Die napoleonischen Brunnen von Paris

1802 fragte Bonaparte, damals Erster Konsul, den Präfekten von Paris, was er denn Großes und Nützliches für die Stadt tun könne. Seine Antwort: „Geben Sie ihr Wasser.“ Der Mangel an Wasser war im Paris des 18. Jahrhunderts in der Tat ein großes Problem. In seinen berühmten in den 1780-er Jahren erschienenen Tableaux de Paris prangerte Mercier diesen Zustand an, der die Bevölkerung zwang, für „horrendes Geld“ Wasser zu kaufen.[1] Der Bedarf an zusätzlichen Ressourcen und an entsprechenden Infrastrukturen war also erheblich und offenkundig. So wurde am 19. Mai 1802 das Gesetz zum Bau des Canal de l’Qurcq erlassen, durch den die Wasserversorgung von Paris erheblich verbessert und der wachsende Bedarf gesichert werden sollte. Als Baubeginn war schon gleich der 23. September des Jahres festgelegt: Bei Bonaparte/Napoleon wurde nicht lange gefackelt, auch wenn es um die Umsetzung einer so gewaltigen Infrastrukturmaßnahme ging.

Allerdings zog sich der Bau des Kanals dann doch hin, und so wurde das spektakulärste und extravaganteste Projekt eines vom Ourcq-Wasser versorgten Brunnens nicht verwirklicht: Geplant war nämlich ein monumentaler Elefantenbrunnen auf der Place de la Bastille.  Aus dem Rüssel des riesigen Elefanten sollten sich Fontänen ergießen, durch eine Treppe in einem seiner Füße sollte es möglich sein, den Turm auf dem Rücken zu besteigen.

Das Dekret von Saint Cloud

Allerdings wollte Napoleon nicht die Verbesserung der Wasserversorgung von der Fertigstellung des Kanals abhängig machen. Alle schon vorhandenen Ressourcen, Aquädukte und Pumpanlagen wie die Samaritaine auf dem Pont Neuf, sollten mobilisiert werden, um den effektiven Betrieb der vorhandenen Brunnen und den Bau neuer Brunnen der Stadt zu ermöglichen. Am 22. April 1806 beauftragte Napoleon seinen Innenminister, innerhalb einer Woche einen Plan vorzulegen, wie kurzfristig sichergestellt werden könne, dass alle vorhandenen Brunnen der Stadt von Sonnenaufgang bis eine Stunde nach Sonnenuntergang Wasser lieferten, um die Märkte und die Straßen zu reinigen, was der Sauberkeit und Gesundheit dienlich sei.[2]

Schon am 2. Mai 1806 wurde das berühmte Dekret von Saint Cloud erlassen, in dem festgelegt wurde, dass ab dem 1. Juli des Jahres „in allen Brunnen von Paris Tag und Nacht das Wasser fließen“ solle.  Und es wurde weiterhin der Bau von 15 neuen Brunnen dekretiert und deren genaue Standorte festgelegt. Entsprechend dem napoleonischen Vorsatz, etwas Nützliches und gleichzeitig auch etwas Großes für Paris zu tun, sollten diese Brunnen auch einen ästhetischen Wert haben. Sie sollten dazu beitragen, Paris zur schönsten Stadt der Welt zu machen.[3]

Verantwortlich für die Umsetzung des Dekrets war der für die Wasserversorgung von Paris zuständige Chefingenieur François-Jean Bralle, der auch einige der Brunnen selbst entwarf. Probleme gab es allerdings genug: Vor allem, weil es ja schnell gehen sollte, es aber an vorbereitenden Untersuchungen z.B. zur Bodenbeschaffenheit fehlte; dann gab es während der Bauzeit kostenträchtige Planänderungen, und dies bei einem sowieso schon knapp bemessenen Budget. Trotzdem wurden aber die 15 Brunnen des Dekrets von Saint Cloud mit einer Ausnahme auch gebaut.  

