombe genannten Felsen,  einer druidischen Kultstätte, ein ihm geweihtes Heiligtum zu errichten. Als Aubert angesichts der topographischen Verhältnisse zögerte,  diese Herkulesaufgabe anzugehen, verlieh der Erzengel seiner Aufforderung Nachdruck, indem er einen Daumenabdruck auf dem Kopf des Bischofs hinterließ. Daraufhin machte sich Aubert daran, den Wunsch des Erzengels zu erfüllen und wurde dafür immerhin auch heiliggesprochen. In der Schatzkammer der Basilika Saint-Gervais d’Avranches wird der Schädel des zögerlichen Bischofs als Reliquie aufbewahrt. [5]

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Der Traum des heiligen Aubert: Skulptur im Kloster des Mont-Saint-Michel

Geht dann die Wanderung los, sollte man nicht erschrecken, wenn man viele Menschen  um sich herum sieht, die sich auch auf den Weg machen wollen.  Man wird in überschaubare  Gruppen eingeteilt, denen jeweils ein eigener Führer zugeordnet wird. Dazu  geht es in gebührendem Abstand los, jede Gruppe findet einen eigenen Weg  und man kann durchaus auch etwas Abstand von den anderen halten, wenn man denn will. Wer also auf Erläuterungen des Führers keinen Wert legt –oder sie sowieso nicht versteht- kann sich  in aller Ruhe und Bewunderung dem heiligen Berg nähern und die unterschiedlichen Reliefs des Bodens bewundern und  das Wasser und den Schlick unter den Fußsohlen spüren.

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Ist man dann fast am Fuß des Mont-Saint-Michel angelangt, wartet noch ein besonderes Abenteuer auf die Wanderer.

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Es sind die Schlammlöcher, die sogenannten „sables mouvants“,  die es dort gibt und die von den Führern  gerne gezeigt werden. Man kann selbst einen Versuch machen, indem man an einer entsprechenden Stelle etwas mit den Füßen –oder sicherheitshalber erst einmal mit einem Fuß-   herumruckelt und merkt, wie man langsam tiefer in den Schlamm einsinkt. Das ist ein ganz  besonderes Gefühl, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Allerdings hatte ich dann einige Schwierigkeiten, das bis zum Knie im Schlamm steckende Bein wieder mit eigener Kraft herauszuziehen.

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Da kann man sich dann gut vorstellen, dass das Abenteuer im Schlammloch auch einmal zu einem echten Problem werden  kann, zumal das Phänomen schon im Teppich von Bayeux eine Rolle spielt: Dieses wunderbare gestickte Stoffband von fast 70 Metern Länge aus dem Ende des 11. Jahrhunderts erzählt die Geschichte der Eroberung Englands durch Wilhelm den Eroberer. In einer Episode der Vorgeschichte wird erzählt,  wie Harald Godwinson (auf dem Teppich: Harold dux),  den Wilhelm später  (1066) in der Schlacht von Hastings besiegt, mit seinen Gefährten am Mont- Saint-Michel  vorbeireitet und den Couesnon (auf dem Teppich: flumen Cosnoni) durchquert.

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Ein Pferd mit seinem Reiter kommt im Treibsand  zu Fall und zwei von Harolds Leuten sinken so tief in den Sand ein, dass er sie herausziehen muss.  (auf dem Teppich: trahebat de arena)

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In der Lokalpresse habe ich einen schon etwas älteren Zeitungsbericht gefunden, in dem von drei Touristen berichtet wird, die ebenfalls in den sables mouvantes stecken geblieben sind. Sie waren –in Begleitung eines Führers- zum Mont-Saint-Michel gewandert und so tief in ein Schlammloch geraten, dass sie weder aus eigener Kraft noch mit Hilfe der anderen Gruppenmitglieder oder des Führers wieder herauskamen. Auch die auf dem Klosterberg stationierte Feuerwehr war machtlos. Es musste also erst ein Hubschrauber alarmiert werden, der die im Schlamm feststeckenden Touristen  herausziehen konnte. Immerhin endet der Zeitungsbericht beruhigend: Die drei Touristen seien keines Falls traumatisiert und würden sich sicherlich noch lange an ihr Abenteuer am Mont-Saint-Michel  erinnern.[6]

Für eine ausführliche Besichtigung reicht die Zeit auf dem Klosterberg nicht. Aber für einen Kaffee am Rande des Wegs hoch zur Kirche bestimmt  – oder noch besser für ein kleines Picknick an einem ruhigen Platz, von dem aus man einen wunderbaren Ausblick auf die Bucht und den Tombelaine-Felsen hat.

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Dass sich dann auch hungrige Gäste beim Picknick einstellen, ist übrigens sehr wahrscheinlich.

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Viel Zeit bleibt aber nicht, denn man wird bald wieder von einem Bus abgeholt und zum Bec d’Andaine zurückgebracht oder man geht wieder zu Fuß zurück. Wir haben uns für diese Variante entschieden und es nicht bereut; auch wenn man dann nicht mehr den Klosterberg vor Augen, sondern im Rücken hat.

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Aber der Charakter der Wanderung war auf dem  Rückweg völlig verändert. Jetzt floss das Wasser nicht mehr ab wie auf dem  Hinweg, sondern es begann wieder in die Bucht einzuströmen. Da wanderte man öfters durch seichtes Wasser und stellenweise durch Priele mit einiger Strömung: auch eine schöne Erfahrung!

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Und die Stimmung des späten  Nachmittags mit einem heraufziehenden Gewitter hatte einen ganz besonderen Reiz.

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Also unbedingt empfehlenswert!  Einziger Nachteil: Die Zeit auf dem Mont-Saint-Michel war –zumindest in unserem Fall- ausgesprochen  kurz und reichte lediglich für einen Kaffee und einen kleinen Rundgang.  Aber es hing wohl auch mit den Gezeiten und dem drohenden Gewitter zusammen, dass unser Führer auf einen raschen Aufbruch drängte. Die Busfahrer hatten wohl etwas mehr Zeit. Aber zu einer angemessenen Besichtigung des Klosterbergs hätte  auch bei ihnen die Zeit  nicht ausgereicht.  Das muss man wissen, wenn man sich auf die Wanderung begibt. Und es werden ja auch Tagesausflüge angeboten mit Wanderung hin und zurück und ausreichender Zeit zur Besichtigung.

Nähere Informationen:

Es werden verschiedene Varianten für die Wanderung zum Mont-Saint-Michel angeboten:

– z.B. die traversées commentées, also Wanderungen durch die Bucht mit ausführlichen Erläuterungen des Führers – Rückweg zu Fuß oder mit Bus

– die nicht kommentierten  Wanderungen, ebenfalls mit den  beiden Rückweg-Varianten (allerdings gibt der Führer auch da interessante Erläuterungen, jedenfalls für diejenigen Wanderer, die sich in seiner Nähe halten)

–  Tagesauflüge mit Wanderung durch die Bucht und zurück und Zeit zur Besichtigung des Klosters ( traversée Merveille de l’Occident en Baie du Mont Saint Michel)

Ausrüstung: Von April bis Oktober mit nackten Füßen und Shorts. In jedem Fall mitzubringen: Rucksack, Pullover, Regenjacke, Handtuch, Wasserflasche, ggf. Picknick, Sonnenschutz.

