Nuits debout- Place de la République, April 2016

Über die Nuits debout auf der Place de la République  in Paris wird, wie ich von Freunden hörte, in Deutschland wenig berichtet. In Frankreich ist das anders, da  gibt es eine breite Berichterstattung.
Tenor: Man weiß nicht so recht, was daraus werden wird. Zumal es wenig konkrete Forderungen gibt.  Aber es werden gerne Parallelen zu der indignados-Bewegung in Spanien hergestellt, aus der ja immerhin Podemos hervorgegangen ist. Umso mehr, als die Bewegung inzwischen nicht mehr auf Paris beschränkt ist, sondern sich auch in anderen Städten etabliert hat.  Jedenfalls beobachten besonders die Sozialisten das Phänomen sehr aufmerksam und halten sich auch sehr mit Kritik zurück.
Die Chefs von Sozialistischer Partei, KPF und der Linken hatten sich schon inkognito zur Place de la République  aufgemacht, um die Lage und Stimmung zu sondieren.  Und Ministerpräsident Valls hat in aller Eile eine Reihe von Maßnahmen angekündigt, mit denen der Übergang junger Menschen ins Arbeitsleben erleichtert werden soll: Angesichts einer Jugendarbeitslosigkeit von ca 25% und einer Rate von 87% CDDs (Arbeitsverträgen mit oft sehr kurzer begrenzter Laufzeit) bei Erstanstellungsverträgen war das überfällig. Jetzt möchte die Regierung die CDDs für die Arbeitgeber verteuern, was allerdings wiederum deren Zorn und Widerstand provoziert. Für Le Monde (Leitartikel vom 13.4.) liegt die Erklärung auf der Hand: Die Exekutive sei  außerordentlich beunruhigt von der Mobilisierung von Teilen der Jugend und befürchte von der Nuit-Debout-Bewegung überrollt zu werden. Außerdem sei es äußerst irritierend, wenn Holland an seine berühmte  programmatische Rede von Le Bourget vom Januar 2012 -während des letzten Präsidentschaftswahlkampfs-  erinnert werde. Damals hatte er verkündet, er wolle -wenn er gewählt werde- einzig und allein daran gemessen werden, ob die Jugend 2022 besser lebe als 2017. „Je demande à être évalué sur ce seul engagement, sur cette seule vérité, sur cette seule promesse!“  Dieses Versprechen, so Le Monde, sei nicht eingehalten worden, wie die Jugendarbeitslosigkeit und die viel zu große Zahl der „décrocheurs du système éducatif“ zeige,  der Jugendlichen also, die ohne  einen ordentlichen Abschluss das Schulsystem verließen. Le Monde schließt Éditorial mit den  Worten: „Die Glaubwürdigkeit Hollandes und Manuel Valls‘ ist schwer beschädigt. Vor allem bei  der Jugend.“
 Und bei den Nuit-Debout- Teilnehmern sind nach Einschätzung von Sozialisten viele junge Leute, die vor vier Jahren noch auf der Place de la Bastille gestanden und den Wahlsieg von Hollande gefeiert hätten und die zurückzugewinnen ein Jahr vor der anstehenden Präsidentenwahl ganz wichtig sei.

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Jedenfalls war die Stimmung gut, als wir Samstag Abend dort waren. Ein bisschen 68-er feeling…  Versammelt sind da nach Beobachtungen von Journalisten Studenten, Schüler, Lehrer, langjährig politisch Engagierte, Neugierige, „intellos précaires“ und sog. intermittents, also Teilzeitbechäftigte, vor allem aus dem Kulturbereich.  Böse Zungen behaupten denn auch, hier seien die Kinder der Bobos (Bourgeois-Bohème) versammelt, aber auch an denen wird die Jugendarbeitslosigkeit nicht spurlos vorbeigehen. Und selbst bei der kleinen Elite von Absolventen der Grands Ècoles ist das Durchschnittsgehalt in den letzten Jahren zurückgegangen…. (auf 32 862 Euro jährlich 2013). Der vorherrschende und auch in den Medien verbreitete Eindruck ist jedenfalls, die Place de la République Versammelten seien blanc und bourgeois. Menschen mit einer afrikanischen, asiatischen oder mittelamerikanischen Herkunft (Antillen) seien jedenfalls nicht vertreten. Bisher ist der Nuit-Debout-Bewegung auch nicht gelungen, in den banlieues Fuß zu fassen. Ein von le Monde (15.4., S. 10) zitierter Sprecher einer Bürgerinitiative aus einer Pariser Vorstadt erklärt das so:
Les habitants des quartiers sont peut-être plus résignés. Ils ne croient pas qu’ils peuvent influer sur le cours des événements. Il n’y a qu’à voir les taux d’abstention de 60%, 75%.“
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Sprecher/Leitfiguren der nuit-debout-Bewegung gibt es nicht – das würde dem basisdemokratischen  Ansatz widersprechen. Aber es gibt durchaus Prominente, die sich Place de la République engagiert haben: Der Wirtschaftswissenschaftler Thomas Pickety zum Beispiel, die Soziologen Pincon-Charlot (siehe Plakat) und vor allem Francois Ruffin, der engagierte Journalist einer winzigen und bis jetzt weitgehend unbekannten Zeitschrift aus Nordfrankreich, der gerade mit dem fantastischen Dokumentarfilm Merci Patron  einen sensationellen Kinohit in Frankreich gelandet hat: Mit dem kleinsten  Etat der größte Erfolg – passend  zum Inhalt: David (zwei ehemalige, entlassene Angestellte des Luxusimperiums LVHM) gegen Goliath (Bernard Arnault, der Besitzer von LVHM und einer der reichsten Männer Frankreichs). Eine unglaubliche, aber wahre Geschichte, die zum Lachen ist, auch wenn die Verhältnisse, um die es geht, eher zum Weinen sind…
Download Merci patron
Ruffin und sein Film passen jedenfalls wunderbar zur nuit-debout-Bewegung auf der Place de la République.
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Zumal hier ein politischer Anspruch und ein nicht unerheblicher Unterhaltungswert Hand in Hand gehen:  Musik, Tanz, Jonglage, Kunst, Essen und Trinken…. Ein Sing-Angebot mit Liedern der Commune war sogar auch dabei.
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Ambiance bon enfant. Und keinerlei Polizei weit und breit- im Gegensatz zum Vorgehen bei vorausgegangenen Demonstrationen gegen die geplanten neuen Arbeitsgesetze. In der Nacht von Sonntag auf Montag wurde der Platz allerdings von der Polizei unter etwas merkwürdigen und undurchsichtigen Umständen geräumt. Möglicherweise war der für die Aktion genehmigte Rahmen überschritten worden, vielleicht gab es auch Sachbeschädigungen auf dem frisch renovierten Platz. Und eine längerfristige Nutzung des Platzes durch Nuit Debout passt vielen politisch Verantwortlichen sowieso nicht.  Da geht es – auch für regierende Sozialisten- um die Autorität des Staates. Und immerhin befindet Frankreich sich ja immer noch im Ausnahmezustand, der -laut Manuel  Valls- so lange andauern soll, bis der Terrorismus besiegt ist. Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo, die immerhin auch schon als mögliche Alternative zu Hollande für die nächsten Präsidentschaftswahlen gehandelt wird, ist da immerhin etwas zurückhaltender. Ihr Kommentar: «S’il est légitime de rêver d’un autre monde, il ne l’est pas de dégrader celui-ci.»
Und über die etwas undurchsichtigen Umstände der Räumung:
Der Traum von einer besseren Welt soll und darf also  wohl noch weitergehen. Allerdings gehen die Einschätzungen der Nuits-Debout-Bewegung immer mehr auseinander, besonders nachdem am Wochenende (17./18. April) der frischgekürte Académicien Alain Finkielkraut auf dem Platz ausgebuht wurde- anders als der bejubelte Yanis Varoufakis. Die Intoleranz gegenüber dem -natürlich umstrittenen- Philosophen Finkielraut passt ja auch in der Tat schlecht zusammen mit dem demokratischen Anspruch der Bewegung. Da ist es dann ein Leichtes für Brice Hortfeux, einen der letzten Getreuen von Nicolas Sarkozy und  Vertreter der droit extrême, den Umgang mit Alain Finkielkraut als Ausdruck des Sektarismus und der Intoleranz der Bewegung zu verurteilen und ein nachhaltiges Versammlungsverbot auf der Place de la République zu fordern:
On a voté il y a quelque temps l’état d’urgence. Aujourd’hui, il n’a a pas un maire d’arrondissement qui peut organiser une braderie, une rencontre, une manifestation festive, et là  le gouvernement accepte qu’il y ait, nuit après nuit, ces rencontres! Nuit debout et gouvenement par terre, c’est ca la réalité.“ (Le Monde 19.4.) 
Aber in der gleichen Ausgabe von Le Monde feiert Benoît Hopquin in die Nuit-Debout Bewegung als „Utopia-sur-Seine“:
Un monde meilleur, fût-ce sa promesse, fût-ce son illusion, voilà qui ouvrait la perspective d’un bon bol d’air. Il fallait respirer cet amphi à ciel et à coeur ouverts, cette agora sous l’ombre tutélaire de la statue de Marianne. Tâter de ce dernier salon où l’on cause, ce symposium sous les étoiles où l’on disserte de la vie comme elle va ou plutôt comme elle ne va pas et comme elle devrait être.“
Und wie eine Antwort auf  Hotrefeux zitiert er einen berühmten Wortwechsel des Journalisten Hubert Beuve- Méry mit einem  Kollegen aus der Zeit des Mai 1968: „Qui sont ces voyous?“ „Ce sont nous enfants, patron!“ 

Nuit Debout geht weiter- und die Debatten darüber auch….  (Ergänzung Anfang Mai) 

 Die  Nuit Debout-Bewegung hat sich nach der kurzen Platzräumung im April wieder fest auf der Place de la République eingerichtet. Und damit geht auch in den französischen Medien die Berichterstattung darüber mit großer Intensität weiter.  Und begleitend dazu auch die Debatten, wie diese Bewegung einzuschätzen ist, wen sie überhaupt betrifft und welche möglichen Konsequenzen sich daraus ergeben  könnten.

