Sainte Anne/Martinique im CV-19-Modus

Martinique ist ein wunderbares Reiseziel:

  • Es liegt zwar in der Ferne, ist aber als Département-Outre-Mer ein Teil Frankreichs mit allen damit verbundenen Vorteilen (Sprache, Währung, Infrastruktur)
  • Es ist eine karibische Insel mit einer großen landschaftlichen Vielfalt: Berge, wilde Bergbäche, tropische Vegetation, wunderbare einsame Strände mit türkisblauem Wasser, Korallenriffe zum Schnorcheln und Tauchen….
  • Und die Insel hat eine bemerkenswerte Vergangenheit. Dazu vier  Namen:

Statue Josephine

Josephine de Beauharnais, die  erste Frau Napoleons. Geboren wurde sie als Marie Josephe Rose de Tascher de la Pagerie, Tochter eines Adelsgeschlechts, das auf Martinique Zuckerrohrplantagen betrieb und damit ihren Reichtum der Ausbeutung von Sklaven verdankte. Ihre Statue steht am Hafen der Inselhauptstadt Fort de France:  Zunächst als Denkmal für die große Kaiserin, seit einigen Jahren aber geköpft und blutbefleckt  als Mahnmal gegen die Sklaverei.[1]

Ganz anders Victor Schoelcher, dem ebenfalls in Martinique ein Denkmal gesetzt wurde, nach dem ein Ort und die Dependence der französischen Karibik-Universität benannt ist. Schoelchers Eltern besaßen in Fessenheim im Elsass eine Porzellanfabrik, die Schoelcher  erbte und verkaufte, um sich ganz dem Kampf gegen die verhasste  Sklaverei widmen zu können. 1848 war er Abgeordneter der Nationalversammlung für Martinique und maßgeblicher Initiator des Dekrets zur Abschaffung der Sklaverei in Frankreich vom 27. April 1848.

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Portrait von  Victor Schoelcher, dem „Befreier der Sklaven“, auf seinem Grabmal auf dem Friedhof Père Lachaise.[2]

Franz Fanon  schließlich,  Autor des antikolonialistischen Manifests  Die Verdammten dieser Erde, stammt aus Martinique.  Er besuchte das lycée Schoelcher in der Inselhauptstadt Fort-de-France und wurde dort unter anderem von  Aimé  Césaire unterrichtet,  dem wohl bedeutendsten Politiker und Schriftsteller der französischen Antillen, nach dem auch der Flughafen von Martinique benannt ist. Dieses Département vertrat er in den Jahren nach 1946 in der französischen Nationalversammlung.

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Kleine Aimé Césaire-Ausstellung im Flughafen von Martinique.  Césaires Lob der kleinen gemeinsamen Schritte in dem hier wiedergegebenen Satz  passt natürlich nicht ganz zu den Bedingungen  einer verschärften Ausgangssperre….

Die Schönheiten  der Insel zu genießen und  die Spuren der  Sklaverei und  ihrer Überwindung zu erkunden  -ein Thema, das auf diesem Blog  ja schon mehrfach  angesprochen wurde[3]: Gute Gründe für einen „Urlaub“ auf Martinique!  Der verlief dann allerdings ganz anders als geplant – weil auch dort die Corona-Krise alle Pläne zunichte gemacht hat.  Schon zwei Tage nach unserer Ankunft  begannen  die Beschränkungen, die dann immer massiver wurden.

Aber dennoch: Den Triumph,  ganz auf einen kleinen Martinique-Bericht zu verzichten, gönne ich dem Virus nicht. Es wird als doch ein paar Bilder zu dem kleinen Teil der Insel geben, den wir ganz am Anfang zu Fuß erkundet haben.  Der Bericht über die Erinnerung an die Sklaverei und ihre Überwindung wird sich dann nur auf den kleinen Ort Sainte Anne ganz im Süden der Insel beschränken, auf den wir aufgrund der Ausgangssperre beschränkt waren.  Wie wir dann dort den Umgang mit der Corona-Pandemie erlebt haben, wird abschließend etwas erläutert.

Einen kleinen Eindruck von der Schönheit der Insel konnten wir am Anfang unseres Aufenthalts bei einer Wanderung von Sainte Anne auf der Trace des Caps  zu dem Salines-Strand erhalten.

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Übrigens gab es am Anfang der Wanderung auch noch andere Tiere zu sehen: Zum Beispiel diese Rinder: Die europäischen Siedler hatten nämlich nicht nur den Zuckerrohranbau auf Martinique eingeführt, sondern auch Viehzucht und Weidewirtschaft.

