Am 31. August 2019 wurde im Marais eine Serie von Portraits von Männern und Frauen eingeweiht, die das „Grand Siècle“ des Marais geprägt haben.
Mit dem Begriff des großen Jahrhunderts des Marais ist die Periode zwischen dem Beginn der Herrschaft Heinrichs IV. und dem Tod seines Enkels Ludwig XIV. bezeichnet.
In dieser Phase war das Marais ein intellektuelles und künstlerisches Zentrum Frankreichs und auch ein Ort der Macht. Die Entwicklung des Marais unter Henri Quatre und Ludwig XIII. war ein ungeheures städtebauliches Entwicklungsprojekt. Auf dem eher sumpfigen Gelände -deshalb ja der Name Marais- entstand um die Place Royale/Place des Vosges ein neues Viertel mit noblen Stadtpalais – hôtels particuliers- wie es sie in dieser Fülle sonst nirgends in Paris gibt und die in ihrer raffinierten Architektur und Ausstattung vorbildlich wurden. In diesem Viertel ließ sich besonders gerne eine meist durch Handel neu zu Reichtum gekommene Schicht von Adligen nieder. Und diese schufen sich auch ein kulturelles und geselliges Leben unabhängig vom Hof: Es war im Marais, wo die Theatertruppe Molières zu Beginn seiner Karriere ihren Sitz hatte; im Garten des hôtel Salé, des heutigen Musée Picasso, wurde der Cid Corneilles uraufgeführt und im Marais entwickelte er sich zum gefeierten Dramenautor; es gab eine Fülle von literarischen Salons und berühmte Kurtisanen, die dort ihre noblen, libertären Gäste empfingen.
Der Bürgermeister des 4. Arrondissements, zu dem das Marais gehört, hatte die Idee, den Street-Art Künstler Christian Guémy alias C215 einzuladen, in dem Viertel Portraits von Männern und Frauen des „großen Jahrhunderts“ auszustellen. Vorbild war der ebenfalls von C215 entworfene „Circuit des Illustres“, ein Rundgang rund um das Pantheon anhand der Portraits berühmter im Pantheon bestatteter Persönlichkeiten.[1]
C215 hat für beide Aktionen sehr ungewöhnliche Ausstellungsorte gewählt: Nämlich die überall herumstehenden Schaltkästen für die Stromversorgung; und zwar jeweils solche Kästen, die in der Nähe von Orten stehen, die mit den Portraitierten in besonderer Weise verbunden sind. Insgesamt handelt es sich um 21 Portraits. Eine Übersicht mit Plan liegt im Rathaus des 4. Arrondissements aus, aber es gibt den Flyer auch im Internet.[2]
Ich möchte im Folgenden einige Portraits von C 215 vorstellen und dabei auch etwas über ihre Bedeutung und die mit ihnen verbundenen Orte des Marais informieren. Das fehlt bei den Portraits von C215 und kommt in dem Flyer verständlicher Weise viel zu kurz. Und vielleicht regt der Beitrag damit auch dazu an, sich auf den Spuren von C215 etwas genauer im Marais umzusehen und vielleicht auch das eine oder andere bisher Neue zu entdecken.
In einem ersten Teil sollen folgende Persönlichkeiten und Orte berücksichtigt werden:
- Die Könige Heinrich IV. (Henri Quatre) und Ludwig XIII. und die place des Vosges
- Maximilien de Béthune, Duc de Sully, und das hôtel de Sully
- François Mansart, der Architekt Ludwigs XIV., sein Wohnhaus in der rue Payenne 5 und der temple du Marais
- Le Vau, le Brun, Eustache le Sueur und das hôtel Lambert auf der Île Saint-Louis
- Der Komponist Couperin, der Maler Philipp de Champaigne und die Kirche Saint Gervais
Zwei nachfolgende Beiträge sollen dann mehreren starken Frauen gewidmet werden, die das Marais geprägt haben und deren Potraits auch von C215 ausgestellt sind, vor allem:
Françoise d’Aubigné, die künftige Madame de Maintenon und zweite Gemahlin Ludwigs XIV., und der literarische Salon, den sie zusammen mit ihrem ersten Mann Paul Scarron in der rue de Turenne 56 betrieb
Die Prinzesse de Soubise, Mätresse Ludwigs XIV., und das hôtel de Soubise
Mme de Montespan, Maitresse de titre Ludwigs XIV., und das hôtel d’Albret
und abschließend:
Madame de Sévigné mit ihrem Geburtshaus an der place ds Vosges, dem hôtel de Carnavalet und ihrem literarischen Salon 23, rue de Sévigné
Natürlich handelt es sich dabei um eine persönliche Auswahl: Weil ich die vorgestellten Personen besonders interessant und meistens auch die mit ihnen verbundenen Orte besonders sehenswert finde. Die entsprechenden Orte liegen auch im Allgemeinen nahe beieinander, lassen sich also gut in einem Rundgang verbinden. (Die Fotos wurden selbstverständlich noch vor dem Beginn des aufgrund der CV-19 – Pandemie verhängten confinements gemacht).