 Zunächst zeigen einige aktuelle Fotos von Frauke, wie es Ende April/Anfang Mai auf der Place de la République in Paris aussieht: Kennzeichnend sind da vor allem die vielen kleinen Diskussionsgruppen. Der politische Charakter der Bewegung bestimmt inzwischen im Vergleich zu den Anfängen viel deutlicher das Geschehen auf dem Platz.

 Danach werden zwei Artikel aus Le Monde wiedergegeben.

Im ersten Artikel vom 26.4. geht es um den verbreiteten Vorwurf, bei den Teilnehmern von Nuit Debout handele es sich um eine kleine Gruppe von sogenannten „bobos“, also vor allem um junge Menschen aus der Schicht der „bourgeois-bohème“. In dem  Artikel wird ein kurzer Abriss der Entwicklung dieses Begriffs gegeben und dann die Gegenthese aufgestellt, bei den sogenannten bobos handele es sich heute nicht mehr um eine kleine privilegierte Minderheit, sondern um eine große und durchaus nicht immer privilegierte Gruppe, die oft in ähnlich prekären  Arbeitsverhältnissen leben  wie die Jugendlichen aus den „milieux populaires“.

 Der zweite  Artikel –der Text eines Autorenkollektivs-  ist aus zwei Gründen besonders interessant: Einmal wegen seiner geradezu hymnischen Einschätzung des Potentials der Nuit-Debout-Bewegung. Wenn es ihr gelinge, Brücken zur Arbeiterbewegung zu schlagen und zu den Opfern der soziokulturellen Segregation könne sie  eine grundlegende Veränderung der Gesellschaft bewirken. Am Schluss des Artikels wird  deshalb dazu aufgerufen, sich in der Bewegung zu engagieren und damit zur Konstruktion einer besseren Welt beizutragen. Zum anderen ist der Artikel interessant wegen der Autoren, die ihn unterzeichnet haben: Unter anderem der Soziologe und Wirtschaftswissenschaftler Frédéric Lordon, der sich von Anfang an bei und für Nuit Debout engagiert hat, die Schriftstellerin Annie Ernaux, wie Lordon übrigens eine entschiedene Kritikerin des weiter verlängerten État d’urgence,  und der deutsche Sozialforscher Wolfgang Streeck, bekannt geworden –auch in Frankreich- vor allem durch sein Buch „die gekaufte Zeit“, das auf den  Frankfurter Adorno-Vorlesungen von 2012 beruht und aus linker Perspektive die Einführung des Euro kritisiert.

 

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„Vollversammlung“ auf der Place de la République

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Kostenlose juristische Beratung der „aufrechten Rechtsanwälte“

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Diskussionsgruppen auf dem Platz

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Die aufrechten Feministinnen

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Die Commission gegen den Ausnahmezustand

Avec Nuit debout, le retour des tentatives de définition du mythique « bobo »

 http://bigbrowser.blog.lemonde.fr/2016/04/26/avec-nuit-debout-le-retour-des-tentatives-de-definition-du-mythique-bobo/  26. April 2016

„Ils vivent dans les beaux quartiers / Ou en banlieue, mais dans un loft / Ateliers d’artistes branchés / Bien plus tendance que la Rive gauche / Ont des enfants bien élevés / Qui ont lu Le Petit Prince à six ans / Qui vont dans des écoles privées / Privées de racaille, je me comprends.“

Voici le tableau assez critique que dressait Renaud en 2009 de cette „nouvelle classe“ de citoyens, les „bourgeois-bohème“ à la française. Même 7 ans plus tard, alors que le mot est devenu si banal, insulte si facile ou badge de fierté si prévisible, la chanson reste un indicateur du flou qui entoure la dénomination. Des idées ou des concepts reviennent : entre-soi, gentrification, fort capital culturel… Mais une définition précise, irrévocable, a du mal à s’imposer.

En 2010, la sociologue Camille Peugny expliquait dans Les Inrocks que le terme était utile pour désigner les hommes et les femmes diplômés et issus de la bourgeoisie, mais qui refusaient une partie de leur héritage culturel. Mais elle n’allait pas jusqu’à en faire une catégorie socioprofessionnelle homogène.

„C’est une personne qui a des revenus sans qu’ils soient faramineux, plutôt diplômée, qui profite des opportunités culturelles et vote à gauche.“

Un „bobo“ peut être issu de la grande bourgeoisie comme de la petite classe moyenne, il peut vivre en centre-ville comme en banlieue. On le définit donc davantage par son mode de vie, ses attributs. C’est quelqu’un qui fait du vélo. C’est quelqu’un qui est abonné à Télérama. C’est quelqu’un qui mange bio, qui a une profession artistique, créative ou intellectuelle. C’est quelqu’un qui vote à gauche. Autant de cases qu’on peut remplir pour atteindre le top niveau „bobo“. Et souvent, ces cases sont remplies par ceux qui veulent définir quelqu’un qui les agace profondément.

Insultes et revendications

Le concept est resté suffisamment vague pour devenir une insulte, tellement banale que même les hommes politiques l’ont intégré à leur arsenal. Même les hommes et femmes politiques d’extrême droite, comme Marion Maréchal Le Pen qui, pendant la campagne des régionales en 2010, lançait cette phrase qui a valu sûrement plusieurs minutes de travail avec son conseiller : „Dix bobos qui s’extasient devant des taches rouges, ce n’est pas ma conception de la culture.“

Face à cet emploi majoritairement dépréciatif, il y a eu des initiatives pour réhabiliter le terme. Il y a deux ans, les journalistes Laure Watrin et Thomas Legrand publiaient La République bobo, qui dénonçait la construction purement médiatique du mot – rejeté par nombre de sociologues – et voulait démontrer que le mode de vie en question, s’il est très individualiste, se préoccupe (aussi) de l’avenir de la planète et des moyens de recréer du lien social.

Dans cette mesure, arguaient les auteurs, le bobo est peut-être en train de réinventer des façons d’être ensemble dans une société morcelée. Certains, comme Solange te parle, franchissaient même le Rubicon et revendiquaient leur „boboïtude“.

Nuit debout et le grand retour de l’insulte „bobo“

L’émergence du mouvement Nuit debout au cœur de Paris a été l’occasion de lancer une nouvelle saison de l’interminable série de définition sociologique du „bobo“. Le chroniqueur Eric Verhaegue a écrit sur Figaro Vox „Nuit debout, le crépuscule des bobos“, où il s’étonne de „l’homogénéité sociale“ de cette „gauche bobo“ qui se réunit place de la République.

On y retrouve les accusations traditionnelles. Privilégié, le bobo est par nature „déconnecté“, des ouvriers, des jeunes issus de l’immigration, des salariés et même des familles. Or, comme nous l’expliquions plus haut, le terme „bobo“ se rapporte précisément à une classe fourre-tout, mal définie, résolument non homogène en termes de revenus et d’origine sociale et dont le dénominateur commun est plutôt du côté du capital culturel.

Dire que les bobos sont place de la République, c’est donc admettre, en un sens, que le mouvement est socialement hétérogène, même s’il est culturellement unifié.

Une accusation dont se saisit l’auteur de livres pour enfants Eric Sénabre, dans une tribune publiée dans Libération : „Et si on fichait la paix aux bobos ?“ Il décrit son mode de vie bobo avec des mots et les arguments, là aussi, traditionnels – vélo, lait de soja, jeux éducatifs en bois pour les enfants – avant de poser la question : „Est-ce un crime ?“ Reprenant en substance l’argumentaire développé par les auteurs de La République bobo, il réfute l’idée d’une classe sociale homogène et financièrement privilégiée, avant de dénoncer la facilité de cette insulte passe-partout qui permet de discréditer instantanément tout ce à quoi elle s’applique :

„Le mariage pour tous ? Une idée de bobos. L’écologie ? Un passe-temps de bobos. La fraternité ? Une lubie de bobos. Aujourd’hui, le mot bobo est devenu la réponse à tout, les deux syllabes qui disqualifient d’emblée tout projet humaniste. C’est que le bobo est, par définition, incapable de sincérité.“

„Ce n’est plus une minorité privilégiée, c’est la masse“

Discréditer Nuit debout en la décrivant comme un „mouvement bobo“ n’est pas forcément efficace, notamment parce que le terme a fait du chemin depuis son apparition, et recouvre une catégorie socioprofessionnelle qui a muté, comme le souligne le sociologue Emmanuel Todd, interrogé par Fakir, le journal créé par François Ruffin, auteur du documentaire Merci patron !„Les jeunes diplômés du supérieur, c’est désormais 40 % d’une tranche d’âge. Ce n’est plus une minorité privilégiée, c’est la masse.“ Et que ça n’a plus de sens de ranger tout le monde à la même enseigne de „privilégiés“ :

„Les stages à répétition, les boulots pourris dans les bureaux, les sous-paies pour des surqualifications, c’est la même chose que la fermeture des usines, que la succession d’intérim pour les jeunes de milieux populaires“

 

« Nuit debout peut être porteur d’une transformation sociale de grande ampleur »

LE MONDE | 03.05.2016

Par Collectif

Les crises ouvrent le champ des possibles, et celle qui a commencé en 2007 avec l’effondrement du marché des subprimes ne déroge pas à la règle. Les forces politiques qui soutenaient l’ancien monde sont en voie de décomposition, à commencer par la social-démocratie, qui a franchi depuis 2012 une étape supplémentaire dans son long processus d’accommodement avec l’ordre existant. En face d’elles, leFront national détourne à son profit une partie de la colère sociale en jouant d’une posture prétendument antisystème, alors même qu’il n’en remet rien en cause, et surtout pas la loi du marché.

