
Der Dezember-„Supermond“ des Jahres 2025, aufgenommen am 5. Dezember um 8 Uhr an der Métro-Station Voltaire/place Léon Blum im 11. Arrondissement von Paris. Foto: Wolf Jöckel
Der nächste „Supermond“ wird am 24. Dezember 2026 zu sehen sein….

Der Dezember-„Supermond“ des Jahres 2025, aufgenommen am 5. Dezember um 8 Uhr an der Métro-Station Voltaire/place Léon Blum im 11. Arrondissement von Paris. Foto: Wolf Jöckel
Der nächste „Supermond“ wird am 24. Dezember 2026 zu sehen sein….

„Paris erinnert sich“ (Plakat der Stadt Paris)
Am Freitag, dem 13. November 2015, verübten islamistische Terroristen an fünf verschiedenen Orten in Paris und am Stade de France in Saint-Denis koordinierte Anschläge, bei denen 130 Menschen getötet und mehrere hundert verletzt wurden, davon etwa hundert schwer. Die Angriffsserie am Freitagabend richtete sich gegen die Zuschauer eines Fußballspiels, gegen die Besucher eines Rockkonzerts im Bataclan-Theater sowie gegen die Gäste zahlreicher Bars, Cafés und Restaurants.
Es war der zweite große terroristische Anschlag in diesem Jahr nach dem Attentat auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo. Handelte es sich dabei um einen Anschlag auf die Pressefreiheit, so zielten die Attentate des 13. November vor allem auf eine große Musikveranstaltung und Treffpunkte vor allem junger Leute. Und so waren denn auch die Opfer ganz überwiegend junge Frauen und Männer in ihren 20-er und 30-er Jahren.
Der Schock in Frankreich war groß nach diesen Attentaten, nicht nur wegen der großen Zahl von Toten und schwer Verletzten, sondern auch, weil sie als Angriffe auf ein fundamentales Prinzip gesellschaftlichen Zusammenlebens, das vivre ensemble, verstanden wurden. Und das ungezwungene Zusammensein, die Freude an Musik und Tanz, waren den Attentätern offensichtlich besonders verhasst. Der Bezug zu dem Attentat der Hamas-Terroristen auf das Musik-Festival am 7. Oktober 2023 drängt sich da für mich auf.
Die zentrale Gedenkveranstaltung findet am Garten der Erinnerung an die Opfer dieser Anschläge statt, der zum 10. Jahrestag des 13. November 2015 offiziell eröffnet wird.

Vorbereitung für die Gedenkfeier am 13. 11. 2025. Die beiden großen Tribünen sind schon aufgebaut. Foto: Wolf Jöckel 7.11.2025
Die Idee, einen Garten der Erinnerung an die Opfer dieser Anschläge zu schaffen, geht wesentlich auf Vereinigungen der Opfer und ihrer Angehörigen zurück. 2019 votierte der Pariser Stadtrat einstimmig für das Projekt.

Als Ort des Erinnerungs-Gartens wurde der Platz vor der Kirche Saint-Gervais gewählt. Auf der einen Seite, vor der Kirche, steht eine große Ulme, unter der im Mittelalter Recht gesprochen wurde; auf der anderen Seite ein neu gepflanzter alter Olivenbaum, Symbol des Friedens.

Die oberen Äste der alten Gerichtsulme vor Saint-Gervais

Blick über den Garten auf die Rückseite des Pariser Rathauses (hôtel de ville)
Der Saint-Gervais-Platz war zwar nicht Schauplatz einer terroristischen Attacke, aber er versteht sich als „Synthese der sechs vom Terror erschütterten Orte“ (Jean-Marc Dreyfus).[1]
Ein neuartiger Erinnerungsort
Der Platz vor der Kirche Saint-Germain liegt zwischen dem Marais und dem Notre-Dame-Viertel (quartier de Notre-Dame), also auf einem von vielen Fußgängern benutzten Weg. Das führte zu der Überlegung, hier einen Erinnerungsort besonderer Art zu schaffen: also kein Denkmal und auch keinen abgegrenzten, nur beschränkt zugänglichen Bereich, sondern „einen Raum zum Bewegen und Flanieren, den sich jeder zu eigen machen kann.“[2] Die Wege, die durch den Garten führen, laden dazu ein, ihn zu durchqueren.

© Connaissance des Arts / photo Lucien Chancel
Dazu tragen auch die niedrige Bepflanzung und die einladende, aber behutsame Beleuchtung des Gartens bei.



Die Wege, die den Garten durchqueren, laden aber auch dazu ein innezuhalten. Denn durch sie werden 6 „Inseln“ (îlots) aus Granitfragmenten gebildet, die den sechs Anschlagsorten zugeordnet sind.



Auf jedem der sechs Gartenabschnitte erinnert ein Granitblock an den entsprechenden Anschlagort und seine Opfer.

Crédit photo : Jean-Baptiste Gurliat / Ville de Paris

Auf diesem Granitblock sind die Namen der 89 im Bataclan ermordeten Menschen verzeichnet. Zu den Opfern gehören aber auch die zahlreichen schwer verletzten und traumatisierten Menschen, deren Körper und Geist lebenslang an den Folgen des von ihnen miterlebten Attentats leiden. Zwei Überlebende waren derart traumatisiert, dass sie Jahre später ihrem Leben ein Ende setzten. [3]

Offizielle Einweihung des jardin du 13 novembre am 13.11.2025 Foto: Jean-Baptiste Gurliat / Ville de Paris
La Belle Equipe

Uns ist der den 21 Opfern der Bellle Equipe gewidmete Teil des Erinnerungsgartens besonders nahe. An dem im 11. Arrondissement gelegenen Café/Restaurant (92, rue de Charonne) radle ich, wenn wir in Paris sind, fast täglich auf dem Weg zu unserem Markt, dem marché d’Aligre, vorbei.

Am 13. November 2015 feierte dort die aus Tunesien stammende Houda Saadi ihren 35. Geburtstag. Sie arbeitete als Serviererin in dem in der Nähe gelegenen Café des Anges. Die meisten der 21 Opfer des Anschlags waren ihre Geburtstagsgäste, darunter ihre zwei Jahre ältere Schwester Halima, Mutter zweier Kinder, während ihre beiden Brüder Khaled und Bashir verschont blieben. Vergeblich versuchten sie, ihre am Boden liegenden Schwestern am Leben zu erhalten.[4]

Diese Schiefertafel stand am 13.11.2015 an dem Café. Die „heures heureuses“ (glücklichen Stunden) kontrastieren auf bedrückende Weise mit dem, was dann geschah. Auf der Schiefertafel sind Kalaschnikow-Einschüsse der Attentäter zu sehen. Sie gehört zu den Ausstellungsstücken des geplanten/in Vorbereitung befindlichen Pariser Musée-Mémorial du Terrorisme. Das Bild wird derzeit in einer Ausstellung des Museums am Zaun des Pariser Rathauses gezeigt.

Schweigeminute für die Opfer des Anschlags auf La Belle Equipe drei Tage nach dem Anschlag.[5]

An der Hauswand des gegenüber liegenden Palais de la Femme ist eine Tafel angebracht: „Zur Erinnerung an die verletzten und ermordeten Opfer des Attentats vom 13. November 2015. Den ausgelöschten Leben.“ (Aufnahme: 11.11.2025)
Zu diesen ausgelöschten Leben gehörte auch eine seit drei Jahren in Paris lebende und ebenfalls im Café des Anges arbeitende junge Mexikanerin, Michelli Jaimez.[6]

Drei Tage vor dem Attentat hatte sie die Verlobung mit ihrem italienischen Freund bekannt gegeben.

Die plaque commémorative am 13. November 2025. Foto: ville de Paris/Guillaume Bontemps
Ein Blick auf und in Saint-Gervais
Ein Besuch des Erinnerungsgartens ist auch eine gute Gelegenheit, einen Blick auf und in die Kirche zu werfen, die dem Platz seinen Namen gab. Es ist eine ab 1500 erbaute Kirche mit einer im 17. Jahrhundert vorgesetzten Fassade: unten dorische, im Mittelteil ionische und oben korinthische Säulen, die klassische Gliederung: Ausdruck einer Harmonie, die allerdings Kirche und Platz nicht durchweg bestimmt.

Harmonisch ist auf den ersten Blick das Kirchenschiff: Ein eindrucksvoller gotischer Raum, zum Teil noch mit alten, aber auch sehr gelungenen zeitgenössischen Glasfenstern ausgestattet.[7]

Aber bei einem näheren Hinsehen entdeckt man an einem Pfeiler der Vierung große Einschusslöcher.[8]

Sie stammen von einer Granate des deutschen „Parisgeschützes“, einer Weiterentwicklung der „Dicken Berta“, die am 29. März 1918 die Kirche traf und das Gewölbe durchschlug. Es war ein Zufallstreffer des im Rahmen der deutschen Frühjahrsoffensive von 1918 eingesetzten und 130 km entfernt von Paris im Wald von Saint-Gobin stationierten Geschützes. In der Kirche fand da gerade der Karfreitags-Gottesdienst statt. 91 Menschen wurden getötet, 68 verletzt.

Eine chapelle commemorative erinnert an die catastrophe du 29 Mars 1918.
So ist nicht nur der Platz vor der Kirche ein Ort der Erinnerung an großes Leid, sondern auch die Kirche selbst. Und zu der Erinnerung an die Opfer islamistischen Terrors und des sinnlosen „Großen Kriegs“ kommt auch noch die Erinnerung an die Opfer politisch-gesellschaftlicher Auseinandersetzungen[9]:

In der am Platz gelegenen Kaserne Lobau/Napoléon wurden im Mai 1871 bei der Niederschlagung der Pariser Commune während der sogenannten „blutigen Woche“ (semaine sanglante) 2000 – 3000 Kommunarden exekutiert, ihre Leichen auf den benachbarten Plätzen verscharrt- vielleicht ja auch auf dem Platz vor der Kirche. So könnte der Garten der Erinnerung an die Opfer des 13. November 2015 auch ein Friedhof (gewesen) sein.

An der großen Gedenkveranstaltung vom 13. November können nur geladene Gäste teilnehmen. Sie wird aber auf der place de la République auf einer Großleinwand übertragen. Dort gibt auch die Möglichkeit, der Opfer der Attentate vom 13. November 2015 zu gedenken.





„Die Anschläge zu thematisieren und den Opfern mit einem Kunstwerk im öffentlichen Raum zu gedenken, ist ein zutiefst symbolischer Akt, der Respekt, Feingefühl und Sensibilität erfordert. Die Künstlerin Léa Belooussovitch wurde mit der Gestaltung dieses Wandgemäldes beauftragt, das durch Licht und Farbe Widerstandsfähigkeit symbolisiert. Als Ort der Erinnerung konzipiert, soll es auch an das erinnern, wofür die Opfer, die Lebenden und die Ermordeten, stehen: Jugend, fröhliches Beisammensein, Liebe und Leben.“ (Mairie 11e Arrondissement)


Der am 13. November 2025 zu Erinnerung an die Opfer des Attentats 2015 in den Farben der Tricolore beleuchtete Eiffelturm. Foto: Henri Garat / Ville de Paris
Literatur:
La place Saint-Gervais transformée en jardin mémoriel en hommage aux victimes du 13-Novembre. Ville de Paris 24.6. 2025 https://www.paris.fr/pages/le-futur-jardin-memoriel-de-la-place-saint-gervais-22026
https://de.wikipedia.org/wiki/Terroranschl%C3%A4ge_am_13._November_2015_in_Paris
Les amis décimés de „La Belle Equipe“ – Attaques du 13 novembre Paris Match 17.11.2015 https://www.parismatch.com/Actu/Societe/Attaques-du-13-novembre-Les-amis-decimes-de-La-Belle-Equipe-866963
https://www.mediapart.fr/journal/france/181115/la-liste-des-victimes-des-attentats-du-13-novembre
Anmerkungen
[1] Jean-Marc Dreyfus https://www.paris.fr/pages/le-futur-jardin-memoriel-de-la-place-saint-gervais-22026
[2] Jean-Marc Dreyfus https://www.connaissancedesarts.com/arts-expositions/paris/paris-une-place-historique-se-metamorphose-pour-rendre-hommage-aux-victimes-des-attentats-du-13-novembre-11203289/
[3] Marc Zitzmann, Weiter Blick auf den Terrorismus. Frankreich gedenkt der Opfer der islamistischen Attentate von 2015. In FAZ vom 6.11.2015. Im französischen Fernsehen TV 2 wurde am 2. November eine Sendung über 7 Überlebende des Bataclan ausgestrahlt: Auch sie gehören zu den Opfern der Attentate. Auf der Internetseite von France TV abrufbar: https://www.france.tv/france-2/des-vivants/ Siehe dazu: https://www.leparisien.fr/culture-loisirs/tv/des-vivants-pourquoi-il-faut-absolument-regarder-cette-bouleversante-serie-sur-les-rescapes-du-bataclan-26-10-2025-7Y57IYQKZ5DHXGYDRCGJKYIJRI.php?at_medium=email&at_emailtype=acquisition&at_campaign=Newsletter&at_creation=A_la_Une
[4] Paris Match, 17.11.2015 https://www.parismatch.com/Actu/Societe/Attaques-du-13-novembre-Les-amis-decimes-de-La-Belle-Equipe-866963
[5] Yahoo!actualités vom 19. Oktober 2025 Trouble de stress post-traumatique : après un choc, réparer les vivants
[6] Nachfolgendes Bild aus: Paris Match, 17.11.2015 https://www.parismatch.com/Actu/Societe/Attaques-du-13-novembre-Les-amis-decimes-de-La-Belle-Equipe-866963
[7] Bild aus: https://www.patrimoine-histoire.fr/Patrimoine/Paris/Paris-Saint-Gervais-Saint-Protais.htm
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Lange_21-cm-Kanone_in_38-cm-Schie%C3%9Fger%C3%BCst_%E2%80%9EParis-Gesch%C3%BCtz%E2%80%9C
Es ist in Frankreich Sitte, an Allerheiligen (Toussaint) die Gräber mit Chrysanthemen zu schmücken. Mehr als 20 Millionen dieser Blumen werden jährlich für diesen Zweck verkauft.

