In diesem Beitrag wird ein außergewöhnliches und wunderbares Buch vorgestellt, in dem alle Pariser Erinnerungstafeln zu der Zeit von 1939 bis 1945 fotografisch festgehalten sind. Seit wir vor zehn Jahren eine Wohnung in Paris bezogen haben, interessiere ich mich für diese Erinnerungstafeln. Sie gehören gewissermaßen zu unserem Pariser Alltag. Ich möchte deshalb zunächst einige plaques commémoratives vorstellen, denen wir fast täglich begegnen. Im zweiten Teil geht es dann um Philippe Apeloigs 2018 erschienenes Buch über „Die Kinder von Paris 1939-1945“
Alltägliche Begegnungen
Wer als Flaneur durch Paris geht, wird immer wieder Erinnerungstafeln (plaques commémoratives) bemerken, die an Hauswänden befestigt sind. In manchen Gegenden –zum Beispiel auf der Ile St Louis- sind fast an allen Häusern solche Tafeln befestigt: Sie erinnern an prominente Personen, die in diesem Haus geboren wurden, gelebt haben oder gestorben sind.
Besonders häufig sind aber solche Tafeln, die sich auf die Zeit von 1939 bis 1945 beziehen. Sie erinnern an die Besatzung von Paris durch deutsche Truppen, an die vielen Menschen, die ihr Leben im Kampf gegen die Nazis und für die Befreiung der Stadt und Frankreichs verloren haben und vor allem an die vielen Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns.
Allein in der unmittelbaren Umgebung unserer Wohnung im 11. Arrondissement gibt es eine Fülle solcher Erinnerungstafeln, von denen hier einige vorgestellt werden sollen.
Zum Beispiel in der Rue de la Folie Regnault diese Tafel für ein Paar, das gegen die nationalsozialistischen Besatzer gekämpft hat. Hier gehen oder fahren wir auf dem Weg in den Supermarkt oder ins Schwimmbad fast täglich vorbei. Die beiden Personen, denen diese Tafel gewidmet ist, waren Mitglieder der F.T.P.F., der Francs-tireurs et partisans, einer kommunistischen Widerstandsorganisation. Marcel André Berthelot wurde am 26. Februar 1943 „von den Nazis“ erschossen. Mit der Formel „mort pour la France“ werden traditionell die in den Kriegen gefallenen französischen Soldaten geehrt, hier also auch ein Mitglied der „Freischärler und Partisanen“. Berthelots Partnerin Yvette Semard konnte „aus den Lagern von Vichy“, dem Kollaborations-Regime, entkommen, in denen sie interniert war.
Regelmäßig gehen wir auch zum Bäcker in der rue Léon-Frot oder fahren mit unseren Fahrrädern durch die Straße. An der Hauswand der Nummer 55 erinnert eine Tafel an den kommunistischen Lokalpolitiker Léon Frot, der in diesem Haus gewohnt hat und nach dem auch die Straße benannt ist.
Er wurde am 15. November 1939 verhaftet, also nach Kriegsbeginn, aber vor der Niederlage, als das Land noch eine Demokratie war. Die Frage, die sich hier stellt, nämlich warum er verhaftet wurde, beantwortet die Tafel nicht, aber man findet die Antwort bei Wikipedia: Léon Frot wurde „wegen kommunistischer Propaganda“ verhaftet und zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.[1] Wikipedia erklärt auch, wie es zu der Erschießung durch „die Deutschen“ am 13. Januar 1942 in Clairvaux kam: Dort war das Gefängnis, in dem Léon Frot gefangen war; und erschossen wurde er als Geisel. Geiselerschießungen waren ein von den deutschen Truppen vielfach angewandtes, im totalen Widerspruch zum Kriegsvölkerrecht stehendes Mittel, auf Aktionen der Résistance zu reagieren.
An den Widerstand gegen die nationalsozialistischen Besatzer erinnert auch die nachfolgend abgebildete Gedenktafel am Eingang zur „Square de la Roquette“, einer kleinen Grün- und Freizeitanlage in der Rue de la Roquette. Befestigt ist diese Tafel an einem der beiden Torhäuser des ehemaligen Gefängnisses „Petite Roquette“, das bis 1974 hier stand. Die Torhäuser können wir übrigens von der kleinen Terrasse unserer Pariser Wohnung sehen… [2] Die Petite Roquette war eine im 19. Jahrhundert errichtete monumentale Gefängnisanlage, die nach dem Panopticon-Prinzip konstruiert war.[3] In diesem Gefängnis wurden, wie die Tafel mitteilt, vom Appell des Generals de Gaulle vom 18. Juni 1940, also dem Aufruf zum Widerstand, und der Befreiung von Paris am 25. August 1944 4000 résistantes eingekerkert, „weil sie gegen den Besatzer gekämpft hatten“. Vielleicht gehörte zu ihnen auch Yvette Senard, von der oben schon die Rede war…
Hier fällt auf, dass zwar die Opfer, nicht aber die Täter und ihre Helfer benannt werden. Auf der homepage der ajpn, der Vereinigung der „Anonymes, Justes et Persécutés durant la periode Nazie“ ist das anders: Dort findet sich folgende präzisere Angabe: „Während des Zweiten Weltkriegs wurden in der Roquette 4000 Frauen wegen Widerstandshandlungen von der französischen Polizei gefangen gehalten“.[4] Das Gefängnis unterstand jedenfalls -wie auch die Polizei- der Regierung von Vichy, d.h. die Gefängnisverwaltung lag in französischer Hand. Die Repression der résistance entsprach ja nicht nur dem gemeinsamen Willen der Besatzer und der Collaboration, sondern auch dem Interesse des besiegten Frankreichs, des sogenannten État français, ein Höchstmaß an (scheinbarer) Souveränität zu erhalten.
In der Nähe unserer Wohnung liegt das Lycée Voltaire, in dem donnerstags die Proben des Chors Tempestuoso stattfinden, an dessen Konzerten ich öfters als Gast teilnehmen darf. Und davor nehme ich natürlich an der einen oder anderen Probe im Lycée Voltaire teil. Einer der Höfe des weitläufigen Gymnasiums erinnert an den Lehrer Raymond Travers. Er war Leutnant der F.F.I., der Forces françaises de l’intérieur, eines im Februar 1944 vollzogenen Zusammenschlusses verschiedener Gruppen des Widerstands. Am 23. August 1944 wurde Raymond Travers im Kampf „auf dem Feld der Ehre“ getötet.