C’est dans ce contexte qu’est né Nuit debout, qui célèbre ces jours-ci son premier mois d’existence. Depuis la chute du mur de Berlin, la contestation du néolibéralisme a pris des formes diverses : gouvernements « bolivariens » en Amérique latine dans les années 2000, « printemps arabes », Occupy Wall Street, « indignés » espagnols, Syriza en Grèce, campagnes de Jeremy Corbyn et Bernie Sanders en Grande-Bretagne et aux Etats-Unis… Les historiens futurs qui se pencheront sur notre époque se diront sans doute qu’elle fut particulièrement riche en mouvements politiques et sociaux.

La France n’est pas en reste. Des grandes grèves de novembre-décembre 1995 aux mobilisations en cours contre la loi El Khomri, en passant par le mouvement altermondialiste – la création d’Attac en 1998 notamment –, l’opposition au CPE en 2006 et à la contre-réforme des retraites en 2010, les occasions de contester cette « nouvelle raison du monde » furent nombreuses. Elles n’ont pas été concluantes, puisque la crise n’a pas sonné le glas des politiques néolibérales, mises en œuvre aujourd’hui à l’échelle planétaire avec plus d’agressivité que jamais.

 

Enjeux stratégiques

Malgré des difficultés et parfois même des échecs, les créations d’organisations ambitionnant d’incarner cette gauche antilibérale et anticapitaliste ont offert, chaque fois, des occasions de se coaliser, d’accumuler des expériences et de l’intelligence collectives.

AVEC L’UN DE SES AXES, « CONTRE LA LOI EL KHOMRI ET SON MONDE », NUIT DEBOUT PARVIENT À ARTICULERUNE EXIGENCE ESSENTIELLE, LE RETRAIT D’UNE LOI PORTEUSE D’UNE TRÈS GRAVE RÉGRESSION SOCIALE, ET LA CRITIQUE RADICALE DE TOUT UN SYSTÈME.

Nuit debout est un mouvement sui generis, doté de caractéristiques propres. Mais il est aussi l’héritier de cette séquence, des bilans – positifs ou négatifs – tirés par les réseaux militants de ces expériences antérieures. L’histoire avance par conjectures et réfutations.

Un mouvement aussi jeune que Nuit debout est enthousiasmant, bien que forcément parfois confus. Ce qui impressionne toutefois dans son cas, c’est le sérieux avec lequel y sont discutés les enjeux stratégiques auxquels il est confronté. Avec l’un de ses axes, « contre la loi El Khomri et son monde », il parvient à articuler une exigence essentielle, le retrait d’une loi porteuse d’une très grave régression sociale, et la critique radicale de tout un système. L’une des perspectives qui le traverse et auquel il travaille, la grève générale, apparaît décisive pour opérer la jonction entre occupation des places et mobilisation sur les lieux de travail et remporter une victoire qui serait fondamentale.

Les critiques du mouvement n’ont pas manqué de lui reprocher sa composition sociale, la surreprésentation – réelle ou supposée, nul n’en sait rien à ce stade – en son sein de personnes à fort « capital culturel ». Ces mêmes critiques ont pointé l’absence des habitants des quartiers populaires, et notamment des immigrés postcoloniaux.

Quiconque a passé ne serait-ce qu’une heure place de la République ou sur les autres places occupées sait qu’une part considérable des débats en cours porte précisément sur les limites du mouvement, et sur la façon de les dépasser. Comment mieux s’associer avec les syndicats et la classe ouvrière ? Par quels biais susciter la mobilisation des victimes de la ségrégation sociospatiale et du racisme ? Quel « débouché politique » le mouvement doit-il se donner, s’il doit s’en donner un ? En assemblée générale aussi bien que dans les commissions thématiques, ces questions sont omniprésentes.

Transformation sociale

Les réponses sont certes hésitantes, parfois maladroites, et autour d’elles se cristallisent des désaccords. Mais les désaccords portent sur des enjeux réels. Nuit debout est un mouvement exigeant avec lui-même, qui ne sous-estime pas l’ampleur des défis à venir. Si le potentiel émancipateur d’une mobilisation dépend de la conscience qu’elle a de ses propres limites, et de sa volonté de les transcender continuellement, alors il est permis d’espérer que Nuit debout donnera lieu, dans les prochains mois ou années, à une transformation sociale de grande ampleur.

SI L’ARTICULATION S’OPÈRE AVEC DES SECTEURS DU MOUVEMENT OUVRIER ET LES RÉSEAUX ASSOCIATIFS ISSUS DES QUARTIERS, RIEN NE POURRA ARRÊTER CE MOUVEMENT.

Comme disait Gramsci, nous sommes tous des intellectuels, mais nous n’exerçons pas tous la « fonction » d’intellectuel. Le capitalisme a créé pour ses besoins une classe d’individus qui fait profession de lire et écrire. En tant qu’universitaires, nous appartenons à cette classe, même si nous sommes aussi des militant(e)s. Avec le dépassement du capitalisme, cette classe disparaîtra, et l’élaboration intellectuelle cessera alors d’être un privilège social.

Nuit debout n’a nul besoin d’intellectuels pour réfléchir. La production d’idées est immanente au mouvement, dont chaque membre est un intellectuel, et l’ensemble un intellectuel « collectif ».

Nous qui exerçons professionnellement la « fonction » d’intellectuels, nous voulons dire à ce mouvement notre admiration. Notre admiration devant son courage – il en faut pour résister aux constantes intimidations des tenants de l’ordre existant. Notre admiration devant sa capacité à identifier les défis stratégiques du moment, et à essayer d’y apporter des réponses novatrices. Si l’articulation s’opère avec des secteurs du mouvement ouvrier et les réseaux associatifs issus des quartiers, rien ne pourra arrêter ce mouvement.

Les crises ouvrent le champ des possibles, mais le risque est grand de le voir se refermer aussitôt sous la pression de forces réactionnaires. Nuit debout contribue à élargir ce champ, permettant ainsi aux forces révolutionnaires de converger. Nous appelons toutes les personnes et organisations qui ne se résolvent pas au monde tel qu’il va à rejoindre les places, et à prendre part, dès maintenant, à la construction d’un autre monde !

 

Signataires : Tariq Ali, écrivain ; Ludivine Bantigny, historienne ; Cédric Durand, économiste ; Elsa Dorlin, philosophe ; Annie Ernaux, écrivain ; Bernard Friot, sociologue ; Razmig Keucheyan, sociologue ; Stathis Kouvelakis, philosophe ; Frédéric Lordon, philosophe ; Leo Panitch, sociologue ; Wolfgang Streeck, sociologue
En savoir plus sur http://www.lemonde.fr/societe/article/2016/05/03/nuit-debout-peut-etre-porteur-d-une-transformation-sociale-de-grande-ampleur_4912446_3224.html#aGdVZeeyKJhyHZ1C.99

Frankreich im Ausnahmezustand 1/2016

Der Text erschien auch in:  Knoten. Organ des Carolus-Magnus-Kreises. Jahrgang 29, Nr. 1  Frühjahr 2016 

Die Anschläge des 13. November haben Frankreich im Mark getroffen.  Und das in viel radikalerem Maß als die Anschläge vom Januar des Jahres.  Damals waren die Ziele, das Satiremagazin Charlie Hebdo und der jüdische  Supermarkt Hyper Cacher, noch eingegrenzt, wenn damit auch übergeordnete Prinzipien und Werte angegriffen wurden:  die Meinungs- und Religionsfreiheit und das Zusammenleben von Menschen unterschiedlichen Glaubens. Diesmal wird ganz generell die französische und speziell Pariserische Lebensart als Anschlagsziel gesehen, so etwa von Le Monde, die sagt, es handele sich um ein Programm „d’anéantissement de  notre  culture“,  notre mode de vie“ sei ein „chef d‘,oeuvre en péril“ (Le Monde, 21.11.)