1. Henri Quatre, Ludwig XIII. und die place royal/place des Vosges
Heinrich IV. (1553-1610) Boulevard Henri IV Nummer 15
Henri Quatre muss am Anfang dieses Überblicks stehen. Denn immerhin markiert seine Regentschaft (von 1589 bis zu seiner Ermordung durch einen religiösen Fanatiker 1610) den Beginn dessen, was als das „Grand Siècle“ bezeichnet wird. Die Bedeutung dieses Königs liegt vor allem darin, dass er mit dem Edikt von Nantes die Phase der grauenhaften Religionskriege beendete und den Hugenotten –in gewissen Grenzen- die Freiheit ihrer Religionsausübung gestattete. Und was Paris angeht, so hat er die Stadt durch eine ganze Reihe großer Projekte umgestaltet und modernisiert: So durch den Bau des hôpital Saint Louis, des pont neuf und die Planung großzügiger Plätze, von denen zu seiner Zeit die place Dauphine vollständig und die place royal teilweise fertiggestellt wurden, während die place de France nie realisiert wurde.
Wie der pont neuf orientiert sich die place royale/des Vosges an italienischen Vorbildern: Der Platz war streng symmetrisch geplant. Die Fassadengestaltung mit der für diese Zeit typischen Kombination von roten Ziegeln und weißen Kalksteinquadern war streng vorgeschrieben, ebenso wie die für Paris damals revolutionären Arkaden. Gedacht war der Platz als Wohnort und Treffpunkt einer reichen Schicht von Bürgern und Adligen, von Manufaktur-Besitzern und Vertretern der Finanzindustrie, die hier abseits der mittelalterlich-engen Stadt einen großzügigen Lebensstil pflegen konnten.
Die place royal/des Vosges wird gemeinhin als der erste der sogenannten königlichen Plätze von Paris bezeichnet. Einerseits hat das seine Berechtigung, denn immerhin ist dieser Platz einer königlichen Initiative zu verdanken und sein ursprünglicher Name: place royal ist ja auch eindeutig. Aber ein königlicher Platz im engeren Sinne, wie später zum Beispiel die place des victoires oder die place Vendôme war dieser Platz nicht[3]: Denn seine Funktion war ja nicht die Feier eines Königs, symbolisiert durch eine entsprechende Statue in der Mitte. Eine solche Statue gehörte nicht zur ursprünglichen Konzeption, sondern kam erst später hinzu.
Ludwig XIII. 1601-1643, rue du pas de la mule, in der Nähe der place des Vosges
Fertig gestellt wurde der Platz erst unter Henri Quatres Sohn Ludwig XIII. Und eingeweiht wurde er am 15., 16. und 17. April 1612 mit einem großen „carrousel“, einem festlichen Umzug, der aus Anlass der Verlobung des jungen Ludwigs XIII. mit Anna, der Tochter Philipps III. von Spanien, veranstaltet wurde. (3a)
1639 wurde dann in der Mitte des Platzes eine Reiterstatue Ludwigs XIII. aufgestellt. Die, die wir heute sehen, stammt allerdings aus dem Jahr 1825, weil die ursprüngliche wie alle königlichen Statuen auf den königlichen Plätzen der Revolution zum Opfer fiel. Und natürlich änderten die Revolutionäre auch den Namen des Platzes: Er erhielt den Namen des ersten Departements, des département des Vosges, das brav seine Steuern bezahlte.