Ausgangspunkt: Bec d’Andaine oder St-Léonard (auf der Karte: Pointe du Grouin du Sud) – beides von Avranches aus gut zu erreichen und ausgeschildert.

Konditionen (Preise, Treffpunkte, Zeiten)  und (unbedingt erforderliche) Reservierung im Internet unter:

http://www.traverseebaie.com/  oder

www.cheminsdelabaie.com

Anmerkungen

[1]  siehe dazu die Neuerscheinung 2022:  Jérémie Halais, La Prison du Mont-Saint-Michel:1792- 1864. 2022

[1a] Bild und weitere Infos dazu:  http://motsetmauxdemiche.blog50.com/archive/2013/03/29/vivre-libre-ou-mourir.html http://www.infobretagne.com/mont-saint-michel.htm

[2]  Plakate von der Umfassungsmauer des  Hôtel des Invalides (Werbung für das musée des plans reliefs)- aufgenommen im Mai 2017

[3] https://www.welt.de/reise/nah/article106365619/Der-Mont-Saint-Michel-versinkt-im-Schlamm.html

[4] http://www.traverseebaie.com/  Näheres am Ende des Beitrags unter „Praktische  Informationen“

Karte aus:  Le Guide Vert Normandie Cotentin. 2013, S. 292

[5] Le Mont-Saint-Michel à travers baie.  In: Libération 27./28.August 2016, Beilage voyages,   S. X/XI

Bild bei: https://fr.wikipedia.org/wiki/Aubert_d%27Avranches

[6] http://www.lamanchelibre.fr/actualite-35862-mont-saint-michel-trois-touristes-enlises-dans-les-sables-mouvants.html

eingestellt Mai 2017

Vorschlag für eine kleine Wanderung durch die Salzwiesen

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Empfehlenswert ist auch eine kleine Abend- Wanderung durch die Salzwiesen mit wunderbarem Blick auf den Mont Saint-Michel: Man kann das Auto i.A. gut an der Einmündung der D 280 in die von Avranches  zum Mont Saint-Michel führende D 275 abstellen. Von dort wandert man ca 45 Minuten in Richtung des heiligen Berges. Es gibt viele Trampelpfade.

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Abends wenn die Schafe in ihre Ställe zurückgekehrt sind und die Sonne untergeht, bietet sich das besonders an.

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Geplante Beiträge/demnächst auf dem Blog:

  • Die Kirche Saint -Sulpice in Paris , Teil 1 (Die Musik, die Krypta, Pigalle und die Säulen von Leptis Magna)
  • Die Kirche Saint- Sulpice in Paris, Teil 2 (Der Gnomon, der Kampf mit dem Engel von Delacroix und das café de la mairie)
  • Street-Art in Paris
  • Sommer in Paris: Baden im Bassin de la Villette, in der Marne und auf/in der Seine
  • Das deutsche Haus, „la maison Heinrich Heine“, in der Cité internationale universitaire in Paris

Die Kolonialausstellung von 1931 (Teil 2): Der „menschliche Zoo“ im Jardin d’acclimatation und der Tausch von „teutonischen Krokodilen“ und „Menschenfressern“ zwischen Paris und Frankfurt

Im ersten Teil des Beitrags über die Pariser Kolonialausstellung (Das Palais de la porte dorée und die Kolonialausstellung von 1931, Mai 2017) ging es vor allem um das zentrale Ausstellungsgebäude, das Palais de la porte dorée, ein architektonisch bemerkenswertes Art déco-Gebäude. Seine mit Reliefs geschmückte Fassade und die Ausgestaltung seiner repräsentativen Innenräume waren Ausdruck einer damals verbreiteten Ideologie, die die zivilisatorische Mission des französischen Kolonialismus überhöhte und gleichzeitig mit der Herausstellung des exotischen Flairs und des ökonomischen Nutzens Werbung  für die kolonialen Ambitionen des Landes betrieb.

Im  nachfolgenden zweiten Teil des Beitrags geht es auch in ganz besonderer  Weise um exotisches Flair und ökonomischen Nutzen: Nämlich um die auf das Interesse an Exotismus,  die Sensationslust und das Portemonnaie von Zuschauern zielende  Präsentation von Kanak, Eingeborenen der Kolonie Neukaledonien, in einem „menschlichen Zoo“. Ausgestellt wurden die angeblichen „Menschenfresser“ in Frankreich und Deutchland – eine ganz besondere Form deutsch-französischer Kooperation Anfang der 1930-er Jahre.  (1)

Die Kanak im Jardin d’acclimatation

Im „Rahmenprogramm“ der Kolonialausstellung fand auch eine „Völkerschau“ statt. Solche Veranstaltungen hatten in Europa eine lange Tradition und der übliche Ort der Ausstellung „exotischer“ Menschen in Paris war der jardin d’acclimatation  im Westen der Stadt. [1a]

Eine der großen

Der jardin d’acclimatation war zur Zeit Napoleons III.  am Rand des Landschaftsparks Bois de Boulogne geschaffen worden. Er war –nach den Worten seines Planers- zunächst dazu bestimmt, Tiere auszustellen, die zum menschlichen Vorteil „ihre Kraft, ihr Fleisch, ihre Wolle und andere Produkte aller Art der Landwirtschaft, der Industrie oder dem Handel zur Verfügung stellen“ oder die auf alle mögliche Weise „zu unserer Erholung und unserem  Vergnügen“  dienen.[2]

Es wurden aber nicht nur Tiere ausgestellt, sondern auch Menschen. Dies hat in Europa eine lange Tradition. Zunächst waren es vor allem Menschen mit anatomischen Besonderheiten wie Saartje Baartman,  die „schwarze“ oder „Hottentten- Venus“ aus Südafrika mit besonders ausladendem Hinterteil, breiten Hüften und außergewöhnlich großen Genitalien. Sie wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts zunächst in London, dann im Paris Napoleons in einem Käfig ausgestellt und in Bordellen missbraucht und diente selbst nach ihrem Tod noch als Stoff für Unterhaltung und Amüsement.

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Aber Saartjie Baartman war auch Gegenstand zweifelhafter wissenschaftlicher Studien, die in ihr die Repräsentantin einer minderwertigen affenähnlichen Rasse sahen. [3]  Mit der Ausbreitung des Kolonialismus und der imperialistischen Aufteilung der Welt wurde die Ausstellung ganzer exotischer Menschengruppen populär. Der Hamburger Zoodirektor Carl Hagenbeck  präsentierte 1874 eine Gruppe von Lappen zusammen mit ihren Rentieren, die erste „Völkerschau“.  Es war sozusagen das Markenzeichen Hagenbecks, Menschen  aus fernen Ländern zusammen mit den für ihre Heimat charakteristischen Tieren auszustellen. Die Menschen wurden dabei allerdings, wie Sánchez-Gómez in seiner Arbeit über „Human Zoos or Ethnic Shows?“ schreibt,  nicht auf die Stufe von Tieren gestellt. „Die Eingeborenen waren angestellt und wurden anständig behandelt.“ Bei ihrer Präsentation sei vor allem die Exotik  ausschlaggebend gewesen. Und der Erfolg solcher Völkerschauen war garantiert. Karl Kerr berichtet nach einem Besuch der Berliner Gewerbeausstellung von 1896:

„Hier ist der leibhaftige Orient. Beduinen, Derwische, Kairenser, Türken, Griechen und die dazugehörigen Weiberchen und Mägdlein sind in unbestreitbarem Originalzustande vorhanden.“[4]

In Frankreich war der jardin d’acclimatation in diesem Bereich führend. In einem französischen Reiseführer von 1903 wird unterstrichen, dass die dortigen ethnographischen Ausstellungen das doppelte Verdienst hätten, die Neugier der Besucher zu wecken und sie zu belehren, indem ihnen menschliche Rassen vor Augen geführt würden.

