Wieder eine bemerkenswerte Ausstellung in der Fondation Louis Vuitton: Es geht um das Spätwerk des Impressionisten Claude Monet und die amerikanische Malerin Joan Mitchell. Die wurde kurz vor Monets Tod geboren, hat ausdrücklich auf ihrer Eigenständigkeit und Unabhängigkeit von dem Werk Monets bestanden. Gleichwohl gibt es faszinierende Bezüge zwischen beiden, denen die Ausstellung nachgeht. Und dies in einem gleichfalls faszinierenden Rahmen, nämlich dem von Frank Gehry entworfenen Ausstellungsgebäude der Fondation Louis Vuitton.


Gehry träumte davon, ein großartiges Schiff zu entwerfen, und hier konnte er seinen Traum wahr werden lassen: Es entstand ein Bau mit eindrucksvollen, geblähten Segeln aus Glas, den ich zwar einerseits bewundere, aber in mancher Hinsicht auch befremdlich finde.

Zunächst schon deshalb, weil dieses Schiff ja nach offizieller Lesart an einem -übrigens akustisch und optisch sehr eindrucksvollen- Wasserfall vor Anker gegangen sei.[1]

Aber wie passen zu einem vor Anker gegangenen Schiff die vom Wind geblähten Segel? Diese Kritik mag kleinkariert sein, und sie betrifft ja zunächst lediglich die Schiffsmetapher und nicht den Bau als solchen. Allerdings haben die sogenannten Segel, wenn ich das richtig sehe, für die Funktion des Gebäudes als Ausstellungsort keine wesentliche Bedeutung. Bei einem Segelschiff ist das ganz anders: Da treiben die Segel das Schiff voran; sie nutzen die Naturkräfte, beuten sie aber nicht aus, sie sind nützlich, ja unabdingbar, und gleichzeitig schön.
Bei Gehrys „magnificent vessel“ mögen die vielgerühmten „gläsernen Segel“ zwar auch ihren ästhetischen Reiz haben, aber sie passen, wie ich finde, nicht mehr in unsere Gegenwart. Wir wissen doch inzwischen, dass wir haushälterisch mit den knappen Ressourcen unseres Planeten umzugehen haben, und die Tugenden von Sparsamkeit und Bescheidenheit sind wieder aktuell. Von Bescheidenheit kann bei Gehry aber ganz und gar keine Rede sein: Hinter der gläsernen Außenhaut verbirgt sich eine Konstruktion aus Holz und vor allem Stahl, die äußerst aufwändig ist.

Und stellenweise entbehrt sie auch jeder Leichtigkeit und Eleganz.

Insofern sind die verschwenderischen Segel ein grandioser Luxus : Aber das passt zu dem Hausherrn: Dies ist „Frankreichs Luxuskönig“ Bernhard Arnault, der inzwischen im Rennen um den Titel des reichsten Mannes der Welt vor Elon Musk und dem Amazon-Besitzer Jeff Bezos die Nase vorn hat. [2] Arnault ist Besitzer von LVHM, des weltweit führenden Luxusgüter-Produzenten. Dass er bei der Vermehrung seines Vermögens und mit den von ihm beschäftigten Menschen ziemlich rabiat umgehen konnte, zeigte François Ruffin 2016 mit seinem satirischen Dokumentarfilm „merci patron!“ Aber wenn es um publicity geht, spielt Geld bei Arnault keine Rolle. Das zeigte sich beim Brand von Notre Dame de Paris: Noch während die Kathedrale brannte, spendete Arnaults Unternehmer- und Kunstsammler-Rivale Pinault 100 Millionen Euro für den Wiederaufbau. Das konnte Arnault nicht auf sich sitzen lassen: Er zückte umgehend sein Portemonnaie und legte 200 Millionen auf den Spendentisch. Und auch bei dem Gehry-Bau war Arnault nicht knauserig: Wenn man seinen Reichtum mit Luxusgütern erworben hat, dann muss natürlich auch das Ausstellungsgebäude entsprechend gestaltet sein.
Aber genug gelästert: Der Bau ist -trotz alledem- grandios, und die dort gezeigten Ausstellungen sind es desgleichen. Das gilt auch für die aktuelle Ausstellung, in der das eher weniger bekannte Spätwerk von Monet in Beziehung gesetzt wird zu der ebenfalls eher weniger bekannten amerikanischen Malerin Joan Mitchell. Ich muss jedenfalls gestehen, dass ich noch nicht einmal ihren Namen vorher gehört hatte. Immerhin befand ich mich dabei aber in tröstlicher Gesellschaft mit einer kunstsachverständigen jungen Dame, die sich gegenüber der von ihr durch die Ausstellung geführten Gruppe zu ihrer bisherigen Unwissenheit bezüglich Joan Mitchells bekannte.
Nachfolgend möchte ich anhand einiger Bilder einen Eindruck von dieser Ausstellung vermitteln, dazwischen aber auch von dem Ort, an dem sie präsentiert wird: Beides ist ja nicht voneinander zu trennen: Da die Ausstellungsräume sich über mehrere Stockwerke erstrecken, wird man beim Rundgang immer wieder mit dem Werk Gehrys konfrontiert: Der Ausstellungsort ist auch ein Kunstwerk, ist Ausstellungsstück.
Dazu gehören die in dem Gebäude dauerhaft installierten Kunstwerke.
Kunst am Bau