Raymond Travers war Deutschlehrer, also ein Freund Deutschlands und ein Liebhaber der deutschen Sprache. Wie schlimm muss es für ihn gewesen sein, wie die Nazis „la langue de Goethe“, wie es in Frankreich gerne heißt, durch ihre „Lingua Tertii Imperii“ (Victor Klemperer) verunstalteten, wie sie die kulturelle Elite des Landes verfolgten und vertrieben, wie sie Europa mit Krieg überzogen und ganze Bevölkerungsgruppen auslöschten. Und wenn er sich den Untergrundkämpfern, dem Maquis, anschloss, dann wohl nicht nur, um sein Land und seine Freiheit zu verteidigen, sondern auch, um das andere Deutschland, das er seinen Schülerinnen und Schülern nahe gebracht hatte, vor der völligen Vernichtung zu bewahren.
In der schon erwähnten rue Léon – Frot befindet sich auch der Eingang zum collège Alain Fournier, neben dem eine Erinnerungstafel aus schwarzem Marmor angebracht ist.
Sie erinnert an „die Schüler dieser Schule, die von 1942 bis 1944 deportiert wurden, weil sie Juden waren, unschuldige Opfer der Nazi-Barbarei und der Regierung von Vichy. Mehr als 1200 Kinder des 11. Arrondissements wurden in den Todeslagern umgebracht. Vergessen wir sie niemals.“[5] Betroffen macht die Zahl von über 1200 Kindern des Arrondissements, die deportiert und getötet wurden. Sie weist darauf hin, dass das 11. Arrondissement eine starke jüdische Präsenz aufwies (und zum Teil auch noch heute aufweist). Und bemerkenswert ist, dass die Regierung von Vichy auf der gleichen Stufe wie die „Nazi-Barbarei“ als Täter genannt wird. In der Tat war ja die Regierung des État français ein willfähriger Helfer bei der Shoah, teilweise –gerade im Falle der Kinder- sogar ein Antreiber.
Allerdings hat erst 1995 der damalige Präsident Jacques Chirac die Beteiligung Frankreichs an der Deportation der Juden anerkannt, und zwar in einer außerordentlichen –und wie man sagen muss: mutigen- Rede, fast vergleichbar mit dem historischen Kniefall Willy Brandts in Warschau. Chirac hielt diese Rede anlässlich des 53. Jahrestags der Razzia des Wintervelodroms, der rafle du Vel d’hiv. Damals wurden in Paris über 10 000 Juden verhaftet, von denen die meisten tagelang unter unsäglichen Bedingungen im Wintervelodrom in der Nähe des Eiffelturms eingepfercht wurden, der ersten Station auf dem Weg in die Vernichtungslager.[6]
An die Razzia des Wintervelodroms erinnert auch eine Gedenktafel am Gymnase Japy, an dem wir immer auf dem Weg zum marché d’Aligre vorbeikommen, wo wir Obst und Gemüse einkaufen.
Auf dieser Erinnerungstafel wird nicht nur der 16. Juli 1942, das Datum der rafle du Vel d’Hiv, genannt, sondern auch der 20. August 1941: Damals fand eine weniger bekannte Razzia speziell im 11. Arrondissement statt. Beide Male diente das Gymnase Japy als einer der ersten Sammelpunkte. [7]
Besonders anrührend ist die Erinnerungstafel an die 1200 Kinder des Arrondissements, die „von der Polizei der Regierung von Vichy, Komplize des Besatzers“ verhaftet und dann deportiert und umgebracht wurden.[8] Die Tafel befindet sich im jardin de la Folie – Titon, einer kleinen vielbesuchten Grünanlage direkt gegenüber dem Haus, in dem wir während der ersten Jahre unseres Paris-Aufenthalts wohnten. Man steht fassungslos da, wenn man, wie die Tafel den Passanten auffordert, das Alter und die Namen der Kinder liest.
Als ich im Juni 2019 dieses Foto machte, kam ich mit einem älteren Herrn ins Gespräch, der auf einer Bank neben der Erinnerungstafel saß. Eines der dort genannten Kinder sei sein Bruder. Die Familie stamme aus Polen, sei aber wegen des dortigen Antisemitismus nach Ungarn geflüchtet. „Das war keine gute Entscheidung“, dann nach Frankreich: „Das war auch keine gute Entscheidung“. Immerhin habe die Familie vorsichtshalber ihren Namen –Cohen- geändert. Das habe einem Teil der Familie das Leben gerettet. Allerdings sei der Großvater weiter als Rabbiner tätig gewesen. Deshalb sei ein anderer Teil der Familie deportiert und umgebracht worden…
Solche Begegnungen werden, je weiter die Zeit fortschreitet, immer seltener. Zeitzeugenberichte wie die Dr. Adlers, von dem an anderer Stelle auf diesem Blog berichtet wird [8a], werden bald nicht mehr möglich sein. Umso dringlicher stellt sich da die Frage, wie die Erinnerung wachgehalten werden kann. Und daran, dass sie wachgehalten werden muss, kann es keinen Zweifel geben, wenn man das „Nie wieder!“ Ernst nimmt. Stolpersteine, wie sie in Deutschland und anderswo installiert werden, oder die in Frankreich üblichen plaques commémoratives sind da ein wichtiges Medium.
„Enfants de Paris 1939-1945“- Eine Buchempfehlung
Genau zur richtigen Zeit also ist da ein wunderbares Buch erschienen, das die Pariser Erinnerungstafeln zu der Zeit von 1939 bis 1945 präsentiert. (Gallimard, 2018, ISBN 978-2-07-278285-5 45 Euro)
Alle Personen, um die es bei ihnen geht, waren in irgendeiner Weise mit Paris verbunden, sie sind dort geboren, haben dort eine Zeit lang gelebt, sind dort gestorben oder umgebracht worden. Insofern sind sie „Kinder von Paris“ – entsprechend den „enfants de la patrie“ der Marseillaise. Und oft sind es ja tatsächlich Kinder, denen Erinnerungstafeln gewidmet sind. [8b]
Das Buch liegt schwer und grau in der Hand – es wiegt fast 3 Kilogramm! Also gewissermaßen ein Buch in der Form eines Stolpersteins. Und wenn man dieses Buch öffnet, findet man auf über 1100 Seiten eine Bild- Enzyklopädie aller Pariser Erinnerungstafeln zu der Zeit von 1939 bis 1945, geordnet nach Arrondissements vom 1. bis zum 20. und da jeweils nach Stadtvierteln. Auf jeder Seite ist eine Erinnerungstafel abgebildet, darunter ist in kleiner Schrift angegeben, wo sie sich befindet; manchmal sind es auch zwei oder mehr Fotos auf einer Seite, in wenigen Fällen reicht ein Foto über zwei Seiten- immer jedenfalls werden die Abschnitte der einzelnen Arrondissement mit einem doppelseitigen Foto einer Schule und der dazugehörigen Erinnerungsplakette abgeschlossen. Ich verstehe das als Ausdruck des Wunsches, die Erinnerung bei den nachfolgenden Generationen wachzuhalten.