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Die Grande Anse des Salines  wird als der bekannteste und schönste Strand von Martinique gerühmt. Es ist in der Tat ein Bilderbuchstrand:   Zwei Kilometer lang, weißer Sand, türkisblaues warmes Wasser, Palmen…  Da wir an einem Sonntag dort waren, sah es aber nicht so aus wie auf diesem Postkartenfoto.[4]

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Der Strand des Salines soll der schönste von M. sein

Für die Einheimischen ist der Strand ein beliebtes Wochenendziel. Also viel karibische Musik, Beach-Volleyball, Buden mit Essen und Trinken, mobile  Eisverkäufer, die mit Glockengeläut auf sich aufmerksam machen.  Aber ein ruhiges Plätzchen haben wir dann trotzdem gefunden- dafür ist der Strand lang genug, und  wenn man einen Traumstrand (fast) ganz für sich haben will, gibt es daneben noch die Petite Anse des Salines.

Zwei Tage später war die Fahrstraße zum Strand abgesperrt – wie auch zu anderen beliebten Stränden der Insel wie der Anse Noir, die für die Wasserschildkröten berühmt ist, die man beim Schnorcheln beobachten kann.

Weitere Wanderungen, geschweige denn Ausflüge mit dem Mietwagen, waren also ausgeschlossen.  Das verhängte  Confinement bedeutete, dass man seinen aktuellen Wohnsitz nicht mehr verlassen konnte – auch nicht zu Fuß, denn selbst die Strände wurden gesperrt und  der Zugang zu dem Küstenwanderweg  von der Polizei kontrolliert.

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Der Zugang zun allen Stränden der Stadt Sainte Anne ist ab 17. März bis auf Weiteres gesperrt. Bei Zuwiderhandlungen werden Strafen entsprechend der geltenden Gesetze verhängt. 

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Ein zum Teil in bedrohlich-niedriger  Höhe über den Stränden fliegender und kreisender Hubschrauber überprüfte die Einhaltung des Verbots. Da konnte man dann sicher sein, dass kurz danach die Gendarmerie aufauchte….

Das erste Hotel am Platz rien ne va plus

Das „erste Haus“ am Platz, das Hotel und Restaurant „La Dunette“ liegt schön am kleinen Hafen des Ortes. Auf einem Ausleger konnte man bei leichtem Wellenschlag  sitzen bzw.  hätte man sitzen können. Wir hatten zunächst sogar vor, uns dort einzumieten, hatten es aber unterlassen, weil in den Bewertungen des Hotels vor der durch die feiernden Gäste und die Musik gewarnt worden war. Die ersten beiden Vormittage konnten wir dort immerhin noch ohne Probleme unseren Morgenkaffee bekommen, dann nach Rücksprache mit dem Chef, der uns schon kannte, nur unter der Bedingung, dass wir uns nicht länger aufhalten würden und am dritten Vormittag war der Eingang verriegelt….

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Der offene Markt war am Anfang noch geöffnet.

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Dann war auch das zu Ende. Mit einem Händler konnte ich mich noch unterhalten, der sich bitter beklagte:  Der enge Supermarkt bleibt geöffnet, aber der luftige Verkaufsstand wird geschlossen. Und als Entschädigung bietet der Staat großzügig Stundungen für die Steuer auf Umsätze an, die es gar nicht mehr gibt….

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DSC07519Der kleine Supermarkt des Ortes hatte also noch geöffnet.  Allerdings wurde der Zugang kontrolliert, was ja auch vernünftig ist. Es wurden also immer nur maximal 10 Kunden eingelassen. Nicht ganz einsichtig fanden wir allerdings, dass die Öffnungszeiten auf wenige Stunden des Vormittags beschränkt wurden, was natürlich  entsprechende Schlangen vor dem Eingang verursachte.  Größere Hamsterkäufe gab es aber offensichtlich hier nicht, vom leeren Nudelregal mal abgesehen.  Selbst Toilettenpapier, in Deutschland offensichtlich eine Kostbarkeit, gab es hier noch reichlich.

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Nachmittags, wenn die Geschäfte (Supermarkt rechts, Bäckerei links im Bild) geschlossen hatten, sah die Hauptstraße dann so aus. Da war nur noch die Pharmacie geöffnet, in die man einzeln eingelassen wurde und die sogar bereit war, eigentlich rezeptpflichtige Arzeneimittel  auszugeben, falls ein gestrandeter Tourist sie benötigen würde.

Sonst war aber alles geschlossen:

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Auch das kleine Tourismus-Büro des Ortes und sogar die Kirche…

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Natürlich habe ich mich, soweit möglich,  in dem Ort etwas umgesehen, wie hier an die Zeit der Sklaverei erinnert wird.

Bushaltestelle von Saint Anne mit Sklavenbild

Erinnerung an die Sklaverei an der -natürlich verwaisten- Bushaltestelle von Sainte Anne

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Straße des heroischen Sklaven. Was es mit diesem heldenhaften Sklaven auf sich hat, konnte ich leider nicht herausbekommen.

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Erinnerung an einen Marineoffizier aus Guadeloupe, „Verteidiger von Paris“, in der Hauptstraße von Sainte Anne.