Chrysanthemen zur Auswahl vor einem Blumengeschäft in Paris. Das Foto habe ich allerdings schon am 1.11.2015 aufgenommen. Inzwischen haben sich die Preise etwas erhöht…
Die Tradition des Chrysanthemen-Grabschmucks geht auf das Ende des 1. Weltkriegs zurück. Davor war es üblich, an Allerheiligen Kerzen auf die Gräber zu stellen. 1919 ordnete der damalige Staatspräsident Raymond Poincaré allerdings an, am Jahrestag des Waffenstillstands, dem 11. November, die französischen Gräber mit Blumen zu schmücken. Und allmählich wurde dann der Zeitpunkt des Gräberschmucks vom 11. auf den 1. November vorverlegt.

Chrysanthemen auf dem Père Lachaise in Paris


Die Chrysantheme bot sich als November-Grabschmuck wegen ihrer großen Farben- und Formenvielfalt und als einer der wenigen Herbstblüher an. Holländische Kaufleute brachten 1688 die ersten Chrysanthemen aus China mit. Sie gilt dort als Symbol für langes Leben. Als Grabschmuck ist sie Zeichen der Trauer und Symbol der Erinnerung und der Liebe, die über den Tod hinausreicht.

Chrysanthemen-Schmuck im Kolumbarium des Père Lachaise
Es ist ein besonderes Privileg, ein Familiengrab auf dem Père Lachaise oder einem der anderen großen Pariser Friedhöfe intra muros zu haben (Cimetière de Montmartre, Cimetière de Montparnasse). Die jährlich dort freiwerdenden Konzessionen bewegen sich insgesamt im niedrigen dreistelligen Bereich. Die Nachfrage dagegen ist um ein Vielfaches höher. Die Stadt Paris hat sich deshalb zum diesjährigen Fest Allerheiligen etwas Besonderes einfallen lassen: Es werden 30 freiwerdende Gräber zum Verkauf ausgeschrieben. Bedingung ist aber, dass sie auch denkmalgerecht restauriert werden- und dass man dann bei der Auslosung Ende des Jahres unter den traurig-Glücklichen ist, die ab 2026 auf dem neu erworbenen und erlosten Grab Chrysanthemen deponieren können.

Bild: dpa. Aus: Frankfurter Rundschau 10.11.2025 Paris verlost historische Gräber
Blog-Beiträge zum Père Lachaise:
Seit Dezember 2024 ist die durch den Brand schwer gebeutelte Kathedrale Notre-Dame wieder für Besucherinnen und Besucher zugänglich.

Alle Fotos des Beitrags von Frauke und Wolf Jöckel
Der Andrang ist groß. Und seit kurzem gibt es nun auch wieder die Möglichkeit, die Türme zu besteigen. Die wurden zwar durch den Brand in Mitleidenschaft gezogen, aber im Kern verschont. Ein Übergreifen der Flammen vom brennenden Dachstuhl des Hauptschiffs auf das Gebälk der Türme konnte gerade noch verhindert werden. Nach dem Brand wurden auch die Türme restauriert und ihr Zugang durch aufwändige Neubauten im Inneren neu konzipiert. Um die von Präsident Macron vorgegebene 5-Jahresfrist für die Wiederherstellung und Öffnung der Kathedrale einzuhalten, konzentrierten sich die Arbeiten zunächst darauf. Aber jetzt sind auch die Türme empfangsbereit.
Die Türme von Notre-Dame sind uns sehr lieb und nahe, weil wir sie von unserer kleinen Terrasse aus sehen können. Hier (im Oktober 2025) bei Sonnenuntergang- zusammen mit der Kuppel der Kirche Saint-Paul im Marais links, mit dem Paris-Ballon vom Parc André-Citroën darüber, dem wieder aufgebauten spitzen Dachreiter von Notre-Dame, der beim Brand umgestürzt war und den Dachstuhl der Kathedrale durchschlagen hatte, und einem Turm der im Quartier Latin gelegenen Kirche Saint-Sulpice. Auf dem Nordturm der Kathedrale (hier links im Bild) kann man die Gitter erkennen, die für den Besucherverkehr angebracht sind: Ein unfreiwilliger oder auch freiwilliger Sturz vom Turm soll unbedingt -auch auf Kosten der Aussicht- verhindert werden.

Der Zugang zu den Türmen ist neben dem südlichen, rechten Turm.

Da der Eintritt streng reglementiert und begrenzt ist, müssen Karten für ein bestimmtes Datum und Zeitfenster vorab reserviert (und bezahlt) werden. Das soll die früher üblichen langen Schlangen und Wartezeiten verhindern. In unserem Fall hat das allerdings nicht so gut funktioniert: Wir mussten trotz pünktlicher Ankunft eine gute halbe Stunde warten, bis wir eingelassen wurden, die Personen- und Taschenkontrolle passiert hatten und uns an den Aufstieg machen konnten.

Wir haben die Wartezeit genutzt, in Ruhe die grotesken Wasserspeier und anderen Verzierungen des Turms zu betrachten.


So wie im Inneren von Notre-Dame gibt es auch hier einen neuen, festgelegten Parcours. Erste Etappe auf dem Weg nach oben ist die Salle basse. Es ist ein großer Raum, der auch als Zugang zu der Empore der großen Orgel diente.

Heute sind hier Modelle der Kathedrale und zwei originale Chimären-Plastiken aus dem 19. Jahrhundert ausgestellt.


Das Tier mit den gefletschten Reißzähnen wurde durch den Brand zu stark beschädigt, um im Freien wieder aufgestellt zu werden.

Blick nach draußen auf Strebebögen und Baugerüste
Außerdem dient die Salle basse als Souvenir-Boutique – nicht ganz überzeugend am Anfang der Turmbesteigung…

Weiter geht es nach oben…

… meist auf originalen ausgetretenen Stufen…

… für Menschen, denen die Puste ausgehen sollte, bleibt der SOS-Ruf…

Zweite Etappe des Aufstiegs ist die Salle des Quatrilobes. An der Wand werden nacheinander -passend zu dem Namen des Saales- vier mit Notre-Dame verbundene Daten aus der Geschichte Frankreichs angezeigt: die Generalstände Philipps des Schönen von 1302, die Ankunft des mit Maria Theresia von Österreich frisch vermählten Ludwig XIV. von 1660, die Krönung Napoleons im Jahr 1804 und die Befreiung von Paris 1944, die am 26. August, einen Tag nach der Kapitulation der deutschen Truppen, im Beisein de Gaulles mit einem feierlichen Te-Deum in Notre-Dame gefeiert wurde. (In der ausgestellten Informationstafel wird allerdings nicht mitgeteilt, dass der Erzbischof von Paris, Kardinal Suhart, nicht dabei sein durfte, weil de Gaulle dessen Anwesenheit wegen der Nähe Suharts zu Pétain und Vichy ablehnte).

In dem Raum kann man auch die kunstvolle Holzkonstruktion bewundern. Es sind teilweise noch die alten Balken aus der Entstehungszeit der Kathedrale, vieles ist aber auch -versehen mit den traditionellen Handwerkerzeichen- erneuert.

Ein Blick nach draußen zeigt auch hier, dass die Arbeiten an Notre-Dame noch in vollem Gange sind.

Aber es wird auch eindrucksvoll deutlich, wie viel schon erreicht ist: Die traditionell mit Bleiplatten gedeckten Dächer sind erneuert, die Statuen der 12 Apostel, die den hoch aufragenden Dachreiter Viollet-le-Ducs umrahmen, stehen wieder an ihren alten Plätzen.

Von der Salle des Quadrilobes gibt es einen Zugang zu einem kleinen Abschnitt der Galerie der Chimären treten.


Die Chimären stammen nicht aus der Entstehungszeit der Kathedrale, sondern stammen aus dem 19. Jahrhundert. Viollet-le-Duc wollte Notre-Dame, damals arg heruntergekommen, zu einer idealtypischen gotischen Kathedrale machen. Und seine Chimären passen denn auch hervorragend zu dem typischen mittelalterlichen Bestiarium.

Hier ein Blick auf die Stadt mit der Kirche Saint-Sulpice

Eiffelturm, der Turm von Saint-Germain-des-Prés und der Invalidendom

Mit dem Blick auf das Pantheon, die Kirche Saint-Étienne-du-Mont und den Tour Clovis des Lycée Henri-IV wartet die Gruppe auf die Freigabe des Aufstiegs an die Spitze des Turms.
Für diese letzte Etappe wurde eine neue doppelläufige Wendeltreppe aus massiver Eiche errichtet.

Nach dem 442-stufigen Aufstieg wird man oben mit einem wunderbaren Panoramarundblick über die Stadt belohnt.

Hier noch einmal der Blick auf den Pantheonhügel von ganz oben.

Die Spitze des Südturms und Sacré-Cœur


Der große Kran, mit 84 m einer der höchsten Europas und natürlich ein französisches Produkt, zeigt an, dass die Außenarbeiten an Notre-Dame noch lange nicht beendet sind.


Die Uhr muss wieder in Betrieb genommen werden. Vielleicht steht sie seit der Brandnacht 22.05 Uhr still: Kurz zuvor war der Vierungsturm eingestürzt und hatte einen Teil des Gewölbes durchschlagen.

Der Vorplatz der Kirche wartet auf die beschlossene und anstehende Umgestaltung und Begrünung. Darunter wird ein großer Eingangsbereich entstehen mit Blick auf die Seine, und in das Hôtel Dieu rechts am Platz soll einmal ein Notre-Dame-Museum einziehen…
Die Zeit oben ist allerdings sehr knapp bemessen: Nach fünf Minuten wird man wieder zum Abstieg gedrängt – die nächste Gruppe wartet schon…
Beim Abstieg führt der Weg in den Nordturm….

…. und zu den mächtigen Glocken der Kirche. Die kann man in aller Ruhe betrachten und bewundern.

Besonders beeindruckend ist natürlich der Bourdon Emmanuel.

Er ist mit seinen 13 Tonnen Gewicht die zweitgrößte Glocke Frankreichs. Sie wurde 1686 gegossen und die „Taufpaten“ waren Ludwig XIV. und seine Frau.

Während der Französischen Revolution wurden alle Glocken von Notre-Dame eingeschmolzen, allein die große Glocke überlebte. Um sie zu schonen, erklingt sie nur zu besonderen Gelegenheiten, vor allem natürlich katholischen Festtagen, aber auch herausragenden historischen Ereignissen wie der Krönung Napoleons, dem Ende der Weltkriege, aber auch dem Fall der Berliner Mauer…

Von hier oben bieten sich noch einmal schöne Ausblicke auf die Stadt: Hier auf das Grand Palais, den Arc de Triomphe und die Bürostadt La Défense mit der Grande Arche.

Und auch hier gibt es wieder zahlreiche Beispiele phantastischer Figuren Viollet-le-Ducs.