Auch die im Entstehen begriffene Anthropologie interessierte sich für diese Präsentationen. Ihr kam es darauf an, anhand morphologischer Parameter menschliche Rassen zu identifizieren und zu bewerten, wobei der „weißen Rasse“ natürlich unumstritten der erste  Platz zukam. Dieser rassistische Ansatz war dann auch eine ideologische Grundlage für den Kolonialismus und später für den nationalsozialistischen Exterminismus.

Es gab aber auch Gegenstimmen: Der Anthropologe  Paul Topinard (1830-1911) zum Beispiel verurteilte  den Umgang mit 26 im Jardin d’acclimatisation ausgestellten Somaliern. „Man hat diese Unglücklichen in einem Gehege untergebracht, das genau dem der Känguruhs gleicht. … Unter den Augen einer mitleidlosen Menge lässt man sie springen, tanzen und heulen. … Wann wird man (leider unter dem Vorwand der Wissenschaft!) aufhören, die noble menschliche Kreatur so zu behandeln?“

Sein Appell verhallte aber ungehört, auch nachdem 1892 drei Indianer aus Guyana dem Pariser Klima zum Opfer gefallen waren. Erst 1931 hörten die von der Parkverwaltung geförderten, die Sensationslust der Besucher anstachelnden ethnologischen Ausstellungen im jardin d’acclimatisation auf. Allerdings mit dem abscheulichen Höhepunkt einer Ausstellung von 111 Kanak, den Einwohnern der französischen Südsee-Kolonie Neukaledonien, 91 Männern, 14 Frauen und 6 Kindern. Eine der Frauen  war schwanger und sollte in Paris ihr Kind bekommen.  Die Kanak, wie sie sich selbst nennen –es ist ihre Bezeichnung für „Mensch“-  wurden unter Vorspiegelung falscher Tatsachen nach Paris gelockt.[5]  Es sollte eine angenehme Reise werden in das „mère-patrie d’adoption“, mit der Präsentation heimischer Tänze und Gesänge. Sie sollten Paris und Frankreich gewissermaßen als Touristen kennenlernen, in dem einige schon im Krieg als Soldaten unter der Tricolore  gekämpft hatten.  In Didier Daeninckx‘ Erzählung mit dem ironischen  Titel „Reise eines Menschenfressers nach Paris“, in dem es um die Ausstellung der angeblichen Menschenfresser auf der Kolonialausstellung von Paris geht, liest sich das  – in den Worten des stellvertretenden Gouverneurs von Neukaledonien- so:

„Diese Reise ist die Chance eures Lebens. Dank der Féderation Française des Anciens Coloniaux, die sich beim Herrn Gouverneur dafür einsetzte, wird Neukaledonien im Herzen der nächsten Kolonialausstellung den ihm gebührenden Platz einnehmen. Neben euren Brüdern aus Afrika, Asien, Amerika, die auf dem Weg zur Zivilisation sind wie ihr, werdet ihr die von euren Vorfahren überkommene Kultur Ozeaniens repräsentieren. Mit euren Gesängen und Tänzen werdet ihr zeigen, dass kolonisieren nicht nur bedeutet, den Dschungel zu roden, Uferbefestigungen und Fabriken zu errichten, Straßen zu bauen, sondern auch die wilden Seelen der Wüste, des Waldes und des Buschs für die menschliche Sanftmut zu erobern.“[6]

In Paris angekommen, gab es allerdings ein böses Erwachen. Die Kanaks wurden, bezeichnender Weise neben den Krokodilen, in primitive Hütten gesperrt und dem gutgläubigen Publikum als „polygame menschenfressende Wilde“ präsentiert.[7]

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Dass es gerade Menschen aus Neukaledonien, waren, die so präsentiert wurden, ist sicherlich kein Zufall. In der Tat gab es vor der Kolonisierung durch die Europäer im Rahmen kriegerischer Rituale Praktiken des Kannibalismus.[8] Aber das lag schon lange zurück. Verrufen war die Kolonie aber vor allem, weil sie zwischen 1864 und 1897  als Ort der Deportation und  Zwangsarbeit für Straftäter diente, 1871 dann auch für zur Deportation verurteilte Communarden wie Louise Michel. Dass die sich für die Sprache und Kultur der Kanak interessierte, war damals völlig außergewöhnlich: Vorherrschend war das Bild der unzivilisierten Wilden, zu dem auch die im 19. Jahrhundert verbreitete und sensationell aufgemachte  Vorstellung der Südsee-Kannibalen gut passte. Das Bild der mordlüsternen Wilden prägte auch der amerikanische Schriftsteller Hermann Melville,  der die Eindrücke einer Reise auf die Marquesas-Inseln in seinem Roman „Typee“ (1846) verarbeitete. Dort berichtet er “ von einem hölzernen Kochgefäß (??? W.J.), das auf dem Dorfplatz steht. Melville hebt den Deckel und erblickt Teile eines menschlichen Skeletts, die Knochen noch frisch und feucht.“  Noch 2011, als auf den Inseln ein deutscher Tourist ermordet wurde, spekulierte BILD, es könne sich um einen Akt des Kannibalismus gehandelt haben…  (8a)

Marschall Lyautey, der Verantwortliche der Kolonialausstellung, lehnte allerdings eine sensationslüsterne Ausstellung von Menschen ab. Er untersagte rassistische Darstellungen und wollte stattdessen einen „kolonialen Humanismus“ präsentieren. Immerhin wäre ja eine Präsentation „polygamer menschenfressender Wilder“ in der offiziellen Ausstellung Ausdruck des völligen Scheiterns der vielbeschworenen zivilisatorischen Mission Frankreichs gewesen. Und immerhin hatten viele Kolonialsoldaten im „Großen Krieg“  ihr Leben für Frankreich gelassen bzw. aufs Spiel gesetzt.  In seiner Eröffnungsrede sagte Lyauty denn auch, die Ausstellung sei ein Lehrstück der Verbindung zwischen den Rassen, die unterschiedlich seien, bei denen man aber nicht höhere und niedere unterscheiden dürfe.[9] Im offiziellen Programm der Kolonialausstellung wurden die Besucher ausdrücklich gebeten, über Fremde, die  ihre Kultur präsentierten, nicht zu lachen. Ein solches verspottendes Lachen habe den Franzosen mehr Feinde gemacht als grausame Niederlagen oder kostspielige Verträge.[10]

Im jardin d’acclimatation, auf der anderen Seite  der Stadt, war man da weniger zimperlich. Dort mussten die „Wilden“ sich so aufführen, wie es der Vorstellung von angeblichen „Menschenfressern“ entsprach, also entsprechend wilde Schreie ausstoßen (obwohl sie perfekt Französisch sprachen) und rohes Fleisch essen. Die Männer mussten Baumstämme aushöhlen, um Pirogen zu bauen, und bei ihrem Kriegstanz pilou-pilou bedrohlich ihre Speere schwingen, die Frauen ihre von den Kolonisatoren eingeführten „Missionshemden“ wieder ausziehen und sich dem Publikum mit nackten Brüsten zeigen. Die Zuschauer bedankten sich dafür, indem sie die „Wilden“ mit Bonbons, Erdnüssen und Bananen,  manchmal aber auch mit Steinen bewarfen.[11] Von den Franzosen sollten die Eingeborenen auf Wunsch des Gouverneurs von Neukaledonien ausdrücklich fern gehalten werden, um einen Kontakt mit den „mauvais éléments“ der großen Städte, also wohl antikolonialistischen Aktivisten, zu verhindern.[12]   Die nach Paris gelockten Kanak wurden  also veranlasst, die Rollen von „Wilden“ zu spielen, die sie ganz  und gar nicht waren: ein anschauliches Beispiel für die „invention du sauvage“ , der das musée Branly und der jardin d’acclimatation 2011/12 und 2013 Ausstellungen widmeten. Die Völkerschauen haben zu dieser „Erfindung des Wilden“ und damit auch zur vorurteilsbeladenen Stigmatisierung von Menschen anderer Hautfarbe und Kultur einen wesentlichen Beitrag geleistet.