Heute allerdings existieren die meisten dieser Brunnen nicht mehr, viele sind dem radikalen Stadtumbau des Barons Haussmann zum Opfer gefallen. Aber fünf der „Brunnen von Saint Cloud“ gibt es noch. Sie sind ganz unterschiedlich und individuell gestaltet, sie sollten ja nicht nur Wasser liefern, sondern auch ästhetische Markierungspunkte im Bild der Stadt sein – und natürlich auch: das Prestige des Auftraggebers mehren…

Hier ein Stadtplan[4] mit den eingezeichneten Brunnen:

Pa: Fontaine du Palmier

M:  Fontaine de Mars

P: Fontaine de la Paix

L: Fontaine de Léda

F: Fontaine du Fellah

Diese Brunnen sollen nachfolgend vorgestellt werden:

Fontaine du Palmier

Place du Châtelet. 1. Arrondissement, Métro: Châtelet

Der Name des Platzes, in dessen Mitte die Fontaine du Palmier steht, erinnert an das Grand Châtelet, das hier einmal stand. Es diente im Ancien Régime und z.T. auch noch während der Revolution als Gefängnis, Gericht und Leichenschauhaus. Schon unter Louis XVI. war der Abriss des Gebäudes zwar beschlossen, aber ebenso wenig durchgeführt worden wie zu Zeiten der Revolution. Das geschah erst auf Veranlassung Bonapartes. Es war eine der größten städtebaulichen Maßnahmen in Paris zu Beginn des 19. Jahrhunderts: Die Beseitigung des Grand Châtelet war für Napoleon ein wesentlicher Beitrag zur Modernisierung von Paris und zur Ausformung der Stadt als Zentrum eines Reichs jenseits von Ancien Régime und Revolution.

Zu Beginn des Empire war überlegt worden, auf dem durch den Abriss des Grand Châtelet entstandenen freien Platz einen Triumphbogen oder eine Säule zu Ehren Napoleons zu errichten, beides an der imperialen Architektur Roms orientierte Bauformen. Auf Wunsch Napoleons gab es allerdings schon Planungen für eine Siegessäule auf der Place Vendôme, die nach der siegreichen Schlacht bei Austerlitz 1805 konkretisiert wurden.  Und sie war auch der Anlass für Napoleon, den Bau eines Triumphbogens auf der Place de l’Étoile und eines weiteren auf der Place du Carrousel zwischen dem Louvre und dem Tuilerien-Palast errichten zu lassen.  

Auf der Place du Châtelet sollte eine der 15 neuen Fontänen installiert werden.  François-Jean Bralle, der für die Umsetzung der Dekrets zuständige Ingenieur, ließ sich die Planung des Projekts auf diesem städtebaulich besonders bedeutsamen Ort nicht nehmen. Er erinnerte sich an die früheren Pläne und konzipierte die Fontäne als ein Bauwerk zu Ehren des Kaisers in Form einer 22 Meter hohen Säule.[5]

Die Place du Châtelet und die Fontaine um 1810.[6]

Im Unterschied zur Vendôme-Säule krönte Bralle aber die Säule nicht mit einer Statue Napoleons, sondern mit einer vergoldeten Sieges-Göttin, die jeweils zwei Lorbeerkränze in ihren Händen trägt und alle Siege Napoleons feiert.

Die jetzige Victoria ist eine Kopie von 1898. Das Original ist seit 1950 im Pariser stadtgeschichtlichen Musée Carnavalet ausgestellt.

Statt der nach dem Vorbild der römischen Trajans-Säule die Siege Napoleons illustrierenden Reliefs auf der Vendôme-Säule ließ Bralle an der Châtelet- Säule die Orte napoleonischer Siege in goldenen Lettern anbringen: also u.a.  Danzig (Dantzig), Ulm, Austerlitz, Jena, Rivoli und Pyramides: Dies war der von Napoleon aus propagandistischen Gründen gewählte Name für den Sieg über den Mameluckenführer  Mourad Bey: Schlacht bei den Pyramiden klang doch eindrucksvoller als bei Embabech, wo der Kampf tatsächlich stattfand[7]….  