Und man kann sogar die Kopie des im Salle basse ausgestellten wilden Tieres mit den Reißzähnen entdecken:

Dann geht es die letzten Stufen hinunter zum Ausgang- ein Weg, den schon viele Besucher gegangen sind. Manche haben im weichen Kalkstein ihre Spuren hinterlassen…

Reservierung von Zugangskarten:
https://tickets.monuments-nationaux.fr/fr-FR/familles?site=2402263094200400187
Es gibt auch eine englische und spanische Version. Ausdrücklich wird auf der Website darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Aufstieg um eine expérience sportive handelt und eine gute körperliche Verfassung erforderlich ist.
Weitere Blog-Beiträge zu Notre-Dame:

Paris: Da denkt man an den Eiffelturm, den Arc de Triomphe, Notre-Dame, Sacré-Coeur … Auf diesem Plakat, aufgenommen am 19.10.2025, stellt sich Paris aber ganz anders dar: und zwar als eine „grüne Stadt“! Das mag überraschen, ist doch Paris die am dichtesten besiedelte Stadt Europas und weltweit immerhin noch auf Platz 7! Pro Quadratkilometer drängen sich hier über 20 000 Einwohner – im Vergleich dazu: In London sind es gut 5000 Menschen, in Berlin etwas über 4000 [1]…
Paris ist reich an schönen, ja berühmten Gärten und Parks, man denke nur an den jardin du Luxembourg, den Tuileriengarten, den Garten des Palais Royal, den Park Monceau oder den Parc des buttes Chaumont, um nur einige zu nennen. Im 19. Jahrhundert begab sich die französische Hauptstadt ja sogar in eine Art Wettbewerb mit London um den Status einer europäischen Gartenhauptstadt.[2] Aber trotzdem und insgesamt gibt es in Paris einen „grausamen Mangel an Grünflächen“, wie es der Parisien 2023 formulierte. Grausam (cruel) ist dieser Mangel gerade im Blick auf den schon in vollem Gange befindlichen Klimawandel. Und dessen Folgen sind in Paris besonders spürbar. Dazu tragen auch die typischen Zinkdächer bei. Die sind zwar charakteristisch für das Stadtbild und gehören zum immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO, heizen die Stadt aber bei starker Sonneneinstrahlung weiter auf. Die Zinkdächer können bei 40 Grad Außentemperatur bis zu 85 Grad heiß werden.[3] So ist Paris, um noch einmal den Parisien zu zitieren, „diejenige europäische Stadt, in der das Risiko, an Hitzefolgen zu sterben, am größten ist“.[4]
Dass es dringend notwendig ist, die Stadt an den Klimawandel anzupassen und so ihre Lebensqualität zu bewahren, ist weitgehend unbestritten. So überboten sich bei der letzten Kommunalwahl 2020 die Kandidatinnen und Kandidaten geradezu mit ehrgeizigen Programmen, Paris zu „vegetalisieren“ und mit sechsstelligen Zahlen der zu pflanzenden Bäume: Anne Hidalgo und ihre Sozialisten nannten 170 000 als Ziel – allerdings eine auch symbolische Zahl: Für jeden in der neuen Wahlperiode erwarteten Neugeborenen sollte gewissermaßen ein Baum gepflanzt werden. [5] Nach der „revolution du vélo“, der mit großer Energie vorangetriebenen Verkehrswende, wurde nun auch die „Revolution der Natur in der Stadt“ ausgerufen. Grünanlagen zu schaffen sei notwendig, um angesichts des Klimawandels auch in Zukunft wohnliche Lebensbedingungen in der Stadt zu sichern.[6]
Dass Hidalgo die Wahl gewann und in den letzten Jahren Paris von einer rotgrünen Koalition regiert wird, beruht aber wohl auch darauf, dass man ihr am ehesten zutraute, den ökologischen Umbau der Stadt mit Energie und Konsequenz voranzutreiben. Die schon von ihrem Vorgänger Delanoë eingeleitete Aufhebung der Autostraßen auf den Tiefkais der Seine war da ein eindrucksvoller Beleg: Zunächst höchst umstritten, heute allgemein anerkannt und unumkehrbar.
Ein wesentliches Element des Stadtpolitik von Anne Hidalgos ist die Zurückdrängung des städtischen Autoverkehrs: Seit 2020 wurden mehr als 10 000 Autoabstellplätze aufgehoben, zahlreiche Straßen wurden begrünt.[7] Diese Politik wurde im Laufe der Zeit noch forciert: Im städtischen Budget für das Jahr 2025 stehen Mittel für die Umwandlung von 120 Straßen zur Verfügung.

Und im März 2025 stimmten die Bürgerinnen und Bürger der Stadt in einer «votation citoyenne“ der Begrünung und Verkehrsberuhigung weiterer 500 Straßen zu. Wir sind immer wieder von Neuem beeindruckt von der Geschwindigkeit und der Konsequenz dieses Veränderungsprozesses, den wir auch in unserem Pariser Umfeld miterleben.
Zu den besonders auffälligen und ehrgeizigen Programmpunkten des Umbauprogramms gehörte die Einrichtung von 3 sogenannten „Stadtwäldern“, forêts urbaines, in der Stadt. Der Parisien hielt in seiner Ausgabe vom 25.1.2023 dies für „ein unerfüllbares Versprechen“, une promesse intenable. Das Versprechen wurde aber gehalten. 2025 gibt es in Paris drei „Stadtwälder“: Die place de Catalogne in der Nähe des Bahnhofs Montparnasse, der bois de Charonne an der petite ceinture und der Platz vor dem Pariser Rathaus. Auch wenn das eher Wäldchen sind: Es sind Begrünungen von bisher versiegelten Flächen. Und dass dazu auch der prominente Platz vor dem Pariser Rathaus gehört, demonstriert den Stellenwert, den die derzeitige Stadtregierung dem ökologischen Umbau beimisst.
Place de Catalogne
Der erste der der neuen „Stadtwälder“ wurde auf der place de Catalogne im 14. Arrondissement angelegt. Dies war bis vor kurzem ein völlig versiegelter „mineralischer“ kreisrunder Platz. Angelegt wurde er in den 1980-er Jahren und umgeben von neoklassizistischen Gebäuden des postmodernen Architekten Ricardo Bofill. [8]

Die Mitte des Platzes bildete von 1985 bis 2022 der Brunnen „Le Creuset du Temps“, ein Werk des polnischen Bildhauers Shamaï Haber (1922–1995), der ihn „den umgedrehten Brunnen“ nannte. Das Wasser erweckte die Illusion, als würde es zum höchsten Rand einer schrägen, kreisförmigen Platte aus dunklem Granit fließen. Allerdings gab es bald technische Probleme und seit Anfang der 2000-er Jahre war er nicht mehr in Betrieb. Schon 2018 beklagte eine Stadtverordnete aus dem 14. Arrondissement, der Brunnen sei in seinem aktuellen Zustand „ganz grau, unpersönlich, ohne Wasser, weitläufig, nutzlos“ und erfülle „den ganzen Platz und die Umgebung mit einer immensen Traurigkeit.“[9]
Unter Beteiligung der Anwohner wurde schließlich eine Neuanlage des Platzes beschlossen und der Brunnen- wenn auch gegen den Willen der Erben des Künstlers- 2022 von der Stadt Paris abgerissen. Bei der Planung des neuen Platzes standen drei Ziele im Vordergrund:


25. Januar 2023: Die alten, breiten Fahrbahnen um den Platz werden aufgerissen. © LP/Paul Abran[11]
Und im Winter 2023/2024 wurde der größte Teil des Platzes in eine Grünfläche umgewandelt (Plan 1).

Es wurden insgesamt 470 Bäume gepflanzt: 270 große und mittlere, 200 kleinere von 2-4 Jahren.[12] Bei den gepflanzten Bäumen dominieren einheimische Arten wie Hainbuchen und Eichen. Es wurden auch Arten eingeführt, die dem Klimawandel besser widerstehen, wie Steineichen, Mooseichen und Montpellier-Ahorne.

Durch die Verwendung verschiedener Vegetationsschichten, darunter große und kleine Bäume sowie Sträucher und Bodendecker, soll ein vollständiges Ökosystem entstehen, das die biologische Vielfalt fördert.

Ein Wald in Entwicklung. Er benötigt Zeit, Ruhe und Schutz
Die Stadt erhofft sich von der Maßnahme eine Verringerung des Hitze-Insel-Effekts um bis zu vier Grad Celsius.

Ruhezone im neuen Stadtwäldchen. Der Weg ist nach Shamaï Haber, dem Schöpfer des Brunnens, benannt.

Granitplatten am Rand des Wegs erinnern an ihn und sein Schaffen.
Die Anwohner des Platzes -zum großen Teil Mieter von Sozialwohnungen (HLM)- können sich über Ruhe, Schatten, viel Grün und bei Hitze auch über etwas kühlendes Nass freuen.

©Guillaume Bontemps/paris.fr
Der Bois de Charonne
Der zweite Pariser forêt urbaine ist der im September 2024 eingeweihte Bois de Charonne im 20. Arrondissement. Er liegt an der ehemaligen Pariser Ringbahnlinie, der petite ceinture.[13] Die wurde zu militärischen und wirtschaftlichen Zwecken 1852-1869, im 2. Kaiserreich Napoleons III., entlang des Pariser Festungsgürtels gebaut. 1934 wurde der Personenverkehr auf der petite ceinture eingestellt, in den 1990er Jahren auch der letzte Güterverkehr. Seitdem gibt es eine ganze Reihe von ehemaligen Teilstrecken, die als Spazierwege und Naherholungsgebiete eingerichtet wurden. Zu dieser Rückeroberung der petite ceinture gehört auch der neue Bois de Charonne. Er wurde auf einer 3,5 Hektar großen Brachfläche der ehemaligen Ringbahn eingerichtet, die vollständig bepflanzt werden konnte: So entstand mit über 7500 neuen Bäumen der mit Abstand größte neue Pariser „Stadtwald“.[14]

Aufgang zum Bois de Charonne vom Eingang 105 cours de Vincennes aus




Freigelegte und überwucherte Bahngleise der Petite Ceinture


Plan des Bois de Charonne. Er geht über in den Park des alten Bahnhofs Charonne. Dort gibt es einen großen Spielplatz, kleine Wasserbecken mit Seerosen, einen Springbrunnen, Liegewiesen… [15]

Blick von den alten Gleisen stadteinwärts…

Blick vom Bois de Charonne auf den Spielplatz

Ein schöner Waldweg vom Bois de Charonne zum Jardin de la Gare de Charonne
Hotel de Ville
„Unglaublich, aber wahr“[16]: Seit Juni 2025 gibt es auf dem Platz vor dem Pariser Rathaus einen dritten „Stadtwald“. Er ist zwar von seiner Fläche her der kleinste der bisherigen Stadtwälder, aber dafür hat er einen höchst prominenten Platz. Die Stadtverwaltung zeigt damit demonstrativ, welche Bedeutung sie der „Begrünung“ (vegetalisation“) beimisst.[17]
Die Herausforderungen bei der Schaffung dieses „forêt urbaine“ waren besonders groß. Unter dem Platz befindet sich nämlich eine Tiefgarage, und zwischen deren Decke und dem Niveau des Vorplatzes waren es nur 1,50 Meter. Die Pflanzflächen wurden deshalb um 50 cm erhöht, um auch einen Lebensraum für größere Bäume zu schaffen.

Und anders als bei den beiden ersten „Stadtwäldern“ wollte man an diesem prononcierten Ort nicht erst einen „Wald im Werden“ schaffen, sondern es sollte von Anfang an ein „richtiger“ Wald sein, der es mit der umliegenden Bebauung und damit auch der Fassade des Pariser Rathauses „aufnehmen“ kann.

Die größten der auf dem Vorplatz gepflanzten Bäume sind 10 Meter hoch, die kleineren 6 Meter. In den holländischen und deutschen Baumschulen, aus denen sie stammen, wurden sie sorgsam für ihren Einsatz vorbereitet: Bis zu sieben Mal wurden sie umgepflanzt, um ein genügendes Baumwachstum bei reduziertem Volumen der Wurzelballen zu erreichen.[18]


Ausgewählt wurden heimische und exotische Baumarten, die am besten den Herausforderungen des städtischen Umfelds und des Klimawandels standhalten können.

Vor allem geht es natürlich darum, hier im Zentrum der Stadt einen ruhigen, Schatten spendenden Ort für die Menschen zu schaffen.

Auch für besonders heiße Tage ist vorgesorgt. Im Hintergrund des Wasser-Zerstäubers der Tour Saint-Jacques.
Die Mitte des Rathausvorplatzes ist nicht begrünt: Dort ist/bleibt also ein freier Platz, auf dem im Sommer beispielsweise ein Volleyball-Feld installiert wurde.

Foto: Ville de Paris
Es gibt auch Tische und Bänke: Gelegenheit für ein Picknick…

… und natürlich ist da auch Raum für Kundgebungen.

Im August haben hier wohnsitzlose, auf der Straße lebende Migranten/Asylbewerber, vor allem Familien aus Afrika, eine Woche lang lautstark auf dem Rathausvorplatz auf ihre Lage aufmerksam gemacht. Dann wurde die Demonstration von der Polizei aufgelöst. [19]
Ausblick:
Ein vierter forêt urbaine entsteht gerade auf der place du Colonel Fabien zwischen dem 10. und dem 19. Arrondissement. [20]

Der neue Platz wird gut 14000 qm2 groß sein. Es wird reduzierte Fahrstreifen für Autos geben, aber breite Fahrradwege und einen Bereich für Fußgänger. 1760 qm2 Grünstreifen werden bzw. sind schon angelegt, dazu werden 78 kleine und 43 große Bäume neu gepflanzt.

