Die Insel Porquerolles: Natur und Kunst

Nach längerer Zeit also wieder ein Blog-Beitrag zu einem Ort weit außerhalb von Paris; genau: 875 km entfernt davon. Aber ein Beitrag aus zwei guten  Gründen:  Natur und Kunst.

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Zuerst die Natur:  Porquerolles ist ein Inseltraum, es gibt wunderschöne Strände, kleine versteckte Buchten, glasklares  Wasser. Hier zeigt sich Frankreich von seiner schönsten Seite.  Die Insel ist 7 km lang und 3 km breit, Fortbewegungsmittel der Besucher sind die Füße oder das Fahrrad. (1)

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Der lang gestreckte (aber schmale) Strand Notre Dame  wurde 2015, wie der zuständige Fremdenverkehrsverband stolz verkündet, vor 300 Mitbewerbern zum „schönsten Strand Europas“ gekürt. Das weiß offenbar auch die Gottesanbeterin zu schätzen. [1a]

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Wenn in der Hochsaison allzu viele  Menschen sich dahin auf den Weg machen, wird man aber sicherlich ein ruhigeres Plätzchen an einem der anderen, von der Anlegestelle der Fähren etwas entfernteren Strände oder in einer crique, einer der versteckten kleinen felsigen Buchten, finden.

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Auf dem Weg zu den Stränden geht es durch Wälder von Steineichen und Pinien und vorbei an Weinbergen, die Anfang des 20. Jahrhunderts als Feuerschutzzonen angelegt wurden, um zu verhindern, dass –wie 1897-  bei einem Waldbrand die ganze Insel betroffen ist.  Der hier erzeugte Wein war dann allerdings sogar einer der ersten, der die Klassifizierung „Côtes de Provence“ erhielt.

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Auf dem Weg zum Strand Notre Dame kommt man sogar -eine Besonderheit dieser Insel- durch eine Allee von stattlichen Eukalyptusbäumen, die dort von François-Joseph Fournier eingeführt wurden, der die Insel 1912 kaufte. Inzwischen verhindert die Verwaltung des Nationalparks allerdings eine  unkontrollierte Ausbreitung auf Kosten der heimischen Flora. (1a)   .

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Bei einer Fahrt durch die Insel wird man die typischen Erdbeerbäume (arbousier) nicht übersehen können, wenn im Herbst die Früchte erst gelb und dann rot leuchten. Sie sind übrigens essbar und es gibt davon leckere Gelees zu kaufen![2]

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Sehr verbreitet ist auch der Mastixstrauch, auch Wilde Pistazie genannt (franz: Pistachier lentisque).  Im Frühjahr leuchten seine weißen Blüten, im Herbst die kleinen roten Früchte, die im Winter den Vögeln als Nahrung dienen.

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Dies sind die leuchtenden weißen Blüten der auf Porquerolles ebenfalls weit verbreiteten Braut-Myrte.

Angebaut wird auf Feldern neben Feigen, Kirschen und Aprikosen auch die in Europa seltene schwarze Maulbeere. Hier ein Frühommer-Foto:

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Etwas abseits des Wegs kann man wunderbare überraschende Entdeckungen machen wie diese auf dem kargen Gelände eines ehemaligen Forts wachsenden Lilien.

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Ganz oft an den Weges-  und Waldrändern sieht man natürlich die Blüten des Akanthus, dessen stilisierte Blätter das korinthische Kapitell zieren.   Fotos: Wolf Jöckel

Und immer wieder hat man wunderbare Aussichten auf das Meer. Vor allem natürlich von oben- zum Beispiel von dem über dem Hafen von Porquerolles gelegenen Fort Sainte- Agathe .

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Blick vom Fort auf die Moulin de Bonheur aus der ersten  Hälfte des 18. Jahrhunderts

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Blick auf den Leuchtturm und die Villa Carmignac mit dem Ausstellungsgebäude und links dem kleinen Gartenhaus

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Das Fort Sainte-Agathe gehört zu einer ganzen Reihe von Forts, die auf der Insel  errichtet wurden. Die  ersten waren dazu bestimmt, die gegenüberliegenden Küstenabschnitte und vor allem den Hafen von Toulon vor den Einfällen von Seeräubern zu schützen.