In einer zeitgenössischen Werbung für die Ausstellung der Kanak sah das dann so aus:

Machen Sie einen Rundgang im jardin d’acclimatation. Sie werden dort Schilder mit folgenden mit Pfeilen versehenen Hinweisen finden:

←Krokodile   canaques →

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Wenn Sie es vorziehen,  die canaques anzusehen, werden Sie feststellen, dass diese Tiere weniger lustig sind als die anderen großen Affen…“ [13]

Die Nachbarschaft von angeblich menschenfressenden Kanaken und potentiell menschenfressenden Krokodilen war sicherlich nicht zufällig. Umso dramatischer, dass kurz vor Eröffnung der Kolonialausstellung plötzlich die Krokodile verendeten.

Der Tausch von „teutonischen Krokodilen“ und Kanak

Was nun folgte, erzählt  Didier Daeninckx‘ in der „Reise eines Menschenfressers nach Paris“. Der Verwaltungsdirektor der Ausstellung. Albert Pontevigne, hat  seinen Assistenten einbestellt:

Ach da sind Sie ja endlich, Grimaut! Es ist über zwei Stunden her, dass  ich Sie haben rufen lassen…. Was ist mit den Krokodilen? Ich bin heute Morgen durch den Park gegangen, bevor ich ins Büro kam, und ich habe kein einziges im Teich gesehen….“

Grimaut fängt an zu schwitzen. Er senkt die Augen.

„Heute nacht hatten wir große Probleme, Herr Direktor…. Keiner kann sich erklären, wie das geschehen konnte…“

„Hören Sie auf, in Rätseln zu sprechen! Wo sind unsere Krokodile?“

„Sie sind alle auf einen Schlag gestorben… Man nimmt an, dass sie nicht die richtige Nahrung bekommen haben… Wenn sie nicht jemand  vergiften wollte…“

Dem Verwaltungsbeamten bleibt einen Moment die Stimme weg, dann fängt er an zu brüllen. Grimaut  schluckt schwer.

„Tot! Alle tot! Das soll wohl ein Witz sein… Was hat man ihnen zu essen gegeben? Sauerkraut, Bohnen mit Speck? Ist Ihnen klar, was das heißt, Grimaud? Wir haben drei Monate gebraucht, um sie aus der Karibik kommen zu lassen…. Drei Monate! Was soll ich dem Präsidenten und dem Marschall morgen vor dem leeren Teich erzählen? Dass wir Seerosen züchten? Sie werden ihre Krokodile suchen, und wir müssen eine Lösung finden… Ich hoffe, Sie haben schon angefangen, darüber nachzudenken

Der Adjunkt holt ein Taschentuch hervor. Er  betupft sich die Stirn.

„In den nächsten Stunden müsste wieder alles in Ordnung kommen, Herr Direktor… Ich werde hundert Tiere als Ersatz bekommen, zur Eröffnungszeremonie. Krokodile, Kaimane, Alligatoren… Sie kommen mit dem Nachtzug an der Gare de l’Est an….“

„An der Gare de l’Est? Und sie kommen woher?“

Grimaud deutet ein Lächeln an.

„Aus Deutschland.“

„Teutonische Echsen! Nicht zu fassen… Und wo haben Sie Ihre Krokodile gefangen, wenn die Frage nicht indiskret  ist?“

Der Untergebene tritt von einem Fuß auf den  anderen.

„Ganz einfach, am Telefon. Sie stammen aus der Menagerie des Zirkus Höffner aus Frankfurt am Main. Zwei Jahre lang waren sie die Hauptattraktion, aber die Leute haben sie satt. Der Zirkus sucht nach einem Ersatz, um das Publikumsinteresse aufzufrischen, und mein Vorschlag kam gerade richtig.“

Albert Pontevigne runzelt die Brauen.

„Ein Vorschlag? Habe ich richtig verstanden? Ich hoffe, dass Sie nicht zu weit gegangen sind, Grimaut.“

„Ich glaube nicht… Ich habe versprochen, ihnen im Austausch ungefähr 30 Kanaken zu leihen. Sie werden sie uns im September zurückgeben, wenn ihre Tournee zu Ende gegangen ist.“ (S. 21-23)

 

Eine solche  Szene könnte sich tatsächlich abgespielt haben. Allerdings war es wohl nicht  der Zirkus Höffner, der die Krokodile lieferte, sondern der Frankfurter Zoo, der sie dann aber an den Tierpark Hagenbeck in Hamburg weitergab. Der stellte sie dort aus, wo  sich heute das Gehege der  Elefanten  befindet, wie der Urenkel von Claus Hageneck, Dr. Carl Claus Hagenbeck, dem Filmemacher Alexandre Rosada erläuterte.[14]

Ein Teil der Kanak blieb dort, ein anderer wurde auf Tournee geschickt und  in den Zoos von Leipzig, Köln, Frankfurt und Hannover sowie auf dem Oktoberfest in München gezeigt.[15]

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Auf der homepage  des Frankfurter Zoos fand sich 2017, als dieser Bericht entstand, unter der Rubrik Sonderveranstaltungen/Völkerschauen folgende Information:

„Auch im Zoologischen Garten Frankfurt gastierten zwischen 1878 und 1931 immer wieder Völkerschauen. Je nach Volk und Anbieter variierte die „Schau“, doch gewöhnlich sollte den Besuchern das jeweilige Leben nähergebracht werden. Dazu führten die Akteure Volkstänze auf und zeigten ihre Fertigkeiten vor allem in handwerklichen Tätigkeiten, deren Produkte auch zum Kauf angeboten wurden. Die Zoobesucher durften die Dörfer nur zu festgelegten Zeiten gegen Zahlung eines Sondereintritts betreten. Die meisten Völkerschauen, die in Frankfurt gastierten, wurden von Tierhändlern zusammengestellt, mit denen der Zoologische Garten Frankfurt sowieso zusammenarbeitete, und standen im Zusammenhang mit Tiertransporten.“

Inzwischen (2023) ist dieser Abschnitt etwas aussagekräftiger und kritischer. Das liest sich so:

„Im Frankfurter Zoo fanden in der Zeit von 1878 bis 1931 mehr als zwei Dutzend sogenannte Völkerschauen sowie die zweimalige Zurschaustellung von Krao, einem Mädchen mit physischen Besonderheiten, statt.