Der Verweis auf die ägyptische Expedition Napoleons hat für die Fontaine du Palmier besondere Bedeutung. Denn die Säule ist als Palmenstamm gestaltet und das Kapitell mit Palmenblättern verziert- deshalb ja auch der Name: Fontaine du Palmier: prominentes Beispiel der durch Napoleons ägyptische Expedition befeuerten Ägyptomanie. Die wasserspeienden Sphingen wurden allerdings erst 1858 hinzugefügt. Damals, zur Zeit des Barons Haussmann, wurde der Platz umgestaltet und der Brunnen 12 Meter nach Westen versetzt. Er steht seitdem in der Mitte des nun symmetrischen Platzes, zwischen dem Théâtre du Châtelet und dem Théâtre Sarah Bernhardt  und auf der Achse der Pont au Change.

Aktuell (2023) speien die Sphingen allerdings kein Wasser, auch die Füllhörner an den vier Seiten liegen trocken und der Brunnen insgesamt ist eher in einem lamentablen Zustand…

Auch einer der beiden napoleonischen Adler im Lorbeerkranz auf dem Sockel der Säule ist – mit seinem ramponierten Kopf- dringend renovierungsbedürftig – dafür hatte der Invader aber schon vor Jahren eine seiner extraterrestischen Mosaike hier angebracht, was die Blicke etwas von dem kopflosen Adler ablenkte….

Im September 2023 allerdings war der Invader verschwunden – der Adler darüber ist aber immer noch kopflos…

Um die Säulenbasis herum stehen vier allegorische Figuren, die sich die Hände reichen. Sie stellen Stärke, Wachsamkeit, Weisheit und Gerechtigkeit dar.

Zu Füßen der vier Damen gibt es verschiedene Attribute, unter anderem  -bemerkenswerter Weise- einen gallischen Hahn. Der Hahn war als Symbol Frankreichs gerade während der Französischen Revolution besonders populär und ersetzte die dynastische Lilie. Napoleon fand allerdings, dass der Hahn zu schwach sei und deshalb nicht ein Kaiserreich wie Frankreich verkörpern könne: „Le coq n’a point de force, il ne peut être l’image d’un empire tel que la France.“ [8] Also wurde der Hahn als nationales Symbol durch den -auf der Fontaine du Palmier doppelt abgebildeten- Adler ersetzt.

Aber aufgereckt und laut krähend darf er hier immerhin die Siege Napoleons feiern…

Die weiteren erhaltenen Brunnen des Dekrets von Saint Cloud gehören nicht zum Typus der monumentalen Fontänen; dies wohl vor allem deshalb, weil das Budget für die 15 geplanten Brunnen eng bemessen war und allein die Fontaine du Palmier schon den vorgesehenen Rahmen deutlich überschritt. Und schließlich war trotz aller Bemühungen das Wasser in Paris immer noch knapp. Die Zeit der monumentalen, rein der Stadtverschönerung dienenden Brunnen wie auf der Place de la Concorde war noch nicht gekommen. Aber auch die kleineren, bescheideneren Fontänen des Dekrets von St. Cloud haben ihren besonderen Reiz. Es sind der Wasserversorgung der Bevölkerung dienende Brunnen, aber sie sind nicht auf ihren Zweck reduziert, sondern ganz individuell und unterschiedlich gestaltet: also auch Kunstwerke.

M Fontaine de Mars

129, rue Saint-Dominique, 7. Arrondissement. Métro: École-Militaire

Die ebenfalls von F.-J. Bralle konzipierte Fontaine de  Mars verdankt ihren Namen dem nahe gelegenen Mars-Feld, ursprünglich ein Exerziergelände der Militärschule (École militaire).

Neben dem Kriegsgott Mars steht Hygieia, die Göttin der Gesundheit. Auch das passt zur Lage des Brunnens, der ursprünglich in der Nachbarschaft des Militärkrankenhauses Gros-Caillou stand. Der Brunnen wird deshalb z.T. auch fontaine du Gros Caillou genannt. Die Göttin ist mir ihren Attributen, einer Schlange und einer Schale dargestellt. Diese enthält ein stärkendes Getränk, das sie dem Gott des Krieges reicht.