Die Monumentalskulptur Where the slaves live des Argentiniers Adrian Villar Rojas, 2014. In seiner Form soll sie an eine Wasserzisterne in südlichen Ländern erinnern. Die Außenwände sind zusammengesetzt aus bzw. verziert mit Steinen, Pflanzen und gefundenen Objekten, wie auch im Untertitel des Werks mitgeteilt wird: Objets trouvés/Found objects.

Neu in der Fondation Louis Vuitton ist das nachfolgend abgebildete, aus 8 Aluminium-Platten zusammengesetzte monumentale Werk von Katharina Grosse. (Canyon 2022, Höhe 14,5 Meter, 3,7 Tonnen).

Sie hat es speziell für diesen Ort konzipiert „in engem Dialog mit dem Gebäude und seinem Architekten“, wie es auf der beigefügten Informationstafel zu lesen ist. Zu dem stählernen Inneren der gläsernen Segel bietet es -trotz seines großen Gewichts- einen Kontrast von Farbigkeit und Leichtigkeit.

Die Ausstellung Monet/Mitchel

In den Werbeplakaten für die Ausstellung wird schon der Ton angeschlagen: Es werden jeweils drei Ausschnitte von Gemälden beider Künstler wiedergegeben, allerdings ohne eine entsprechende Zuordnung. Die Intention dahinter ist deutlich: Der Passant soll auf den ersten Blick nicht erkennen können, welcher Ausschnitt zu Monet und welcher zu Mitchell gehört. Das macht natürlich neugierig: Da ist der berühmte impressionistische Monet, den man ja nun hinreichend kennt -oder zu kennen glaubt- und dazu die viel weniger bekannte -oder ganz unbekannte- amerikanische Malerin, die ein Jahr vor Monet geboren wurde, die als Vertreterin des sogenannten abstrakten Expressionismus gilt, der in den USA der Nachkriegszeit die Kunstszene beherrschte und die 1988 über ihr Verhältnis zu Monet sagte: „Das ist nicht mein Maler. Ich habe Monet niemals besonders geschätzt.“
Aber die Beziehungen sind doch eindeutig; jedenfalls zu dem „späten Monet“, der in der Ausstellung präsentiert wird und der sich in vielen seiner Bilder der letzten Phase der Abstraktion nähert. Stilistisch, farblich, thematisch und in der Auswahl der (großen) Formate gibt es da durchaus Parallelen, wozu auch noch eine räumliche Beziehung kommt: Mitchell besaß ein Haus mit großem Garten und Atelier in Vétheuil an der Seine, avenue Claude Monet, von wo aus sie einen Blick auf das Haus hatte, das Monet von 1878 bis 1881 wohnte, bevor er sich in Giverny niederließ. Da konnte sie dem Vergleich mit dem allgegenwärtigen Monet natürlich nicht ausweichen. Anlässlich ihrer ersten große Retrospektive 1982 im musée d’Art moderne de la Ville de Paris äußerte sie sich dazu so:
„Früh am Morgen ist es hier violett: Monet hat das schon gezeigt… Wenn ich morgens hinausgehe, ist es violett… Ich kopiere Monet nicht.“
Aber sie lebt und arbeitet da, wo auch Monet gelebt und gearbeitet hat, und das hat eine prägende Wirkung auf die Bilder gehabt, die hier von den beiden gemalt wurden. Und der „späte“ Monet ist so modern, dass Mitchel auch bekannte:
„Ich liebe den Monet des Endes, nicht den seiner Anfänge“.[3]
Nachfolgend werden einige Bilder und Bildausschnitte von Monet und Mitchell nebeneinander präsentiert, die einen Eindruck von den vielfältigen Beziehungen zwischen den Werken beider Künstler vermitteln sollen und vielleicht auch Lust darauf machen, den „Dialog“ zwischen dem alten Claude Monet und der jungen Mitchell am Anfang und Ende des letzten Jahrhunderts näher zu betrachten.