Philippe Apeloig hat kürzlich in einem Gespräch darauf hingewiesen, dass es in Paris kein „monument aux morts“ für die Opfer aus dieser Zeit gibt – sieht man einmal von den eindrucksvollen Namenslisten der jüdischen Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns auf den Mauern im Hof des Mémorial de la Shoah im Pariser Marais ab. Insofern handelt es sich gewissermaßen um ein „monument éclaté“ – um einen über ganz Paris verstreuten, sich aus vielen einzelnen Teilen zusammensetzenden Ort der Erinnerung. [8c]
Auch die (nicht nur) in Deutschland sehr verbreiteten Stolpersteine sind ein monument éclaté. Sie sind in die Bürgersteige vor Häusern eingelassen, in denen Menschen wohnten, bevor sie von den Nazis vertrieben, deportiert und umgebracht wurden. Im Unterschied zu den plaques commémoratives handelt es sich aber um standardisierte Produkte, sowohl was die Inschriften als auch die Gestaltung angeht. – was allerdings ihre Bedeutung keineswegs mindert. [9]
Ganz anders die plaques commémoratives. Das wird beim Gang durch die Straßen von Paris, erst recht aber schon beim ersten Durchblättern von Apeloigs Buch deutlich: Es handelt es sich nämlich um einen Kunstband[10]: Die Fotografien veranschaulichen die unglaubliche Vielfalt der Erinnerungstafeln, ihrer künstlerischen Gestaltung, ihrer Texte und der Orte, an denen sie angebracht sind. Die Fotos lassen meist ein Stück weit ihr Umfeld, ihren architektonischen Kontext, erkennen oder auch nur erahnen. Aus der Beschaffenheit der Mauern ist es fast schon möglich, auf die Arrondissements zu schließen, in denen sie angebracht sind, worauf Apeloig in seinem Vorwort aufmerksam macht (53): Behauene Steine (pierres de taille) und Sauberkeit verweisen eher auf den noblen Pariser Westen, abgeblätterte, altersschwache Fassaden und Graffitis eher auf den ärmeren Pariser Osten. Und natürlich ist bei den Erinnerungsplaketten auch die traditionelle politische Ost-West-Spaltung von Paris abzulesen. Plaketten für kommunistische Widerstandskämpfer wird man -wie schon die obigen Beispiele andeuten- eher in den östlichen Arrondissements finden als in den westlichen. Die Ost-West-Spaltung der Pariser Stadtgeografie lässt sich also auch an den plaques commémoratives ablesen.
Bei den neueren, von offiziellen Institutionen angebrachten Plaketten gibt es allerdings keine Unterschiede: Da glänzt der schwarze Marmor und die goldenen Buchstaben leuchten im 16. wie im 20. Arrondissement.
Angebracht sind die Plaketten an ganz verschiedenen Orten: in Bahnhöfen, Schulen, Rathäusern, Polizeirevieren, Ministerien, Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden, manchmal auch im Innern; vor allem aber findet man sie an Hausfassaden, meist im oberen Abschnitt des Erdgeschosses angebracht, so dass sie für den aufmerksamen Passanten sichtbar sind, andererseits aber auch vor Beschädigungen und Schmierereien etwas geschützt sind. Allerdings gibt es die, wie die Abbildungen zeigen, gleichwohl…
Die meisten Tafeln erinnern an Opfer der Kämpfe um die Befreiung von Paris, den „glorreichen“ – aber auch sehr blutigen- „ journées de la Libération“ (607). Das ist an den vielen Todesdaten zwischen dem 19. und dem 25. August, dem Tag der Kapitulation des deutschen Kommandanten von „Groß-Paris“, von Choltitz, zu erkennen:
- Tombé pour la libération de Paris August 1944 (193) Anm: Die Zahlen in Klammer sind Seitenangaben)
- Fusillé par les Allemands 20. August 1944 (975)
- Tombé le 21 août 1944 au cours de la Libération de Paris (914)
- A été tué à la Barricade August 1944 (273)
- Blessé mortellement pendant les Combats de la Libération August 1944 (968)
- Tombé glorieusement le 25 août 1944 – und die zahlreichen anderen Erinnerungstafeln an die Opfer dieses Tages in der rue de Rivoli, an der Ecke zur Place de la Concorde (102, 103, 104)
Die Namen der Toten, Jem Harrix, Fernand Mazuoyer, René Vinchon, Georges Lafont und die vieler anderer sind wohl in keinem Lexikon verzeichnet, manchmal fehlen sie auch ganz:
- Trois Français (409)
- Plusieurs soldats français (415)
- Des patriotes (525)
- Un unconnu (574)
Aber auch für diese anonymen Opfer der Befreiung gibt es so einen Ort der Erinnerung.
An ein besonderes Ereignis des 25. August 1944 erinnert übrigens eine in 300 Metern Höhe angebrachte Plakette: Damals hissten im noch besetzten Paris Feuerwehrleute auf dem Eiffelturm die Trikolore (47, 402). Einen Tag später wurde die Kapitulation von Paris vom französischen General Leclerc de Hauteclocque im Billardsaal der Polizeipräfektur im 4. Arrondissement entgegengenommen. Die entsprechende Erinnerungstafel ist natürlich in dem Buch abgebildet (228). Vermittelt hatte diese Kapitulation der schwedische Generalkonsul Raoul Nordling. „Er arbeitete unermüdlich daran, Paris vor der Zerstörung zu retten, von der die Stadt bedroht war“, wie es auf einer Tafel an dem Haus heißt, in dem Nordling tätig war (451). „Paris schuldet ihm ewige Dankbarkeit“ steht auf einer Tafel, die die Bedeutung Nordlings würdigt, an dem Platz Raoul-Nordling im 11. Arrondissement.
An die Befreiung von Paris erinnert auch die „voie de la Libération“ die von der porte d’Italie bis zum Pariser Rathaus reicht und mit 11 Medaillons aus Bronze markiert ist. Sie erinnern an die nach ihrem Kommandeur Colonne Dronne benannte Einheit der Division Leclerc, die als erste in Paris einrückte und hauptsächlich aus spanischen Republikanern zusammengesetzt war. (190, 216, 662,663,664,665 666)
Aber natürlich war der Kampf gegen die Besatzer, zu dem General de Gaulle in seinem berühmten „Appell“ schon am 18. Juni 1940 aufgerufen hatte, nicht nur auf den August 1944 beschränkt. Das erste zivile Opfer dieses Kampfes war der Ingenieur Jacques Bonsergent, an den eine Pariser Métro-Station und dort entsprechende Tafeln auf beiden Seiten der Bahnsteige erinnern. (495).