Das Relief ist ein Werk von Pierre-Nicolas Beauvallet, der auch die ägyptische Statue im später vorgestellten Fontaine du Fellah geschaffen hat.

Die Darstellung der beiden antiken Gottheiten ist umrahmt von antikisierenden Architekturelementen: dorischen Pilastern und einem Gebälk mit Metopen.

Und auch hier sieht man -zu Füßen des Kriegsgottes- einen stolzen gallischen Hahn.

Auf der Basis des Brunnens gibt es eine Markierung des verheerenden Hochwassers von 1910: Damals konnte man sich nur mit Booten auf der rue Saint Dominique bewegen.  Neben dem Schildchen ein gedeckter Bistrot-Tisch: Der Brunnen steht nämlich heute auf einem kleinen Platz mit typisch französischen Bistrots, unter anderem der hoch gelobten „Fontaine du Mars“. Und gegenüber gibt es eine außerordentlich reich dekorierte Bäckerei. Auch deshalb lohnt der Brunnen einen Besuch.

P Fontaine de la Paix

Allée du Séminaire, gegenüber 86 rue Bonaparte, 6. Arrondissement, Métro: Saint-Sulpice

Der Brunnen des Friedens hat eine wechselhafte Geschichte. Er sollte Ausdrucks des Wunschs nach Frieden sein nach den zahlreichen napoleonischen Kriegen und Siegen – dass Napoleon auch nach Austerlitz und Jena unablässig weiter Krieg führte, steht auf einem anderen  Blatt. Es gab mehrere Vorschläge für die Gestaltung des Brunnens- unter anderem die Errichtung eines Obelisken, bis dann  schließlich die Entscheidung für die noch heute sichtbare Ausführung getroffen wurde.

Der Standort des Brunnens ist allerdings nicht der ursprüngliche. Standort des Friedensbrunnens war nämlich zunächst der Platz vor der Kirche Saint- Sulpice. Dann allerdings hielt man diesen Brunnen doch nicht geeignet, den großen Platz vor der Kirche angemessen auszufüllen. Er wurde ersetzt durch die 1847 eingeweihte mächtige Fontaine Saint-Sulpice, auch Brunnen der vier Bischöfe genannt. Der Friedensbrunnen wurde versetzt auf den 1817 errichteten Markt Saint Germain, bis er 1935 seinen heutigen Standort – passend in der rue Bonaparte- fand.

Hier gibt es auch noch den alten Straßennamen.

Der Brunnen erhebt sich in einem großen rechteckigen Wasserbecken. Das Wasser fließt über ein mit Löwenköpfen geschmücktes halbrundes Becken in ein kleineres quadratisches Becken, das von einem dekorativen Fries mit stilisiertem Wasser umgeben ist und von dort in das große untere Becken.

Löwenköpfe gehören zu der ägyptischen Mode (Retour d’Égypte), die nach der Rückkehr Napoleons von seinem ägyptischen Feldzug in Frankreich ihre Blütezeit hatte.[9]

Geschmückt ist der Brunnen außerdem mit einem Fries von Girlanden und Lyren und vier Reliefs, die den Zustand des Friedens illustrieren.

Das zentrale Relief ist den Wissenschaften und Künsten  gewidmet. Es zeigt die Göttin Minerva, inmitten von Allegorien der Malerei, der Architektur, der Mathematik, der Bildhauerei, der Astronomie und der Navigation.

Das Friedensrelief zeigt (rechts) die Allegorie des Friedens (mit dem Ölzweig) und (links) des Wohlastands (Abondance, mit Füllhorn), geschützt von den Flügeln der Siegesgöttin mit Schwert und Lorbeerkranz.

Auf diesem Relief präsentiert Merkur/Hermes, der Gott des Handels, die vier Weltteile, die durch die Beigabe verschiedener Pflanzen charakterisiert sind. Eine exakte Zuordnung traue ich mir nicht zu: Ich vermute allerdings, dass es sich bei der Dame mit dem Palmenzweig um Afrika handelt, ganz links wohl Amerika mit Zuckerrohr; auf der anderen Seite Europa mit einer Getreidepflanze und ganz rechts -dick vermummt im Blick vielleicht auf Russland-   Asien mit Blättern von Bäumen. Bemerkenswert erscheint mir übrigens, dass die vier Erdteile hier eher gleichberechtigt dargestellt sind und es die extreme rassistische Verzerrung nicht gibt, wie sie im späteren Imperialismus gängig war -man denke nur an die Darstellungen am und im Pariser musée de l’Immigration.