Henri Quatre selbst ist auf der place des Vosges immerhin auch präsent, und zwar mit einer gekrönten Büste über dem zentralen Durchgang des Platzes in Richtung der rue de Birague.
Erstaunen mag vielleicht, dass das Bild Heinrichs IV. von C215 nicht an der place des Vosges ausgestellt ist. Aber der Ort am Boulevard Henri IV hat nicht nur wegen des Straßennamens seine Berechtigung: Denn er liegt zwischen der place des Vosges und dem Arsenal, in dem Henris wichtigster Minister und Freund, der duc de Sully, seinen Arbeitsplatz hatte. Und der König verbrachte viel Zeit mit seinem Freund im Arsenal, ja er soll sich dort sogar eigene Zimmer habe einrichten lassen. Mehr zu Sully und dem Arsenal im nächsten Abschnitt.
2. Maximilien de Béthune (Duc de Sully) und das hôtel de Sully
Das Portrait von Sully findet sich in der rue Saint-Antoine Nummer 47 gegenüber dem hôtel de Sully.
Sully (1559-1641) war Minister und enger Vertrauter Heinrichs IV. Er war surintendant des finances, also Finanzminister und damit auch für große öffentliche Bauvorhaben zuständig wie das neue Marais-Viertel mit der place royale. Außerdem war er Grand maître de l‘artillerie, so dass sein Arbeitsplatz als Minister vor allem das Arsenal war., wo ihn Henri Quatre oft besuchte.
Die Büsten von Heinrich dem Vierten und des duc de Sully im ersten Stock des Arsenals. Heute ist dort die exquisite bibliothèque de l’Arsenal untergebracht.
Nach der Ermordung Henri Quatres zog sich Sully auf sein Altenteil zurück. Aber er kaufte das dann nach ihm benannte Stadtpalais in unmittelbarer Nachbarschaft zur place royal, ein typisches hôtel particulier im Geschmack der Zeit, dazu mit dem Privileg eines direkten Zugangs zu diesem Platz.
Nach außen- zur rue Saint Antoine zu- ist das Anwesen durch ein großes, aber repräsentatives Tor abgeschlossen. Tritt man durch das Tor, erreicht man den Innenhof mit dem Blick auf das Hauptgebäude, dessen Eingang von Sphingen eingerahmt ist.
Darüber befinden sich Jahreszeitenreliefs: Der Herbst und der Winter auf der Hofseite, Frühling und Sommer auf der Rückseite des Gebäudes.
Auf den Seitenflügeln gibt es Statuen der vier Elemente, Feuer und Wind auf der linken, Erde und Wasser auf der rechten Seite. Hier die Allegorie des Wassers, die man in ähnlicher Form auch am Brunnen des Innocents findet.
Geht man durch das Hauptgebäude, erreicht man den kleinen Garten mit der Orangerie. Und in der rechten hinteren Ecke befindet sich der Durchgang zur place des Vosges.
Heute beherbergt das hôtel Sully das Centre des Monuments Nationaux, das auch eine sehr schöne Bücherei unterhält, deren Besuch sich unbedingt lohnt. Dabei sollte man auch einen Blick auf die Decke werfen- einer schönen bemalten Eichenholzdecke, wie sie in den hôtel particuliers des Marais üblich war.
Nach dem Tod Henri Quatres zog sich Sully mehr und mehr aus der Politik zurück. Da er als Protestant nicht in Paris bestattet werden konnte, wählte er als seine letzte Ruhestätte Nogent-le-Rotrou, dessen Seigneur er war. Dessen ungeachtet durfte er als Protestant aber nicht in der Kirche selbst bestattet werden, sondern zusammen mit seiner Frau nur in einem gesonderten Anbau außerhalb des Kirchenraums.
3. François Mansart, sein Wohnhaus in der rue Payenne und der temple du Marais
François Mansart (1598-1666) rue Payenne
Dieses Portrait befindet sich in der rue Payenne gegenüber dem Haus Nummer 5, dem Geburts- und Wohnhaus Mansarts, das heute die Chapelle de l’Humanite beherbergt.
Aber natürlich gibt es an dem Haus auch eine Plakette, die an Mansart erinnert.