Und danach- und bis zum Ende des Krieges- gab es eine Vielzahl von Opfern der Nazi-Herrschaft, an die erinnert wird:
Prominente wie der Dichter Robert Desnos (582), Marc Bloch (344), Pierre Brossolette (380, 825, 829, 867) oder Geneviève de Gaulle Anthonioz (333) und Jean Zay (369), die 2015 ins Pantheon aufgenommen wurden[11], vor allem aber die vielen Unbekannten wie
- André Chassagne, mort pour que vive la France, fusillé par les Allemands le 6 octobre 1943 au Mont Valérien (1053)
- Serge Grivillers, torturé de pendu par les Nazis le 21 juillet 1944 (970)
- René Chollet, patriote et résistant, fusillé par les Hitlériens en 1943 (469)
- Angèle Mercier, déportée à Auschwitz (991)
- Jean Verrier, mort en déportation à Buchenwald (587)
- Raoul Naudet, déporté et exterminé au camp de Mauthausen (149)
- Marcel, Lucien et André Engros, fusillés par les occupants hitlériens (206)
und viele andere….
Interessant ist dabei auch, wie sich das Vokabular für die Täter ändert. Kann man auf einer –wohl noch frühen- Plakette lesen: „fusillés par les boches“ (988), so sind es dann die kollektiv-schuldigen Deutschen, also „les Allemands“ (z.B. auf einer am 2.2.1947 angebrachten Plakette, 989), und schließlich eingegrenzter und präziser Les Nazis, les Hitlériens, la Barbarie Nazi.
Dass so oft „les Allemands“ als Täter genannt werden, weist darauf hin dass in Frankreich lange kaum zur Kenntnis genommen wurde, dass es auch in Deutschland –und nicht erst 1944 sozusagen in letzter Minute- Widerstand gegen das NS-Regime gab. Dabei war gerade Frankreich das Land, das vielen geflüchteten und vertriebenen Nazi-Gegnern Zuflucht bot, und Paris war die Stadt, wo die verschiedenen Strömungen des Widerstands versuchten, eine gemeinsame Front gegen das Nazi-Regime aufzubauen.[12]
Neben „den Deutschen“ und den Nazis oder Besatzern erscheinen auch Vichy und seine berüchtigten Milizen als Täter:
- Assassiné par la Gestapo française (1052)
- A été assssiné par la Milice (271)
- Assassinée par les agents de Vichy (996)
- Tombé sous les balles des policiers français de la brigade speciale (sic) au service de l’ennemi (445)
Gründe für diese Taten waren für die Nazis und ihre Helfer nicht nur der bewaffnete Kampf, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen:
- Déportée comme otage, assassinée au camp de Bergen-Belsen (1060)
- Ont hébergé et protegé des aviateurs alliés (99)
- Arrêtés en 1943 par la Gestapo pour l’aide apportée aux juifs et morts en déportation (800)
Es gab aber auch Opfer des Krieges, die nicht mit dem Widerstand und seiner Repression zu tun haben:
- Malheureuses victimes du bombardement de La Plaine 21. Avril 1944 (956 und ähnlich 649): Das waren „unglückliche Opfer“ der alliierten Bombenangriffe, mit denen die Landung vom 6. Juni vorbereitet wurden. Sie waren Anlass für den letzten Besuch von Pétain in Paris, wo er eine Messe in Notre-Dame besuchte und von eine großen Menschenmenge bejubelt wurde…. Im Pariser Stadtmuseum Hôtel Carnavalet wird daran erinnert. [12a]
- À la mémoire des victimes du bombardement allemand du 26 août 1944 (918)
Die Nationalität der Opfer wird nur in den seltensten Fällen genannt, und wenn, dann natürlich bei ausländischen Kämpfern gegen die Nazi-Besatzer. Die kamen, wie die Erinnerungstafeln andeuten, aus vielen verschiedenen Ländern wie Polen (88, 291, 384), Großbritannien (89), Armenien (153, 924), Spanien (190, 361, 662, 663, 664, 665, 666, 986), Ungarn (243), Bessarabien (267), Jugoslawien (323), USA (443, 842, 954), Nord-Afrika (621), Luxemburg (494). (Zusammenstellung ohne Anspruch auf Vollständigkeit). Auch ein (ehemaliger) Deutscher ist dabei, der nach der Flucht aus Deutschland französischer Staatsbürger geworden war und 1939 französischer Soldat wurde:
Es ist Wolfgang Döblin, Sohn des Schriftstellers Alfred Döblin: „mathématicien, précurseur du calcul des probabilités, est mort pour la France à Housseras (Vosges) le 21 juni 1940 à l’âge de 25 ans. Titulaire de la Médaille Militaire et de la Croix de Guerre“. (713)
2007 wurde die Erinnerungstafel für Alfred Döblin, Autor des von den Nazis verbrannten Romans „Berlin Alexanderplatz“, und seinen Sohn am square Henri-Delormel im 14. Arrondissement enthüllt, da also, wo Döblin und seine Familie von 1934 bis 1939 gewohnt hatten. „Fuyant le nazisme l’écrivain allemand Alfred Döblin 1878 – 1957 s’installa avec sa famille dans cet immeuble“ …“ [13]
Mich berührt es, wenn ich auf den Erinnerungstafeln für Menschen, die unter dem Nationalsozialismus gelitten und gegen ihn gekämpft haben, auch die verschiedenen Herkunftsländer angegeben sind; und wenn –spätestens seit der Vel d’Hiv- Rede Chiracs- der französische „nationale Roman“ und damit auch die plaques commémoratives differenzierter geworden sind: Damit tragen die Pariser Erinnerungstafeln auch zu dem bei, was Aleida Assmann eine „europäische Gedächtniskultur“ nennt.[14]
Manchmal wird auch die religiöse Zugehörigkeit auf den Tafeln angegeben: Das waren dann katholische Christen wie der Abbé Jean Courcel (95), evangelische Christen wie Paul Vergara, pasteur à l’Oratoire du Louvre und Marcelle Guillemot, médailles des Justes des Nations (125), Moslems., d.h. muslimische Soldaten, die für die Befreiung Frankreichs gekämpft haben und gefallen sind (264/5) – und das waren außerordentlich viele, deren Bedeutung aber lange eher minimiert oder gar verschwiegen wurde. Dabei stellten sie bei der Landung in der Provence am 15. August 1944 mehr als die Hälfte der Truppen! [15] Und es waren natürlich Juden, denn die waren ja insgesamt durch den Faschismus existentiell bedroht, wobei man da allerdings die Religionszugehörigkeit auf den Tafeln manchmal nur anhand der Namen vermuten kann:
- David Liberman, fusillé par les Allemands le 16 septembre 1941. Mort pour la France (151)
- Renée Lévy, membre de la Résistance, décapité à Cologne le 31 août 1943 (172 und 173)
- Samuel Tyszelman, fusillé par les Allemands le 19 août 1941 (169)
… oder man weiß es, wie bei den Mitgliedern der Gruppe „Affiche Rouge“, aufgrund der denunziatorischen und rassistischen nationalsozialistischen Propaganda (153) oder –wie im Falle des zu dieser Gruppen gehörenden Marcel Rajman- aufgrund des stolzen Hinweises auf einen „héros juif de la résistance“ (554)
Juden sind es auch, unter denen die meisten Opfer zu beklagen sind, worauf neben den Tafeln an den Schulen und den Stelen für die umgebrachten Kinder in allen Arrondissements viele andere Erinnerungstafeln hinweisen.