An der Tür der Brasserie Comptoir Voltaire, auf deren Terrasse ein Selbstmordattentäter sich in die Luft gesprengt hat, findet sich noch die Werbung für den neuen Beaujolais und die Ankündigung eines Beaujolais-Abends für den 19. November mit einem Spezial-Menü und einem Swing- und Musette-Orchester…

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Und vor der Bar La Belle Equipe in unserem 11. Arrondissement, an der wir täglich auf dem Weg zum Markt und zum Schwimmbad vorbeiradeln –einem der Orte der blutigen Anschläge-  hat jemand eine Übersetzung der Liebeserklärung eines Leserbriefs der New York Times vom 15. November angeheftet – eine Liebeserklärung an Frankreich, die in den sozialen Netzwerken vielfach verbreitet wird. Er tut, wie Télérama schreibt, den Franzosen gut, weil er genau zum Ausdruck bringt, was viele Menschen hier nach den Anschlägen umtreibt:

„La France incarne tout ce que les fanatiques religieux du monde détestent: la joie de vivre par une myriade de petites choses: le parfum d’une tasse de café et des croissants le matin, de belles femmes en robe souriant librement dans la rue, l’odeur du pain chaud, une bouteille de vin que l’on partage entre amis, quelques gouttes de parfum, les enfants qui jouent dans les jardins du Luxembourg, le droit de ne croire en aucun dieu, de se moquer des calories, de flirter, fumer et  apprécier le sexe hors  mariage, de prendre des vacances, de lire n’importe quel livre, d’aller à l’école gratuitement, jouer, rire, se disputer, se moquer des prélats comme des politiciens, de ne pas se soucier de la vie après la mort. Aucun pays sur terre n’a de meilleure définition de la vie que les Français.“

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Plantu hat in einer Karikatur von Le Monde vom 17.11. die Anschläge auf die französische Lebensart sehr eindrucksvoll sprachlich und zeichnerisch auf den  Punkt gebracht:

IMG_5289 Le Monde 17.11.

 

Natürlich ist die in der New York Times beschriebene Lebensart nicht allein den Franzosen und Paris vorbehalten, worauf Michel Guerin in Le  Monde vom 21. November hinweist. Das gelte auch für manche Viertel  in Berlin, Istanbul oder Tel Aviv.  Diese Internationale der Lebensfreude und der Kreativität wollten die Savonarolas des Islam durch eine Internationale des Terrors ersetzen.  Insofern reicht die Bedeutung der Pariser Anschläge weit über Frankreich hinaus und trifft eine weltweit, auch im aufgeklärten Islam verbreitete Lebensweise. Es ist kein  Zufall, dass unter den Opfern der Pariser Anschläge auch viele junge Muslime waren.

Und nicht zuletzt war ja auch das Stade de France Ziel der Anschläge. Sicherlich, weil dort wegen des Freundschaftsspiels zwischen der französischen équipe  und der deutschen Mannschaft viel politische Prominenz versammelt war und viele Tausende Zuschauer auf den Rängen und viele Millionen an den Fernsehschirmen Augenzeugen des Terrors hätten werden können und sollen: Kaum auszudenken, was passiert wäre, wenn die Attentäter sich auf den vollbesetzten Tribünen in die Luft gesprengt hätten.  Das Fußballstadion ist darüber hinaus, wie der Ethnologe Christian Bromberger feststellte, eines der letzten Symbole der nationalen Einheit: Auch wenn dort überwiegend nur die männliche Bevölkerungshälfte vertreten sei, so verwischten sich dort alle Unterschiede der sozialen Zugehörigkeit, der Wohnorte, der Hautfarbe, der Religion. Und Menschen unterschiedlichster Herkunft sängen  dann bei einem Länderspiel wie dem des 13.11.  gemeinsam  die Marseillaise. (Le Monde, 21.11.)

Nur konsequent also, dass nach den Attentaten  immer wieder die nationale Einheit beschworen  wird: Weithin sichtbar auch dadurch, dass zahlreiche öffentliche Gebäude in den Nationalfarben angestrahlt wurden. Der Absatz der Tricolore-Fahnen hatte sich nach den Anschlägen verdoppelt. Und als dann vom Staatspräsidenten empfohlen wurde, am 27., dem Tag der Gedenkfeier für die Toten der Anschläge, die Fenster mit Fahnen zu schmücken, waren die schnell ausverkauft. Unsere Pariser Freundin Inès veranlasste das zu einer Rundmail, in der sie empfahl, sich die erforderlichen Stoffe zu kaufen und sie dann selbst zu einer Fahne zusammenzunähen. Sie gab auch gleich Adressen der in Frage kommenden Geschäfte an. Im Internet wurden auch noch andere phantasievolle Möglichkeiten gezeigt, wie man sich -z.B. mit blau-weiß-roten T-Shirts- gut behelfen und wie man die patriotischen Aufwallungen –z.B. mit BHs in den Farben der Tricolore-  à la française  ironisieren konnte.

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Die Anschläge vom 13.11. versetzten Paris, ja ganz Frankreich in einen Schockzustand.  „La France est en état de choc“, schrieb Le Monde in ihrem éditorial vom 22./23.11. gleich zweimal (entsprechend auch Paris Match in der Sonderausgabe vom 15.11.) und: „La France d’après, un pays plongé dans la peur“.  Und das viel  intensiver und weiter verbreitet als im Januar: Wenn man der soziologischen Analyse des ansonsten von mir wenig geschätzten Emmanuel Todd über die „Je suis Charlie“-Demonstranten des 11. Januar 2015 folgt, dann war dort vor allem das etablierte Frankreich vertreten,  waren die Demonstranten  reicher und älter  als der Bevölkerungsdurchschnitt. Heute fühlt sich ganz Frankreich betroffen, seine Jugend, seine Metropolen, aber auch das ländliche Frankreich, la France profonde. Im Januar, berichtet eine Abgeordnete, „haben sich unsere Mitbürger nicht direkt bedroht gefühlt. Jetzt haben sie Angst um sich.“ Und ein anderer Abgeordneter berichtet:  „In den ländlichen Gebieten, den kleinen Städtchen und Dörfern, ist man nicht weit entfernt von der Panik. In Paris ist es paradoxerweise ruhiger, weil sich die Menschen dort im Auge des Zyklons befinden. Aber im Rest des Landes sind die Menschen äußerst beunruhigt. Sie sehen fern und sagen sich, dass das auch bei ihnen passieren wird, dass es das nächste Mal in ihrer Straße sein  wird.“ (Le Monde, 22./23.11.)

Ein Indiz dafür, dass sich diesmal ganz Frankreich von den Anschlägen betroffen fühlt, ist sicherlich die Schweigeminute, die am Montag nach den Anschlägen für 12 Uhr festgelegt wurde. Eine solche Schweigeminute gab es schon im Januar, und danach hörte man gerade aus  Schulen –vor allem mit einem hohen Anteil muslimischer Schüler- von vielfachen Problemen, die es dabei gegeben habe. Viele Schüler hatten sich damals geweigert mitzumachen. Diesmal gab es solche Probleme offenbar nicht.

Wir wohnen im 11. Arrondissement, einem Zentrum der Anschläge, also tatsächlich im Auge des Zyklons: In den Tagen nach dem 13.11. hörte man fast ständig die Sirenen von Polizeiautos. Als ich am Dienstag „danach“ auf unseren Markt, den marché d’Aligre, zum Einkaufen ging, war die Marktstraße wie leergefegt, und bei Paris Pêche, dem sonst immer stark frequentierten Fischgeschäft, erwarteten mich, den einzigen Kunden, gleich fünf Verkäufer/innen! Unsere wöchentliche Chorprobe im Lycée Maurice Ravel war auf Veranlassung der Schulleiterin abgesagt worden, obwohl wir seit Januar einen speziellen Ausweis vorzeigen müssen, um die Schule betreten zu können und obwohl unser derzeitiges Programm, das Requiem von Cherubini, nun wirklich nicht die verordnete dreitägige Staatstrauer beeinträchtigt hätte. Gerade in dieser Situation wäre das gemeinsame Singen sicherlich für alle sehr wohltuend gewesen.

Auf dem Weg zum Markt kommen wir an der Bar La Belle Equipe in der Rue de Charonne vorbei, auf deren Terrasse 19 Menschen von den Terroristen getötet wurden. Die ist jetzt bedeckt mit hunderten von Kerzen, von Blumen, von vielfachen Bekundungen der Trauer, Wut und Fassungslosigkeit,  so wie die an einer durch ein Einschussloch gesteckte Frage: „Au nom de quoi?“ Und es ist, soweit man das sehen kann, ein Querschnitt der Bevölkerung, und es sind vor allem  sehr viele junge Menschen, die sich dort einfinden.

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Viele sind ja auch –mehr oder weniger direkt- betroffen: Eine Nachbarin war am Abend des 13. in unserem Viertel unterwegs und hörte die Salven der Kalaschnikows. Eine Freundin, Musikprofessorin, berichtete, dass  Schüler/innen ihres Konservatoriums getötet worden seien; ihr Sohn habe eigentlich zu dem Konzert gehen wollen, aber –glücklicherweise-  keine Karte mehr bekommen. Und  eine andere Freundin berichtete, dass ihr Sohn vier Freunde im Bataclan verloren habe….

Betroffenheit und Angst werden sicherlich auch durch die allgegenwärtige martialische Terminologie verstärkt: „La France est en guerre“ –  so leitete François Hollande seine Rede ein, die er am 16.11. vor dem französischen Kongress, einer außerordentlichen gemeinsamen Sitzung von Nationalversammlung und Senat in Versailles hielt. Das Wort Krieg durchzog seine ganze martialische Rede, die, wie der Nouvel Observateur schrieb, nichts enthielt für den Zusammenhalt des Landes, für  das Zusammenleben der Menschen und für die Demokratie. „Un discours de chef de guerre“ oder, wie Le Monde urteilte,  „un discours de guerre totale“.

Premierminister Valls überbot die Kriegsrhetorik seines Präsidenten noch, indem er vor der Gefahr des Einsatzes chemischer und biologischer Waffen durch islamistische Terroristen warnte. Valls habe, so kommentierte die Huffington Post, im Namen eines „discours vérité“ eine ausgesprochene „va-t-en-guerre“- Rede gehalten, die nicht geeignet gewesen sei, die vorhandenen Ängste zu lindern. Noch weiter ging Le Monde,  die von einer  „communication délibérément anxiogène de M. Valls“ sprach.