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Heute ist im großen  Turm des Forts eine Ausstellung über die Geschichte der Insel untergebracht. Dort gibt es auch eine Abbildung der ersten Karte der Goldinseln, wie die drei Hyères-Inseln, von denen Porquerolles die größte ist,  auch gerne genannt werden.

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Porquerolles gehört, wie die beiden anderen „Goldinseln“,  zu dem Nationalpark von Port-Cros, dem ersten europäischen Nationalpark übrigens, der Gebiete über und unter Wasser umfasst. Für Taucher ist dieser Nationalpark, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, eine große Attraktion. Vor allem  „La Gabinière“ mit seinen bis zum 1,5 m  großen Zackenbarschen und Barrakudaschwärmen.[3]

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Junge Barrakudas sieht man dort seit einigen Jahren in großen Schwärmen (Schulen). Den Taucher freut das – allerdings ist der das warme Wasser liebende Fisch ein biologischer Indikator des Klimawandels- das trübt dann doch etwas die Freude…  [4]

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Sehr schön ist auch das Tauchgebiet um die  „Zwei Brüder“, eine auffällige aus dem Meer ragenden Felsformation  an der östlichen Spitze von Porquerolles – hier von der Presqu’île de Giens aus im Abendlicht zu sehen.

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Auch Maler hat die Insel angezogen. Hier zwei Beispiele:

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Henri-Edmond Cross, Les Îles d’Or  1891/1892  Musée d’Orsay

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Jean-Francis Auburtin, Matin (Calanque à Porquerolles) Collection particulier (Das Bild wurde auf der Jahresausstellung 2023 der Villa Carmignac auf Porquerolles ausgestellt.)

Die Ausstellung moderner Kunst der Fondation Carmignac

Seit Juni 2018 hat Porquerolles eine weitere große Attraktion zu bieten: Die Kunstausstellung der Fondation Carmignac. Sie ist „680 Schritte vom Hafen“  entfernt auf dem weitläufigen Gelände der ehemaligen domaine de La Courtade, eines provençalischen Gehöfts, untergebracht, Drehort des Films „Pierrot le fou“ von Jean—Luc Godard. In den 1980-er Jahren  wurde das Anwesen von dem Architekten Henri Vidal erworben und zu einer noblen Villa umgebaut. Als dort 1989 seine Tochter  ihre Hochzeit feierte, war auch Edouard Carmignac eingeladen. Der verliebte sich in das Anwesen und kaufte es 2013. Kein Problem für einen der reichsten Männer Frankreichs (Platz 50), der laut Forbes über ein Vermögen von 1,7 Mrd Dollar verfügt.[5] Als „self-made-man“ hat er sich  zu einem der größten europäischen Vermögensverwalter hochgearbeitet, sich dabei aber immer noch eine Affinität zur Kunst erhalten – ursprünglich wollte er einmal Musiker werden. So erwarb er im Laufe der Zeit eine etwa 300 Gemälde und Fotografien umfassende Kunstsammlung, von denen 70 vom 2. Juni bis zum 4. November 2018  auf Porquerolles zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert werden/bzw. wurden.

Während die Stiftungen Louis Vuitton und Seydoux-Pathé (2014), die Lafayette- Stiftung  (Lafayette Anticipations 2018) und die Collection François Pinault (2019)  in Paris angesiedelt sind oder sein werden (und sich mit prominentesten Namen der internationalen Architektur-Szene schmücken), hat sich Edouard Carmagnac für einen Ort weit außerhalb der Hauptstadt entschieden. Dazu sein Sohn Charles,  Direktor der Stiftung und Chef  der Anlage auf Porquerolles:

 „Mein Vater wollte seine Sammlung an einem abgelegenen Ort zeigen, weg von Alltag, der Stadt und all den Dingen, die darüber hinaus stattfinden. Die Menschen müssen dafür ihren Alltag hinter sich lassen, sie müssen ein Boot nehmen, sie müssen hierherkommen, sie müssen laufen. Und hier sind sie abgeschieden und auch die Gedanken sind frei und klar und man hat eine Art inneren Frieden, um sich auf die Kunstwerke einzulassen und zu hören, was sie vermitteln wollen.“[6]

Allerdings war die Villa Vidals nicht für die Präsentation von Kunst und für Publikumsverkehr geeignet. Eine einfache Erweiterung war aber aufgrund des Nationalpark-Statuts der Insel nicht möglich. Die Lösung war, unter dem Haus zusätzliche Ausstellungsflächen von 2000 qm² zu schaffen. Die werden teilweise durch einen Schacht mit natürlichem Licht versorgt.

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Die gläserne Decke dieser Öffnung ist mit Wasser bedeckt, was unten und oben wunderbare wellenförmige Spiegelungen auf den  Wänden und Pfeilern produziert.

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Vor allem in dem Raum  direkt unterhalb der Glasdecke/Wasserfläche. Dessen „Ausstellungsobjekte“ sind große blaue Rechtecke an den Wänden, die vom einfallenden Licht belebt werden.  So hat der Besucher geradezu das Gefühl, sich auf dem Meeresgrund zu bewegen, wie Julien Bordier im Express schreibt. In der Tat ein genialer Einfall.[7] 

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Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass die Besucher aufgefordert werden, die Schuhe auszuziehen und barfuß auf den Grund des „sea of desire“ hinabzusteigen.  Und passend dazu kommt man dann auch direkt zu Bruce Naumans „One Hundred Fish Fountain“ von 2005, wo aus hundert verschiedenen und identifizierbaren Fischen Wasser sprudelt. Es ist übrigens der einzige Ausstellungsraum, der mit Türen versehen ist, so dass man sich intensiv dem Sehen und Hören überlassen kann- zumal es ein Gedränge wie bei vielen Pariser Kunstausstellungen nichtgibt: In die Fondation Camignac  werden pro halbe Stunde nur maximal 50 Besucher eingelassen.

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Im Hintergrund/Nachbarraum ein monumentales Bild von Roy Lichtenstein mit spielenden Mädchen am Strand  (Beach scene from Starfish)

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Ein Wels am Boden des Brunnens

Das Privileg eines eigenen Raums hat auch das  eindrucksvolle 16 Meter lange Panorama-Bild von Miquel Barceló. Es zeigt seltsame Tintenfische und Quallen, wie sie –so oder so ähnlich- der Künstler im Mittelmeer angetroffen haben mag.

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Das Werk wurde extra für diesen Raum gestaltet und hat denn wohl auch –wie der Brunnen Naumanns- gute Chancen, dort dauerhaft ausgestellt zu werden. 2019 war es jedenfalls noch da-  sogar mit Polstern auf dem Boden. So kann man gwissermaßen auf Tauchstation gehen und von dort aus das Unterwasserpanorama bewundern.

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Befindet man sich im Untergeschoss eher im aquatischen Milieu, so betont die Architektur des Erdgeschosses das terrestrische Element: Man ist an Land, geöffnet zur umgebenden Natur, dem Garten, den Pinien und uralten Olivenbäumen, aber das Wasser, das Meer, ist immer nahe.

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Blick auf den Leuchtturm…

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     … und über den Garten der Fondation aufs Meer

Die Verbundenheit der Fondation Carmignac mit Porquerolles wird schon am Eingang zum Ausstellungsgebäude deutlich: Da wird man von einer Bronzeplastik Miquel Barcelós empfangen.