Es waren zumeist Unternehmer wie der Tierhändler Carl Hagenbeck, die als Veranstalter der Völkerschauen auftraten und diese in attraktiven Veranstaltungsorten wie Zoos oder Museen ausrichteten. Hagenbeck begann 1874 damit, Menschen aus „seinen Tierfanggebieten“ zu engagieren und sie gemeinsam mit ihren Alltagsgegenständen sowie den gefangenen Tieren nach Europa zu bringen. Es ist dokumentiert, dass Arbeitsverträge abgeschlossen und auch Löhne gezahlt wurden. Allerdings ist anzunehmen, dass die Mehrzahl der Angeworbenen kaum in der Lage war, die Verträge zu lesen und zu deuten. Belegt ist, dass die Tourneen für manche in der Katastrophe endeten, so etwa für eine achtköpfige Gruppe von Labrador Inuit. Sie erkrankten 1881 nach ihrem Aufenthalt in Frankfurt an Pocken und starben. Selbst für den Fall, dass die Reise nach Europa freiwillig angetreten wurde, ist doch davon auszugehen, dass die Vorführungen des Alltags- und Familienlebens oftmals die Grenzen zur Demütigung überschritten. Auch dürfte klar sein, dass die lange Abwesenheit von Zuhause, das fremde Klima, die permanente Öffentlichkeit und etliche Faktoren mehr äußerst belastend gewesen sein müssen.

Aus heutiger Sicht sind die Völkerschauen als ausgesprochen menschenverachtend zu kritisieren und nicht akzeptabel. Das Argument der Bildung, das seinerzeit eine Rolle gespielt haben mag, tritt zurück hinter die kommerziellen Interessen der Ausrichter, die Schaulust und die Demonstration eines weit verbreiteten Überlegenheitsgefühls gegenüber den zur Schau gestellten Menschen fremder Völker. Das zum Teil erhebliche Leid der Betroffenen wurde dabei offenbar von einer Mehrheit der Initiatoren und des Publikums in Kauf genommen. Auch wenn Völkerschauen und ähnliche Phänomene im geschichtlichen Kontext gesehen werden müssen, werden sie dadurch nicht legitimiert. Eine Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit dem Thema ist unbedingt notwendig für die Bewusstseinsbildung heutiger und zukünftiger Generationen.“ [16]

In beiden Versionen wird 1931 als letztes Jahr einer Völkerschau im Frankfurter Zoo genannt wird, allerdings (schamhaft?) verschwiegen, dass es die gegen die Krokodile eingetauschten Kanak waren, die dort „gastierten“. Zu hoffen ist jedenfalls, dass sie in Frankfurt menschenwürdiger behandelt wurden als im jardin d’acclimatisation in Paris. In Hamburg scheint das jedenfalls nicht so gewesen zu sein, wie aus einem Brief des Schreibers der Gruppe vom 3. Juni 1931 hervorgeht, den er an einen Pariser Bekannten richtete. In dem Brief wird berichtet, dass die Kanak im HamburgerZoo von morgens bis abends „Spiele“ vorführen müssten wie Tanz, Wettlauf, Speerwurf, das Klettern auf hohe Masten etc.  Außerdem müssten sie riesige Bäume aushöhlen, um Einbäume herzustellen, auf denen die Besucher des Zoos dann herumfahren würden. Beim Tanz dürften sie nur einen Lendenschutz tragen, keine Hose, kein Hemd und keine Schuhe. Anders als in Paris müssten sie auch bei Regen –den es schon öfters gegeben habe- auftreten. Am schlimmsten sei, dass sie im kalten Wasser schwimmen müssten, denn in Hamburg sei es noch kälter als in Paris. In ihrer Hütte gäbe es weder Matten  noch Stroh, um die Zuschauer glauben zu machen, sie seien Wilde, wie der Direktor ihnen erklärt habe. In einem anderen Brief schrieb der Chef der Gruppe, sie wollten dringend „la chère France“ wiedersehen. In Hamburg würden sie wie Sklaven behandelt. Allerdings wurde bei den Kanak auch vermutet, dass die Briefe in ihrem Namen von französischen Philanthropen geschrieben worden seien, die auf diese Weise erreichen wollten, dass die Gruppe, die nach übereinstimmenden Berichten tatsächlich unter der Hamburger Kälte und der über ihre Köpfe hinweg vereinbarten Länge  ihrer „Abordnung“ litt, möglichst schnell wieder nach Paris und dann in ihre Heimat zurückkehren könnten.[17]

Und es gab immerhin auch positive Erfahrungen: Zum Beispiel die Beziehungen, ja Freundschaften, die sich in Hamburg zwischen den Hagenbecks und Kanak entwickelten. Ein Neukaledonier, dessen Eltern zur Hagenbeck-Gruppe gehörten, erinnert sich:

„Unsere Eltern haben immer gesagt, dass die Leute, vor allem die Deutschen, sehr freundlich ihnen gegenüber waren. Wissen Sie, Papa hat noch das System der Zwangsarbeit hier erlebt, die Schaufel und die Hacke, die Vorarbeiter, die Fußtritte… Er konnte vergleichen. (…) Wenn sie von ihren Erlebnissen dort gesprochen haben, haben sie …. vor allem von den deutschen Freunden gesprochen, mit denen es einen Briefwechsel gab bis zum Krieg zwischen Deutschland und Frankreich. Das hat ihnen sogar Ärger und den Besuch von Polizisten eingebracht, als sie 1939 immer noch Briefe aus Deutschland erhielten mit Hakenkreuz- Stempeln darauf. Aber für die konnten sie doch nichts. Wissen Sie, es war eine echte Freundschaft, sonst hätte unser Vater nicht seinen beiden  ältesten Töchtern deutsche Namen gegeben“.

Und ein Enkel ergänzt:

„Mein Großvater traf zum ersten Mal in seinem Leben, Menschen, die ihn von gleich zu gleich, von Mann zu Mann, wie er sagte, und nicht als minderwertig behandelten. Dieses Gefühl der Gleichheit war vor allem in Deutschland lebendig. Großvater hat öfters erzählt, wie er bei den Hagenbecks, seinen Freunden in Hamburg, eingeladen war. Er hat ja auch seinen beiden Töchtern die Namen der Töchter des deutschen Freundes, Emy und Loti, gegeben. Und  meine Großmutter erzählte, dass zur gleichen Zeit in Neukaledonien Weiße und Kanaken jedem Kontakt miteinander vermieden haben.“ [18]

Der Fußballer Christian Karambeu und sein Urgroßvater, eine Familiengeschichte

Die Reise der Kanak nach Europa wurde in der kollektiven Erinnerung nicht nur Frankreichs, sondern auch Neukaledoniens eher verdrängt. Selbst in einem sehr gelobten Geschichtsbuch neukaledonischer Historiker und Pädagogen über die Geschichte ihrer Heimat (Hachette 1993) ist davon nicht die Rede.[19] Die Rückkehrer schwiegen sich über die wahren Hintergründe ihrer „großen Reise“ aus und hoben stattdessen ihre Abenteuer und weltmännischen Erfahrungen hervor. Sie sahen sich als Repräsentanten ihrer Heimat auf der Kolonialausstellung von 1931, obwohl Neukaledonien ja gar nicht für wert erachtet worden war, so wie andere  „höher entwickelte“  Kolonien auf dem Ausstellungsgelände am Bois de Vincennes mit einem eigenen Pavillon vertreten zu sein. Aber diese demütigende Abschiebung und Präsentation als  Kannibalen wurde eher nicht kommuniziert:  Die Nachfahren der angeblichen „Kannibalen“ verspürten denn auch weniger Scham als Stolz: Dass Familienmitglieder nämlich die Ehre hatten, ausgewählt worden zu sein, um ihr Volk im fernen Mutterland zu repräsentieren.