Das vierte Relief schließlich zeigt die Göttin Ceres vor einem Rind, wie sie den griechischen Held Triptolemos, erkennbar an seinem breiten flachen Hut und dem Stock/Zepter, unterrichtet. Nach der griechischen Mythologie wird dann die Lehre des Ackerbaus an die Menschen weitergeben und damit wesentlich zur Entwicklung der menschlichen Kultur beitragen.

L Fontaine de Léda/Fontaine Médicis

Marie de Médici, die Frau Heinrichs IV., ließ sich nach dessen Ermordung das Palais du Luxembourg als Witwensitz errichten, zu dem ein großer Park gehörte. Auf der Trasse eines römischen Aquädukts wurde ein neues gebaut, das Park und Schloss mit Wasser versorgte. Dieses Wasser speiste den im italienischen Stil konzipierten Medici-Brunnen im Park.

Es ist ein außerordentlich eindrucksvolles Ensemble, sicherlich einer der schönsten Brunnen von Paris mit der Figurengruppe des eifersüchtigen riesenhaften, aus der Odyssee bekannten Polyphem aus dunkler Bronze, der sich über den Rand eines Felsen beugt und seine geliebte Galatea in den Armen des Jünglings Akis, beide aus weißem Marmor, entdeckt.

Ovid hat die mit dem Tod des Acis tragisch endende Geschichte im 13. Buch seiner Metamorphosen erzählt.

Sitzgelegenheiten rund um das 50 m lange, rechteckige Wasserbecken laden zum Verweilen ein.

Auf der Rückseite des Medici- Brunnens ist die im Stil der Neorennaissance gehaltene Fontaine de Léda installiert.

Im Zentrum ein Relief Ledas mit dem Schwan.  Leda liegt mit unbekleidetem Oberkörper und von Rohrkolben umgeben am Ufer des Evrotas und legt ihren rechten Arm um einen Schwan. In den hat sich Zeus verwandelt, um sich auf diese Weise Leda anzunähern. Am linken Bildrand steht Eros, wodurch das Liebesthema unterstrichen wird. Der Kopf des Schwans ragt aus dem Relief und ist aus Bronze gefertigt. Aus seinem Schnabel floss das Wasser.

Hier der ursprüngliche Entwurf des Brunnens. [10]. Im Tympanon über dem Leda-Relief ist ein Adler mit ausgebreiteten Schwingen zu erkennen, der sich passend zum Thema des Brunnens auf Zeus, gleichzeitig aber auch -passend zum Auftraggeber des Brunnens- auf Napoleon bezog.

Der ursprüngliche Platz des Brunnens war die Ecke der rue de Vaugirard und der rue du Regard (6. Arrondissement), weshalb er auch Fontaine de la rue de Vaugirard oder Fontaine du Regard genannt wurde.

Auf diesem historischen Stich ist das Entstehungsdatum des Brunnens falsch angegeben.[11] Er entstand nicht schon 1799, sondern erst -nach dem Dekret von Saint Cloud- 1807. In den 1860-er Jahren stand er allerdings dem im Zuge des Hausmann’schen Stadtumbaus vorgenommenen Durchbruch der rue de Rennes im Wege. Immerhin wurde er aber nicht zerstört, sondern in die Rückseite der zu dieser Zeit umgestalteten und versetzten Fontaine Médicis integriert. Auf die Adlerschwingen im Giebel  hat man dabei allerdings verzichtet…