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Dargestellt ist der Alycastre, ein Ungeheuer, das  der Legende nach Angst und Schrecken auf der Insel verbreitete. Zum weiteren Verlauf  gibt es offenbar unterschiedliche Versionen: Dem von der Stiftung herausgegebenen Ausstellungs-Flyer zufolge war es kein geringerer als Odysseus, der auf seiner Irrfahrt in die Heimat hier Schiffbruch erlitt und das von Poseidon ausgesandte Ungeheuer besiegen musste, bevor er seine Fahrt fortsetzen konnte.   Einer anderen Version zufolge war es ein kampferprobter Pilger, der dem Schrecken ein Ende machte:  Von einer Fahrt ins Heilige Land zurückkommend war er in Seenot geraten und von hilfsbereiten Inselbewohnern gerettet worden. Als Dank tötete er das Ungeheuer und  brachte der Insel damit Sicherheit und Glück zurück.[8] Barceló stellt den Alycastre halb als Totenkopf, halb als Meeres-Ungeheuer dar, das über den Ort und seine Besucher wacht. Was für ein beziehungsreicher und schöner Empfang!

Der Alycastre kann vielleicht auch einen Schlüssel bieten zum Verständnis der Ausstellung:  Denn dort geht es auch um Gewalt und um die Gefahren, denen die Menschheit ausgesetzt ist. Darauf weisen einige der 8 Kapitel hin, in die die Ausstellung eingeteilt ist, wie „Brave New World revisited“ oder „Révolution, terreur et effondrement“.

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Bildausschnitt aus Joseph Kudelka, The Danube Delta, Romania (1994)

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Massimo Berruti: Mahnbanr (2011) Ausschnitt

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Tony Matelli, Weed 389 (2017) 

Und es geht in der Ausstellung auch um Glück und Schönheit in unserer Zeit. Bei dem Ausstellungskapitel Brave new world“ bezieht sich der Kurator der Ausstellung, Dieter Buchhart, ausdrücklich auf Huxleys berühmten Roman, den er in den 1930-er Jahren  ganz in der Nähe in Sanary-sur-mer geschrieben hat.

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David Spiller Be Happy (1998)

Auffällig ist gerade bei dem Thema Schönheit die deutliche Vorliebe des Sammlers für den mit insgesamt 9 Bildern  vertretenen Roy Lichtenstein: Carmignac  besitzt die größte Lichtenstein-Sammlung in Europa! Hier werden seine Arbeiten  mit einer Venus und einer Madonna Botticellis konfrontiert- den einzigen klassischen Gemälden der Ausstellung.  Dazu Edouard Carmignac:

„J’ai toujours vu une relation entre Botticelli et Lichtenstein. Le premier a défini l’archétype de la beauté occidentale à la Renaissance. Roy Lichtenstein, lui, a renouvelé le concept de la beauté contemporaine avec une nouvelle écriture composée de points et de lignes, inspirée par la bande dessinée. Pour moi, il est le plus grand peintre de la fin du XXe siècle.“

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Roy Lichtenstein, Collage for Nude with red shirt (1995)

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Sandro Botticelli, Venus (um 1490) Ausschnitt. Leihgabe der Musei Reali de Torino

 

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Roy Lichtenstein, Collage for Seductive Girl (1996)

Bei einem Rundgang kommt man vorbei an weiteren Werken der amerikanischen Kunst der 1960-er bis 1980-er Jahre, die ein Schwerpunkt der Sammlung ist,  und vielen weiteren Größen der internationalen zeitgenössischen Nachkriegskunst (Gerhard Richter natürlich eingeschlossen).

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Jean-Michel Basquiat: Zing (1984)

Dabei soll es sich um ein Portrait des tanzenden Edouard Carmagnacs handeln, das Basquiat in den 1980-er Jahren malte, als Carmignac an der Columbia-Universität studierte. Einige Jahre später entdeckte der inzwischen vermögende Sammler das Bild in einem Sotheby-Katalog und zückte sein Scheckbuch… Am unteren Rand kann man bei genauem Hinsehen noch ein –niac erkennen. 