Zwei Äußerungen von Betroffenen: „Wir sind stolz, dass unsere Eltern zur Delegation von 1931 gehörten. Diese Reise ist im Rahmen unserer historischen Bindungen mit Frankreich zu sehen, in der gleichen Weise, wie sich Kanaken freiwillig gemeldet haben (im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Anm. W.J.), als das Mutterland in Gefahr war….

Wir sind stolz, dass Leute von uns bei der Kolonialausstellung von 1931 dabei waren. Sie sind nicht auf Befehl von irgendwem hingegangen. Es war unser grand chef, der diejenigen ausgewählt hat, die ihn begleitet haben.“ [20]

Es war der neukaledonische Fußballspieler Christian Karembeu, der zu einer differenzierten Wahrnehmung der Rolle der Kanak bei der Kolonialausstellung von 1931 beigetragen hat. Karambeu  gehörte zu der legendären multikulturellen „Black-Blancs-Beurs“- Nationalmannschaft Frankreichs, die 1998 die Fußballweltmeisterschaft gewann. Karembeu wuchs auf einer kleinen Insel Neukaledoniens in traditionellen sozialen Strukturen und sehr bescheidenen Verhältnissen auf. Einen Fußballplatz gab es da nicht, auch keinen Fußball. Aber mit seinen Spielkameraden stellte er sich selbst Bälle aus Blättern  und Spinnweben her. Nachdem in der Schule sein sportliches  Talent erkannt worden war, verließ er 1988 seine Heimat und machte in der „métropole“ Karriere: zunächst als Spieler des  FC Nantes, dann bei Sampdoria Genua und bei Real Madrid.[21]

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Christian Karembeu am 11. Oktober 1988 auf dem Flughafen von Nouméa mit seinen Eltern

Karembeu wurde vor allem als Mitglied der Weltmeistermannschaft gefeiert, war aber auch umstritten: Er weigerte sich nämlich, vor Länderspielen die Nationalhymne mitzusingen. Es gab zwar auch andere prominente Spieler, die nicht mitsangen, aber bei Karembeu hatte das politische Gründe. Es war ein Protest gegen  die Missachtung und Geringschätzung seiner Heimat durch das Mutterland. In der Einleitung zu seinem Buch  „Kanak“ schreibt er:

Zwischen 1973 und 1995 hat die französische Regierung das Atoll von Mururoa durch Atomversuche verwüstet, ohne die Folgen der Radioaktivität für die Flora  und Fauna und die Fischer der benachbarten  Inseln, darunter auch Neukaledonien, zu beachten. Was haben umgekehrt die Menschen  der Region für  diesen unfreiwilligen Beitrag zur Entwicklung der französischen Militärmacht … erhalten? Nichts, außer Krankheit und Tod, was mit der Zeit immer deutlicher wird.“

Und weiter:

Ich habe mich immer geweigert, die Marseillaise bei Länderspielen mitzusingen. Man hat mir das massiv vorgeworfen und mich beschuldigt, ein Feind Frankreichs zu sein. Diese Weigerung war aber nichts anderes als eine logische Reaktion: Warum sollte ich die Symbole der französischen Nation übernehmen, wenn diese Nation das Volk der Kanak und seine Kultur überhaupt nicht kennt und achtet ? 1931 sind anlässlich der Kolonialausstellung im Jardin d’Acclimatisation Franzosen bis nach Neukaledonien gekommen, um Kanak-„Exemplare“ zu finden, zu denen auch mein Urgroßvater gehörte. Während mehrerer Wochen wurde er vor den Parisern ausgestellt, die ihn wie ein Tier ansahen und bewunderten. Wie viele Franzosen kennen diese Geschichte, die ein  Tabu in den Kanak-Familien geblieben ist? Wenn sie sie kennen würden, würden sie dann immer noch erwarten, dass ich die Marseillaise singe. Ich glaube nicht.“ [22]

Vielleicht wäre es unter diesen Voraussetzungen konsequenter gewesen, wenn Karembeu darauf verzichtet hätte, Mitglied der französischen Nationalmannschaft zu werden. Aber andererseits war er kein militanter Anhänger der neukaledonischen Unabhängigkeitsbewegung, und seine Prominenz ermöglichte es ihm, Werbung für Neukaledonien und die Kenntnis und Anerkennung der kulturellen Identität seiner Heimat zu machen.

Und da hat es zwischen 1988, als Karambeu sich nach Frankreich aufmachte, und 1998, als er Fußballweltmeister wurde, erhebliche Fortschritte gegeben: Durch das Matignon-Abkommen von 1988 und das Nouméa-Abkommen von 1998 hat Neukaledonien ein höheres Maß an Autonomie erhalten. Damals wurde auch vereinbart, dass in Neukaledonien 2018 ein Referendum über die  Unabhängigkeit bzw. den zukünftigen Status des Territoriums abgehalten soll. (22a)  In Nouméa wurde 1998 ein vom französischen Staat bezahltes und von dem Stararchitekten Renzo Piano entworfenes Kulturzentrum eröffnet, in dem kulturelle Veranstaltungen der Kanak angeboten werden: ein „Akt der Wiedergutmachung“ für das „Trauma der Zwangskolonisation“, für die der französische Staat im Abkommen von Nouméa die Verantwortung übernommen hat. Es dauerte auch bis 1998, dass  endlich (!!!) die Namen der „soldats kanak“ in das Denkmal für die Gefallenen des ersten  Weltkriegs in Nouméa eingeschrieben wurden,  die, von der Kolonialverwaltung als „sauvages“ betrachtet, es  offenbar bis dahin nicht wert waren, neben den Namen der aus Frankreich eingewanderten Neu-Kaledonier zu stehen. [23]. Im musée Branly in Paris fand 2013/14 die Ausstellung „Kanak“ statt, die größte jemals gezeigte Ausstellung der indigenen Kultur Neukaledoniens.

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Und Christian Karembeu, der nach dem Ende seiner fußballerischen Laufbahn gewissermaßen zum Botschafter seiner Heimat avanciert war,  fungierte dabei als Führer. Es gibt dazu auch einen kleinen Film, in dem Karembeu die Ausstellung präsentiert:

http://actu.orange.fr/societe/videos/visite-guidee-l-exposition-kanak-avec-christian-karembeu-au-musee-du-quai-branly-VID0000001LPEh.html

Dass mit dieser Ausstellung die Kultur der Kanak endlich gewissermaßen offiziell anerkannt wurde, war für Chistian Karembeu  eine große Genugtuung, und sie als Führer zu präsentieren war sicherlich auch eine hommage an seinen Urgroßvater Willy Karembeu, der 1931 in Paris noch als Menschenfresser ausgestellt worden war.

