Ausflug zum Park von Sceaux -nicht nur- zur Kirschblüte

In Jedem Frühjahr wird im Park von Sceaux das Kirschblütenfest gefeiert. Ein Ereignis, das viele Besucher anzieht.

Kein Wunder:  Die in voller Blüte stehenden Kirschbäume sind eine Pracht! Und man darf sich im Schatten der blühenden Bäume niederlassen, seine Decke ausbreiten, sein mitgebrachtes Picknick verzehren, die meist alten wunderbaren Bäume und ihre Blüten bewundern, sich ausruhen, lesen, das Treiben um einen herum betrachten… Manchmal hat man fast den Eindruck, man sei nicht in Sceaux, sondern beim Kirschblütenfest in Japan…

Aber es lohnt sich, den Ausflug zu den Kirschblüten mit einem Spaziergang durch den Park zu verbinden. Der ist immerhin ein Werk des großen Le Nôtre, des Gartenarchitekten Ludwigs XIV., des Schöpfers des Parks von Versailles und vieler anderer großen barocker Gartenanlagen. Le Nôtre wurde von Colbert, dem „Finanzminister“ des Sonnenkönigs, für seine Schlossanlage in Sceaux engagiert. Und bei der Verwaltung der königlichen Finanzen kam Colbert offenbar auch auf seine Rechnung, so dass er sich ein wunderbares Schloss mit zahlreichen Nebengebäuden und einem riesigen, aufwändig angelegten Park leisten konnte…

Dazu passt die Statue des Herkules Farnese[1], der sich gerade, auf seine Keule gestützt, von seinen Kämpfen ausruht – natürlich vor blühendem Kirschbaum…

Man erreicht den Park von Paris aus einfach mit dem RER B.

Verlässt man den Bahnhof Parc de Sceaux wird man durch auf den Boden gesprühte Hinweisschilder zu einem der Parkeingänge geführt – Hanami ist der Name des japanischen Kirschblütenfests. Durch blühende Kirschbäume an den Straßenrändern wird man schon entsprechend eingestimmt.

An allen Eingängen zum Park gibt es Hinweistafeln, die die Orientierung erleichtern.

Die dem Bahnhof am nächsten liegenden Eingänge sind Mitte/rechts im Bild angegeben. Die Nummer 1 im oberen Teil bezeichnet das Schloss, die Nummer 2 die Orangerie, die Nummer 3 ganz oben rechts der Pavillon de l’Aurore.

Möchte man sich vor Beginn der Wanderung durch den Park etwas ausruhen, kann man unter den Kirschbäumen auf der Plaine de l’Orangerie (Mitte rechts auf dem Plan) schon eine kleine Pause einlegen.

Da hat man sogar die Auswahl zwischen „rot“ und „weiß“…

Der weitere Weg führt an der Orangerie vorbei…

Ein programmatisches Giebelrelief der Orangerie:  In Colberts Schloss herrschen Freude, Geselligkeit und Überfluss – hier ist man gewissermaßen auf Rosen gebettet. Und so konnte denn auch -wenn auch später einmal-  Voltaire schreiben, dass man sich in Sceaux ebenso gut unterhalten konnte, wie man sich in Versailles langweilte.[2]

Allerdings fehlt von der Orangerie ein Stück – es wurde im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 von preußischen Kanonenkugeln zerstört.

Schlimmer getroffen hat es allerdings das Schloss Colberts. Es wurde in der Französischen Revolution geplündert, schließlich an einen Unternehmer verkauft und zu Beginn des napoleonischen Kaiserreichs abgerissen.  Zwischen 1856 und 1862, also im Zweiten Kaiserreich Napoleons III., entstand dann der „Neubau“ im Stil Louis XIII, dem Baustil also, der die Bauten des großen Königs Henri Quatre prägt. Die Kombination von roten Backsteinen und behauenen weißen Kalksteinen kennen Paris-Besucher ja beispielsweise von der place des Vosges oder der place Dauphine auf der Île de la Cité.  Das Gebäude beherbergt ein Museum, das die Geschichte des Schlosses und die „art de vivre à la française“ zwischen Ludwig XIV. und Napoleon III. veranschaulicht.  Wir verzichten aber auf einen Besuch zugunsten der „art de vivre“ unter Kirschblüten…  

Auf dem Weg dorthin kommen wir zum pappelgesäumten Grand Canal. Der wurde erst 1687/88, also nach dem Tod Colberts gegraben. Schlossherr war damals der Marquis de Seignelay, der älteste Sohn Colberts. Aber verantwortlicher Gartenarchitekt blieb auch weiterhin Le Nôtre.  Der Kanal ist 1140 Meter lang, also fast so lang wie der des königlichen Schlosses von Fontainebleau (1,2 km), aber deutlich kürzer als der Grand Canal von Versailles (1670 m): Colberts Sohn vermied damit alles, seinen Herrn, den Sonnenkönig, zu übertrumpfen: Er kannte ja nur zu gut das Schicksal Fouquets, des Schlossherrn von Vaux-le-Vicomte und Konkurrenten seines Vaters, der der königlichen Sonne zu nahe kam, abstürzte und in schlimmster Festungshaft endete…

Hat man das nördliche Ende des Kanals umrundet, ist es nicht mehr weit zum Bosquet Nord: Japanische Lampions markieren die Zugänge.