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Jean- Michel Basquiat: untitled (Fallen Angel) 1981

Als Carmignac dieses Bild, laut Le Monde (3./4. Juni 2018) vor einigen Jahren für 6,4 Millionen Euro kaufte, wurde er von vielen für verrückt erklärt. Inzwischen haben die sicherlich eine andere Einschätzung. Der „gefallene Engel“ Basquiats soll übrigens in Carmignacs Hauptquartier an der noben place Vendôme seinen Platz im Treppenhaus gehabt haben: Da gingen die höheren Chargen seines Unternehmens vorbei und konnten sich dabei immner bewußt machen, dass man hoch steigen, aber sich auch leicht die Flügel verbrennen und abstürzen kann – eine schöne Anekdote.

Andy Warhol: Lenin (1986)  und Mao (1973)

Die Bilder haben  -dem Katalog zufolge-  sonst  übrigens ihren Platz im Büro von Edouard Carmignac! Der gehört zwar, noch einmal laut Le Monde,   mit einem Vermögen von 1,72 Milliarden Euro zu den reichsten Männern Frankreichs, aber er pflegt einen gewissen antibourgeoisen Nimbus.  Eines seiner Lieblingsworte soll insoumis sein, also aufsässig, widerspenstig. Ich nehme aber an, dass er nicht Melenchons Partei La France insoumise wählen oder gar unterstützen wird: Er dürfte sich ja kaum den bequemen Ast absägen wollen, auf dem er sitzt.

Lohnend ist auch ein Spaziergang durch den großen, allmählich in die umgebende Natur übergehenden Garten des Anwesens, der auch als Ausstellungsraum dient.

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Zum Beispiel für die vom deutschen Künstler Nils-Udo eigens für den Museumsgarten geschaffenen riesigen  Marmoreier mit ihren reizvollen Schattenspielen.

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….oder für die vier im Olivenfeld aufgestellten monumentalen Köpfe von Ugo Rondione (Four Seasons

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und die drei Alchimisten von Jaume Plensa – hier einer der drei.

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Die Assoziation an Jurassic Park oder die Osterinsel liegt da natürlich nahe.[9]

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Das auffällig weiß verputzte Gartenhaus, sichtbar in dem Film Godards, gehört auch zu den Ausstellungsobjekten:

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Der Verputz der Wände ist von dem portugiesischen Künstler Alexandre Farte (AKA VHILS) eingeritzt, so dass Muster und Bilder entstehen: Scraching the surfaces. 

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Der Brunnen im Stelenlabyrinth von Jeppe Hein (Path of Emotions)

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La  femme de ma vie von Patrice Hyber (seit 2019)

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Neu ist auch die Installation des brasilianischen Künstlers  Cildo Meireles Volátil. Des handelt sich um eine Hütte, deren Boden vielleicht 40 cm hoch mit Talg bedeckt ist. Innen ist es völlig dunkel, man tastet sich durch den Raum, watet durch den Talg, versucht sich zu orientieren, vielleicht auch mit Hilfe von (maximal vier) anderen Personen, die sich auch dort befinden. Und schließlich entdeckt man im Dunkel – in der Nähe? wo genau?- ein Licht… Eine spannende Erfahrung.

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Als Fazit kann ich mich nur uneingeschränkt dem Urteil des Deutschlandfunks anschließen:

„Es ist bemerkenswert, wie schnell man hier zur Ruhe kommt und nicht, wie in Museen so oft, von einem Raum in den anderen hetzt, um ja alle Werke innerhalb einer bestimmten Zeit zu sehen. Hier spielen die erstklassigen Kunstwerke vielleicht nicht wirklich die größte Rolle. Es ist vielmehr das Zusammenspiel von Landschaft, Architektur, Kunst, Gerüchen und Geräuschen, das die Fondation Carmignac zu einem neuen, bisher ungewöhnlichen Kulturort macht“.[10]

Prosaischer drückt das der Tripadviser mit seinen 4,5 Punkten aus, davon weit überwiegend  der Bewertung „ausgezeichnet“.[11]