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Informationstafel über die Zeit der Sklaverei am Hauptplatz des Ortes: Die Masse der Sklaven war von Bildung ausgeschlossen“.  In dem Text wird aus einem Brief des Gouverneurs von Martinique, des Marquis de Fénelon, an den Kolonialminister aus dem Jahr 1764 zitiert: Jede Unterrichtung der „Neger“ könne zu einer Gefahr für die Weißen werden. Da die von diesen Leuten umgeben und in der Minderheit seien, müssten die „Neger“ in der allergrößten Unwissenheit (la plus forte ignorance) gehalten werden, um zu verhindern, dass sie auf (dumme) Gedanken kämen.

Als wir kurz mit unserem Auto anhielten, um dieses Foto zu machen, hielt neben uns ein Polizeiauto und vier Gendarmen sprangen heraus und stellten uns zur Rede. Es herrsche Ausgangsverbot und es sei verboten -auch auf dem Weg zum Einkaufen- anzuhalten und ein Foto zu machen. Als wir vorsichtig antworteten, es sei doch niemand weit und breit und wir würden nun wirklich niemanden und auch uns selbst nicht mit einem Foto in Gefahr bringen, wurden die flics richtig aggressiv. Deutlich wurde auch da, dass das confinement, die Ausgangssperre,  in Frankreich rein formal exekutiert wird.  Ginge es nach dem gesunden Menschen- und medizinischen Sachverstand müssten die Begegnungen von Menschen deutlich eingeschränkt werden, aber darum ging es ja hier nicht. Und darum ging es auch nicht in den französischen Altersheimen, in denen keine Besucher mehr zugelassen wurden, in denen aber offenbar die Insassen noch wie eh und je ihre Mahlzeiten gemeinsam einnahmen. (5)  Das Ergebnis sind eine massenhaftes Verbreitung des Virus in den Altersheimen  und entsprechend hohe Opferzahlen, die sicherlich in diesen katastrophalen Ausmaßen hätten verhindert werden können. Aber alle waschen ihre Hände in Unschuld nach dem Motton: Wir haben das confinement doch buchstabengetreu befolgt.

Aber zurück zu unserer Auseinandersetzung mit der eifrigen Gendarmerie von Sainte Anne: Das Ende war dann – sie merkten natürlich, dass wir Ausländer sind- ein lautes, herrisches „go home!“.  Dass uns das noch einmal ein Organ der Staatsmacht in unserem geliebten Frankreich entgegenbrüllt, war schon sehr bitter.

Was uns die letzten Tage dann blieb, war die kleine Terrasse unseres Ferienappartements mit Blick aufs Meer und den grandiosen Sonnenuntergängen.

Blick von unserer Terrasse

Der Felsen Diamant

Dieser große Felsen im Meer ist der „Diamant“ – dorthin wären wir natürlich auch gerne einmal gefahren, aber immerhin hatten wir diese schöne Aussicht.

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… vor allem auch die grandiosen Sonnenuntergänge…

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Und dann blieben doch noch kurze heimliche Abstiege zu dem kleinen Strand direkt vor unserer Haustüre.

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Unter diesen Bedingungen waren wir dann doch froh, dass wir Martinique wieder verlassen konnten. Am eigentlichen Abflugtag  – wir waren schon mit Sack und Pack auf dem Flughafen- erfuhren wir allerdings, dass unser Flug annuliert war. Aber für den nächsten Tag konnten wir in einem der letzten Flieger nach Paris zwei Plätze ergattern. Sonst hätten wir noch bis -mindestens- 18. April bleiben müssen. Herr Maas hätte für uns wohl kaum einen Rückhol-Flug organisiert ..

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Was bleibt: manche schöne -und  leider auch manche  weniger schöne- Erinnerungen.

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Für meine Frau, der ich diese Reise verdanke!  Merci!

Dies ist der 100. Beitrag auf diesem Blog.

Eingestellt am 24.3.2020

Anmerkungen:

[1] Siehe: Andrew Milne, La Martinique dans les pas de l‘ ìmpératice  Josépjhine. 19. Sept. 2019 https://www.france.fr/fr/martinique/liste/martinique-imperatrice-josephine

[2] Siehe den Blog-Beitrag: https://paris-blog.org/2017/11/01/der-schwierige-umgang-mit-einem-duesteren-kapitel-der-franzoesischen-vergangenheit-die-erinnerung-an-sklavenhandel-und-sklaverei/

[3] Siehe die Blog-Beiträge:

[4] http://www.guidemartinique.com/sainte-anne.html

(5) (20 Uhr-Nachrichten tv 2 vom 24.2.).   Siehe auch: Les Ehpad dans la crainte de l’hécatombe.  (Die Altersheime befürchten ein Massensterben).  Libération 25.3.2020, S. 12

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