Dieser Bosquet ist mit  insgesamt 144 japanischen Kirschbäumen (Prunun serrulata ‚Kanzan‘) bepflanzt, viele davon sind schon sehr alt…

Man ist eingeladen, sich in ihrem Schatten niederzulassen, die Blütenpracht zu bewundern, sein mitgebrachtes Picknick auszubreiten…

Nach einer entsprechend ausgiebigen Rast geht es weiter zum Bosquet Sud mit seinen weißblühenden Kirschbäumen, die es aber mit den japanischen bei weitem nicht aufnehmen können. (Und  -da kann ich einer lokalpatriotischen Anmerkung nicht widerstehen- sie können es schon gar nicht aufnehmen mit der wunderbaren Blüte von 42 000 (!) Kirschbäumen in den Streuobstwiesen von Ockstadt in der heimischen Wetterau…)

Also geht’s gleich weiter zum südlichen Rand des Großen Kanals. Da kann man sogar angeln und Boote mieten  (wenn die Warteschlange nicht zu lange ist…).

Zu den großen französischen Barockgärten, die im 17. Jahrhundert entstanden und deren bedeutendster Schöpfer Le Nôtre war, gehörten neben den großen Wasserflächen, den Alleen, Blumenrabatten und Bosquets auch Statuen. Colbert engagierte für seinen Park die bedeutendsten Bildhauer seiner Zeit. Besonders beliebt waren Themen der antiken Mythologie.

Hier zum Beispiel die Kopie einer Statue von Bernini: Apoll verfolgt die sich ihm entziehende Daphne, die sich schließlich in einen Lorbeerbaum verwandelt. Die Skulpturen im Park waren vornehmlich aus Stein – der edle Marmor war dem König vorbehalten: Colbert , wie dann ja auch sein Sohn, kannten die Empfindlichkeiten ihres Herrn und nahmen darauf Rücksicht…

Die meisten Statuen des Colbert’schen Parks sind den Wirren der Zeit zum Opfer gefallen. Vieles wurde bei der Restaurierung des Parks in den 1930-er Jahren ergänzt: So die beiden Gruppen von Hirschen am südlichen Ende des Großen Kanals.

Zur ursprünglichen Anlage des Parks gehört das Octogon, ein großes Wasserbecken im Südosten des Parks:  In seiner Mitte eine 25 Meter hohe Fontäne. Le Nôtre musste dafür eine ganze Reihe von höher gelegenen Reservoirs schaffen, was allerdings aufgrund der günstigeren topographischen Bedingungen ungleich einfacher war als im Park von Versailles mit den Wasserspielen eines absoluten Herrschers, der auch der Natur seinen größenwahnsinnigen Willen aufzwingen wollte. Aber auch hier übten sich Colbert und Le Nôtre in untertäniger Zurückhaltung: Die höchste Fontäne von Versailles steigt immerhin 27 Meter in die Höhe!

Der Rückweg führt die wunderbare „Grande Cascade“ hinauf, die sich gerade in der abendlichen Sonne von ihrer schönsten Seite zeigt. Sie wurde wohl gemeinsam entworfen von Le Nôtre und Le Brun.

Über 17 kleine Wasserbecken mit jeweils zwei kleinen Fontänen fließt das Wasser hinunter zum Oktogon.

Das obere Ende wird durch wasserspeiende phantastische Köpfe (mascarons) markiert, die aber ebenfalls erst in den 1930-er Jahren installiert wurden. Sie stammen von dem für die Weltausstellung 1878 errichteten Palais de Trocadéro, das in den 1930-er Jahren dem für die Weltausstellung von 1937 errichteten Palais de Chaillot weichen musste.

Es ist nun nicht mehr weit zu den Ausgängen des Parks. Man sollte ihn aber nicht verlassen, ohne einen Blick in den Pavillon de l’Aurore zu werfen. Er steht am Rand des Parks, von wo aus man einen weiten Blick in die Umgebung hatte, vor allem auch über den heute nicht mehr existierenden Obst- und Gemüsegarten. Den ließ sich Colbert von Jean-Baptiste de La Quintinie anlegen, dem Hofgärtner Ludwigs XIV. und Schöpfer des königlichen Obst- und Gemüsegartens (potager du roi) in Versailles.

Für die Ausmalung der Kuppel engagierte Colbert den Hofmaler Ludwigs XIV, Charles Le Brun.  Le Brun hatte auch das Schloss von Sceaux ausgemalt. Nach dessen Zerstörung bleibt immerhin noch die Kuppel, die als ein Meisterwerk gilt.[3]

In dem Kuppelsaal liegen Faltblätter aus, die  die allegorische Bedeutung der Malerei erläutern. Hier eine Allegorie der Natur. Der Löwe, König der Tiere, steht für Colbert.

Die Tiere der Nacht werden von der Morgenröte verjagt…

… und dem neuen Tag, und damit der Sonne, werden Blumen gestreut:  So zollt Colbert seinem Sonnenkönig den gebührenden Respekt…

Wir verlassen -nach einem Tag voller Wunder der Natur und der Kunst- den Pavillon und es geht zurück nach Paris…


[1] Moderne Kopie der von Giovanni Comino zwischen 1670 und 1672 für Sceaux angefertigten Statue, einer Nachbildung der 1546 in Rom entdeckten Statue, die wiederum die Kopie einer antiken Statue ist.

Alle Fotos dieses Beitrags von Frauke und Wolf Jöckel

[2] Zit. von Dominique Brême, directeur du domaine de Sceaux. In: Le domaine de Sceaux. Dossier de l’art No 169, S. 5

[3] Siehe Dominique Brême, La coupole du pavillon de l’Aurore , chef-d’œuvre de Le Brun. In: Dossier de l’Art No 169: Le domaine de Sceaux, S. 16/17

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