Denn in der Tat war Mansart ein „berühmter Architekt“.[4] 1625 wurde er zum „Architekten des Königs“ ernannt und somit oberster Baumeister für sämtliche offiziellen Bauvorhaben im zentral verwalten Frankreich Ludwigs XIII. Dieses Amt hatte er auch nach dem Tod Ludwigs XIII. 1643 unter seiner Witwe, der Regentin Anna von Österreich, und später unter dem jungen Ludwig XIV. inne. Der hielt große Stücke auf ihn, was aus dieser Anekdote deutlich wird: Als der junge König Ludwig XIV. einmal an einem heißen Sommertag mit dem nicht mehr ganz so jungen Architekten François Mansart im Park von Schloss Versailles spazieren ging, um neue Bauvorhaben zu besprechen, brannte die Sonne heiß auf den Kopf des barhäuptigen Architekten. Ganz gegen die strenge Hofetikette reichte der Sonnenkönig ihm daraufhin seinen Hut. Als seine Höflinge ihn verwundert fragten, warum er das getan habe, antwortete Ludwig:
„Wenn ich will, kann ich an einem einzigen Tag eintausend neue Herzöge machen; aber in eintausend Jahren nicht einen einzigen neuen Mansart.[5]
Von den zahlreichen Bauten, die Mansart auch in Paris entwarf, ist der Temple du Marais in der Rue Saint-Antoine Nr. 17, eines der ersten Bauwerke François Mansarts. Vorbild des Baus war das Pantheon in Rom. (5a)
Ursprünglich hieß die Kirche Sainte-Marie-des-Anges de la Visitation. Es war die Kirche eines Ordens, der von der Großmutter der Madame de Sévigné gegründet worden war. Madame de Sévigné gehört auch zu den großen Persönlichkeiten des Marais. Von ihr wird im dritten Teil dieses Beitrags noch die Rede sein. Die Mitglieder der Familie Sévigné wurden hier beerdigt, ebenso Fouquet, der in Ungnade gefallene Finanzminister Ludwigs XIV. Heute ist der Temple du Marais eine protestantische Kirche.
Ebenfalls ein Werk Mansarts ist das Hôtel Guénégaud, das heutige Jagd- und Naturkundemuseum in der rue des Archives. Es ist das einzige hôtel particulier Mansarts, das noch weitgehend im ursprünglichen Zustand erhalten ist und schon deshalb einen Besuch lohnt.
4. Le Vau, Eustache le Sueur, Le Brun und das hôtel Lambert auf der Île Saint-Louis
Das Portrait Le Vaus (1612-1670) soll auf der Île de la Cité am Boulevard Henri IV am Zaun des squarre Barrye ausgestellt sein. Allerdings konnte ich es dort nicht ausfindig machen. Der Ort ist aber insofern gut gewählt, weil man da einen schönen Blick auf das hôtel Lambert hat, ein von Le Vau geplantes und von 1640-1644 gebautes hôtel particulier.
Blick von der Seinebrücke auf das hôtel Lambert und seine Rotunde
Le Vau gehörte zu dem spektakulären Dreigestirn Le Brun, Le Nôtre und Le Vau, das in den Diensten von Nicolas Fouquet stand, dem Finanzminister Ludwigs XIV. Die drei hatten für Fouquet dessen Schloss Vaux -le- Vicomte errichtet: Le Vau war für die Architektur zuständig, Le Brun für die innere Ausstattung und Le Nôtre für die Gartenanlagen. Als Fouquet nach seinem legendären, den Sonnenkönig in den Schatten stellenden Fest in Ungnade fiel, wurden die drei von Ludwig XIV. für den Ausbau und die Ausgestaltung von Versailles und seiner Gartenanlagen engagiert. Das hôtel Lambert war eines der ersten Arbeiten Le Vaus und gewissermaßen sein Meisterstück.
Bauherr war zunächst Jean-Baptiste Lambert und nach dessen Tod sein Bruder Nicolas Lambert de Thorigny, Präsident der königlichen Rechnungskammer (Chambre des comptes) und einer der reichsten Männer Frankreichs, der dann allerdings auch im Zuge des Prozesses gegen Fouquet von Ludwig XIV. zurechtgestutzt wurde.