Auch die Berichterstattung in den Medien war von der Kriegsrhetorik geprägt: „Der Krieg mitten in Paris“ titelte der Figaro vom 14./15. November und zeigte ganzseitig  die von Leichen bedeckte Terrasse von La Belle Epoque.  Für das Wochenmagazin Le Point handelt es sich um „unseren Krieg“, die Zeitschrift Valeurs Actuelles erklärt in einer groß herausgestellten Sonderausgabe den „Barbaren“  den Krieg, und auch die eher gemäßigte Le Monde und der eher linke Nouvel Observateur sehen  Frankreich im Kriegszustand.

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Dazu wurden dann im Fernsehen in ständiger Wiederholung die Bilder zunächst von der Erstürmung des Bataclan gezeigt und dabei vor allem auch die emotional besonders bewegende Szene mit einer jungen Frau, die nach ihrer Flucht aus einem Fenster an einer Seitenfassade des Konzerthauses hing, so dass man sich voller Entsetzen fragte, wie lange sie sich da würde halten können und ob man nicht ihren Absturz würde miterleben müssen. Und ein paar Tage später war dann die mehrstündige Erstürmung der Wohnung in Saint Denis, in der sich einer der führenden Terroristen verschanzt hatte, rund um die Uhr auf allen Programmen zu sehen. Die Einschaltquoten waren dabei extrem hoch: Während man früher mit seiner Angst umging, indem man die  Gesellschaft von anderen suchte und redete, schaltet man heutzutage, wie der Psychologe Serge Tisseron konstatierte, den Fernseher an. Aber die  sich immer wiederholenden Wellen von Bildern des Grauens verstärken nur noch die Angst: „Je mehr man davon sieht, desto stärker wird die Unsicherheit, die uns das Leben vergiftet.“ (Le Monde, 22./23.11.)

Der Zeichner Serguei hat das  in einer mit „Psychose“ überschriebenen Karikatur in Le Monde vom 21.11. 2015 zum Ausdruck gebracht.

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Die verstärkten Sicherheitsvorkehrungen, so verständlich und sinnvoll sie in vielen Fällen auch sein mögen, tragen meines Erachtens auch nicht immer dazu bei, Angst abzubauen. In dem benachbarten Schwimmbad wird beispielsweise seit den Anschlägen von Januar  entsprechend des Vigipirate-Plans ausdrücklich am Eingang darauf hingewiesen wird, dass man keine Tasche (z.B. mit einer Trinkflasche und einem Duschgel) am Beckenrand deponieren darf. Inzwischen ist die höchste Sicherheitsstufe Vigiparate Attentat ausgerufen, und man darf Taschen noch nicht einmal mit in die Schwimmhalle nehmen, selbst wenn man dem Bademeister die Harmlosigkeit des Inhalts demonstriert hat.

Da kann man sich als Schwimmbadbesucher doch vielleicht besorgt fragen, ob die Islamisten jetzt auch die Schwimmbäder in ihr Visier genommen haben. (Vielleicht meint ja die Stadtverwaltung, das sei durchaus möglich – zumal bei gemischtem Baden und sogar gemischten Duschen). Sehr konsequent erscheinen mir die Sicherheitsvorkehrungen allerdings nicht. In dem anderen Schwimmbad, in das wir wegen seiner 50-Meter-Bahn öfters gehen und das vom Pariser Schwimmclub betrieben wird, gibt es zum Beispiel keinerlei für den Besucher erkennbaren Sicherheitsvorkehrungen.

Und die gibt es auch nicht mehr beim koscheren jüdischen Partyservice bei uns nebenan und bei der feministischen Zeitschrift Causette ein  paar Häuser weiter, die nach den Attentaten vom Januar rund um die Uhr von schwerbewaffneter Polizei bewacht wurden. Vielleicht gehen die Sicherheitsbehörden  ja davon aus, dass  der islamistische Terror inzwischen derart erstarkt ist, dass er sich nicht mehr mit so „kleinen  Fischen“ abgibt. Dafür wird beispielsweise rund um Notre Dame massive Militär- und Polizeipräsenz demonstriert. An allen vier Ecken des Vorplatzes sind Soldaten in Kampfmontur und Maschinenpistole postiert, kleine Trupps patrouillieren ständig rund um den Kirchenbau, und an seiner Nordseite sind Dutzende, wenn nicht gar Hunderte, Polizei-Motorräder aufgereiht.

Mir vermittelt ein so massives martialisches Auftreten kein Gefühl von Sicherheit, und anderen geht es offenbar ähnlich. Jedenfalls habe ich die Schlange vorm Zugang zu den Türmen von Notre Dame noch nie so kurz gesehen. Ich habe bei all dem eher den Eindruck, dass hier ein hilfloser Aktionismus vorherrscht. Vielleicht sogar, dass bewusst Angst geschürt wird, damit dann Präsident und Regierung sich medien- und wahlwirksam als Sachwalter der allgemeinen Sicherheit profilieren können.                                    

Angst herrscht besonders auch und nicht von ungefähr bei muslimischen Franzosen, die  von den Anschlägen besonders betroffen sind. Es gibt zahlreich Berichte von Übergriffen auf Muslime nach dem 13.11. Ein sozialistischer Abgeordneter des Département Seine-Saint-Denis schätzt die Lage so ein: „ Wir sind auf des Messers Schneide. Viele Leute, die vorher nie so etwas gesagt haben,  beschuldigen jetzt  ‚die Araber‘, ‚die Muslime‘. Das ist sehr schlimm. Man muss sehr aufpassen.“ (Le Monde, 22.23.11.) In der Libération wird ein junger Muslim aus Marseille zitiert, der entsetzt ist über die Anschläge, die den Islam beschmutzten. Aber es werde für ihn jetzt umso schwerer sein, eine neue Arbeit zu finden. „Maintenant, pour n’importe quel employeur, en tant que musulman, je suis une menace.“ Und viele französische Muslime sehen sich Angriffen von zwei Seiten ausgesetzt: den Terroristen und den Vorurteilen. Für Philippe de Villiers, einen rechtskonservativen ehemaligen Politiker und  aktuellen Bestsellerautor, sind die Verhältnisse ganz klar:  Jetzt könne man sehen, wohin der vorherrschende „laxisme“ und „la mosquéïsation“ Frankreich gebracht hätten.

In den Tagen nach dem 13.11. stand auf der Place de  la  République, einem informellen Treffpunkt, ein junger Mann mit verbundenen Augen und ausgebreiteten Armen.

Neben sich auf dem Boden ein Schild: Ich bin Muslim und man sagt von mir, ich sei Terrorist.

Da war es sehr anrührend zu sehen, wie viele Menschen, das Angebot der ausgebreiteten Arme annahmen und den jungen Muslim umarmten. Ein Zeichen der Hoffnung, wie sie es gerade auch in den Zeiten des Ausnahmezustandes häufig gibt.

Ein Zeichen der Hoffnung war auch das Konzert „contre la Barbarie“ für die Opfer der Attentate des 13. November 2015 in der Kirche Saint Sulpice. Schon im Januar hatte es ja ein solches sehr eindrucksvolles Solidaritätskonzert gegeben, bei dem ich mitgesungen habe. Diesmal war ich mit und neben Frauke  einer von vielen Zuhörern in der voll besetzten Kirche. Und wir reihten uns auch in die  schier endlose, um den ganzen Kirchenvorplatz reichende Schlange der Menschen ein, die geduldig wartend das Nadelöhr der Sicherheitskontrollen passieren mussten. Diese Kontrollen hatte es im Januar noch nicht gegeben – und trotz dieser verstärkten Sicherheitsmaßnahmen gab es  in unserem Bekanntenkreis auch Menschen, die aus Angst vor weiteren Anschlägen dort nicht hingehen wollten….

 

Frankreich im Ausnahmezustand

Der von François Hollande proklamierte Krieg gegen den Islamischen Staat und den Terrorismus hat viele Schauplätze: International sind das vor allem Mali und das subsaharische Afrika und jetzt verstärkt der Irak und vor allem Syrien. Hier vollzog sich seit dem 13.11.  eine radikale Wende der französischen Position. Frankreich und vor allem sein Außenminister Fabius hatten ja lange Zeit Assad wegen seines Chemiewaffeneinsatzes gegen die eigene Bevölkerung als Hauptfeind in Syrien ausgemacht. Und so wurden dessen Gegner, also auch die islamistischen Terroristen von Al Quaida und dem Islamischen Staat, für ihren Kampf gegen Assad gelobt. Als das dann doch nicht mehr haltbar war, vertrat Frankreich die Strategie des ni-ni, stellte also Assad und den IS auf eine Stufe. Nach den Anschlägen in Frankreich hat Frankreich jetzt eine erneute Wende vollzogen und den Islamischen Staat zum Hauptfeind erklärt, womit nun auch eine militärische Zusammenarbeit mit Russland ermöglicht wurde. Die oppositionellen Republikaner haben diesen von ihnen schon lange geforderten Schwenk Hollandes mit Befriedigung konstatiert.

Grundsätzlich begrüßt wurden auch von allen politischen Lagern die von Hollande  in Versailles verkündeten Maßnahmen im Innern, das heißt vor allem die Verlängerung des état d’urgence auf drei Monate.  Zuletzt wurde dieses Instrument während des Algerienkrieges angewandt. Es erweitert massiv  Befugnisse der Exekutive auf Kosten  der Dritten Gewalt und der Freiheit. Aber für Premierminister Valls ist die Sicherheit „la premières des libertés“. Aus diesem Grund sei es legitim, angesichts der terroristischen Bedrohung andere Freiheiten zeitweise  einzuschränken. Und schließlich sei ja der état d’urgence ein état de droit.