Und so soll es einmal aussehen. (Animation der Stadt Paris) Die Einweihung ist für Anfang 2026 vorgesehen.
Anmerkungen:
[1] Die Angaben zu Paris variieren und verbessern sich tendenziell auch etwas, weil die Einwohnerzahl der Stadt in den letzten Jahren tendenziell leicht sinkt. Einwohnerzahl Paris: Entwicklung und aktuelle Trends | Rhein-Main Kurier 10.11.2024: 21.067 Einwohnern pro Quadratkilometer.
En 1921, Paris est à son maximum, à un peu moins de 3 millions de résidents. La densité de la population est alors équivalente à celle que connaît aujourd’hui Calcutta, en Inde. (Le Monde)
[2] Hans von Trotha, Deutschlandfunk 11.8.2024 Natur in der Stadt: Die Gärten von Paris
[3] https://fr.euronews.com/green/2024/11/23/a-paris-comment-eviter-que-les-toits-historiques-en-zinc-ne-creent-un-effet-de-four und
Frankfurter Rundschau vom 3.7.2025
[4] https://www.leparisien.fr/paris-75/urbanisme-a-paris-en-seize-ans-les-espaces-verts-ont-augmente-de-036-m2-par-habitant-03-06-2023-O6X4YYQJANHSZK5WBGRBD7AKUY.php
[5] So der Pariser Umweltdezernent Christophe Najdovski zit. in Le Monde vom 23.3.2025 Zwischen 2020 und 2024 wurden immerhin insgesamt 113 000 Bäume im Rahmen des Plan Arbres gepflanzt. https://www.geo.fr/environnement/le-bois-de-charonne-deuxieme-foret-urbaine-de-paris-inauguree-par-anne-hidalgo-222134
[6] „révolution de la place de la nature dans la ville“ https://www.lejournaldugrandparis.fr/le-bois-de-charonne-2e-foret-urbaine-de-la-capitale-a-ete-inaugure/
[7] Der Figaro nennt die Zahl 197: https://www.lefigaro.fr/conjoncture/vegetaliser-et-pietonniser-500-nouvelles-rues-en-3-ans-le-defi-tres-onereux-de-la-ville-de-paris-20250322 Le Monde nennt als Zahl 300:
https://www.lemonde.fr/politique/article/2025/03/23/a-paris-derriere-la-promesse-de-170-000-plantations-d-arbres-une-realite-plus-contrastee_6584824_823448.html?lmd_medium=email&lmd_campaign=trf_newsletters_lmfr&lmd_creation=a_la_une&lmd_send_date=20250323&lmd_email_link=a-la-une-articles-H2_titre_3&M_BT=54358834090766
[8] Bild aus: https://fr.wikipedia.org/wiki/Place_de_Catalogne_(Paris)#/media/Fichier:Place_Catalogne,_Paris.JPG
[9] https://www.leparisien.fr/paris-75/paris-la-place-de-catalogne-est-elle-punie-11-11-2018-7940175.php
[10] Nachfolgender Plan aus: Kamil Bialas, Stadtwald statt Beton. So wurde der Place Catalunya in Paris zum Leben erweckt
[11] https://www.leparisien.fr/paris-75/planter-des-forets-urbaines-a-paris-la-promesse-intenable-25-01-2023-SCDD3SAKVJHOJHAUYGEJAZTB3A.php
[12] https://www.paris.fr/pages/foret-urbaine-place-de-catalogne-la-concertation-est-lancee-19389
[13] Siehe dazu auch die Bilderstrecke von Hermann Kollmar und Herbert Boll auf diesem Blog: https://paris-blog.org/2023/07/13/la-petite-ceinture-die-pariser-ringbahntrasse-eine-bilderstrecke-von-hermann-kollmar-und-herbert-boll/
[14] https://www.geo.fr/environnement/le-bois-de-charonne-deuxieme-foret-urbaine-de-paris-inauguree-par-anne-hidalgo-222134
[15] https://mapcarta.com/W954861500
[16] https://parissecret.com/foret-urbaine-parvis-hotel-de-ville/
[17] Nachfolgende Luftaufnahme (sicherlich bearbeitet) aus: https://parisfutur.com/projets/projet-de-4-forets-urbaines-dans-paris/
[18] https://www.paris.fr/pages/foret-urbaine-de-l-hotel-de-ville-la-plantation-a-commence-ce-qu-il-faut-savoir-29934
[19] Des migrants installés devant l’Hôtel de ville de Paris évacués. Sur l’ordre de la Préfecture de Paris, 200 personnes ont dû quitter le parvis de la mairie, principalement des femmes et des enfants. Le Monde vom 14. August 2025
[20] https://www.paris.fr/pages/une-foret-urbaine-pour-la-place-du-colonel-fabien-30045 vom 22.9.2025 Dort auch die nachfolgend abgebildete Fotomontage
Die Bourse de Commerce ist ein grandioser Rund- und Kuppelbau, zunächst ein Getreidelager, dann eine Handelsbörse: gewissermaßen ein neuzeitliches Pantheon, das -ganz in der Ideologie des ausgehenden 19. Jahrhunderts- den Göttern des Kapitalismus und Imperialismus gewidmet war.[1]

Der inzwischen denkmalgeschützte Bau wurde in den 1760-er Jahren errichtet. 1889 diente er neben dem Eiffelturm als französischer Beitrag zur großen Weltausstellung. In den letzten Jahren wurde er von dem japanischen Architekten Tadao Ando unter Bewahrung der historischen Substanz zu einem grandiosen Ausstellungsgebäude umgestaltet. Und das in Nachbarschaft zur Kirche Saint Eustache und zum Centre Pompidou mitten in Paris. Hausherr des Gebäudes ist der französische Multimillardär Pinault, der von der Stadt Paris das Gebäude auf 50 Jahre gepachtet hat, um dort Teile seiner immensen Sammlung zeitgenössischer Kunst zu präsentieren.
Zentrum und Glanzstück der Bourse de Commerce ist die Rotunde unter der großen Kuppel – der ersten dieser Art in der Geschichte der Architektur, die Anfang des 19. Jahrhunderts über der bis dahin noch offenen Rotunde errichtet wurde.

Eingefasst ist die Kuppel von einem zur Weltausstellung angefertigten 140 Meter langen und 10 Meter hohen Panorama des weltweiten Handels.[2]
Am Bau der Kuppel wirkte übrigens auch in seinen Lehrjahren der aus Köln stammende Jakob Ignaz Hittorff mit, der hier erste Erfahrungen bei der Konstruktion mit Gusseisen und Glas sammeln konnte. Später wurde er zu einem der großen, das Stadtbild von Paris wesentlich mitprägenden Pariser Baumeister.
Der große runde, von Andos Sichtbetonwänden eingefasste Raum unterhalb der mächtigen Kuppel ist für Ausstellungsmacher eine große Herausforderung, gilt es doch, hier moderne Kunst zu präsentieren, die den hohen Ansprüchen dieses Raumes standhält.

Mit der „traumwandlerischen Installation“[3] von Céleste Boursier-Mougenot ist dies in ganz wunderbarer Weise gelungen.

Der Ausstellungsname „clinamen“ ist angelehnt an die gleichnamige Vorstellung des antiken griechischen Philosophen Epikur (um 341–271 v. Chr.). Für ihn setzte sich die Welt aus kleinsten Teilchen (Atomen) zusammen, die sich im freien Fall durch den leeren Raum bewegen. Und so bewegen sich auch die 111 Porzellanschalen unterschiedlicher Größe auf dem unter der Kuppel installierten Wasserbecken von 18 m Durchmesser.

Das Wasser wird leicht bewegt, so dass die Schalen langsam in immer neuen Konstellationen über die Wasseroberfläche gleiten, auf der sich die Architektur des Baus spiegelt.

Wenn sie zusammenstoßen, erzeugen sie je nach Größe der beteiligten Schalen und je nach Stärke des Zusammenpralls bzw. der sanften Berührung unterschiedliche Töne. Das passt manchmal zu der klirrenden Kälte, wie sie oben auf dem Deckengemälde dargestellt ist, wenn es um den Handel mit Russland und polaren Regionen geht.

Dann wieder hört man auch die Klänge eines Glockenspiels… Aber am besten überlässt man sich einfach dem Schauspiel der dahingleitenden und klingenden Schalen, den Spiegelungen des Wassers und der Meditation. Die Besucherinnen und Besucher bei unserem morgendlichen Besuch der Installation -noch vor der allgemeinen Eröffnung der Ausstellung- bewahrten jedenfalls eine ehrfurchtsvolle Stille und Ruhe, so dass man ganz ungestört mit seinen Beobachtungen, Gefühlen und Gedanken war.
Hier noch einige weitere visuelle Eindrücke:





Praktische Informationen:
Bourse de Commerce. Pinault Collection.
2, rue de Viarmes 75001 Paris
Rotonde – Rez-de-Chaussée Céleste Boursier-Mougenot: clinamen
Im Rahmen der Ausstellung Corps et âmes
Bis 21. September 2025
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Montag 11 bis 19 Uhr
Freitags nocturne bis 21 Uhr
Kartenreservierung (unbedingt empfehlenswert, um lange Warteschlangen zu vermeiden):
Die speziellen morgendlichen Termine speziell für die Installation in der Rotonde sind leider schon ausgebucht.
Einen akustischen Eindruck von der Installation bietet das Video in: Der Klang der Atome – Substantial Times
[1] https://www.prestigeonline.com/sg/lifestyle/art-plus-design/a-visit-to-the-bourse-de-commerce-pinault-collection/ Alle weiteren Fotos von Frauke und Wolf Jöckel
[2] https://www.pinaultcollection.com/fr/boursedecommerce/restauration-du-panorama-du-commerce
[3] Nana von Thielmann, Der Klang der Atome. 30. Juli 2025
Zur Bourse de Commerce/Sammlung Pinault siehe auch:
Baden in der Seine? Noch vor wenigen Jahren hätte ich mir das nicht träumen lassen. Immerhin war seit 1923 das Baden in der Seine verboten… 1988 hatte Bürgermeister Jacques Chirac es zwar vollmundig angekündigt, aber als er 2019 starb, war nichts geschehen und kein Seine-Bad in Sicht.[1]
Dass seit 2025 das Bad in der Seine dann doch für die Öffentlichkeit möglich ist, ist vor allem den Olympischen Spielen Paris 2024 zu verdanken. Es war der Ehrgeiz der Organisatoren, spektakuläre Spiele zu veranstalten und dazu einige Schwimmwettbewerbe in der Seine auszutragen. Zur Verbesserung der miserablen Wasserqualität wurden 1,4 Milliarden Euro investiert, u.a. für ein 50 000 m3 umfassendes Rückhaltebecken am gare d’Austerlitz, das verhindern soll, dass bei Starkregen Schmutzwasser ungefiltert in die Seine gelangt.[2]

Start des olympischen Frauen-Triathlons am Pont Alexandre III[3]
Zwar mussten Wettbewerbs-Termine wegen unzureichender Wasserqualität verschoben werden. Und es gab bei den Athleten vereinzelt Beschwerden wegen sehr kurzfristig angesetzter neuer Termine und wegen gesundheitlicher Probleme nach den Wettkämpfen. Aber wie auch immer: Die vorgesehenen Wettkämpfe konnten alle durchgeführt werden.
Und ein Jahr später ist nun im Rahmen des jährlichen Paris-plages-Programms für die Öffentlichkeit kostenloses Baden in der Seine möglich…

…. und zwar an drei Stellen vom 5. Juli bis Sonntag, 31. August (bzw. an zwei Stellen bis 7. bzw 14. September – siehe unten)

Es sind Bercy im Osten der Stadt gegenüber der Bibliothèque François Mitterand, Bras Marie gegenüber der Île Saint-Louis im Zentrum und Grenelle mit Blick auf den Eiffelturm im Westen.

Dazu kommen noch wie in den letzten Jahren die beiden Badestellen am Canal Saint-Martin und im Bassin de La Villette. Hier ein kleiner Überblick mit näheren Informationen und ersten fotografischen Eindrücken-und dazu noch ein Bick auf eine stadtnahe Badestelle an der Marne…
Baignade Bercy

Baignade Bercy 183, quai de Bercy, Paris 12e
Täglich von 11 bis 21 Uhr

Die Badestelle liegt gegenüber den Türmen der Bibliothek François Mitterand und unterhalb der eleganten Passerelle/Fußgängerbrücke Simone de Beauvoir.

Gleich bin ich auch dabei….

Baden ist leider nur mit den gelben luftgefüllten Kissen erlaubt. Das stört zunächst etwas, aber man kann sich daran gewöhnen. Und sich auch mal darauflegen und damit in der leichten Strömung flussabwärts treiben lassen.

Allerdings war es bei unserem Besuch ziemlich voll: Also schön, im Flusswasser zu baden. Schwimmen war da aber nicht möglich…

Auf der anderen Seite der Seine liegt das Badeschiff Josephine Baker. [2a] Das bietet sich als Alternative für diejenigen an, die -aus welchen Gründen auch immer- Bad in der Seine scheuen, aber ein Bad auf der Seine. Hier war aber ganz offensichtlich der Andrang beim Badeschiff sehr gering. Das Bad in der Seine war offenbar attraktiver ..
Baignade Bras Marie
Baignade Bras-Marie 2, port des Célestins, Paris 4e
Montag bis Samstag 8-11.30 und Sonntag 8-17.30 Uhr
https://www.paris.fr/evenements/paris-plages-baignade-dans-la-seine-au-bras-marie-88863



Gute Bedingungen fürs Schwimmen: Zwar etwas wolkig, aber gute Wasserqualität („bomme“ bedeutet wohl/hoffentlich „bonne“) und 24 Grad Wassertemperatur

Ein Selfie fürs Fotoalbum, im Hintergrund der Pont Marie. Es ist -nach dem Pont Neuf- die zweitälteste noch erhaltene Brücke der Stadt. Auf der anderen Seite des Seine-Arms auf der Île Saint-Louis stehen noble Stadtpalais aus dem 18. Jahrhundert; den Anfang macht das exquisite hôtel Lambert: in der Tat „un tableau théâtral parisien.“ (Télérama 23.7.2025). Ein paar Schritte weiter flussabwärts gibt es die bar des Nautes im ehemaligen Maison des Célestins, und hinter dem Pont Marie die als Bars und Restaurants dienenden Flussschiffe; dazu genug Platz entlang der Seine zum Hinsetzen, Hinlegen, „Chillen“ – da, wo noch vor wenigen Jahren auf der Voie Pompidou die Autos entlangrasten….