- 122 Bewohner, darunter 40 kleine Kinder, des Hauses 10-12, rue des deux-ponts im 4. Arrondissement (219 und 220)
- À la mémoire de tous les habitants de cet immeuble (67, rue de la Roquette) disparus durant la tragédie de 1939 à 1945. (586)
- En mémoire des hommes, femmes et enfants du 12ème Arrondissement qui parce que nés juifs, ont été arrétés et regroupés ici (…) par des policiers français lors des rafles de 1942 à 1944 (602)
- Eliaz Zajdner, Ancien Résistant, déporté à Auschwitz par les nazis en Mai 1944 avec ses trois Fils. Albert âgé de 21 ans, Salomon et Bernard âgés de 15 ans. Morts dans dans le bloc des expériences (211) Diese Kinder fielen also offensichtlich den schrecklichen Menschenversuchen des KZ- Arztes Mengele zum Opfer.[16]
Aus dieser sehr selektiven Übersicht wird wohl schon die unglaubliche Vielfalt der plaque commémoratives zur Zeit 1939- 1945 deutlich. Dazu kommt aber noch ihre unterschiedliche Gestaltung- abgesehen von den genormten Erinnerungstafeln an den Schulen. Manchmal sind die Tafeln mit zusätzlichen Zeichen versehen wie dem Davidstern, oder dem christlichen oder öfters: dem lothringischen Kreuz als dem Symbol der Londoner Exil-Regierung de Gaulles und ihrer Streitkräfte. Dazu kommen oft die Farben der Tricolore oder das Logo des Betriebs oder der Einrichtung, in dem/der die jeweilige Person tätig war. Geschmückt sind die Plaketten manchmal auch mit Lorbeerzweigen, Portraits oder Orden. Und für zusätzliche Farbe sorgen bisweilen die –wenn auch oft verwelkten- Blumen, die zu besonderen Jahrestagen wie dem 27. Januar, dem 8. Mai, dem 25. August oder dem 11. November von der Stadtverwaltung in die dafür vorgesehenen Ringe gesteckt werden, die sich meistens unterhalb der Plaketten befinden. (s. z.B. 511, 584, 737)
Und dann gibt es ja noch die verschiedenen Materialien und Formen der Tafeln und die Typografie- die vielfältige Gestaltung der Schrift. Philippe Apeloig weist in seinem Vorwort ausdrücklich auf die ästhetische Qualität der Erinnerungstafeln hin und auf den außerordentlichen Reichtum ihres „graphischen Vokabulars.“ Insgesamt bildeten sie einen eigentümlichen Katalog typografischer Kreationen dar, „un véritable hommage aux dessinateurs de lettres.“ (49/50) Das besondere Interesse des Autors an der Typografie wird schon beim Aufschlagen des Buches deutlich: Die ersten und die letzen inneren Umschlagseiten –es sind immerhin insgesamt 24!- zeigen Ausschnitte von Plaketten und veranschaulichen deren typografischen Reichtum, den Philippe Apeloig, selbst Grafiker und Typograf, besonders herausstellt und zu würdigen weiß.
Aber natürlich geht es Apeloig um mehr als die ästhetische Qualität und Vielfalt der Tafeln. Denn die sind ja Mittel zum Zweck, sie dienen der Erinnerung. Und auch zu ihr hat Philippe Apeloig einen sehr persönlichen Bezug: Sein Großvater Szmul Icek Rozenberg, geboren in Kazimierz in Polen, war 1930 – wie zwei Jahre zuvor sein Bruder Joseph- nach Frankreich ins „Land der Menschenrechte“ ausgewandert. Das Leben dort schien, wenn auch nicht völlig glücklich, doch wenigstens –anders als in Polen- schlicht und einfach möglich zu sein. Beide Brüder fanden Arbeit und Wohnung im Faubourg-Saint-Antoine, dem damaligen Zentrum der französischen Möbelproduktion.[17] Szmul machte sich schließlich selbstständig und spezialisierte sich auf die Kopie alter Stilmöbel. Nach Ausbruch des Krieges engagierte er sich als „volontaire juif“ in der Fremdenlegion, kam allerdings nicht zum Einsatz. Nach dem Waffenstillstand und der Besetzung eines großen Teils Frankreichs durch deutsche Truppen siedelte die Familie nach Châteaumeillant in der von Vichy kontrollierten sogenannten freien Zone über. Die Einwohner von Châteaumeillant hatten etwa 40 jüdische Familien aufgenommen, um sie vor Verfolgung zu schützen. Angesichts des Vichy’schen Antisemitismus waren Juden aber auch dort nicht in absoluter Sicherheit. Der Ortspolizist allerdings warnte sie vor bevorstehenden Verhaftungen, so dass die Miliz meist unverrichteter Dinge wieder abziehen musste. Trotz aller Gefahren überlebten der Großvater, seine Frau Golda und seine drei Kinder und konnten 1945 wieder nach Paris zurückkehren, wo der Großvater 1947 die französische Staatsbürgerschaft erhielt. Sein Bruder Joseph allerdings und seine Frau, die in Paris geblieben waren, wurden deportiert und in Auschwitz ermordet.