F  Fontaine du Fellah

42, rue de Sèvres. 7. Arrondissement. Métro: Vaneau

Bei der ebenfalls von Chefingenieur Bralle konzipierten Fontaine du Fellah ist der ägyptische Bezug nicht nur an Accessoires wie Palmenblättern oder Löwenköpfen zu erkennen, sondern er charakterisiert das Zentrum der Anlage: die Statue eines ägyptischen Jünglings. Der Brunnen wird deshalb auch einfach ägyptischer Brunnen (fontaine égyptienne) genannt. Früher wurde er auch Fontaine des Incurables genannt, weil er an der Mauer des Hospizes für unheilbar Kranke (hospice des Incurables) stand.[12]

Heute ist der Hintergrund weniger trist, aber wegen der neuen Wohnhäuser hinter dem Brunnen sehr nichtssagend. Dafür gibt es daneben die ästhetisch sehr ansprechende Metro-Station Vaneau…

Die Statue des „Fellachen“ ist am Straßenrand in einer Nische aufgestellt, die dem Portikus eines ägyptischen Tempels nachempfunden ist.

Während bei einem echten ägyptischen Portikus allerdings eine für Macht und Göttlichkeit stehende geflügelte Sonnenscheibe angebracht ist, ist es hier der napoleonische Adler: Die damalige Ägyptenmanie ist nicht nur eine Mode, sondern auch ein Bestandteil der Verehrung und Verklärung Napoleons.

Die Statue selbst stellt -anders als der Name des Brunnens nahelegt- keinen altägyptischen Landarbeiter dar, sondern einen jungen Mann namens Antinoos, den Favoriten des römischen Kaisers Hadrian, der nach seinem frühen Tod im Nil als Osiris-Antinoo zum Gott erhoben wurde. Der Jüngling trägt dementsprechend auch wie die Pharaonen im Alten Ägypten das Nemes-Kopftuch und ein königliches feines Tuch um die Lenden.   Eine Statue des Antinoos gehörte zur reichen Raubkunst-Beute des Italien-Feldzuges Napoleons und wurde -bis zur Rückerstattung nach dessen endgültiger Niederlage- im Louvre präsentiert.[13]

Diese antike Statue hat die ägyptische Mode im napoleonischen Frankreich sehr stark angeregt. Pierre-Nicolas Beauvallet fertigte 1803-1806  Kopien der Statue an,  die im Foyer des Hôtel de Beauharnais, dem damaligen Stadtpalais von Napoleons Stiefsohn Eugène, danach Residenz des preußischen und dann deutschen Botschafters, aufgestellt waren. Heute gehören die Statuen zu den Ausstellungsstücken des Musée Marmotton.[14]

Insofern lag es nahe, dass  Beauvallet von Bralle den Auftrag erhielt, eine weitere Kopie für den Brunnen in der rue de Sèvres anzufertigen. Abweichend vom Original trägt der Brunnen-Antinoos allerdings zwei Kannen, aus denen sich das Wasser in die Brunnenschale ergießt. Bemerkenswert ist übrigens, dass bei der Brunnenanlage auf die Verwendung von Hieroglyphen verzichtet wurde. Amaury Duval hat das 1828 in seinem Buch über die Pariser Brunnen jedenfalls kritisch angemerkt.

Abschließend soll noch auf ein schönes Relief hingewiesen werden, das an die Fontaine de la Charité erinnert. Dieser Brunnen verdankte seine Entstehung ebenfalls dem napoleonischen Decret de Saint Cloud.

Ursprünglich befand sich der Brunnen im 11. Arrondissement in der Nähe der Kirche Saint-Ambroise.

1860 verschwand er- auch er ein Opfer des Hausmann’schen Stadtumbaus. Das Relief der Charité wurde aber an einer Wand des Hauses rue de Sévigné in der Nähe des Musée Carnavalet im 3.  Arrondissement angebracht und ist der Obhut des Museums anvertraut.