Zu verdanken haben wir dies Edouard Carmignac, dem Kunstliebhaber, Vermögensverwalter und Milliardär. Welche Zusammenhänge es zwischen diesen drei Aspekten  gibt? Die zur Eröffnung des Projekts eingeladenen Journalisten haben, soweit ich das sehe, diese Frage vornehm übergangen. Nur Tim Ackermann von der ZEIT hat den Direktor der Stiftung auf die ökonomische Dimension der Kunstsammlung angesprochen:  Aber garantieren die grundsoliden Werke mit überwiegend klingenden Künstlernamen nicht stabile Preise beim Wiederverkauf?“ eine angesichts der aktuellen Kunstmarkt- Hype mit seinen horrenden Preissteigerungen äußerst zurückhaltende Formulierung. Charles Carmignac weist eine solche Vermutung aber treuherzig  von sich:

„Mein Vater sieht die Sammlung nicht als Investment. Die Kunstwerke sind seine Leidenschaft. Er liebt es, sich mit ihnen zu umgeben und seinen Geschmack mit anderen Kunstliebhabern zu teilen.“ [12]

Mag ja sein.  Aber wenn die öffentlichkeits- und werbewirksame Präsentation der Sammlung auch noch zur Vermehrung seines Vermögens beiträgt, wird Edouard Carmignac sicherlich nicht traurig sein. Die gut 100 Millionen Euro, die Carmignac für die Anlage von Porquerolles (Kauf des Grundstücks, Umbau der Villa, Außenanlagen)  ausgegeben hat, haben sich jedenfalls sicherlich schon längst ausgezahlt.

Denn Monsieur Carmignac ist ganz offensichtlich  sehr darauf bedacht, sein Vermögen zu mehren und er scheint dabei sogar auch Mittel am Rand bzw.  jenseits der Legalität anzuwenden. In der Ausgabe von Le Monde vom 30.Juni/1.Juni findet sich jedenfalls die Information, dass „Carmignac Gestion, fleuron de la gestion de capitaux“ bereit gewesen sei, (zusätzlich zu schon bezahlten 21 Millionen Euro) 30 Millionen Euro an die französische Finanzverwaltung zu bezahlen. Im Gegenzug sei das juristische Verfahren gegen das Unternehmen eingestellt worden.  Man habe ihm vorgeworfen, durch illegale Maßnahmen („un montage à Luxembourg“) seine eigentlich fälligen Steuerabgaben vermindert zu haben…

Henri Nijdam, ein weiterer erfolgreicher Unternehmer, der sich in Porquerolles verliebt und dort niedergelassen hat, sieht in in Carmignac den Endpunkt einer Entwicklung der Insel, in der sich die Geschichte des Kapitalismus im 20. Jahrhundert spiegele (14): Zuerst sei es François Joseph Fournier gewesen, der sein Vermögen in den Goldminen Mexikos gemacht habe. Der habe 1912 die Insel gekauft und  dort seine Utopie eines friedlichen Zusammenlebens verwirklichen wollen. Dann sei ihm Henri Vidal gefolgt, der Erfinder eines Patents, das  den Bau von Pisten zum Starten und Landen von Flugzeugen revolutioniert habe. Der habe die Insel mit der Anlage von Weinbergen geprägt.  Und schließlich und (vorerst endlich) der Finanzmogul Carmignac mit der Kunst…. Fortsetzung folgt…?

Praktische Informationen

Es gibt regelmäßige Fährverbindungen zwischen dem Port de la Tour Fondue an der Spitze der Presqu’île de Giens und Porquerolles. Die Fahrzeit dauert etwa 20 Minuten. Am Port de la Tour Fondue gibt es große Bezahlparkplätze.[13]

Im Touristenbüro am Hafen von Porquerolles erhält man einen Plan des Ortes, in dem auch die Fondation Carmignac eingezeichnet ist, die man bequem zu Fuß in etwa einer Viertelstunde erreicht.

Eintrittskarten sollte man am besten vorreservieren, weil pro halbe Stunde immer nur maximal 50 Personen eingelassen werden. (www.fondationcarmignac.com )   Aber wenn man, wie wir, außerhalb der Hauptsaison  kommt, hat man gute Chancen, auch ohne Vorreservierung dabei zu sein.