Die Verschärfung von Gesetzen bis hin zur  Erklärung des Notstandes ist eine –nicht nur in Frankreich-  historisch übliche Reaktion auf Terror. Das war so im zaristischen Russland der 1880-er Jahre, in der französischen Dritten Republik mit den repressiven sogenannten Lois scélérates der 1890-er Jahre, in Deutschland nach den Anschlägen der RAF und zuletzt in den USA nach 9/11 mit dem patriot act. In den liberalen  und linken Medien Frankreichs ist wiederholt auf die Parallelität der Rhetorik Hollandes vom 16.11. mit der George Bushs nach den Anschlägen auf das World Trade Center hingewiesen worden. Und es wurde die Frage gestellt, ob nicht die Einschränkung von Freiheiten im Land der Menschenrechte,  der liberté, égalité und fraternité, ein Sieg für die Terroristen  sei, die es doch gerade darauf abgesehen hätten. Unsere Freiheiten zu beschränken, sei eine Kapitulation vor den Terroristen, schreibt der Nouvel Observateur. „Ce n’est pas en transformant la France en „pays en guerre“ qu’on résistera contre la menace des fanatiques : c’est au contraire en restant solides sur nos modes de vie et sur nos principes. Reculer, ce serait d’entrée de jeu donner la victoire aux terroristes.“ (16.11.15)

Was konkret bedeutet die Verhängung des état d‘urgence in Frankreich?

Im Ausnahmezustand

  • können die Präfekten die allgemeine Bewegungsfreiheit (la liberté d’aller et venir) an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten einschränken, wenn es ihnen aus Sicherheitsgründen erforderlich erscheint, z.B –was inzwischen auch schon geschehen ist- nächtliche Ausgangssperren verhängen,
  • kann gegen Personen, die die Sicherheitsbehörden als potentiell bedrohlich ansehen, eine Aufenthaltspflicht an einem von ihnen bestimmten Ort, der nicht unbedingt die eigene Wohnung sein muss, verhängt werden. Diese sogenannte assignation à résidence bedeutet, dass die betroffenen Personen ihren Ausweis abgeben müssen, sich dreimal täglich bei der –vielleicht kilometerweit entfernten- Polizei melden müssen und nachts 12 Stunden lang ihre zugewiesene Unterkunft nicht verlassen dürfen. Diese Verpflichtungen können entfallen, wenn die Betroffenen bereit sind, eine elektronische Fußfessel zu tragen, was außerhalb des Ausnahmezustandes einer vom Gericht verhängten Strafe entspricht,
  • sind Hausdurchsuchungen ohne richterliche Genehmigung möglich, wenn „gewichtige Gründe“ dafür sprechen, dass der betreffende Ort von potentiell bedrohlichen Personen frequentiert wird. Die auf den sichergestellten Telefonen und Computern erhobenen Daten können gespeichert werden und müssen auch dann nicht gelöscht werden, wenn es keinen Anhaltspunkt für eine terroristische Gefahr gibt.
  • erhalten die Behörden einen großen Spielraum bei der Auflösung von Gruppen und Vereinigungen, die potentiell eine Gefahr darstellen könnten. Rechtsmittel dagegen sind nicht zugelassen. Nach Auffassung des Premierministers ist es nötig, schnell und wirksam vorgehen zu können und sich dabei nicht von kleinlichen rechtlichen Bedenken behindern zu lassen: „Alors, pas de juridisme!“,
  • kann die Exekutive Internetadressen unterbinden, die terroristische Akte befördern oder entschuldigen. Auf die Möglichkeit der Pressezensur, die im Gesetz über den Ausnahmezustand von 1955 vorgesehen war, hat die Regierung verzichtet. (Während des Algerienkrieges war es den französischen Medien beispielsweise untersagt, von Krieg zu sprechen. Damals musste das Wort événement verwendet werden. Eine solche Sprachregelung hat sich ja inzwischen erübrigt),
  • werden die Strafen, die bei der Verletzung der im Rahmen des Ausnahmezustandes erlassenen Maßnahmen verhängt werden, gegenüber der Regelung von 1955 drastisch erhöht, und es gibt dabei auch nur noch einen extrem geringen Ermessensspielraum. Wer beispielsweise gegen die Bestimmungen seiner assignation à  résidence verstößt, kann mit 3 Jahren Gefängnis und einem Bußgeld von 45.000 Euro bestraft werden. Diesbezügliche drakonische Strafen gab es inzwischen schon mehrfach (s. Le Monde, 24.11.).

Das ist wirklich ein beeindruckendes Arsenal. Die deutschen Notstandsgesetze, gegen die wir vor Jahren einmal auf die Straße gegangen sind, erscheinen im Vergleich damit geradezu als ein Ausbund an Harmlosigkeit. Der Nouvel Observateur spricht denn auch von einem „Patriot Act à la francaise“. Einige Maßnahmen, die direkt von den Rechten oder der extremen Rechte übernommen worden seien, gäben doch zu erheblichen Bedenken Anlass. Einige Kommentatoren sähen darin einen geschickten Versuch, der Opposition das Wasser abzugraben. Aber gerade deshalb müsse man  doppelt wachsam  sein. Denn wenn es auch noch zu früh sei, die  Wirksamkeit dieser Maßnahmen zu beurteilen;  wenn sie einmal in Kraft gesetzt seien, sei es zu spät „pleurer sur ses conséquences.“ (18.11.)  Inzwischen wird der Ausnahmezustand nicht nur gegen terrorverdächtige Islamisten verwendet, sondern auch gegen Aktivisten der Klimaschutzbewegung, Menschen, die zur Unterstützung von Flüchtlingen aufrufen und Fußballfans, wie gerade wieder in Troyes (Le Monde, 19.1.16).  Er muss sogar in Calais dafür herhalten, den Flüchtlingen  den Zutritt zum städtischen Schwimmbad zu verwehren – und das angesichts der im jungle herrschenden katastrophalen sanitären Verhältnisse. Und wenn dann auch noch der Innenminister –aus gegebenem Anlass- sich genötigt sieht,  die Polizei auf das Prinzip der Verhältnismäßigkeit hinzuweisen – eine Tür müsse im Rahmen einer Hausdurchsuchung nicht gewaltsam aufgebrochen werden, wenn sie auch freiwillig geöffnet werde, müssten eigentlich bei allen demokratischen Kräften die Alarmglocken läuten.

Es ist aber bezeichnend für das aktuelle politische Klima in Frankreich, dass bei den Beratungen in der Assemblée eine Tendenz vorherrschte, der Exekutive noch weitergehende Ausnahmerechte zu übertragen, als das von der Regierung selbst vorgesehen war. Da forderten beispielsweise die Republikaner bei der assignation à résidence  ein Ausgehverbot von 24 Stunden, was auch von einigen Sozialisten gut geheißen wurde: sonst würden  sich die Bürger doch fragen, ob denn ein potentieller Terrorist nur die Hälfte das Tages gefährlich sei.  Noch einen großen Schritt weiter ging Laurent Wauquiez, der Vertreter einer „droite décomplexée“ und Generalsekretär der Republikaner, der gerade zum Präsidenten der Region Auvergne-Rhônes-Alpes gewählt wurde.  Wauquiez forderte nämlich die Einrichtung von Internierungslagern für 4000 Terror-Verdächtige forderte. Dass damit ein Guantanamo à la française geschaffen würde (Les Echos, 16.11.), wies er natürlich weit von sich. In den französischen Lagern solle alles rechtsstaatlich zugehen und– im Gegensatz zu Guantanamo- auch nicht gefoltert werden. Übrigens erfreut sich Wauquiez‘ Vorschlag einer recht großen Beliebtheit, selbst bei Intellektuellen wie Pascal Bruckner,  die eher dem linken Lager zugerechnet werden. Aber die Phantasien, wie man der terroristischen Gefahr begegnen kann, sind fast grenzenlos. Der Parteichef der Republikaner und ehemalige Staatspräsident möchte „centres de déradicalisation“ einrichten (Le Monde, 2.12.), also  Umerziehungslager, für die es ja einschlägige Beispiele gibt. Und es werden auch wieder die bewährten Zwangsarbeitslager in Cayenne ins Spiel gebracht, dort also, wo der Pfeffer wächst. Und natürlich überbietet Vater Le Pen alle: Er fordert die Wiedereinführung der Todesstrafe, die bei Terroristen durch die Methode des Kopfabschlagens vollzogen werden soll- wie sie ja auch vom Islamischen Staat und Saudi-Arabien gerne und häufig praktiziert wird.

Es gibt in Frankreich derzeit geradezu eine surenchère securitaire, also einen Überbietungswettbewerb, was Maßnahmen zum Schutz vor Terrorismus angeht. Deshalb wird der Ausnahmezustand nach dem Willen Hollandes wohl ohne Probleme noch einmal über den 26. Februar hinaus um drei Monate verlängert werden, auch wenn Experten der UNO davor gewarnt haben, „estimant qu’il imposait des ‚restrictions excessives et disproportionnées sur les libertés fondamentales.‘“ (Le Monde, 21.1.16).  Aber eine deutliche Mehrheit der französischen Bevölkerung ist bereit, eine Einschränkung von Freiheiten hinzunehmen, wenn es um die Sicherheit geht, wie eine aktuelle ifop-Umfrage eindrucksvoll bestätigt. Und nichts ist derzeit schlimmer und politisch gefährlicher, als sich dem Vorwurf des laxisme oder des angélisme auszusetzen, also der Nachgiebigkeit oder eines naiven Gutmenschentums.