Im November 2004 wurde auf Initiative von Philippes Mutter Ida eine Erinnerungsplakette an der alten Markthalle von Châteaumeillant installiert- ein Dank an die Einwohner des Ortes, die –trotz aller damit verbundener Risiken- Juden aufnahmen und sie vor Verhaftung und Deportation retteten. Es ist dies die erste in dem Buch abgebildete plaque commémorative (S. 39). Bei der Enthüllung hatte die Mutter in einer Rede ihre Kinder aufgefordert, die Arbeit der Erinnerung fortzusetzen. Philippe Apeloig hat dies in einzigartiger Weise befolgt. Entstanden ist ein Werk über einen ganz besonderen Erinnerungsort, einen „lieux de mémoire“, der allerdings in dem großen Kompendium Pierre Noras nicht berücksichtigt ist.[18]
Am 24. Juni 2022 wird in Châteaumeillant (département du Cher) am Rathausplatz eine plaque commémorative zu Ehren der „Justes“ des Ortes enthüllt: Châteaumeillant wurde von Yad Vashem in Jerusalem der Titel „Ville Juste parmi les nations“ verliehen. So hat die private Initiative von Philippe Apeloigs Mutter eine offizielle Bestätigung, ja Krönung, erhalten.
Auch das wunderbare Buch ihres Sohnes hat zahlreiche Ehrungen und Bestätigungen erhalten:
Die Academie Française verleiht in jedem Jahr den Prix Thiers für das beste historische Buch. Dieser Preis ist benannt nach Adolphe Thiers, Autor historischer Werke über die Französische Revolution, das Konsulat und das Kaiserreich, Mitglied der Akademie seit 1834 und Politiker: von 1871 bis 1873 war er erster Präsident der 3. Republik. Ich bin zwar kein Fan von Thiers –vor allem aufgrund seines in der Rheinkrise von 1840 aggressiv vertretenen Anspruchs Frankreichs auf die deutschen linksrheinischen Gebiete, seiner Rolle bei der Niederschlagung der Commune und seines provokativ-bombastischen Grabmals auf dem Père Lachaise[19]; aber den nach ihm benannten Preis zu erhalten, ist natürlich eine ganz außerordentliche Auszeichnung. 2019 hat das hier besprochene Buch „Enfants de Paris, 1939-1944“ diesen Preis erhalten.[20] Eine Entscheidung, zu der man die Academie Française und natürlich auch den Autor des Buches, Philippe Apeloig, nur beglückwünschen kann. Félicitations!
Und auch in den Medien ist die Resonanz groß. Dazu nur drei Beispiele:
- Die Sendung von France Inter vom 9. Mai 2021: https://www.franceinter.fr/emissions/une-journee-particuliere/une-journee-particuliere-09-mai-2021
- Die vierte Episode der Serie „Traces d’histoire dans la ville“ von Radio France: https://www.radiofrance.fr/franceculture/podcasts/le-cours-de-l-histoire/les-plaques-dans-la-ville-la-memoire-au-coin-de-la-rue-4557177
- Der Film von Claude Mossessian: „Ces murs qui nous font signe“ https://vimeo.com/653636553/bcf3668b47
Er wird am 16. Juni 2022 um 20 Uhr im MK2/Nation in Paris gezeigt, gefolgt von einem Gespräch mit Philippe Apeloig.
Die Projektion der plaques commémoratives auf die Mauern des Pantheons
Eine ganz besondere Würdigung der Arbeit von Philippe Apeloig stellte die Projektion der in seinem Buch versammelten Erinnerungstafeln auf die Außenmauern des Pantheons dar. Diese Aktion war geplant für den 8. und den 9. Mai 2020. Die beiden Daten haben eine hohe symbolische Bedeutung: Der 8. Mai 2020 markiert den 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges, auf den sich die plaques commémoratives für die enfants de Paris ja auch beziehen. Der 9. Mai ist der Europatag und in diesem Jahr der 70. Jahrestag der déclaration Schumann. Der damalige französische Außenminister Maurice Schuman schlug am 9. Mai 1950 die Schaffung einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vor, eine der europäischen Institutionen, die schließlich zur Bildung der heutigen Europäischen Union führten.
Mit der Projektion der plaques commémoratives an diesen beiden Tagen (bzw. Abenden) sollte nicht nur der Opfer des Weltkrieges, des nationalsozialistischen Rassismus und der Männer und Frauen des Widerstands gedacht, sondern auch das vereinte Europa gefeiert werde, das aus den Trümmern des Krieges entstanden ist: eine ganz wunderbare Verbindung. Die sollte auch optisch zum Ausdruck gebracht werden durch die Beleuchtung des Portikus in den Farben der Trikolore am 8. Mai, während am 9. Mai der Portikus in der blauen Farbe Europas leuchten sollte.
Aufgrund der Corona-Pandemie musste allerdings die Installation verschoben werden. Sie fand dann schließlich am 16., 17. und 18. September 2021 statt. Philippe Apeloig dazu:
„Cette installation au Panthéon, qui a eu lieu en septembre 2021 à l’occasion des journées européennes du patrimoine, confirme que ces plaques appartiennent au patrimoine architectural parce qu’elles se fondent dans les murs des immeubles, au patrimoine de la mémoire, au patrimoine juif aussi bien sûr. Cette installation donnait une dimension émotionelle énorme à ce monument qui est le cimetière des grands hommes et femmes de la nation. Soudain, les noms d’anonymes étaient projetés sur les murs, s’affichaient et s’effacaient en grand format, donnant presque l’impression que le monument respirait au rythme de la révélation des images sur les murs du Panthéon.“ [21]
Siehe dazu auch den speziellen Blog-Beitrag: https://paris-blog.org/2020/05/01/zwei-besondere-jahrestage-der-8-und-9-mai-2020-und-das-pantheon-projekt-vom-18-und-19-september/
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Den Abbildungen der Plaketten in „Enfants de Paris“ ist ein Essay von Danièle Cohn vorangestellt, die wie Philippe Apeloig einen eigenen familiären Bezug zu den plaques commémoratives hat: Die Geschichte ihres Großvater Wilhelm Friedmann, eines österreichischen Intellektuellen. Bevor er das erhoffte Visum in die USA erhielt, wurde er von den Nazis verhaftet und nahm sich „als freier Mann“ selbst das Leben (62/63). Die Tafel in einem kleinen Ort der Pyrenäen, die an ihn erinnert, ist in dem sensiblen Text Danièle Cohns abgebildet. Die Überschrift des Essays: „Voir et écouter les murs„, was als Einladung zum Umgang mit den Erinnerungstafeln verstanden werden kann. Der Text schließt mit den Worten, die ich zum Abschluss dieses Textes zitieren möchte:
„Les hommes et les femmes abattus, déportés n’ont pas laissé de trace dans un ‚ici‘. La chute des corps atteints par une balle ennemie n’a pas laissé d’empreinte, c’est l’inquiétude de ceux qui ont survécu, puis la force du souvenir des vivants qui en ont inventé la trace, et ceci vaudrait plus encore pour les corps brûlés dans les camps: pas d’image, pas de marque matérielle, et la tâche des plaques devient alors de tracer au sens littéral du trait, de l’incision, de l’inscription pour que nous soyons marqués, et à la fin heureux d’avoir eu la chance de l’être.“ (S. 70)
Dieser Text wurde am 25. August 2019, dem 75. Jahrestag der Befreiung von Paris, in den Blog eingestellt, im Mai 2022 wurde er bearbeitet/aktualisiert. Wolf Jöckel D 61440 Oberursel/ F 75011 Paris
Anmerkungen:
[1] https://fr.wikipedia.org/wiki/L%C3%A9on_Frot
[2] Siehe den Blog-Beitrag: Über den Dächern von Paris: Blicke von unserer Terrasse. https://paris-blog.org/2016/03/31/sonnenuntergang-in-paris/
[3] Siehe den Blog-Beitrag: Wohnen, wo einmal die Guillotine stand. https://paris-blog.org/2016/06/14/wohnen-auf-historischem-boden-la-grande-et-la-petite-roquette/
[4] http://www.ajpn.org/internement-Prison-de-la-Roquette-470.html
[5] Solche Tafeln gibt es an allen Pariser Schulen. Sie wurden mit Unterstützung der Stadt Paris von der Association pour la Mémoire des Enfants Juifs déportés (AMEJD) angebracht. Eine Aufstellung findet sich bei Apeloig, Enfants de Paris, S. 1101-1103
[6]https://fr.wikisource.org/wiki/Discours_prononc%C3%A9_lors_des_comm%C3%A9morations_de_la_Rafle_du_Vel%E2%80%99_d%E2%80%99Hiv%E2%80%99
Inzwischen gibt es eine Fülle von Literatur zur rafle du Vel d’Hiv. Hervorheben möchte ich hier nur die folgende Veröffentlichung, nicht nur weil Paul Tillard der Vater einer guten Pariser Freundin ist, sondern weil es sich auch um eine ganz frühe Veröffentlichung zum Thema handelt: Claude Lévy et Paul Tillard (préf. Joseph Kessel), La Grande rafle du Vel d’Hiv : 16 juillet 1942, Paris, Éditions Robert Laffont, 1967 ; rééd. Tallandier, coll. « Texto », 2010
Kurzinformation unter: https://www.deutschlandfunk.de/vor-75-jahren-in-paris-die-razzia-im-wintervelodrom.871.de.html?dram:article_id=391170
https://de.wikipedia.org/wiki/Rafle_du_V%C3%A9lodrome_d%E2%80%99Hiver
siehe auch die Erinnerungsplakette am ehemaligen Velodrom d’Hiver bei Apeloig, 815
[7] http://www.genami.org/culture/rafle-paris-20-aout-1941.php
[8] Ähnliche Tafeln (stèles) gibt es in jedem Arrondissement. Initiator ist auch hier die AMEJD. Eine Zusammenstellung findet sich bei Apeloig, Les Enfants de Paris, S. 1092 f.
[8a] siehe den Blog-Beitrag: https://paris-blog.org/2016/06/02/von-frankfurt-nach-paris-und-zurueck-die-stolpersteine-in-der-westendstrasse/
[8b] Philippe Apeloig hat den Titel des Buches ausdrücklich auch deshalb gewählt, „weil die meisten aufgeführten Personen unglaublich jung waren“. siehe: Xavier de Jarcy, Le Paris de 1939-1945 raconté par ses plaques commémoratives. Télérama vom 9.1.2019. Jarcy berichtet in dem Text über einen Rundgang mit Philippe Apeloig vom Faubourg- Saint-Antoine zum Marais.
[8c] Philippe Apeloig, plaques commémoratives. Un monument éclaté. In: Tenou’a, hors série 2022, S. 28-33
[9] Zu den Stolpersteinen siehe die Blog-Beiträge: Von Frankfurt nach Paris und zurück: Die Stolpersteine in der Westendstraße. https://paris-blog.org/2016/06/02/von-frankfurt-nach-paris-und-zurueck-die-stolpersteine-in-der-westendstrasse/ und: https://paris-blog.org/2016/12/18/stolpersteine-in-frankfurt-am-main-eine-buchempfehlung/
Allein in Berlin wurden bisher 9512 Stolpersteine verlegt. (Stand Mai 2022) Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Berlin#:~:text=Insgesamt%20wurden%20in%20Berlin%20(Stand,76%20von%2096%20Berliner%20Ortsteilen.
In Frankreich werden inzwischen auch Stolpersteine installiert. Allerdings sind sie viel weniger verbreitet und es gibt auch prominente Kritik daran. So von Serge Klarsfeld: „J’étais contre les Stolpersteine, parce qu’il n’y a pas de marque des respect à marcher sur de petites plaques qui signalent que des gens on été arrêtés. Il faudrait mettre des plaques sur tous les immeubles.“ In: Tenu’a. hors série 2022, S. 10
[10] Dies jedenfalls war die erklärte Absicht Apeloigs bzw das Resultat der äußerst aufwändigen Bemühung, die bis dahin nicht katalogisierten plaques commémoratives systematisch zu erfassen und zu fotografieren. . Siehe sein Interview mit Norbert Czarny, Plaques sensibles. https://www.en-attendant-nadeau.fr/2019/01/01/plaques-sensibles-apeloig/ und das Interview mit Élie Papiernik in Tenu’a, hors série 2022, S. 31: „Le résultat, pour moi, était de faire un livre d’art.“
[11] Siehe den Blog-Beitrag: Das Pantheon der großen (und der weniger großen) Männer und der wenigen großen Frauen: https://paris-blog.org/2018/04/01/das-pantheon-der-grossen-und-der-weniger-grossen-maenner-und-der-wenigen-grossen-frauen-1-das-pantheon-der-frauen/
[12] Die Deutsche Botschaft Paris hat deshalb 2015 die Herausgabe eines Buches über den deutschen Widerstand gefördert (Vorwort der damaligen Botschafterin Frau Wasum-Rainer), mit der ausdrücklichen Begründung, dass der deutsche Widerstand gegen das Hitlerregime in Frankreich wenig bekannt sei: Philippe Meyer, Ils étaient des Allemands contre Hitler. Editions L’Âge d’Homme.