 

Literatur

Didier Daeninckx, Reise eines Menschenfressers nach Paris. Berlin: Wagenbach 2001

(französische Erstausgabe 2000 bei Gallimard: Cannibale)

Joël Dauphiné, Canaques de la Nouvelle-Calédonie à Paris en 1931.  De la case au zoo. Paris 1998. Rezension in: http://www.persee.fr/doc/jso_0300-953x_1998_num_107_2_2063_t1_0237_0000_1

Anne Dreesbach, Kolonialausstellungen, Völkerschauen und die Zurschaustellung des  „Fremden“ (22012): http://ieg-ego.eu/de/threads/modelle-und-stereotypen/wilde-und-zivilisierte/anne-dreesbach-kolonialausstellungen-voelkerschauen-und-die-zurschaustellung-des-fremden

Anne Dreesbach, Gezähmte Wilde. Die Zurschaustellung ‚exotischer‘ Menschen in Deutschland 1870 – 1940. FFM: Campus-Verlag 2005

Luis A. Sánchez- Gómez, Human Zoos or Ethnic Shows? In. Culture & History. Digital Journal, 2013  In: http://cultureandhistory.revistas.csic.es/index.php/cultureandhistory/article/viewArticle/31/122

https://www.rosada.net/expositioncolonialekanak.htm (Film)

L’exposition coloniale Paris – 1931 Schwerpunktthema von:   Mwa Véé Juli 1998  (Eine Publikation der  Agence de développement de la culture kanak).  http://mediatheque.adck.nc/mediath/pdf_player/viewer.cfm?pdfUrl=http://srv-opac/mediatheque/Mwavee/Mwa_Vee_13_Adck_Numerise_Web.pdf

http://ddc.arte.tv/zur-das-thema/die-erfindung-des-wilden (Literaturübersicht zum 2012 ausgestrahlten arte-Films Die Erfindung des ‚Wilden‘ , auch zum Thema der „Menschenzoos“

Film arte 29.9.2018: Die ‚Wilden‘ in den Menschenzoos.  Französischer Film (2018) von Pascal Blanchard und Bruno Victor-Pujebet.  In dem Film werden verschiedene Phasen der Präsentation von ‚Wilden‘ in Menschenzoos vorgestellt, und zwar jeweils anhand eines konkreten menschlichen Schicksals. Der jardin d’acclimatation als ein besonders bedeutsamer „Menschenzoo“ und die Kolonialausstellung von 1931 als Wendepunkt in der Zurschaustellung von angeblichen ‚Wilden‘ spielen dabei eine wichtige Rolle. (Französischer Titel: Sauvages, au coeur des zoos humains.)

Thematisch verwandte Blogbeiträge:

Das Palais de la Porte Dorée und die Kolonialausstellung von  1931    https://paris-blog.org/2017/05/10/das-palais-de-la-porte-doree-und-die-kolonialausstellung-von-1931/

Die Malerei des französischen Kolonialismus. Eine Ausstellung im Musée Branly in Paris   https://wordpress.com/post/paris-blog.org/11303

Die Kolonialausstellung von 1931 (Teil 2): Der „menschliche Zoo“ im Jardin d’acclimatation und der Tausch von „teutonischen Krokodilen“ und   „Menschenfressern“  zwischen Paris und Frankfurt      https://paris-blog.org/2017/06/01/die-kolonialausstellung-von-1931-teil-2-der-menschliche-zoo-im-jardin-dacclimatisation-und-der-tausch-von-teutonischen-krokodilen-und-men-sche/

Die Erinnerung an Sklavenhandel und Sklaverei: Der schwierige Umgang mit einem düsteren Kapitel der französischen Vergangenheit https://wordpress.com/post/paris-blog.org/9077

Die Résidence Lucien Paye in der Cité universitaire  (ursprünglich Maison de la France d’outre-mer) Siehe:  https://paris-blog.org/2017/01/02/die-cite-internationale-universitaire-in-paris-ein-ort-des-friedens-und-der-voelkerverstaendigung/

Der Garten der tropischen Landwirtschaft im Bois de Vincennes – ein „romantisches“  Überbleibsel der Kolonianlausstellung von 1907.  https://paris-blog.org/2020/09/20/der-garten-der-tropischen-landwirtschaft-jardin-dagronomie-tropicale-im-bois-de-vincennes-ein-romantisches-uberbleibsel-der-kolonialausstellung-von-1907/

Anmerkungen:

(1) In den 1998 unterzeichneten Vereinbarungen von Nouméa  zwischen „Mutterland“ und Neukaledonien wurde das Wort  „kanak“ (= Mensch) für offiziell gültig und als unveränderlich  erklärt anstelle des bis dahin üblichen Wortes „canaque“ mit seiner kolonialistischen Dimension. In der deutschen  Übersetzung der Erzählung von Didier Daenincks wird deshalb zwischen der unflektierten Form „Kanak“ und der flektierten Form „Kanake(n) unterschieden. (Anmerkung des Übersetzers, S. 6) Ich werde in diesem Text ausschließlich die  unflektierte Form verwenden und nicht die -gerade in Deutschland- nicht nur paternalistische, sondern ausdrücklich diffamierende Form „Kanake(n)“.

[1a] Bilder bei: http://entreetoblackparis.blogspot.de/2012/01/paris-human-zoos-exposed-at-musee-du.html und: http://cultureandhistory.revistas.csic.es/index.php/cultureandhistory/article/viewArticle/31/122

Die Ausstellung von 34 Eingeborenen aus Guyana im Jardin d’acclimatation im Jahr 1892 hat im Jahr 2023 wieder eine gewisse Aktualität gewonnen. Ein großer Teil der Gruppe ist damals in Frankreich verstorben und ihre sterblichen Überreste werden im Muséum nationale d’histoire naturelle (MNHN) aufgewahrt. Nun fordern aber Nachfahren die  Rückgabe der sterblichen Überreste. Der französische Senat hat im Juni 2023 einen Gesetzesvorschlag verabschiedet, durch den die Rückgabe sterblicher Überreste aus Beständen französischer Museen erleichtert werden soll. Laut Le Monde vom 8. August 2023, die dem Thema eine ganze Seite widmet, liegt es allerdings an der Premierministerin, über das weitere Vorgehen zu entscheiden. (Natalie Guibert, En Guyane, ‚on a eu des morts, ils sont où?‘. Huit Amérindiens victimes des zoos humains et conservés dans les collections nationales pourraient être restitutés)

[2] http://jardindacclimatation.fr/150-ans-dhistoire/

[3] In dieser Hinsicht hat gerade Cuvier eine traurige Rolle gespielt. Abdellatif Kechiche hat über das tragische Schicksal von Saartjie Baartman einen eindrucksvollen Film gemacht. Siehe: http://www.lexpress.fr/actualite/societe/la-veritable-histoire-de-la-venus-noire_930758.html

Es bedurfte eines speziellen Gesetzes, dass die sterblichen Überreste von Saartje Baartman 2002 an Südafrika zurückgegeben werden konnten.

[4] https://www.welt.de/print-welt/article3393983/Hereinspaziert-Kanaken-frisch-eingetroffen.html

[5]  Bild aus: http://www.dinosoria.com/cannibalisme.html

[6] Didier Daeninckx, Reise eines Menschenfressers, S. 16

[7] http://jardindacclimatation.fr/150-ans-dhistoire/

http://www.lexpress.fr/actualite/societe/l-exposition-coloniale-de-1931-le-meilleur-de-l-empire_1748163.html

Bild aus dem Film über die Exposition Coloniale Kanak 1931 von Alexandre Rosada: https://www.rosada.net/expositioncolonialekanak.htm

[8] https://fr.wikipedia.org/wiki/Histoire_de_la_Nouvelle-Cal%C3%A9donie#Premiers_Europ.C3.A9ens_install.C3.A9s_.281841-1853.29

(8a) http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-81136869.html.