Deshalb steht auch der von Hollande nach den Attentaten angekündigten und inzwischen konkretisierten Verfassungsänderung nichts im Wege. Diese  Verfassungsänderung ist insofern verständlich, als die Regelung des Ausnahmezustandes bisher auf rechtlich ziemlich wackeligen Füßen steht, nämlich einem einfachen Gesetz aus dem Jahr 1955. Da muss also die Regierung damit rechnen, dass eine vom Ausnahmezustand in ihren Freiheiten eingeschränkte Person Verfassungsbeschwerde (QPC) beim Conseil constitutionel einlegt, was inzwischen auch schon geschehen ist.  Jetzt soll also der Ausnahmezustand ein „verfassungsrechtliches Fundament“ erhalten. Allerdings wollen Hollande und die Regierung diese Gelegenheit zu einer Verschärfung nutzen: Der Ausnahmezustand soll jetzt gleich für sechs statt bisher drei Monate verhängt werden, und danach soll es möglich sein, einen Teil der Notstandsmaßnahmen noch weiter- und erst langsam stufenweise zurückzuführen. Da hat die Polizei einen großen  Spielraum. Der soll –ganz unabhängig vom état d’urgence- sowieso noch erheblich erweitert werden. Alle Vorschläge gehen, wie Le Monde (3.12., S.8) schreibt,  dahin, die Machtbefugnisse der Polizei ohne rechtliche Kontrolle erheblich auszuweiten. „L’exception va devenir  la règle.“ 

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                             Karikatur von Selçuk. Le Monde, 21.11., S. 20

Besonders umstritten ist das von Hollande vor dem  Kongress angekündigte Vorhaben, in Frankreich geborenen verurteilten Terroristen die französische Staatsbürgerschaft abzuerkennen, wenn sie eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen. Damit würde die Beseitigung des geradezu geheiligten „droit du sol“ Verfassungsrang bekommen und eine alte Kernforderung des Front National erfüllt. Vichy, wo es das schon einmal gab, lässt grüßen.

Zwar hat der Conseil d’État das Vorhaben positiv beurteilt, gleichzeitig aber dem Präsidenten ein gesichtswahrendes Schlupfloch zum Rückzug angezeigt. Er wies nämlich darauf hin, dass die mit der Geburt erworbene französische Nationalität „un élément constitutif de la personne“ sei. „En priver quelqu’un pourrait être regardée comme une atteinte excessive et disproportionnée à ces droits et contraire à la Déclaration des droits de l’Homme de 1789.“ Zwischenzeitlich deutete Manuel Valls ein Einlenken an, weil der Geltungsbereich und die Effektivität des Vorhabens nur äußerst begrenzt seien.  Der Präsident beharrt aber auf seinem Vorhaben, auch wenn er damit seine Partei einer erneuten Zerreißprobe aussetzt und seine Chance, 2017 die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen zu erreichen, weiter verringert. Für Libération (21.12.) stellt sich da die Frage, „comment l’exécutif a pu se fourrer dans un tel piège.“ Die Antwort von Martine Aubry: Hollande passe sich damit der Stimmung der Bevölkerung an. Aber mit dem gleichen Argument könne man auch wieder die Todesstrafe einführen. Und sie zitiert François Mitterand: « Ne pas gouverner avec les sondages, c’est la différence entre un homme politique et un homme d’Etat. » (Le Monde, 14.1.)

Ich würde gerne –in guter alter Tradition- gegen die –jetzt französischen- Notstandsgesetze auf die Straße gehen und demonstrieren. Aber das geht nicht: Wir leben ja im état d’urgence. Da sind Demonstrationen verboten….

 

Und was weiter?

Die Attentate vom 13. November sind ein massiver Einschnitt für Frankreich mit weitreichenden Konsequenzen für das Land selbst, aber auch weit darüber hinaus. Dazu gehört die Forderung nach europäischer Solidarität für den von Hollande erklärten Krieg gegen den Terrorismus, wozu auch die Forderung nach einer deutschen militärischen  Beteiligung gehört. Es ist ja ein beliebter französischer Vorwurf, dass sich Deutschland feige seiner Verantwortung in der Welt entziehe- zuletzt sehr massiv vorgetragen beim militärischen Einsatz der Franzosen in Libyen, dessen desaströse Konsequenzen inzwischen ja nur allzu deutlich sind – ebenso wie die ebenso desaströsen Konsequenzen des amerikanischen Krieges im Irak. Jetzt schickt Deutschland mit ausdrücklichem Verweis auf die Solidarität mit Frankreich Soldaten nach Mali und beteiligt sich am Krieg gegen den IS, ohne dass auch hier wieder eine nachhaltige militärische Strategie, geschweige denn eine politische Perspektive, wenigstens in Ansätzen  deutlich wäre.

 

Und die französische Solidarität in der Flüchtlingskrise? Fehlanzeige!

Wenn sich aber Deutschland jetzt mit Frankreich solidarisch zeigt in seinem Krieg gegen den sogenannten Islamischen  Staat, könnte Deutschland ja umgekehrt eine deutlichere Unterstützung Frankreichs in der Flüchtlingskrise erwarten, wie der Figaro am 25.11. schrieb. Hollande hat zwar solidarische Lippenbekenntnisse abgegeben- es sei „unsere Pflicht“ gewesen, „diese Personen aufzunehmen“ (Le Figaro, 25.11.), aber mit „uns“ war Frankreich sicherlich nicht gemeint. Und  inzwischen hat Premierminister Valls Europa und vor allem natürlich Deutschland aufgefordert, seine Grenzen für „migrants“ zu schließen. Hier handelt es sich in der Tat um eine erhebliche Verschärfung der französischen Position, „déjà réputée pour son extrême réserve à l’égard des migrants“ (Le Monde, 25.11.). Es dauert in Paris derzeit vier Monate, bis Flüchtlinge überhaupt nur einen Asylantrag stellen können. Bis dahin gehören sie zur Gruppe der „sans papiers“ und damit der Wohnsitzlosen. (Le Monde, 22.1.16).  Von der Aufnahme des französischen Kontingents an den gemäß Beschluss des Rats europaweit zu verteilenden 160 000 Flüchtlingen ist in Frankreich sowieso nicht mehr die Rede. Und einen darüber hinausgehenden ständigen Verteilungsmechanismus hat die französische Regierung ausdrücklich abgelehnt. Sie bewegt sich also auch in diesem Bereich auf die Positionen der Rechten und extremen  Rechten  zu.

Konsequenzen für die staatlichen Finanzen: die Aufkündigung des Stabilitätspaktes   Eine der ersten  Konsequenzen der Anschläge des 13.11. war die Aufkündigung des europäischen Stabilitätspaktes durch François Hollande. Angesichts der besonderen Umstände habe der „Sicherheitspakt“ – was auch immer damit gemeint sein mag- Vorrang vor dem Stabilitätspakt, also vor der nun schon seit 7 Jahren überfälligen Reduzierung des französischen Haushaltsdefizits auf die vertraglich vereinbarten und von Frankreich immer wieder zugesicherten drei Prozent.  Schon vor dem 13.11. hatte sich eine Tendenz abgezeichnet, dass Frankreich die von ihm eingegangenen Verpflichtungen schon wieder nicht würde erfüllen können. Da bieten die Anschläge vom 13.11. eine willkommene Gelegenheit, die aktuelle Notlage vorzuschieben, um die erneute Überschreitung der drei Prozent-Zielmarke zu rechtfertigen. Und die europäischen Partner sollen auf diese Weise auch milde gestimmt und zu dem fälligen vierten Aufschub bewegt werden. Diese Taktik scheint Erfolg zu haben,  wurde doch schon von den europäischen Partnern, der Kommission und dem Europaparlament entsprechendes Entgegenkommen gezeigt.

Dass die Ausweitung der Verschuldung -Frankreich steuert zielstrebig auf eine Verschuldungsquote von 100% zu- auch eine Kehrseite hat, ruft die liberale Europaabgeordnete Sylvie Goulard in Erinnerung:  Frankreich begebe  sich so tendenziell in die Abhängigkeit von den Finanzmärkten, es verliere  seine nationale Selbstständigkeit und werde geschwächt. (Le Point, 18.11.) Im Moment meinen es die internationalen Finanzmärkte ja ausgesprochen gut mit Frankreich – wie auch mit dem anderen Schulden- Sorgenkind, Italien. Aber eine Garantie, dass das so bleibt, gibt es nicht. Dann droht die nächste europäische Schuldenkrise, vielleicht sogar der Zerfall des Euro-Raums….

 

Ursachenforschung: die innenpolitische Dimension                                                             Nach den Anschlägen des Januar wurden in Frankreich fundamentale gesellschaftliche Fragen aufgeworfen und diskutiert, z.B. nach der Freiheit der Meinungsäußerung, der Laizität, nach dem Ort des Islam in Frankreich, nach der Rolle der Schule, nach dem Scheitern von Integration. Der französische Premierminister war ja immerhin so weit gegangen, in Bezug auf den Zustand mancher Vorstädte von einer Form der apartheid social zu sprechen. Und Valls weiß, wovon er spricht, weil er lange Jahre Bürgermeister einer Kommune mit einem hohen Anteil an Muslimen und großen sozialen Problemen war.