Über deutsche Antifaschisten, die auf Seiten der französischen résistance gekämpft haben: https://www.reseau-canope.fr/cndpfileadmin/pour-memoire/le-50e-anniversaire-du-traite-de-lelysee-et-les-relations-franco-allemandes/le-temps-des-ennemis-hereditaires/les-resistants-allemands-en-france/
[12a] Siehe: https://paris-blog.org/2021/11/03/le-musee-carnavalet-das-museum-der-pariser-stadtgeschichte-ist-wieder-eroffnet-ein-erster-rundgang/ AAA
[13] Die schöne Rede, die der Professor für vergleichende Literatur Lionel Richard bei der Enthüllung der Tafel hielt, ist abgedruckt unter: http://www.alfred-doblin.com/hommages-et-critiques/ecrivain-xx-siecle-pantheon/ Zu Wolfgang Döblin siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_D%C3%B6blin Dort wird als Datum der Enthüllung 2006 angegeben.
[14] Aleida Assmann, Auf dem Weg zu einer europäischen Gedächtniskultur? Wiener Vorlesungen im Rathaus, Bd 161. 2012
[15] https://www.lepoint.fr/afrique/debarquement-de-provence-les-soldats-venus-d-afrique-en-premiere-ligne-14-08-2019-2329922_3826.php
[16] Siehe dazu das preisgekrönte Buch von Olivier Guez, Das Verschwinden des Josef Mengele. Aufbau-Verlag 2018
[17] Siehe den Blog-Beitrag über den Faubourg-Saint-Antoine, das Viertel des Holzhandwerks. https://paris-blog.org/2016/04/04/der-faubourg-saint-antoine/
[18] Eine Aufstellung aller Erinnerungsorte, die in den 7 von Nora herausgegebenen Bänden behandelt werden, findet sich bei: https://fr.wikipedia.org/wiki/Lieu_de_m%C3%A9moire
[19] Siehe dazu den Blog-Beitrag: https://paris-blog.org/2016/08/13/der-buergerkrieg-in-frankreich-1871-ein-rundgang-auf-dem-friedhof-pere-lachaise-in-paris-auf-den-spuren-der-commune/
[20] http://www.academie-francaise.fr/prix-thiers
[21] Philippe Apoloig zum Abschluss seines Interviews mit Élie Papiernik in: Tenu’a, hors série 2022, S. 33:
Ich bin beeindruckt vom dem kenntnisreichen, abwägenden und zugleich warmherzig respektvollen Bericht über die verfolgten Menschen im Paris der Jahre 1940-1944. Mir waren die Wandtafeln an den Gebäuden ebenfalls in ihrer Vielfalt aufgefallen. Die Hinweise machen einen immer wieder sprachlos und traurig. Zwar werden wir die Fragen, wie das geschehen konnte und wie wir eine Wiederholung verhindern können, wohl nie vollständig beantworten können. Doch sollten wir genau hinschauen, Anfängen wehren und im Alltag anhaltend für die Rechte aller Menschen einstehen. Die Republik das sind wir alle.
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Vielen Dank für dieses schöne und wichtige feed-back. Das ist auch Ermutigung und Ansporn für mich. Merci! Wolf Jöckel
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Bonjour Monsieur Jöckel,
Mir gefiel auch der informative Bericht über Max Ernst in St. Martin (Ardèche). Bei einem Besuch vor einigen Jahren war die Dame vom Informationsbüro nicht in Bestform. Jedenfalls haben wir nur den bescheidenen Film gesehen und das Haus nicht gefunden. Umso mehr habe ich mich jetzt über die Fotos davon gefreut. Wir hatten Quartier genommen in der Prehistoric Lodge am Pont d` Arc mit Blick auf die Steilwand der Schlucht.
Zum Schluss noch zwei Themenvorschläge: Architektur und Sozialgeschichte der öffentlichen Badehäuser, Telegrafenämter und Winzergenossenschaften. Die Bauten findet man im ganzen Land. Sie stammen häufig aus der Zwischenkriegszeit und beeindrucken durch ihre ansprechende, wertige Architektur. Leider sind manche unvorteilhaft umgenutzt worden. Andere vom Abriss bedroht.
Mit besten Grüßen aus Berlin Bellevue
Christoph-M. Stegers
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Vielen Dank auch für die Themenvorschläge: Architektur und Sozialgeschichte der Badehäuser/Schwimmbäder von Paris steht schon auf meiner -allerdings sehr langen- Liste möglicher künftiger Themen. Vielleicht im nächsten Jahr…. Herzliche Grüße aus dem windigen/regnerischen Paris Wolf Jöckel
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Sehr geehrter Herr Jöckel,
Ich gehöre zu einer losen Gruppe von „Veteranen der deutsch-französichen Aussöhnung und Freundschaft“. Hervorgegangen sind wir aus kirchlichen Jugendgruppen in Chartres und Neheim-Hüsten. – Beides Orte, die mit dem Namen von Franz Stock, einem Wegbereiter Europas verbunden sind.
Im Herbst 2023 oder Frühjahr 2024 wollen wir uns in Paris treffen. Kennen Sie eventuell eine möglichst zentral gelegene Einrichtung (Herberge, Kirchliches Gästehaus, Bildungszentrum , Erholungsheim o.ä.), in der eine Gruppe von 10-16 Personen unterkommen könnte? oder muss man Quartier nehmen in einem Kettenhotel Nähe Montmatre, 11 oder 12. Arrondissement? Für einen Tipp wäre ich dankbar
Mit besten Grüßen aus Berlin
Christoph-M. Stegers
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Lieber Herr Stegers, wegen einer Unterkunft werde ich Pariser Freunde um Rat fragen. Und wenn Sie rechtzeitig Bescheid sagen und wir zu Ihrer Zeit in Paris sind, biete ich gerne für Ihre Gruppe einen Spaziergang z.B. über den Père Lachaise an. bien cordialement Wolf Jöckel
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Merci et bon courage
Im Netz habe ich bisher nichts Passendes gefunden.
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Bonjour, von einer Pariser Freundin folgende Tipps: Unterkünfte der Kirche unter Guide St Christophe, dann Paris eingeben. Da gibt es 6 Unterkünfte, die infrage kommen.
Ansonsten: CISP Paris, da gibt es zwei günstige Hotels Ravel und Kellermann. Viel Erfolg! W.J.
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Danke, Danke,
Wir werden uns die Sachen anschauen und hoffen, etwas Passendes zu finden. Mal sehen, wie viele Leute wir zusammen bekommen. Dann werden wir das Programm gestalten. Als ein Thema ist angedacht, auf den Spuren des Chansons zu wandeln
A propos Paris: Im Jüdischen Museum Berlin läuft derzeit „Paris Magnétique“, eine Kunstausstellung mit Werken jüdischer Maler und Malerinnen aus der Vorkriegszeit.
Mit herzlichen Grüßen aus Berlin
Christoph-M. Stegers
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