Den berühmten Innenhof des hôtel Lambert mit der noblen Fassade von Le Vau konnte ich leider nicht selbst fotografieren. Das Stadtpalais gehört jetzt dem Emir von Quatar und der ist an Öffentlichkeit offensichtlich nicht interessiert. Als ich Anfang des Jahres einmal mit dem Fahrrad an dem hôtel Lambert vorbeifuhr, stand gerade das Hofportal offen, weil Wäsche angeliefert wurde. Ich wollte die Gelegenheit nutzen und schnell ein Foto machen, aber da stürzte schon ein bulliger Wachmann auf mich zu und drängte mich ab. Da half auch freundliches Bitten nichts. Also ein Bild aus dem Internet.[6]
An der prachtvollen Ausgestaltung des hôtel Lambert waren zwei außerordentliche Künstler beteiligt, nämlich Eustache le Sueur und Charles Le Brun, die auch in der Bildergalerie von C215 ihren Platz haben. Sie trugen wesentlich dazu bei, das hôtel Lambert zu einem der der „prunkvollsten städtischen Repräsentationsbauten des 17. Jahrhunderts“ (Wikipedia) zu machen.
Eustache Le Sueur (1616-1655) Kreuzung des quai des Célestins und des boulevard Henri IV
Le Sueur war ein bedeutender Maler und Zeichner des französischen Barock; er wird auch gerne als der französische Raphaël bezeichnet. Fünf Jahre lang arbeitete er an der Ausstattung des hôtel Lambert. Unter anderem malte er 1652 bis 1655 für dessen Cabinet des Muses fünf Bilder der neun Musen. Ludwig XVI. war von diesen Bildern so entzückt, dass er sie 1777 in seine Kunstgalerie im Louvre aufnahm, wo sie sich noch heute befinden. [7]
Hier das Bild mit den Musen Clio (Trompete), Euterpe (Flöte) und Thalia (Maske).
Das letzte Werk Le Sueurs im hôtel Lambert war das cabinet des Bains, ein grandios ausgestatteter Raum, dessen ausgemaltes Gewölbe Ludwig XVI. auch gerne ins Louvre transportiert hätte. Aber das erwies sich als technisch nicht machbar. Wie bedauerlich, denn 2013 wurde dieser Raum –wie das gesamte hôtel de Lambert- ein Opfer der Flammen: Der Emir von Quatar wollte das neu erworbene hôtel modernisieren, wozu auch -Petrodollar-„noblesse“ oblige- ein Aufzug zu einem unterirdischen Parkhaus für seine Nobelkarossen gehören sollte, was dann immerhin von der Pariser Stadtverwaltung verhindert wurde. Immerhin gehört das hôtel Lambert zum UNESCO-Weltkulturerbe Seineufer. Bei den Arbeiten kam es zu einem verheerenden Brand. Inzwischen ist das hôtel Lambert zwar wieder in Stand gesetzt, aber das cabinet des Bains ist endgültig verloren.
Charles Le Brun (1619-1690): quai aux Fleurs Nummer 1
Auch Charles le Brun, seit 1647 « Peintre et Valet de chambre du Roi », war am Ausbau des hôtel Lambert beteiligt. Sein Werk war die Ausmalung der Herkulesgalerie, ein auf den Spiegelsaal von Versailles vorausweisender Bau – aber leider auch er ein Opfer der Flammen. (7a)
In gewisser Weise ebenfalls ein Opfer der Flammen sind derzeit zwei andere Werke Le Bruns, auf die in dem Flyer der C215-Aktion hingewiesen wird: Nämlich die beiden Mays der Kathedrale von Notre Dame, die zu malen Le Brun die Ehre hatte. Die Mays waren Bilder, die jedes Jahr von der Corporation der Goldschmiede in Auftrag gegeben und der Kathedrale geschenkt wurden.[8]
Hier das Mays des Jahres 1647, die Kreuzigung des heiligen Andreas. Dieses Bild hatte, wie auch das zweite Mays Le Bruns, seinen Platz in einer Kapelle von Notre Dame. Sie entgingen dem Brand der Kathedrale und sind jetzt in einem Depot aufbewahrt. Das wird wohl auch noch einige Jahre andauern…. [9]
Blick auf Notre Dame von der Seinebrücke aus. (Februar 2020)
5.François Couperin, Philippe de Champaigne und die Kirche Saint Gervais et Protais
François Couperin, „Le Grand“ (1668-1733) 25 rue du Pont Louis-Philippe
François Couperin war seit 1685 Organist der Kirche Saint Gervais, damals eine der bedeutendsten Kirchen von Paris. Daneben war er auch Komponist. Dazu wurde er 1693 zu einem der vier Organisten der chapelle royale in Versailles ernannt und war als Pianist am Hof Ludwigs XIV. tätig – Gründe genug, ihn „der Große“ zu nennen. Auf diese Weise ist er auch leicht identifizierbar: Denn zwischen dem 17. und dem 19. Jahrhundert waren insgesamt acht Mitglieder der Familie Couperin Organisten in Saint Gervais!