Sehr schön ist auch, dass es, anders als in Bercy, hier keine feste Absperrung zur Seine gibt. Das ist ein ganz anderes Badegefühl. Allerdings lag bei unserem Besuch ein Polizeiboot in der Nähe. Das ist offenbar abgestellt, um zu verhindern, dass jemand mal ins „Freie“ schwimmt… Die Stadtverwaltung von Paris tut alles nur Erdenkliche dafür, um Beeinträchtigungen des „Grand Bain“, des großen Seine-Badefestes zu verhindern…
Bras de Grenelle
https://www.paris.fr/lieux/paris-en-seine-baignade-grenelle-20613 4 Port de Grenelle, Paris 15e Gegenüber der Face Île aux Cygnes
Montag bis Freitag und Sonntag 10-17.30, Samstag 10-16.45 Uhr
Metro Station Bir-Hakeim

Als wir am 20. Juli bei schönstem Wetter zur Badestelle kamen: Kein Zugang. Enttäuschte Schwimmfreunde, „außerordentliche Schließung“ – ohne weitere Erklärung. Der allein anwesende Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma konnte auch keine Auskunft geben.
Ganz offensichtlich handelte es sich um ein Problem der Wasserqualität. Am 19. Juli hatte es einen Starkregen gegeben, der offenbar die Pariser Kanalisation überfordert hatte. Das hatte es ja auch schon bei den Olympischen Spielen gegeben, wo Wettbewerbe verschoben werden mussten, und auch kurz nach dem 5. Juli, als gleich nach Beginn der Seine-Badesaison die Badegelegenheiten schon wieder geschlossen werden mussten. Das Bad in der Seine ist also mit einigen Unwägbarkeiten verbunden, zumal man aufgrund des Klimawandels mit solchen Starkregen-Ereignissen immer häufiger rechnen muss.
Wir konnten am 20. Juli also nur Bilder von der menschenleeren Anlage vom Bras de Grenelle machen.



Blick auf das Grenelle-Bad vom Pont Bir-Hakeim

Auf der Seite von www.paris.fr gibt es immerhin auch Bilder mit Badegästen.[5]

Wir haben uns dann damit getröstet, dass es in der Nähe ja eine ganze Reihe von Orten gibt, die einen Besuch lohnen: So die Nachbildung der Freiheitsstatue auf der Île aux cygnes, die „Jeanne d’Arc Statue“ auf dem Pont Bir-Hakeim und die Gedenkstätten an die Razzia du Vel‘ d’Hiv‘.
Insgesamt war allerdings die Einrichtung der drei Badeanstalten in der Seine ein großer Erfolg. Der Parisien vom 5. August meldete am 5. August 2025, also nach genau einem Monat seit Beginn der Seine-Badesaison, dass insgesamt etwas über 35 000 Personen von der neuen Möglichkeit Gebrauch gemacht hatten – eine doch beträchtliche Zahl, wenn man bedenkt, dass im ersten Monat aufgrund der „kapriziösen Wetterbedingungen“ nur an 17 Tagen das Baden in der Seine möglich war….
Aktueller Nachtrag (28. August und 6. September 2025)
Insgesamt waren es von Anfang Juli bis Ende August etwa 100 000 Badegäste, die das Angebot des Seine-Schwimmens genutzt haben. (Le Parisien vom 27.8.: La baignade dans la Seine prolongée en septembre sur deux sites)
Aufgrund des großen Erfolgs hat die Pariser Stadtverwaltung beschlossen, die Badesaison an der Seine zu verlängern: Zunächst hieß es, Grenelle schließe erst am 7. September, Bercy am 14. September. Dann wurde aber die Badesaison in der Seine publikumswirksam bis zum 21. September verlängert.

Für den Bras Marie bleibt es beim vorgesehenen Abschluss Ende des Monats. Verantwortlich ist dafür der Schiffsverkehr, der an dieser Stelle bei Badebetrieb unterbrochen werden muss, aber ab September wieder in vollem Umfang aufgenommen werden soll. Auch im nächsten Jahr wird am Bras Marie kein Baden mehr möglich sein. Ein alternatives Angebot wird geprüft.

Insofern ist dieses Werbeplakat leider unkorrekt: Es handelt sich bei dem Foto ja eindeutig um die Badestelle Bras Marie, wo das Baden gerade nicht verlängert wurde…. Das gilt auch für dieses Foto aus der „Verlängerungs-Serie“.

Ganz offensichtlich ist/war das Bad am Bras Marie das schönste und werbewirksamste. Wie schade, dass gerade dieses Bad dauerhaft geschlossen wird…
Bassin de la Villette
Baignade estivale – La Villette
40 Quai de la Loire, Paris 19e
Wie schon in den vergangenen Jahren [6] gibt es auch in diesem Jahr wieder bis 31. August die Möglichkeit, im Bassin de la Villette zu baden und zwar sonntags von 11-18 Uhr und montags bis samstags von 11-21 Uhr
https://www.paris.fr/evenements/baignade-la-villette-39372


An Wochenenden und bei schönem Wetter muss man aber mit großem Andrang und ggf. entsprechenden Wartezeiten rechnen.
Zweimal in der Woche gibt es auch eine Badegelegenheit im Canal Saint-Martin:
Canal Saint – Martin / Jemmapes
https://www.paris.fr/lieux/baignade-estivale-canal-saint-martin-20412
Mittwoch 12 – 15.30 Uhr; Sonntag 13 – 17 Uhr
116 Quai de Jemmapes, Paris 10e

Bild: www.paris.fr
Es ist sehr empfehlenswert, sich über die aktuellen Bademöglichkeiten/Schließungen zu informieren: https://www.sortiraparis.com/actualites/a-paris/articles/330514-fermeture-site-baignade-seine-canal-paris
Auch in der Marne kann man -wenn Wetter und Wasserqualität mitspielen- wieder schwimmen!
plage de Maisons-Alfort
1, avenue Joffre, Maisons-Alfort (94).

Die Badestelle 2017
In den ersten Jahren unseres Paris-Aufenthaltes waren wir oft im Sommer an der Marne. Da gab es gut erreichbar mit der Métro Linie 8 die Stufen einer ehemaligen Badeanstalt. Offiziell war das Baden verboten, aber selbst die städtische Polizei, die ab und zu vorbeikam, ermahnte höchstens die Sonnenanbeter und (potentiellen) Badegäste, wegen der Wasserqualität und des Schiffsverkehrs auf das Bad im Fluss zu verzichten, ließ es aber dabei bewenden.[7] Verzichtet haben wir dann erst auf das Bad in der Marne, als ich beinahe beim Kraulen im Fluss von einem Lastkahn „überfahren“ worden wäre und als einmal an der Badstelle große tote Fische im Wasser dümpelten.

Die ehemalige Badestelle 2025
Im Rahmen der Vorbereitung für die Olympischen Spiele wurden erhebliche Anstrengungen unternommen, das Wasser auch der Marne zu säubern. Sie mündet ja kurz Paris in die Seine und hat deshalb große Bedeutung für deren Wasserqualität. [8] So konnten 2025 auch an der Marne vier Badeanstalten eröffnet werden, darunter die von Paris aus gut erreichbare in Maisons-Alfort: Es gibt dort zwar jetzt weniger freizügiges und auch nicht mehr kostenloses Schwimmen, aber dafür mehr Komfort und mehr Sicherheit.

Badestelle Maisons-Alfort. Täglich 10-18 Uhr. Mittwoch 10-20 Uhr, Samstag 10-19 Uhr. Für auswärtige Besucher 8 Euro Eintritt für ein Zeitfenster von zwei Stunden. (Einheimische zahlen 3 Euro). Reservierung (max 3 Tage vorher) unter marneboisplages.fr

Es gibt zwei Becken, eines, in dem auch Kinder stehen können, ein zweites, immerhin 50 Meter langes Becken zum Schwimmen. Und das ist im Vergleich zu den Badestellen in der Seine doch etwas Besonderes und versöhnt vielleicht mit dem hohen Eintrittspreis.[9]

Ein Nachteil ist allerdings ein permanenter Geräuschpegel: Entlang der anderen Seite der Marne verläuft die Autoroute de l’Est, in der Nähe der Badeanstalt überqueren zwei Brücken mit Autobahnzufahrten die Marne….

Wir wären trotzdem sehr gerne nach so vielen Jahren wieder in der Marne geschwommen, aber dann war auch dort geschlossen… .
Die Badeanstalt erreicht man in „20 Minuten von der Metro„[10] Wenn man nicht im Sturmschritt läuft, dauert es allerdings etwas länger : Métro Linie 8, Station École Vétérinaire Maisons-Alfort. Von dort sind es nur wenige Schritte bis zur Marne, dann flussaufwärts entweder die Straße (Rue du maréchal Juin und dann Avenue Foch) oder den alten/neu angelegten Treidelpfad/Leinpfad (chemin de halage) entlang der Marne. Den sollte man für einen Weg nutzen: Ein schöner Spaziergang!




[1] Zur Geschichte des Seine-Badens siehe auch: https://paris-blog.org/2017/08/07/sommer-in-paris-schwimmen-im-bassin-de-la-villette-in-der-marne-und-aufin-der-seine/
[2] https://paris-blog.org/2023/05/15/in-einem-jahr-die-olympischen-spiele-von-paris/
[2a] Bénédicte Vicent, Vous n’osez pas nager dans la Seine ? Cette piscine vue fleuve est le spot rêvé de cet été – et elle est vraiment magique la nuit. Paris secret. 22. Juli 2025 https://parissecret.com/piscine-parfaite-vue-seine-paris/
[3] JO Paris 2024 : les images incroyables des triathlètes lors de leur plongée dans la Seine
[4] Dort auch das nachfolgende Foto
[5] https://cdn.paris.fr/paris/2025/07/05/original-4a80a080d032190c0c5e6b1eff15e66b.jpg
[6] https://paris-blog.org/2017/08/07/sommer-in-paris-schwimmen-im-bassin-de-la-villette-in-der-marne-und-aufin-der-seine/
[7] https://paris-blog.org/2017/08/07/sommer-in-paris-schwimmen-im-bassin-de-la-villette-in-der-marne-und-aufin-der-seine/
[8] https://www.valdemarne.fr/le-conseil-departemental/cadre-de-vie/assurer-le-retour-a-la-baignade/2025-grand-retour-de-la-baignade
[9] https://www.enlargeyourparis.fr/artdevivre/jai-teste-la-baignade-dans-la-marne-et-jai-aime-ca
[10] https://actu.fr/ile-de-france/maisons-alfort_94046/une-plage-a-20-minutes-du-metro-c-est-ouf-a-maisons-alfort-la-baignade-dans-la-marne-enfin-autorisee_62856296.html
Im Frühjahr 2025 fand in den Archives Nationales in Paris eine Ausstellung statt, in der die erste bildliche Darstellung der Jeanne d’Arc zu sehen war: Eine kleine Zeichnung, angefertigt am 10. Mai 1429, als sich in Paris die Nachricht von der Niederlage der Engländer bei Orleans verbreitete. Sie befindet sich am Rand des Régistre du conseil, des Protokolls des Parlaments von Paris: Der Protokollant, Clément de Fauquembergue, hat Jeanne d’Arc nie gesehen und stellte sie so dar, wie er sie sich aufgrund der umlaufenden Berichte vorstellte und wie sie bis heute unser Bild von Jeanne d’Arc geprägt haben.
Diese Ausstellung hat mich angeregt, mir einmal gezielt die Pariser Statuen der Nationalheldin und Nationalheiligen Jeanne d’Arc anzusehen, sie in ihren historischen Kontext einzuordnen und in ihren unterschiedlichen Darstellungsformen besser zu verstehen.
Das Andenken an Jeanne d’Arc ist nicht neutral: Es ist „Ausdruck der geistigen Konflikte, welche die französische Gesellschaft seit Beginn der Moderne gespalten haben.“ Über nahezu 50 Jahre stritten sich die Linke und die Rechte in Frankreich um sie. [1] Für die Linken war sie eine “Bannerträgerin des antiklerikalen Republikanismus“; aber auch der nationale Katholizismus entdeckte Jeanne d’Arc als Kultfigur. Und die extreme Rechte beanspruchte sie als Ahnherrin und versammelte sich einmal im Jahr vor ihrem Reiterstandbild auf der place des Pyramides in Paris.
Jeanne d’Arc war damit gleichzeitig republikanische Nationalheldin und katholische Nationalheilige, und in der Erinnerung an die „Heilige des Vaterlandes“ konnte sich das republikanische mit dem katholischen Frankreich aussöhnen. Es gibt jedenfalls keine andere historisch belegte Frauengestalt, die noch nahezu 600 Jahre nach ihrem Tod im kulturellen Gedächtnis der Franzosen so lebendig geblieben ist. Dem entsprechend ist auch keine andere Person, erst recht keine Frau, derart oft im öffentlichen Raum von Paris präsent: Es gibt hier insgesamt 7 Jeanne d’Arc – Statuen -wozu noch viele andere in Kirchen kommen.
Nachfolgend möchte ich einige dieser Statuen vorstellen: Sie geben einen Einblick in die Geschichte des Mythos der Jeanne d’Arc, aber auch in den Zusammenhang dieses Mythos mit der Sozialgeschichte und der politischen Geschichte Frankreichs.
Beginnen möchte ich mit einem Standbild der betenden Jeanne d’Arc vor der Kirche Saint Honoré-d’Eylau (16. Arrondissement). Es handelt sich um die Kopie eines Werks der Marie d’Orléans (1813-1839). Marie d’Orléans war eine Tochter des „Bürgerkönigs“ Louis Philippe. Bevor sie durch ihre Heirat Herzogin von Württemberg wurde, betätigte sie sich, Schülerin des romantischen Malers Ari Scheffer, als Bildhauerin. Besonders intensiv beschäftigte sie sich mit der Gestalt der Jeanne d’Arc: In Versailles gibt es die Marmorstatue einer betenden Jeanne, von der zahlreiche Kopien angefertigt wurden. Eine davon steht vor der Kirche Saint Honoré-d’Eylau in Paris.