Ab April wird eine neue Ausstellung in der Fondation Carmignac präsentiert werden.

Es gibt auch einen Katalog zur Sammlung der Stiftung  zum stolzen Preis von 65 Euro.

Anmerkungen

(1) Die beiden Zeichnungen in diesem Beitrag stammen aus einem schönen Heft von Cécile Pierre über die Insel Porquerolles.  www. callicecilecom

[1a] https://www.hyeres-tourisme.com/equipement-loisir/plage-notre-dame/

[2] Zur Flora der Insel: http://www.horizon-nomade.com/porquerolles-ile-dexception/ Dort auch das Arbousier-Foto.

[3] Bilder aus: http://www.plongees-de-reve.fr/porquerolles

[4] http://www.portcros-parcnational.fr/fr/des-connaissances/patrimoine-naturel/la-faune/poissons/barracuda

Siehe dazu den Bericht aus Le Monde vom 24. Juni 2021: Faune et flore de la Méditerranée boulversées par le réchauffement. La tmpérature de la Grande Bleue augmente 20%, plus rapidement que la moyenne mondiale. Darin werden die desaströsen Folgen der Erwärmung für das Ökosystem des Mittelmeers beschrieben.

[5] https://www.forbes.com/profile/edouard-carmignac/#29ff9b994b16

[6] https://www.deutschlandfunkkultur.de/fondation-carmignac-auf-porquerolles-ein-kunstmuseum-im.1013.de.html?dram:article_id=419153

[7] https://www.lexpress.fr/culture/art/fondation-carmignac-un-lieu-d-art-a-part_2013568.html

[8]  Siehe: Dominique Amann, Dragnos et Dracs dans l’imaginaire provençal. Toulon 2006, S. 156/157  Abgedruckt in:  http://www.porquerolles-patrimoine.fr/digressions/alic.html

[9]  „Porquerolles prend alors des allures de Jurassic Park ou d’île de Pâques.“

https://www.lexpress.fr/culture/art/fondation-carmignac-un-lieu-d-art-a-part_2013568.html

[10] https://www.deutschlandfunkkultur.de/fondation-carmignac-auf-porquerolles-ein-kunstmuseum-im.1013.de.html?dram:article_id=419153

[11] https://www.tripadvisor.de/Attraction_Review-g681252-d14156540-Reviews-Fondation_Carmignac-Porquerolles_Island_Iles_d_Hyeres_French_Riviera_Cote_d_Azur.html

[12] https://www.zeit.de/2018/24/fondation-carmignac-museum-insel-porquerolles

In einem Beitrag von TV 2 über Verrücktheiten des Kunstmarktes, der im November 2018 in den Abendnachrichten ausgestrahlt wurde, wurde übrigens auf einige reiche Kunstsammler verwiesen, die durch ihre immensen Geldmittel die Kunstpreise in die Höhe treiben. In diesem Zusammenhang wurde  ausdrücklich auch Edouard Carmignac verwiesen.

[13] www.tlv-tvm.com

https://voyagesetgourmandises.fr/horaires-des-bateaux-de-la-tour-fondue-a-porquerolles/

Karte aus: http://www.fondationcarmignac.com/fr/villa-carmignac/voyager

(14) Sur l’Île de Porquerolles, le trésor révélé des Carmignac. Le Monde 3./4. Juni 2018 (S. 16 und 17)

Blog-Beiträge zu weiteren Jahresausstellungen der Fondation Carmignac:

La mer imaginaire: Die Jahresausstellung 2021 der Fondation Carmignac:   https://paris-blog.org/2021/08/01/la-mer-imaginaire-die-jahresausstellung-2021-in-der-villa-carmignac-auf-porquerolles/

Mit Odysseus im Labyrinth: Die Jahresausstellung 2022 in der Fondation Carmignac auf Porquerolles  https://paris-blog.org/2022/08/01/mit-odysseus-im-labyrinth-die-jahresausstellung-2022-der-stiftung-carmignac-auf-porquerolles/

Ein Gedanke zu “Die Insel Porquerolles: Natur und Kunst

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