[9] http://mediatheque.adck.nc/mediath/pdf_player/viewer.cfm?pdfUrl=http://srv-opac/mediatheque/Mwavee/Mwa_Vee_13_Adck_Numerise_Web.pdf, S. 7

[10] http://www.lexpress.fr/actualite/societe/l-exposition-coloniale-de-1931-le-meilleur-de-l-empire_1748163.html

http://achac.com/zoos-humains/die-ausstellungen-der-zwischenkriegszeit-1920-1940/

http://www.bondyblog.fr/201105290001/80eme-anniversaire-de-l%E2%80%99exposition-coloniale-de-1931-l%E2%80%99expo-de-la-honte/#.WPKg0_nyjIU

Nach Daeninckx werden die Kanaken in Vincennes ausgestellt, was aber nicht zutrifft.

[11] http://www.bondyblog.fr/201105290001/80eme-anniversaire-de-l%E2%80%99exposition-coloniale-de-1931-l%E2%80%99expo-de-la-honte/#.WPKg0_nyjIU

http://www.liberation.fr/tribune/1998/11/06/en-1931-111-kanaks-furent-exhibes-a-l-exposition-coloniale-une-honte-refoulee-kanaks-au-zoo_252783

http://www.berliner-zeitung.de/die-familiengeschichte-des-fussballstars-erregt-in-frankreich-aufsehen-karembeus-urgrossvaeter-wurden-im-zoo-ausgestellt-16551292

[12] http://www.persee.fr/doc/jso_0300-953x_1998_num_107_2_2063_t1_0237_0000_1

[13]„Allez faire un tour au jardin d’acclimatisation. Vous y trouverez (…) des écriteaux portant ces inscriptions avec flèches indicatrices – crocodiles   – canaques

Que si vous préférez aller voir les Canaques, vous constatez que ces animaux sont beaucoup moins rigolos que les autres grands singes….“ Hinweistafel aus einem Dokumentationsfilm zur Kolonialausstellung und dieAusstellung der Kanaken in:

https://www.rosada.net/expositioncolonialekanak.htm und https://www.youtube.com/watch?v=4DJRcSEkftI

[14] http://www.forschung-und-wissen.de/magazin/geschichte-gesellschaft/die-vergessene-geschichte-der-menschenzoos-13372299

Foto aus dem Film von Alexandre Rosada und auch bei: http://www.flickriver.com/photos/jumborois/sets/72157606871939062/

[15] http://www.berliner-zeitung.de/die-familiengeschichte-des-fussballstars-erregt-in-frankreich-aufsehen-karembeus-urgrossvaeter-wurden-im-zoo-ausgestellt-16551292 (Berliner Zeitung vom 15.12.1998)

Sylvia Krauss-Meyl, Das Oktoberfest Zwei Jahrhunderte Spiegel des Zeitgeists. München 2015

Siehe auch: http://hartbrunner.de/fakten/d_fakten.php?id=2455

[16] https://www.zoo-frankfurt.de/unser-zoo/geschichte/sonderveranstaltungen/voelkerschauen/

Eine Nachfrage an den Frankfurter Zoo mit der Bitte um nähere Informationen zu der „Ausstellung“ von 1931 blieb leider ohne Antwort.

Ein Liste der Völkerschauen im ´Frankfurter Zoo unter:  https://www.agespe.org/voelkerschauen-im-frankfurter-zoo/

[17] http://mediatheque.adck.nc/mediath/pdf_player/viewer.cfm?pdfUrl=http://srv-opac/mediatheque/Mwavee/Mwa_Vee_13_Adck_Numerise_Web.pdf S. 8/9

[18] http://mediatheque.adck.nc/mediath/pdf_player/viewer.cfm?pdfUrl=http://srv-opac/mediatheque/Mwavee/Mwa_Vee_13_Adck_Numerise_Web.pdf S. 19/20

[19] http://www.liberation.fr/tribune/1998/11/06/en-1931-111-kanaks-furent-exhibes-a-l-exposition-coloniale-une-honte-refoulee-kanaks-au-zoo_252783

[20] http://mediatheque.adck.nc/mediath/pdf_player/viewer.cfm?pdfUrl=http://srv-opac/mediatheque/Mwavee/Mwa_Vee_13_Adck_Numerise_Web.pdf S. 16

http://www.liberation.fr/tribune/1998/11/06/en-1931-111-kanaks-furent-exhibes-a-l-exposition-coloniale-une-honte-refoulee-kanaks-au-zoo_252783

http://www.berliner-zeitung.de/die-familiengeschichte-des-fussballstars-erregt-in-frankreich-aufsehen-karembeus-urgrossvaeter-wurden-im-zoo-ausgestellt-16551292

[21] Bild bei: Anne Pitoiset & Claudine Wéry avec Christian Karembeu: Kanak. 2011 und : http://www.parismatch.com/People/Sport/J-ai-quitte-ma-tribu-kanak-Par-Christian-Karembeu-146564

[22]  S.12 und 16. Siehe auch:   http://www.berliner-zeitung.de/die-familiengeschichte-des-fussballstars-erregt-in-frankreich-aufsehen-karembeus-urgrossvaeter-wurden-im-zoo-ausgestellt-16551292   Übrigens gab es auch andere prominente Fußballspieler, die sich weigerten, die Marseillaise zu singen, z.B. Michel Platini, für den es sich dabei um « un hymne guerrier qui n’a rien à voir avec le jeu ».handelte. (Wikipedia-Artikel zu Christian Karmebeu; s.a. Platini: Je ne chantais pas la Marseillaise. In: http://www.football.fr/equipe-de-france/articles/cm2022-platini-met-la-pression-sur-le-qatar-397906/)

(22a) siehe Le monde vom 30.5.2017: Prélude législatif en Nouvelle-Calédonie. Prévu en novembre 2018, le référendum d’autodétermination sur l’avenir de l’archipel est au coeur de la campagne électorale. Allerdings ist  die vom Nouméa-Abkommen proklamierte „communauté de destin“ ziemlich brüchig angesichts einer europäisch-stämmigen Bevölkerung, die bei den Präsidentschaftswahlen 2017 mit deutlicher Mehrheit für den Front National gestimmt hat. (insgesamt erreichte der FN mit 47,43% der Stimmen sein bestes Ergebnis „outre-mer“.

Einen sehr informativen Überblick über die Geschichte der Unabhängigkeitsbewegung bis hin zum Abkommen von Nouméa gibt es in Le Monde vom 31. Oktober 2017: http://www.lemonde.fr/politique/article/2017/10/30/quand-la-nouvelle-caledonie-s-embrasait_5207835_823448.html

(23)  Le Monde vom 8. November 2018 in einem Artikel („À la mémoire des tirailleurs kanak“)   zu dem Film: Kalepo, un Kanak dans la Grande Guerre von Francois Reinhardt.

http://www.berliner-zeitung.de/die-familiengeschichte-des-fussballstars-erregt-in-frankreich-aufsehen-karembeus-urgrossvaeter-wurden-im-zoo-ausgestellt-16551292

https://de.wikipedia.org/wiki/Tjibaou-Kulturzentrum