Trauerweide und Linde


Blumen am Wasser



Seerosen
Seerosen zu malen wurde bei Monet zu einer Obsession. Ende der 1890-er Jahre, da war er schon 12 Jahre in Giverny und hatte den Garten eingerichtet, erscheinen sie als Motiv, von 1903 bis 1908 malt er nichts anderes, und sie lassen ihn nicht mehr los bis zu seinem Tod. Insgesamt widmet er ihnen 250 Bilder!




Die Fondation Louis Vuitton am Abend





L’Agapanthe

Das Triptychon L’Agapanthe geht zurück auf das Projekt der sogenannten Grandes Décorations – einer Serie großformatiger Gemälde, die Monet dem französischen Staat schenken wollte. Monet dachte dabei zunächst an einen runden Pavillon im Garten des Hôtel Biron, des heutigen Musée Rodin. Der Staat entschied sich allerdings für die Orangerie, und so blieben einige der dafür vorgesehenen Gemälde wie der Agapanthus-Triptychon und die Glycines im Atelier von Giverny. 1957 wurde das Triptychon von einer amerikanischen Galerie gekauft und dann aufgeteilt und an drei verschiedene amerikanische Museen weiterverkauft. Jetzt werden sie zum ersten Mal seit 1978 wieder zusammen ausgestellt.

Und Bernard Arnault lässt sich diese einzigartige Gelenheit nicht nehmen, Reklame für seine Produkte zu machen….

Die Bezeichnung „L’Agapanthe“ ist missverständlich. Denn Monet übermalte die ursprüngliche Version der Bilder so oft, dass von diesen Blumen nichts mehr zu sehen ist. Immer mehr entwickelte sich dabei die Malweise von Monet hin zur Abstraktion. Das fällt zusammen mit Monets Augenproblemen, die sich 1923 deutlich verschlechterten. So mag man die Modernität von Monet als geniale Antwort auf seine eingeschränkten körperlichen Möglichkeiten interpretieren – so wie das ja auch bei anderen Malern wie Matisse oder Hans Hartung zu beobachten ist. Den innovativen, ja visionären Charakter der Werke des „späten“ Monet schmälert das aber nicht.[4]




Ausblicke




Praktische Informationen:
Ausstellung Claude Monet-Joan Mitchell. Dialogue et Rétrospective
5. Oktober 2022 bis 27. Februar 2023
Fondation Louis Vuitton
8, avenue du Mahatma Gandhi, Bois de Boulogne
75116 Paris
Erreichbar mit Metro Linie 1 bis Les Sablons. Von dort ausgeschildeter Fußweg von ca 15 Minuten
Öffnungszeiten:
Montag, Mittwoch und Donnerstag 11h bis 20h. Freitags von 11h bis 21h. Samstag und Sonntag 10h bis 20h. Am ersten Freitag jeden Monats 11h bis 23h. Dienstags geschlossen. Weihnachtsferien und Februar von 10 bis 20 Uhr.
Reservierung von Eintrittskarten:
https://www.fondationlouisvuitton.fr/fr/programme
Anmerkungen:
[1] Auf der Informationstafel zur Installation „Canyon“ von Katharina Grosse (siehe unten) wird das Gebäude als „ce navire amarré à une cascade“ bezeichnet.
[2] Siehe: FAZ vom 15. 12.2022: Frankreichs Luxuskönig. Bernard Arnault hat Elon Musk als reichsten Menschen der Welt abgelöst.
Etwa älterer Stand: https://www.manager-magazin.de/lifestyle/bernard-arnault-lvmh-chef-ueberholte-jeff-bezos-in-der-forbes-liste-aber-nur-kurz-a-2c06759e-9b34-4664-abf4-466c45890aaa und https://www.forbes.com/sites/daviddawkins/2021/05/24/bernard-arnault-becomes-worlds-richest-person-as-lvmh-stock-rises/
[3] Zitate aus: Judicaël Lavrador, le face-à-face de deux icônes. Joan Mitchell-Claude Monet: une confrontation pas si abraite. In: Monet Mitchell, Dialogue et rétrospective. Éditions Beaux Arts 2022, S.30f
[4][4] Siehe Stéphane Lambert, Le fabuleux destin du triptyque L’Agapanthe. Un bout d’étang de Giverny outre-Atlantique. In: Monet Mitchell a.a.O., S. 65f
Die Gegenüberstellung zu Monet zeigt und beweist, dass das, was Mitchell zu bieten hat, wirklich garnichts ist. Besser kann man diese Pinselei nicht karikieren. Gratulation.
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Vuitton : transport : Métro ou RER Etoile et bus-navette à réserver avec le billet, en ligne, arrêt au coin de l’avenue de Friedland
Inès
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oui! merci, Inès, So kommt man auch hin.
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