Um ihren erheblichen Verpflichtungen als Organisten der Kirche nachzukommen, hatten sie auch gleich nebenan (heute rue François Miron) eine „Dienstwohnung“.
Dort befindet sich heute ein plaque commémorative: Hier lebten die Couperins, französische Musiker.
Die Orgel, auf der Couperin spielte, ist im Wesentlichen noch erhalten, auch wenn sie immer wieder erneuert wurde.
Während der Französischen Revolution entging sie nur knapp der Zerstörung und auch 1918 blieb sie verschont, als die Kirche von einem Geschoss der „Dicken Berta“ getroffen wurde, wobei es 156 Opfer gab.
Ausgabe der Zeitung Excelsior vom 29. März 1919: Vor einem Jahr bombardierte die „Bertha“ Paris.
Einmal im Monat findet am ersten oder zweiten Samstag um 16 Uhr ein Orgelkonzert statt: „L’Heure d’Orgue de Saint-Gervais“ (freier Eintritt): Nachdem die Orgelkonzerte in Notre Dame auf absehbare Zeit nicht mehr möglich sind, ist das eine schöne, exquisite Alternative.
Direkt gegenüber der Kirche gibt es zwei weitere Portraits von C 215:
Salomon de Brosse (1571-1626) –rechts im Bild- war Architekt und hat die eindrucksvolle Fassade der Kirche entworfen. In seiner Beschreibung der Stadt Paris aus dem Jahr 1684 hat Germain Brice diese Fassade als „le plus beau morceau d’architecture quil y ait à présent en Europe“ bezeichnet, deren Perfektion höchstens noch von Bernini erreicht werde. (10)
Ein wesentliches Gestaltungselement sind da übrigens die Doppelsäulen, die später ein Markenzeichen seines Schülers François Mansart wurden.
Philippe de Champaigne (1602-1674) –links im Bild- war Hofmaler von Maria de Medici, der Witwe Henri Quatres, und unter anderem an der Ausmalung des Palais du Luxembourg beteiligt. Für die Kirche Saint-Gervais-Saint-Protais malte er drei Bilder, darunter das berühmte Bild L’invention des reliques de Saint Gervais et Protais, das heute im Musée des Beaux Arts in Lyon ausgestellt ist. (11)
Zwei weitere für Saint Gervais bestimmte Bilder , Saints Gervais et saint Protais apparaissant à saint Ambroise und La Translation des corps des saints Gervais et Protais sind im Louvre ausgestellt. Sie gehörten zu einer Serie von ingesamt sechs Bildern/Tapisserie-Vorlagen, die dazu bestimmt waren, zwischen den Pfeilern der Kirche aufgehangen zu werden.
Philippe de Champaigne wurde in Saint Gervais bestattet.
Anmerkungen:
[1] https://www.par-ci-par-la.com/portraits-du-grand-siecle-du-marais-par-c215/
[2] Das Rathaus des 4. Arrondissements steht am Place Baudoyer 2, 75004 Paris https://lavoixdelarturbain.com/2019/08/29/c215-grand-siecle-marais-streetart-paris-2019/
[3] Zur place des victoire siehe den entsprechenden Blog-Beitrag:
(3a) Das Karussell war ein Schauspiel, das das ritterliche Turnier ersetzte, das seit dem tödlichen Unfall Heinrichs II. bei einem Turnier im Marais im Jahre 1559 verboten war. Siehe dazu: Jacques Revel, Der Hof. In: Pierre Nora (Hrsg), Erinnerungsorte Frankreichs. München 2005, S. 326
[4] Zum Teil wird auch die Schreibweise Mansard verwendet. François Mansart ist nicht zu verwechseln mit seinem Großneffen Jules Hardouin-Mansart, der sein Nachfolger als erster Baumeister Ludwigs XIV. wurde. Nach ihnen ist übrigens das Mansarddach benannt, das sie gerne verwendeten, aber das nicht von ihnen erfunden wurde.