Literatur:

Dominique Massounie, Pauline Prévost-Marcilhacy  und  Daniel RabreauParis et ses fontaines : De la Renaissance à nos jours, Herausgegeben von der  Délégation à l’action artistique de la ville de Paris in der Sammlung Paris et son patrimoine, 1995

K. Frey und M.-L. Biver, Le Paris de Napoléon. Paris: Plon 1963. Darin Beitrag von K. Frey über die Fontaine du Palmier.

Jacques Barozzi, Paris de fontaine en fontaine. Parigramme 2010

Levadé, Marie-Hélène (text) & Marcouyau, Hughes (images). Les Fontaines de Paris: l’eau pour le Plaisir, Paris 2006

Amaury Pineu Duval, Les fontaines de Paris, anciennes et nouvelles. Paris 1828 https://books.google.be/books?id=VaJFAAAAcAAJ&printsec=frontcover&hl=fr&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false


Anmerkungen

[1] Siehe: Louis-Sebastien Mercier, Pariser Nahaufnahmen – Tableau de Paris, Frankfurt 2000

[2] Correspondance de Napoleon 1: 12, Volumes 1 à 32   22. April 1806

„Eaux de Paris: décret à proposer pour l’établissement des fontaines et arrosement des rues“.  Seite 300: „mon intention serait qu’a dater du 1er juin les eaux coulassent de toutes les fontaines de Paris depuis le lever  du soleil jusqu’à  une heure après son coucher, et que, par ce moyen les marchés et les rues se trouvassent lavées; ce qui sera d’un très bon effet pour la propreté et la salubrité de la ville.“

[3] Katia Frey, L’entreprise napoléonienne. In: Paris et ses fontaines, S. 104/105

Dekret unter: Nouvelles politiques, nationales et étrangeres, Band Januar 1806ff Le Publiciste, jeudi 8 mai 1806, Abschnitt Empire Française https://books.google.de/books?id=unj3VGUNg90C&pg=PP510&dq=Decret+de+St+Cloud+1806+15+nouvelles+fontaines

[4] http://keblo1515.free.fr/souterrinterdit/autres/saint_cloud.htm

[5] Katia Frey, L’entreprise napoléonienne. In: Paris et ses fontaines, S. 108

Alain Pegeard, L’œuvre de paix de Napoléon 1800-1815. 200 réalisations pour reconstruire la France. Paris 2014, S. 69/7

Siehe auch: Histoire de Paris et de ses Monuments. Paris 1846, S. 601   https://books.google.de/books?id=sBA7AAAAcAAJ&pg=PA590-IA15&dq=%22Fontaine+du+palmier%

[6] Abbildung aus: Paris et ses fontaines, S. 13

[7] https://fr.wikipedia.org/wiki/Bataille_des_Pyramides

[8] Zit bei: https://www.elysee.fr/la-presidence/le-coq

[9] Siehe: https://www.napoleon.org/magazine/plaisirs-napoleoniens/le-style-retour-degypte/

Siehe dazu auch den Blog-Beitrag über das Hôtel de Beauharnais: https://paris-blog.org/2023/05/01/deutschlands-schonstes-haus-steht-an-der-seine-das-palais-beauharnais-in-paris-teil-2/

[10] Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Fontaine_de_L%C3%A9da#/media/Datei:Fontaine_de_L%C3%A9da.jpg und

https://www.loquis.com/fr/loquis/654880/Fontaine+de+L+da

[11] Bild aus: https://www.meisterdrucke.de/kunstdrucke/Fran%C3%A7ois-Courboin/1063920/Frau-und-Kind-vor-dem-Brunnen-der-Leda%2C-Fontaine-de-Leda%2C-in-der-Rue-du-Regard%2C-Paris%2C-Jahr-VII.html

[12] Bild aus: https://www.parismuseescollections.paris.fr/fr/musee-carnavalet/oeuvres/fontaine-des-incurables#infos-principales

[13] https://m.museivaticani.va/content/museivaticani-mobile/de/collezioni/musei/museo-gregoriano-egizio/sala-iii–ricostruzione-del-serapeo-del-canopo-di-villa-adriana/statua-di-osiri-antinoo.html 

[14] https://charlesreeza.tumblr.com/post/668980445389668352/a-pair-of-statues-of-antinous-osiris-blue-turquin und https://www.academia.edu/35255162/The_H%C3%B4tel_de_Beauharnais_in_Paris_Egypt_Greece_Rome_and_the_Dynamics_of_Stylistic_Transformation

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