Es ist das anrührende Bild eines im Gebet versunkenen jungen Mädchens. Es tragt zwar Rüstung und ein Schwert in ihren Händen, aber es ist nichts Martialisches an ihr. Dazu passt auch eine weitere Jeanne d’Arc- Skulptur der Marie d’Orléans: Das im Musée des beaux-arts Lyon ausgestellte Standbild der reitenden Jeanne d’Arc, weinend angesichts der verwundeten Engländer: Jeanne d’Arc ist zwar eine Kämpferin, aber sie hat auch Gefühle: Sie bekämpft die Engländer, sieht aber auch das Leid. Sie ist demütig, senkt ihr Haupt vor den Opfern und vor Gott.[2]
Aus der Zeit vor 1871 stammt auch die Jeanne d’Arc-Statue von François Rude. Rude wurde berühmt durch das Marseillaise genannte Relief am Arc de Triomphe, das den Auszug der Freiwilligen 1792 darstellt und verherrlicht. Die von ihm geschaffene Jeanne d’Arc-Statue gehörte zu der Galerie bedeutender Frauen, die im Jardin du Luxembourg aufgestellt sind. Um sie allerdings vor den Witterungseinflüssen zu schützen, wurde sie 1872 ins Louvre überführt und durch eine andere Statue ersetzt. [3]

Rude hat Jeanne als einfaches Mädchen dargestellt. Sie kommt vom Feld oder Garten und trägt in der linken Hand das, was sie dort gesammelt hat. Die andere Hand hat sie ans Ohr gelegt: Sie hört die Stimmen, die zu ihr sprechen. So steht sie zögernd da zwischen Erde und Himmel- drei Jahre soll es ja gedauert haben, bis sie sich entschloss, ihren Stimmen zu folgen. Auf den Boden hat Rude aber schon eine Rüstung gestellt, die auf ihre Bestimmung verweist.
Ganz anders die vier Standbilder, die zwischen 1871 und 1914, dem „goldenen Zeitalter“ der städtischen Skulptur, in Paris errichtet wurden. Insgesamt wurden in diesen Jahren etwa 150 Skulpturen in Paris aufgestellt, die fast ausschließlich „großen Männern“ gewidmet waren. Nur acht stellen bedeutende Frauen dar, vier davon Jeanne d’Arc. Die vier anderen Frauen-Skulpturen waren in dem zurückgezogenen Bereich öffentlicher Gärten und Grünanlagen aufgestellt – wie etwa die Skulptur der Marguerite Boucicaut, der Besitzerin des Kaufhauses Bon Marché. Drei der Jeanne d’Arc- Skulpturen dagegen befinden sich an prononcierten Stellen: Plätzen (place des Pyramides) oder Verkehrsadern (Saint-Augustin, Saint-Marcel). Und dass gleich vier Standbilder der Jeanne d’Arc aufgestellt werden, zeigt ihre Bedeutung als Verkörperung des Patriotismus und der nationalen Einheit nach der Niederlage von 1871 und dem Verlust des Elsass und eines Teils von Lothringen.[4]
Jeanne d’Arc, Place des Pyramides

Das Standbild auf der place des pyramides ist das erste überhaupt, das in Paris nach dem verlorenen Krieg von 1870/71 errichtet wurde, und zwar 1874. Der Standort ist in dreifacher Hinsicht bedeutsam:
Es war der Staat, der das Standbild bestellte und finanzierte, was seine Bedeutung unterstreicht. Emmanuel Frémiet, ein zu jener Zeit bekannter Bildhauer, wurde für diese wichtige Aufgabe ausgewählt. Und knauserig war der doch immerhin von hohen Reparationen belastete Staat nicht: Das Material des Denkmals ist leuchtende vergoldete Bronze und nicht der preisgünstigere Marmor. Jeanne d’Arc ist hoch zu Ross dargestellt: Lange Zeit Ausdruck königlicher Macht verleiht eine Reiterstatue im 19. Jahrhundert eine patriotische Aura. Jeannes Blick ist entschlossen geradeaus gerichtet, das -wie bei Fauquembergues erstem Portrait– geschweifte Banner hoch erhoben. Gekrönt ist sie mit einem Lorbeerkranz, dem weltlichen Pendant des Heiligenscheins. So ist Jeanne ein Symbol des Widerstands, des Kampfes- und Siegeswillens Frankreichs.
Die mythische Figur der Jeanne d’Arc wurde von verschiedenen Gruppen reklamiert, auch von Monarchisten und antirepublikanischen Nationalisten. Die Standbilder wurden zu Orten von Kundgebungen und politischen Auseinandersetzungen. Dies gilt gerade für das Reiterstandbild auf der place des pyramides, das der extremen Rechten als Versammlungsort diente: Anhänger der Action française und später des Front National Le Pens versammelten sich dort am 1. Mai. Im Zuge ihrer Bemühungen um „De-Diabolisierung“ hat allerdings Marine le Pens „Rassemblement National“ 2024 mit dieser Tradition gebrochen.[5]

T Samson/AFP
Jeanne d’Arc, libératrice de la France: boulevard Saint-Marcel
Diese Statue, ein Werk des Bildhauers Émile-François Chatrousse, wurde 1891 auf Vorschlag der Einwohner des Viertels an der Kreuzung des Boulevard Saint-Marcel und der Straßen Jeanne-d’Arc und Duméril errichtet. Jeanne d’Arc war zwar niemals hier gewesen, aber viele Straßennamen der Umgebung erinnern an die Zeit des Hundertjährigen Krieges: Die rue de Domremy an den Geburtsort Jeanne d’Arcs, die rue Xaintrailles, die rue Dunois und die rue Lahire an Waffengefährte Jeanne d’Arcs, die rue de Patay an einen Sieg Jeannes über die Engländer. Dazu gibt es den Platz Jeanne-d’Arc und die Kirche Notre-Dame-de-la Gare, die auch gerne église Jeanne-d’Arc genannt wird. Diese Namensgebung geht auf das Zweite Kaiserreich Napoleons III. zurück und ist ein Hinweis auf den durchgängigen Jeanne d’Arc- Kult im 19. Jahrhundert, ungeachtet aller politischer Veränderungen. [6]

Das Denkmal ist ausdrücklich der Libératrice de la France gewidmet, womit der Gegenwartsbezug deutlich betont wird; zumal es ja auf einer Straßenverbindung zwischen der Place de la Bastille und der Place Denfert -Rochereau liegt: Die Julisäule auf dem Place de la Bastille ist ein Symbol des Freiheitskampfes, den Place Denfert-Rochereau beherrscht die große Skulptur des Löwen von Belfort, die „an die heldenhafte Verteidigung der Stadt im deutsch-französischen Krieg erinnert. [7]

Schild der Jeanne d’Arc mit ihrem Wappen (Schwert, Krone und zwei königlichen Lilien)[8]
Eine Kopie dieser Statue wurde 1891 vor dem maison d’éducation de la Légion d’honneur in Saint-Denis aufgestellt.[9]
Jeanne d’Arc, place Saint Augustin, ein Beitrag zur Volkserziehung

Diese Reiterstatue Jeanne d’Arcs (8. Arrondissement) ist -wie die auf der place des Pyramides- an einem sehr prononcierten Ort aufgestellt: Die place Saint Augustin befindet sich an der Schnittstelle des Boulevard Haussmann und des Boulevard Malesherbes, zwei der neuen vom Baron Haussmann konzipierten großen Verkehrsachsen der Stadt. Und sie steht vor der Kirche Saint Augustin, einem von Victor Baltard, dem Architekten der Pariser Hallen, konzipierten Bau: Zum ersten Mal wurden hier bei einem Kirchenbau dieser Größe wesentliche aus Metall gefertigte Bauteile verwendet. Und Napoleon III. bestimmte, dass Prinzen und Prinzessinnen der kaiserlichen Familie in der Krypta der Kirche bestattet werden sollten. Das verhinderte dann die französische Niederlage im Krieg 1870/71.
Der von noblen Cafés gesäumte Platz in einem neu entstandenen bourgeoisen Viertel galt den Zeitgenossen als angemessener Ort für die Reiterstatue Jeanne d’Arcs. 1900 dort aufgestellt, ist sie mit ihrem hoch erhobenen Schwert in der rechten Hand Ausdruck eines gesteigerten Nationalgefühls.[10]

In Auftrag gegeben wurde das Standbild nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71, der zur Abtretung des Elsass und von Teilen Lothringens an das Deutsche Reich führte. Die aus Lothringen stammende Jeanne d’Arc verkörpert damit eine höchst politische Botschaft: Den Willen zum Widerstand- damals gegen die Engländer, heute gegen die Deutschen, die Teile Frankreichs besetzt hatten bzw. haben.
Den Blick zum Himmel gerichtet und vor die Fassade der Kirche postiert, erhält Jeanne d’Arc hier gewissermaßen göttliche Weihen. Sie ist, auf dem Weg zur Heiligsprechung durch die katholische Kirche, schon dargestellt wie eine Heilige.

Bemerkenswert sind die ausführlichen Inschriften auf der Vorderseite und den Seiten des Sockels. Die Inschrift auf der Vorderseite: „Jeanne d’Arc (1412-1431). Im Alter von 17 Jahren macht sie sich daran, die Feinde aus Frankreich zu verjagen. Sie durchbricht die Belagerung von Orléans, vernichtet die englische Armee bei Patay, führt Charles VII nach Reims und lässt ihn zum König krönen. Als sie Paris befreien will, wird sie verwundet, vor Compiègne gefangen genommen und lebendigen Leibes von den Engländern in Rouen verbrannt. Sie wurde 19 Jahre alt.“[11]
Diese Inschrift dramatisiert den Tod der jungen Jeanne und beschuldigt direkt die Engländer. Das für die Inschriften auf Pariser Denkmälern zuständige Komitee votierte dann allerdings für eine abgemilderte Inschrift:
„Jeanne d’Arc/Befreierin Frankreichs/ geboren in Domrémy/ am 6. Januar 1412/Lebendigen Leibes in Rouen verbrannt/am 30. Mai 1431.“ [12]
Christel Sniter bezeichnet diese Version als Ausdruck des allgemein anerkannten Verständnisses von Jeanne d’Arc als „Befreierin Frankreichs“. Insofern nimmt die Inschrift eine neutrale Position ein gegenüber den verschiedenen innenpolitischen Deutungen und Inanspruchnahmen Jeannes. Außenpolitisch ist die neue Version aber ganz und gar nicht neutral: Denn die zweite Version erwähnt nicht mehr die Engländer als Verantwortliche für den Tod Jeannes, auch nicht ihre Kämpfe gegen die Engländer. Dafür wird ihr Geburtsort in Lothringen genannt. Die Rolle Jeannes als „Libératrice de la France“ hat damit nicht nur eine historische, sondern auch eine ganz aktuelle Bedeutung. Die „Schonung“ der Engländer in dieser zweiten Version könnte m.E. vielleicht auch mit der außenpolitischen Situation Frankreichs im Kräftespiel der europäischen Mächte um 1900 zusammenhängen. Frankreich war damals schon mit Russland verbunden, Großbritannien aber noch ungebunden. Es hatte durchaus gemeinsame Interessen mit dem Deutschen Reich, aber koloniale Interessengegensätze mit Frankreich. Vielleicht spiegelt sich in der zweiten Version eine französische Behutsamkeit gegenüber Großbritannien- ganz im Gegensatz zu der wahnwitzigen deutschen Flottenpolitik Kaiser Wilhelms II. und des Admirals Tirpitz, die Großbritannien in die Arme Frankreichs trieb (Entente cordiale von 1904).
Heute ist an der Vorderseite des Sockels wieder die ursprüngliche Version angebracht.
Eglise St-Denys de la Chapelle (XVIIIème arrondissement)
Die Statue vor der Basilique Ste Jeanne d’Arc geht auf einen Wunsch des Geistlichen der Kirchengemeinde St-Denys de la Chapelle zurück. Sie wurde 1894 vor der Kirche aufgestellt, also in dem Jahr, in dem der Vatikan Jeanne d’Arc als verehrungswürdig anerkannte.

Das Dorf La Chapelle war kürzlich eingemeindet worden. Die Statue vor der Kirche, ein Werk von Félix Charpentier (1858-1924), sollte den neuen Stadtteil aufwerten und ein Bezugspunkt für die Bevölkerung sein. Jeanne ist zu Fuß und trägt ihre Standarte. Sie ist weniger kriegerisch als die republikanischen Reiterstatuen von der place des Pyramides und der place Saint Augustin, eher beschützend und nachdenklich: Ein Beispiel dafür, wie sich die Kirche die Kultfigur aneignete.

Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs beschloss die Kirchengemeinde, neben der bisherigen Kirche eine Basilika zu Ehren Jeanne d’Arcs zu errichten. Sie war damals zwar noch nicht heiliggesprochen, wie es die Tafel feststellt, aber das war nur noch eine Frage der Zeit.
Der Bau der Basilika litt aber unter einem Mangel an Geldmitteln, so dass sie wesentlich bescheidener ausfiel als ursprünglich geplant und in der Straßenfront des Boulevard Saint Chapelle kaum auffiel. Deshalb erhielt die Statue 2004 einen neuen Platz neben dem Eingang der Basilika.[13]

Die Reiterstatue Jeanne d’Arc neben dem Hauptportal von Sacré Coeur (1927)

Die Kirche Sacré-Cœur gehört zu den Wahrzeichen von Paris. Dass es sich bei der rechts neben dem Hauptportal auf halber Höhe aufgestellten Statue aber um Jeanne d’Arc handelt, dürfte weniger bekannt sein.[14] Die Statue – das Pendant zu der des heiligen Ludwig auf der linken Seite- ersetzte 1927 die bisher an dieser Stelle aufgestellte Statue des heiligen Martin. Der Unterschied könnte nicht ausgeprägter sein: Statt des Heiligen der Barmherzigkeit jetzt eine extrem kämpferische, das Schwert hoch erhobene Jeanne d’Arc, bereit alle Feinde Frankreichs zu vernichten. Dass Jeanne eine Frau, eine Jungfrau, war, ist nicht zu erkennen. [15]

Vertreter/innen der LGBTQ+ Bewegung mögen hier eine non-binäre Jeanne d’Arc erkennen. Aber das ist eine unhistorische Perspektive. Die androgyne Jeanne d’Arc von Sacré-Cœur bringt zum Ausdruck, dass stark und kämpferisch offenbar nur ein Mann sein kann. Aber beide Sichtweisen sind, wie Robert Tombs, Professor in Cambridge feststellt, eine Beleidigung für alle Frauen: Als hätten sie nicht den Mut, ihr Leben für ihre Überzeugungen einzusetzen, als gäbe es kein weibliches Heldentum.[16] Und dies ausgerechnet in den 1920-er Jahren, einer Zeit also, in der die Emanzipation der Frau ein zentrales gesellschaftliches Thema war. Aber insofern passt die auf Paris herabblickende Jeanne d’Arc zu Sacré-Cœur: Ist die Kirche doch ein Werk der Reaktion, gebaut ab 1875 als Sühnezeichen für die (angeblichen) Verbrechen der Pariser Commune und als ein ganz Paris beherrschendes triumphales Fanal der siegreichen Gegenrevolution.
„La France Renaissante“ alias Jeanne d’Arc: Pont de Bir-Hakeim (XVIème arrondissement)

Diese Statue auf dem Pont- Bir Hakeim ist in mehrfacher Hinsicht kurios:
Die Statue ist ein Werk des dänischen Künstlers Holger Wederknich (1886 – 1959), der sie 1930 im Grand Palais ausstellte und 1948 der Stadt Paris schenkte.

Die Folge waren heftige und lange Debatten wegen der Gestaltung des Werks und wegen seines ausländischen Schöpfers. Kann oder darf ein Ausländer überhaupt eine Statue der französischen Nationalheiligen schaffen, und dann auch noch eine solche? Und wenn ja, wo sollte der Platz für dieses etwas dubiose Geschenk sein? 1955 endlich akzeptierte der Pariser Stadtrat die Statue und bestimmte die île aux cygnes, auf deren westlichem Ende eine Replik der Freiheitsstatue steht, als Standort. Dazu passt ja auch der Strahlenkranz um das Haupt der Jeanne d’Arc.

Ein Jahr später erhob allerdings die Commission des Monuments Commémoratifs Einspruch: Das Standbild entspreche nicht der traditionellen Ikonographie. Was tun, nachdem die Stadt doch schon das Geschenk angenommen hatte? Der Künstler, die dänische Botschaft und die Stadt Paris fanden schließlich eine Lösung: Die Statue, die dann schließlich 1958 auf der Schwaneninsel aufgestellt wurde, trägt nicht den Namen Jeanne d’Arcs, sondern wurde „La France Renaissante“ getauft. Und dazu passt auch die Erinnerungstafel an die Kämpfe französischer Truppen in Nordafrika: Sie hätten damals der Welt gezeigt, dass Frankreich niemals aufgehört habe zu kämpfen. Da ist also wieder die kämpferische Jeanne d’Arc der Jahre nach der Niederlage von 1871….

Und so darf das wieder auferstehende Frankreich darf seitdem mit gezücktem Schwert in Richtung Eiffelturm galoppieren… [17]


Jeanne d’Arc als Nationalheilige
Dass Jeanne d’Arc auch von den „nationalen Katholiken“ Frankreichs als Kultfigur entdeckt wurde, ist auch einem Deutschen zu verdanken: „In den 1830-er Jahren hatte Guido Görres, Sohn des berühmten katholischen Publizisten Joseph Görres, eine ‚Johanna von Orleans‘ verfasst, in der Jeanne … als Frau aus dem Volk mit göttlichem Auftrag agierte.“ [18] Das Buch war seit den 1840-er Jahren in mehreren französischen Ausgaben zugänglich. Der Bischof Dupanloup, seit 1849 Bischof von Orleans und Protagonist einer Neubestimmung Jeanne d’Arcs als katholischer Heldin, bezog seine historischen Kenntnisse und seine These von der Heiligkeit Jeanne d’Arcs im kanonischen Sinne hauptsächlich aus Görres‘ Buch. 1867 brachte Dupanloup mit Unterstützung aller katholischer Bischöfe Frankreichs ein formelles Heiligsprechungsbegehren vor den Heiligen Stuhl. Pius IX. leitete 1894 einen entsprechenden Prozess ein. „1894 wurde Jeanne als venerabilis (ehrwürdig), die erste Stufe der Heiligsprechung anerkannt, 1909 folgte die Seligsprechung und 1920 schließlich -nach einigen Verzögerungen“- die Heiligsprechung.“[19]
Dementsprechend gibt es auch zahlreiche Figuren der heiligen Jeanne d’Arc in Kirchen. Auf dem Scheiterhaufen verbrannt, wird sie von katholischen Gläubigen als Märtyrerin verehrt:
Nach Gottes Willen sollte Johannas Leben mit der Verherrlichung des Martyriums gekrönt werden: Sie wurde in Compiègne verraten, an die Engländer verkauft und nach langer Gefangenschaft, in der sie jede Schande erlitt, verurteilt und am 30. Mai 1431 in Rouen verbrannt. Ihre Seele verließ ihren Körper in Gestalt einer Taube, und ihr Herz blieb von den Flammen verschont.[20]

Jeanne d’Arc als Märtyrerin in der Basilique Jeanne d’Arc de la Chapelle
Andere Jeanne d’Arc-Skulpturen in Kirchen stellen sie -so wie die republikanischen Statuen- in Rüstung mit Banner und Schwert dar, aber anstelle des Schwertes ist das Gesicht deutlich zum Himmel erhoben, von dem sie ihre Eingebungen und Weisungen erhalten hat:
„Mit dreizehn Jahren hörte sie geheimnisvolle Stimmen…. Drei Jahre lang forderten der Erzengel Michael, die heilige Katharina von Alexandrien und die heilige Margarete von Antiochia sie auf, Frankreich zu befreien und den König in Reims krönen zu lassen.“[21]

Dieses Standbild der betenden Jeanne d’Arc wurde 1921, ein Jahr nach ihrer Heiligsprechung, in Notre-Dame de Paris aufgestellt. In der „Kirche der Nation“ musste selbstverständlich auch die neue Nationalheilige ihren Platz haben. Das Material ist weißer Marmor, Symbol der Reinheit.

Statue der heiligen Johanna in Saint Eustache

Und weil zur Heiligsprechung auch die Fähigkeit gehört, Wunder zu vollbringen, gibt es bei der Statue in Sainte Eustache auch eine Votivtafel mit einem entsprechenden Dank.
Anmerkungen:
[1] In der Einleitung zu diesem Beitrag beziehe ich mich auf: Michael Winock, Jeanne d’Arc. In: Pierre Nora (Hrsg.), Erinnerungsorte Frankreichs. München: C.H.Beck 2005, S. 368 und Gerd Krumeich, Jeanne d’Arc. Die Geschichte der Jungfrau von Orleans. C.H.Beck 2006 Nachleben, S. 111ff Zu den Darstellungen Jeanne d’Arcs in der Kunst siehe: https://balises.bpi.fr/jeanne-darc-beaux-arts/
Alle Bilder des Blog-Beitrags, wenn nicht anders angegeben, von Wolf Jöckel
[2] https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Statue_de_Jeanne_d%27Arc_de_l%27%C3%A9glise_Saint-Honor%C3%A9-d%27Eylau_de_Paris#/media/File:Statue_Jeanne_d’Arc_-_%C3%89glise_Saint-Honor%C3%A9-d’Eylau_de_Paris_(%C3%A9glise_ancienne)_4-2.jpg Eine andere Kopie dieser Statue befindet sich in der Kirche Saint-Vincent-de Paul. Es gibt eine weitere Jeanne d’Arc- Skulptur der Marie d’Orléans: Jeanne d’Arc, hoch zu Ross, beweint einen vor ihr liegenden Engländer. https://fr.pinterest.com/pin/508484614169424494/ und ‚https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Jeanne_d’Arc_pleurant_%C3%A0_la_vue_d’un_Anglais_bless%C3%A9_by_Marie_d’Orl%C3%A9ans#
[3] Rude, FrançoisFrance, Musée du Louvre, Département des Sculptures du Moyen Age, de la Renaissance et des temps modernes, RF 2974 – https://collections.louvre.fr/ark:/53355/cl010094788 – https://collections.louvre.fr/CGU
[4] Christel Sniter, La guerre des statues. La statuaire publique, un enjeu de violence symbolique : l’exemple des statues de Jeanne d’Arc à Paris entre 1870 et 1914 https://shs.cairn.info/article/SR_011_0263?lang=fr
Es gibt eine Liste der französischen Jeanne d’Arc- Statuen, die aber völlig unvollständig ist: https://de.frwiki.wiki/wiki/Liste_de_statues_de_Jeanne_d%27Arc#google_vignette Da sind zum Beispiel die Reiterstatuen Place des Pyramides und Place Saint Augustin nicht berücksichtigt.
[5] https://www.20minutes.fr/politique/4088917-20240430-manifestation-1er-mai-pourquoi-rn-fete-plus-jeanne-arc 30.4.2024
[6] https://shs.cairn.info/article/SR_011_0263?lang=fr
[7] https://shs.cairn.info/revue-societes-et-representations-2001-1-page-263?lang=fr
[8] Zum Wappen der Jeanne d’Arc siehe im Einzelnen: https://www.jeanne-darc.info/biography/coat-of-arms/ Vielen Dank, lieber Herr Schläger, für diesen Hinweis!
Die Bedeutung des Wappens auf dem Sockel des Standbildes konnte ich nicht herausfinden. Über entsprechende Hinweise würde ich mich freuen.
[9] https://panamstory.wordpress.com/2017/08/30/16-de-jeanne-la-parisienne-3eme-partie/
[10] Zur Statue siehe auch: https://odyssea-paris.com/jeanne-darc-statuette-saint-augustin/
[11] Sur le socle, la mention se veut pédagogique : « Jeanne d’Arc (1412-1431) à l’âge de dix-sept ans entreprend de chasser les ennemis hors de France. Elle fait lever le siège d’Orléans, détruit l’armée anglaise à Patay, conduit Charles VII à Reims et le fait sacrer roi. Blessée en voulant délivrer Paris, elle est prise devant Compiègne et brûlée vive par les Anglais à Rouen. Elle avait dix-neuf ans. » https://shs.cairn.info/article/SR_011_0263?lang=fr
[12] À Jeanne d’Arc/Libératrice de la France/née à Domrémy/Le 6 janvier 1412/Brûlée vive à Rouen/Le 30 mai 1431. https://shs.cairn.info/article/SR_011_0263?lang=fr
Das hier angegebene exakte Geburtsdatum Jeanne d’Arcs ist allerdings Bestandteil ihres Mythos. Siehe die Rezension von Gerd Krumeich von Claude Gauvard, Jeanne d’Arc. Héroïne diffamée et martyre, Paris (Gallimard) 2022 in Francia recensio 2,2022
[13] https://panamstory.wordpress.com/2017/08/30/16-de-jeanne-la-parisienne-3eme-partie/
[14] Zu der Statue siehe: https://panamstory.wordpress.com/2018/07/21/19-de-jeanne-la-parisienne-4eme-partie/ und https://www.histoire-genealogie.com/Une-Jeanne-d-Arc-incognito-a-Paris?lang=fr
[15] Nachfolgendes Bild aus: https://paris1900.lartnouveau.com/paris18/sacre_coeur/sculptures.htm
[16] Jeanne d’Arc, décrite comme ‚non-binaire‘ dans un livre scolaire, les historiens scandalisés. 26.4.2025 https://www.linternaute.com/actualite/histoire/7789587-article/
[17] Siehe: https://www.reddit.com/r/interesting/comments/bea5fj/monument_de_la_france_renaissante_on_the_ile_aux/ und https://www.histoire-genealogie.com/Une-Jeanne-d-Arc-incognito-a-Paris?lang=fr und https://panamstory.wordpress.com/2018/07/21/19-de-jeanne-la-parisienne-4eme-partie/
[18] Krumeich, Jeanne d’Arc, S. 114 ff Darauf beziehe ich mich auch im Folgenden.
[19] Krumeich, S. 115
[20] Abbé L. Jaud, Vie des Saints pour tous les jours de l’année, Tours, Mame, 1950 https://sanctoral.com/fr/saints/sainte_jeanne_d_arc.html
[21] https://hozana.org/saints/sainte-jeanne-d-arc Nachfolgendes Bild aus: https://fr.pinterest.com/pin/393924298663477933/ Mikestravelguide.com

Fast auf Augenhöhe mit dem Genius der Freiheit auf der Bastille-Säule: Für diese außergewöhnliche Begegnung muss man aufs Dach der Bastille-Oper steigen.
Das ist möglich im Rahmen eines Besuchs des „urban farming“-Projekts, das seit fast 10 Jahren auf den Flachdächern der Bastille-Oper betrieben wird.