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Fran%C3%A7ois_Mansart
(5a) Bilder aus: http://uemhm2perolaimperfeita.blogspot.com/2011/06/imagens.html
und https://it.wikipedia.org/wiki/Temple
[6] http://nobleyreal.blogspot.com/2010/04/el-baron-de-rede.html
[7] https://voir-et-savoir.com/les-muses/
(7a) Bild Herkulesgalerie: https://de.wikipedia.org/wiki/
[8] https://www.notredamedeparis.fr/decouvrir/peintures/les-mays-de-notre-dame/
[9] https://www.notredamedeparis.fr/decouvrir/peintures/le-crucifiement-de-saint-andre/
https://www.notredamedeparis.fr/decouvrir/peintures/la-lapidation-de-saint-etienne/
(10) Zitiert von Jean-Marie Pérouse (Hrsg), Le guide du patrimoine. Paris. Paris: Hachette 1994, S. 450. Dort übrigens weiter: „on n’a rien vu de plus correct ni de plus parfait dans les ouvrages modernes les plus renommés…“
(11) Bild aus: https://www.mba-lyon.fr/en/node/179
Weitere Beiträge zur Street – Art in Paris auf diesem Blog:
- Open your eyes, Street-Art in Paris 1, Einführung und Überblick (Dezember 2017) https://paris-blog.org/2017/12/01/open-your-eyes-street-art-in-paris-1/
- Jeff Aerosol, Jerôme Mesnager und Mosko (Street-Art in Paris 2) https://paris-blog.org/2018/06/01/street-art-in-paris-2-mosko-jef-aerosol-und-jerome-mesnager/
- Der Invader (Street-Art in Paris 3) https://paris-blog.org/2018/10/01/street-art-in-paris-3-der-invader/
- Monsieur Chat, Miss Tic und Fred le Chevalier (Street-Art in Paris 4) https://paris-blog.org/2019/02/01/street-art-in-paris-4-monsieur-chat-miss-tic-und-fred-le-chevalier/
- Gare du Nord, Quai 36 (Street-Art in Paris 5) : https://paris-blog.org/2020/04/08/street-art-in-paris-5-gare-du-nord-quai-36/
Zur Street-Art siehe auch die Beiträge zu folgenden Stadtvierteln:
- Das multikulturelle, aufsässige und kreative Belleville: Modell oder Mythos? https://paris-blog.org/2016/07/18/das-multikulturelle-aufsaessige-und-kreative-belleville-modell-oder-mythos/
- La Goutte d’Or https://paris-blog.org/2016/05/30/la-goutte-dor-oder-klein-afrika-in-paris/
- La Butte aux Cailles https://paris-blog.org/2019/07/01/la-butte-aux-cailles-ein-kleinstaedtisches-idyll-in-paris/
- Das Marais (1): https://paris-blog.org/2020/04/20/grosse-maenner-und-frauen-des-marais-eine-ortsbesichtigung-anhand-der-portraits-des-street-art-kuenstlers-c-215-teil-1-grosse-maenner/
- Das Marais (2): https://paris-blog.org/2020/05/10/grosse-maenner-und-frauen-des-marais-eine-ortsbesichtigung-anhand-der-portraits-des-street-art-kuenstlers-c-215-teil-2-grosse-frauen/
Super zusammengestellt und erläutert. Danke. Ich hab auf meinem blog mal eine Auswahl von seinem vorhergegangenen Projekt rund um das Pantheon gezeigt: https://photo-philosophy.net/streetart-photographieren-streetart-photography/ ganz ohne die Hintergründe. Ich finde seine Sachen auch so schon faszinierend.
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… und ich wusste nicht, dass Champaigne in der Kirche Saint Gervais bestattet wurde. Sowieso immer wieder ein Genuss, Bekanntes und Unbekanntes zu lesen. Für Spaziergänge… danach . DANKE!
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