Auch nach den Anschlägen vom November  gibt es in Frankreich allmählich wieder eine intensive Diskussion, inwieweit hausgemachte soziale Probleme ein Grund dafür sein könnten, dass so viele junge Franzosen in Syrien auf Seiten des IS kämpfen oder den Terror nach Frankreich tragen. Diese Auseinandersetzung findet auch in aller Schärfe auf Regierungsebene statt: So betont Wirtschaftsminister Macron „le terreau qui a nourri cette violence, les injustices qui se sont installées.“ (Le Monde, 19.1.) Er bedauert, dass Frankreich eine Gesellschaft sei, «où nous avons construit la capacité à fermer la porte». Jemand, der wegen eines Barts oder eines arabisch klingenden Namens für einen Muslim gehalten wird, habe viermal geringere Chancen auf Einstellung als ein anderer. „On a laissé s’installer de l’exclusion. Je ne dis pas qu’elle explique, je dis qu’elle est là“ (Libération 21.11.). Erst im Herbst dieses Jahres wurde aus Anlass des 10-jährigen Jahrestages der Unruhen in den Vorstädten von Paris in vielen Medien eine ziemlich niederschmetternde Bilanz dessen gezogen, was seitdem geschehen ist. Zwar sei sehr viel Geld in die städtebauliche Sanierung gesteckt worden und das äußere Bild der Vorstädte habe sich zum Teil erheblich verbessert, aber die sozialen Zustände seien stellenweise immer noch von Hoffnungslosigkeit, Armut, Drogenhandel und Gewalt bestimmt. Der Abstand zwischen dem Lebensstandard in den Problemzonen (ZUS) und dem im anderen Frankreich habe sich in den letzten Jahren sogar noch vergrößert. „Lentement, certains territoires font sécession: ils se détachent de la République, qui les laisse partir à la dérive“.  Hier biete sich der Islam als Orientierungshilfe an und der Djihadismus nutze die Lage weidlich aus.  (Le Monde und Le Figaro, 26.10.15)

Die Umweltministerin Ségolène Royal widersprach allerdings ihrem Kabinettskollegen in der ihr eigenen energischen Weise: Man könne doch nicht die Schuld für den radikalen Djihadismus in der französischen Gesellschaft suchen. Frankreich sei ein großes demokratisches Land, in dem die Erziehung Priorität habe. Alle Kinder erhielten kostenlosen Schulunterricht, es gebe ein vorbildliches Sozial- und Gesundheitssystem, das äußersten Schutz gewähre, also gewissermaßen die beste aller Welten und deshalb „pas question de culpabiliser la République“. Und ganz generell: Il ne faut pas chercher des explications“, sondern man müsse die Terroristen aufspüren, unschädlich machen und seinen Blick in die Zukunft richten.  (Le Figaro, 29.11.2015)

Der Blick in die Zukunft bietet allerdings nach den Regionalwahlen vom 6. und 13. Dezember wenig Anlass zum Optimismus. Zwar hat der Front National keine der dreizehn neu gebildeten Regionen gewinnen können, aber er hat mit 6,8 Millionen Stimmen noch nie so gut abgeschnitten. Und er hat im zweiten Wahlgang noch 800 000 Stimmen dazugewonnen, obwohl z.B. gerade in der umkämpften und bevölkerungsreichen Region Ile de France sehr viele FN-Wähler im zweiten Durchgang mit einem „vote utile“ der republikanischen Kandidatin Valérie Pecresse zum Sieg verholfen haben. Der FN hat in jeder Hinsicht seine Wählerbasis verbreitert: „l‘évolution du FN est une évolution en nombre, géographique, générationelle et également sociale“, wie der Wahlforscher  Jean-Daniel Lévy in Les Echos vom 15.12. feststellt. Und angesichts der Themen, die für die Wahl des FN ausschlaggebend waren, nämlich Arbeitslosigkeit, Sicherheit und Immigration, sei auch kaum zu erwarten, dass die Partei schon ihr Maximum erreicht habe. Denn diese Themen würden auch in den kommenden Monaten ihre Brisanz behalten. Die Gefahr besteht aber, dass Republikaner und Sozialisten  das Ergebnis schön reden (Libération, 13.12.): Immerhin ist es ja gelungen, „de faire barrage au FN“, die Republikaner haben sieben Regionen gewonnen, die Linke fünf. Angesichts der fortdauernden  Spaltung der Sozialisten und der Linken insgesamt wird die Regierung also wohl weiterwursteln wie bisher. Und die Rechte leistet sich einen erbitterten Machtkampf und schwankt, ob sie denn weiter auf den FN zugehen will, um ihm Wähler abzujagen (Sarkozy) – damit würde sie aber möglicherweise Wähler in der Mitte verlieren – oder ob sie sich mehr zur Mitte hin bewegen und vom FN abgrenzen will (Juppé, Fillon, NKM) – damit würde sie allerdings möglicherweise dem FN noch mehr das rechte Terrain überlassen. Kommentatoren sind sich einig, dass „business as usual“ das Schlimmste wäre, was die politische Elite Frankreichs jetzt betreiben könnte. Der Vertrauensverlust zwischen Regierenden und Regierten sei zu offenbar: Verursacht vor allem durch die ständigen Versprechungen des Präsidenten und der Regierung, die „courbe de chômage“ umzukehren. Die Arbeitslosigkeit ist aber gerade wieder auf ein absolutes Rekordniveau angestiegen. Jetzt hat Präsident Hollande den état d’urgence économique et social“ ausgerufen, aber die angekündigten Maßnahmen sind eher kosmetisch. Libération beklagte  schon in ihrem Éditorial vom 15.12. „le refus des risques“ und die Tendenz „de ne rien changer à la ligne gouvernementale“. Man müsse handeln, bevor es zur Katastrophe komme, forderte Le Monde in ihrem Éditorial vom 15.12. Die Katastrophe wäre der Sieg von Marine Le Pen in den Präsidentschaftswahlen 2017. Es bleiben nur noch wenige Monate, sie zu verhindern.

Man kann nur hoffen, dass sie genutzt werden. Danach sieht es allerdings derzeit eher nicht aus….

Trübe Aussichten also für Frankreich, Frankreich- Liebhaber und Europa-Freunde…

 

Ergänzung Nov/Dez 2016: Der Ausnahmezustand als Dauerzustand?

Am 13. und 15. November 2016 haben der französische Ministerpräsident Valls und der Staatspräsident Holland eine Verlängerung des Ausnahmezustandes mindestens bis zu den Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2017 angekündigt. Diese Ankündigung war den französischen Medien (Le Monde, le Figaro, Libération) nur eine kurze Meldung wert. Offenbar gilt diese Maßnahme inzwischen nur noch als Routineangelegenheit, obwohl sie tiefgreifende Einschnitte in grundlegende Freiheitsrechte ermöglicht.

Inzwischen wurde der Ausnahmezustand schon viermal verlängert, zuletzt nach dem grauenhaften Terroranschlag in Nizza am  14. Juli, dem französischen Nationalfeiertag. Am Vormittag hatte Hollande noch feierlich in seiner Fernsehansprache das Auslaufen des Ausnahmezustandes verkündet, weil er seine Aufgabe erfüllt habe und die drastisch verschärften Anti-Terrorgesetze jetzt ausreichten. Danach aber wurde eine weitere Verlängerung um sechs Monate beschlossen, obwohl der Ausnahmezustand den Terroranschlag gerade nicht hatte verhindern können.

Die weitere Verlängerung wird vermutlich wieder von einer breiten parlamentarischen Mehrheit beschlossen werden. Die Exekutive und die Judikative befinden sich hier in der Tat in einer Falle, wie der Le Monde- Redakteur Jean-Baptiste Jacquin in einem Debattenbeitrag in der Ausgabe vom 29. 11. schreibt. („Le piège de l’état d’urgence“)

Zwar habe der Vizepräsident der Conseil d’Etat gerade festgestellt, der Ausnahmezustand sei ein Zustand der Krise, der nicht unbegrenzt verlängert werden könne. Die Schwierigkeit besteht nach Jacquin aber darin, ihn zu beenden – und zwar nicht aus juristischen oder sicherheitsrelevanten, sondern aus politischen Gründen. Das Gesetz zum Ausnahmezustand von 1955 lege fest, dass der Ausnahmezustand bei einer unmittelbar drohenden schweren Bedrohung der öffentlichen Ordnung verhängt werden könne. Es bestehe aber in Frankreich weitgehend Einigkeit, dass die islamistische/terroristsiche Bedrohung nach wie vor hoch sei. „Die terroristische Bedrohung ist dauerhaft und wird nicht mit dem Fall des Islamischen Staates beendet sein.“  

Obwohl die Anti-Terrorgesetzgebung im Laufe der letzten 20 Monate viermal erheblich verschärft worden seien, verstärke die Verlängerung des Aunahmezustands das Misstauen in den Rechtsstaat, dessen Gesetze offenbar nicht ausreichten, um den Terrorismus effektiv zu bekämpfen.

Und Jacquin schließt mit dem düsteren Satz:

„Die unbegrenzte Verlängerung des Ausnahmezustands bereitet einem eventuellen Polizeistaat den Weg.“ („La prolongation indéfinie de l’état d’urgence est un boulevard pour un éventuel Etat policier.“ ) 

Damit spielt er offensichtlich auf eine mögliche Präsidentschaft Marine le Pens an, die gewissermaßen den Ausnahmezustand auf einem parlamentarisch/juristisch vergoldeten Tablett serviert bekäme.

In der Tat trübe Aussichten  für Frankreich, Frankreich- Liebhaber und Europa-Freunde…