Allerdings sind die Anbaumöglichkeiten eingeschränkt, weil das Dach der Oper nur sehr begrenzt tragfähig ist. Beim Bau der Oper hat man an eine spätere landwirtschaftliche Nutzung noch nicht gedacht. Es können deshalb nur flachwurzelnde Pflanzen hier wachsen. Auch die Anlage von Gewächshäusern ist nicht möglich, was die Nutzung der Anlage zusätzlich jahreszeitlich einschränkt.

Trotzdem werden etwa 100 verschiedene Sorten von Gemüse, Obst und Kräutern auf vier, teilweise allerdings weit auseinander liegenden Dächern hier angebaut, sogar Hopfen! Der Salbei -hier im Bild- freut sich im Frühjahr über eine sonnige, windgeschützte Stelle.
Ganz oben auf dem Wind und Wetter voll ausgesetzten „Aussichts-Dach“, das man nach einem langen Weg durch die „Eingeweide“ der Oper erreicht, wachsen widerstandsfähige Kräuter wie Rosmarin, Thymian und Zitronenmelisse .Zum Schluss des Besuchs erhält man ein Tütchen mit Kräuter-Kostproben und kann den grandiosen Rundumblick genießen.

Vorne links die Kuppel des Temple du Marais, im 17. Jahrhundert als Sainte-Marie de la Visitation von François Mansart gebaut; dahinter das Dach und die Kuppel von Saint Paul, einer ebenfalls aus dem Grand Siècle stammenden ehemaligen Jesuitenkirche. Dahinter links der Turm von Saint Gervais und in der Mitte der Tour Saint-Jacques, Rest einer großen gotischen Kirche, die in der Französischen Revolution zerstört wurde. Rechts im Hintergrund die Hochhäuser des Geschäftsviertels La Défense, zwischen denen man die zum 200. Jahrestag der Französischen Revolution erbaute Grande Arche erkennen kann.
Veranstaltet wird die Besichtigung durch Explore Paris. Der Kostenbeitrag von 20 Euro kommt dem gemeinnützigen Projekt zugute. Es fügt sich ein in die ehrgeizige Politik der Stadt, die Pariser Flachdächer zunehmend zu begrünen: Ein Beitrag zur Anpassung an den Klimawandel und zur Biovdiversität. Seit 2014 werden Begrünungsvorhaben von der Stadt fachlich und finanziell unterstützt und es werden konkrete Ziele für die Dachbegrünung festgelegt: 2013 gab es in Paris 44 Hektar begrünte Dächer, 2020 waren es schon 120 Hektar und bis 2026 sollen es 150 sein. Die aktuelle Hitzewelle, unter der gerade auch die Bewohner und Besucher der engbebauten französischen Hauptstadt besonders leiden, zeigt, wie wichtig solche Projekte sind- eine kleine Facette der Bemühungen der Pariser Stadtverwaltung, die Stadt an die großen Herausforderungen des Klimawandels anzupassen und sie auch in Zukunft noch lebenswert zu erhalten.
Das Centre Pompidou wird im September 2025 für fünf Jahre geschlossen: Grund sind umfangreiche Renovierungsarbeiten, vor allem die Beseitigung von Asbest. Die Schließung des 1977 eingeweihten Kulturzentrums mit seinem Museum für moderne Kunst und der großen Bibliothek ist ein großer Verlust für das kulturelle Leben der Stadt. Das scheint auch die Tricolore an der südwestlichen Ecke des Gebäudes auszudrücken.

Fotos: Wolf Jöckel 18.6.2025[1]
Dass das Centre Pompidou nach 48 Jahren seines Bestehens allerdings eine Renovierung gebrauchen kann, lässt sich schon mit bloßem Auge erkennen.

Seit Beginn des Jahres wurde das Centre Pompidou schon sukzessive geräumt und in Teilen geschlossen.

Andere kulturelle Einrichtungen, wie das Atelierhaus von Jean Arp und Sophie Taeuber in Meudon profitieren durch großzügige Ausleihungen von Kunstwerken davon. Jetzt aber noch einmal eine Ausstellung im Centre Pompidou, die letzte vor seiner Schließung.

Titelbild der Ausstellungsbroschüre
Die Ausstellung von Werken des Fotografen Wolfgang Tillmans findet in den fast vollständig leergeräumten Räumen der Bibliothek statt: Eine große Herausforderung.

Hier sind auf Tischen der Bibliothek Spiegel installiert: Die Deckenkonstruktion des Centro Pompidou wird damit gewissermaßen zum Ausstellungsobjekt:

Ich muss gestehen, dass ich den Namen Wolfgang Tillmans noch nie vorher gehört hatte- obwohl er immerhin von 2003 bis 2006 Professor an der Frankfurter Städelschule war und obwohl er, wie ich dann erfuhr, als erster Fotograf und Nichtengländer 2000 den renommierten Turner-Preis erhielt.

Wolfgang Tillmans im Januar 2025 in der noch nicht ausgeräumten Bibliothek des Centre Pompidou. © Centre Pompidou[2]
In die Ausstellung sind wir vor allem deshalb gegangen, weil ein ganzseitiger Bericht in Le Monde unser Interesse weckte[3] und weil ein Pariser Freud ganz begeistert von der Ausstellung berichtet hatte; außerdem eine gute Gelegenheit, vom Centre Pompidou, jedenfalls für die nächsten fünf Jahre, Abschied zu nehmen.

Tillmans erhielt vom Centre Pompidou carte blanche, ein besonderes Privileg: Er konnte also selbstständig Arbeiten für die Ausstellung auswählen und vor allem: Er konnte selbst darüber entscheiden, wie sie präsentiert werden sollten. Dazu richtete Tillmans sogar in seinem Berliner Atelier ein Modell der Pariser Bibliothek ein.

Tillmans hat nicht nur die alten Teppichböden der Bibliothek übernommen, sondern auch noch einzelne Tische, Sessel und Regale, die er für seine Ausstellung nutzt.



Titel der Ausstellung: Rien ne nous y préparait/Tout nous y préparait. Eine offizielle deutsche Version gibt es, auch wenn Tillmans Deutscher ist, nicht. In der deutschsprachigen Pressemitteilung des Centre Pompidou wird der englische Ausstellungstitel verwendet: Nothing could have prepared us- Everything could have prepared us.[4] Tillmans bezieht sich damit, wie er im Interview mit Le Monde darlegt, auf die Frage, wie es kommt und seit wann die Idee des Fortschritts aufgehört habe, große Teile unserer Gesellschaften anzuziehen. Es geht ihm damit um das Erstarken rechtspopulistischer und rechtsradikaler Bewegungen. Der Titel lässt sich aber auch auf aktuelle weltpolitische Krisen und Kriege beziehen wie die in der Ukraine und im Nahen Osten. Tillmans präsentiert sich als politisch engagierter Fotograf. Aber natürlich kann man in der Ausstellung, so breit und vielfältig sie auch ist, höchstens Anregungen zum Nachdenken, aber keine Antworten erwarten.

Immer wieder wird in den Ausstellungsberichten die auffallende Vielfalt des visuellen Universums Tillmans‘ hervorgehoben, das sich einer genauen Identifizierung entziehe. „Tillmans dekonstruiert die disziplinäre Logik der Geschichte der Fotografie. Körper von Jungen, Portraits von Stars, Zigarettenkippen, sonnige Früchte, Orangenschalen, halbierte Kiwis, befleckte T-Shirts, hängende Drapierungen, Meeresufer, abstürzende Flugzeuge, wütende Demonstranten, abstrakte Bilder etc: Das Spektrum von Tillmans‘ fotografischer Produktion ist inhaltlich und formal extrem breit und entzieht sich jeder Klassifizierung.“[5]


Geldwechsel, Bahnhof Zoo 1990



Frank in the shower 2015

Aus der Ratten-Serie von 1995: Rats coming out
Sehr eindrucksvoll ist das nachfolgend abgebildete Foto: Ein bewegtes Meer, ganz weit hinten der Horizont, aber darüber nur ein schmales Band Himmel.

The State We’re In, A, 2015/L’état dans lequel nous nous trouvons, A. Dieser Titel passte für die Welt im Jahr 2015 und noch viel mehr heute, 10 Jahre später…

New Years Note, 1923: Drei Reihen von Jahreszahlen zum Nachdenken…

Engagement für das vereinte Europa: In 22 Sprachen….


Memorial for the Victims of Organized Religions II, 2024
Diese Würdigung der Opfer eines religiösen Fanatismus und Fundamentalismus stellte Tillmans zuerst 2006 in Washington D.C. aus. Seitdem hat sie nichts an Aktualität eingebüßt- im Gegenteil: Gerade in Paris, das mehrfach Schauplatz islamistischen Terrors war, ist das besonders deutlich, und aktuell werden ja religiöse Argumente/Verweise auf die Bibel herangezogen, um den unerbittlichen Krieg auch gegen die Zivilbevölkerung Gazas zu rechtfertigen.
Bei näherem Hinsehen kann man übrigens feststellen, dass die Tafeln farblich und strukturell unterschiedlich gestaltet sind. Tillmans will damit den „Absolutheitsanspruch vieler organisierter Religionen“ symbolisch infrage stellen. [6]

Moon in earthlight 2015
Für Tillmans spielt neben der Fotografie auch die Musik eine große Rolle. Das zeigen etwa eine seit 1984 entstandene Reihe von Musikerportraits und seine Nachtklub-Bilder der 1990-er Jahre. Aber er ist nicht nur Fotograf, sondern auch Komponist. Seit zehn Jahren hat er mehrere Alben veröffentlicht, 2022 Moon in earthlight. In der Ausstellung werden auch mit seiner Musik unterlegte Videos von Tillmans gezeigt.

Die anstehende Renovierung des Centre Pompidou wird die zunächst höchst umstrittene Struktur des Gebäudes mit seinen offen liegenden Tragwerksteilen und den Rohren für Gebäudetechnik und Erschließung achten und bewahren; auch die von blau (Klimaanlage), weiß (Tragwerk und Belüftungsrohre) und rot (Treppen) dominierte charakteristische Farbigkeit.


Auch der Invader wird sich dann sicherlich wieder einfinden…

Die lange Schließung soll auch genutzt werden, um das Innere des Gebäudes zu modernisieren und nutzerfreundlicher zu machen.[7]

Modell des geplanten neuen Foyers im Erdgeschoss. © Moreau Kusunoki en association avec Frida Escobedo Studio[8]
Während der Staat die Mittel für die Asbestentfernung aufbringt, muss das Centre Pompidou die Kosten der Modernisierung seiner Innenausstattung selbst aufbringen. Das scheint noch nicht in vollem Umfang gesichert.

In jedem Fall aber wird man ab 2030 wieder den schönen Blick auf den Strawinsky-Platz mit dem Brunnen von Niki de Saint Phalle und Jean Tinguely genießen können.

Und dann werden auch wieder die spektakulären Blicke über die Stadt möglich sein.


Das Geschäftsviertel La Défense im Abendlicht

Nächtlicher Blick auf ein Lüftungsrohr auf der place George-Pompidou vor dem Centre Pompidou
[1] Alle Fotos des Beitrags, wenn nicht anders angegeben, von Wolf Jöckel
[2] Siehe Le Monde 17. Juni 2025 und DIE ZEIT 26/2025: Was man kurz vor dem Ende sieht.
[3] Claire Guillot, La bibliothèque personelle de Wolfgang Tillmans. Le photographe a, de façon inédite, installé ses œuvres visuelles et sonores au niveau 2 du Centra Pompidou avant sa fermeture. Le Monde 17. Juni 2025, S. 24
[4] https://www.centrepompidou.fr/en/program/calendar/event/nSlcbMZ
[5] https://www.lesinrocks.com/art/wolfgang-tillmans-au-centre-pompidou-a-quoi-faut-il-sattendre-665820-09-06-2025/
[6] Ausstellungsbroschüre zu Nr. 28
[7] Jo7éphine Bindé, À quoi ressemblera le Centre Pompidou en 2030 ? Après les critiques, l’ambitieux projet architectural dévoilé. https://www.beauxarts.com/grand-format/a-quoi-ressemblera-le-centre-pompidou-en-2030-apres-les-critiques-lambitieux-projet-architectural-devoile/
24 juin 2024
[8] Projet de rénovation du Centre Pompidou pour 2030. Vue d’artiste du pôle Nouvelle génération, 2024

In 15 Metro- und RER-Stationen zeigt die Pariser Verkehrsgesellschaft RATP während der Ausstellung Fotografien von Wolfgang Tillmans. Ein schöne Alternative zur üblichen Werbung….

