
Foto: WF Jöckel
Es gibt -neben dem baguette- wohl kaum ein für Frankreich typischeres Backwerk als das Croissant. Und so wie jährlich das beste baguette von Paris in einem prestigeträchtigen Wettbewerb ermittelt wird – der Sieger ist ein Jahr lang „Hoflieferant“ des Präsidenten- so wird auch das beste Croissant ermittelt. Bewerben darf sich jede Bäckerei von Paris und den umliegenden Departements, die die gesamte Herstellung selbst vornimmt. Und wie kompliziert die ist, hat Klaus Lintemeier in Paris-magie, dem neuen Paris-Blog, eindrucksvoll beschrieben.
Im Mai 2024 wurde für die Saison 2024/25 eine Bäckerei im Faubourg Saint-Antoine ausgewählt, einem Viertel das in allen französischen Revolutionen eine wichtige Rolle gespielt hat und ehemals Zentrum der französischen Möbelherstellung war. Im kulinarischen Bereich ist es aber bisher meines Wissens eher weniger hervorgetreten. Umso überraschender und für Liebhaber des Viertels (wie wir) erfreulicher ist aber, dass die Bäckerei Doucet, ein kleiner -und passend zum Viertel: eher unscheinbarer- Familienbetrieb mit Sitz im Faubourg Saint-Antoine 2024 ausgewählt wurde.

Der Sieger kann für seine Croissants entsprechend Werbung machen und auch etwas höhere Preise verlangen. Das Privileg, den Elysée-Palast zu beliefern, hat er aber nicht. Wir lassen uns jetzt aber gerne zum Nachmittagskaffe das leckere Croissant aus dem Hause Doucet schmecken… Dazu gehört natürlich auch, wie auf dem Bild des Monats zu sehen, die aktuelle Ausgabe von Le Monde: In Paris kann man die des folgenden Tages schon am frühen Nachmittag kaufen. Quel privilège!

Allerdings müssen wir nicht unbedingt bei Doucet die Croissants kaufen: In unmittelbarer Umgebung unserer Wohnung gibt es nicht weniger als VIER Bäckereien, und wenn wir bereit sind, einen fünfminütigen Fußweg in Kauf zu nehmen, noch vier weitere… Und dort gibt es auch leckere Croissants und dazu noch deutlich preisgünstigere….
Das wohl größte Croissant von Paris gibt es übrigens in Montmartre- es ist fast so groß wie ein Kinderkopf, es wiegt 750 Gramm, also so viel wie 15 „normale“ Croissants und scheint ein Verkaufsschlager zu sein – und dies trotz seines stolzen Preises von 32 Euro.

Das XXL-Croissant gibt es bei Philippe Conticini in der Rue de Steinkerque, durch die sich die Touristenmassen auf dem Weg zur Kirche Sacré-Coeur drängen- ein idealer Platz also und ein Marketing-Gag….

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Mit Paris und Croissants habe ich eine unauslöschliche Erinnerung: Es war Anfang der 1980er-Jahre und ich war als junger frankophiler Erwachsener zusammen mit einigen ehemaligen schwäbischen Mitabiturienten im Pariser Nachtleben zugange, währenddessen wir – heute würde man sagen – „locals“ kennenlernten, die uns zum ausschweifenden Kneipenbummel überredeten. Wir ließen uns nicht lange bitten, denn bessere „Fremdenführer“ zum Um-die-Häuser-ziehen hätte man sich nicht wünschen können. Die Nacht wurde lang und länger und ich, von Rotwein und Bier berauscht, immer müder. Wir landeten in Kneipen, in die wir freiwillig keinen Fuß gesetzt hätten. Obskure Gestalten kamen und gingen, manche breiteten den Inhalt ihrer mitgebrachten Plastiktüten auf den Tischen aus und frisch geklaute Autoradios offenbarten sich unseren unschuldigen Post-Pennäler-Augen. Als alle Kneipen schon zu waren, ging es in irgendeinem obskuren Viertel in die Wohnung eines unserer Gastgeber, wo bei noch mehr Alkohol, Weltlage und der kulturelle Zustand unserer nachbarschaftlichen Gesellschaften diskutiert wurden. Immerhin konnte ich ein Nickerchen machen. Als es 3 Uhr morgens wurde, schlugen die Franzosen vor, zu einer Großbäckerei zu fahren und frische Croissants zu holen. Mir kam die Idee sehr schräg vor, um nicht zu sagen, sie war mir etwas suspekt. Trotzdem zwängten wir uns alle in einen gefährlich verkehrsuntüchtigen Peugeot und die Jungs fuhren im Kreuz und Quer durch ein Paris, das längst sämtliche touristische Landmarken weit hinter sich gelassen hatte und mit dem Wort Banlieue nur unzureichend beschrieben werden konnte. Tatsächlich stoppte die Karre nach 20 Minuten vor einem eisernen Fabriktor. Kein Firmenschild, nichts, was uns hätte einen Hinweis geben können auf den Ort des Geschehens (falls wir am nächsten Tag der Polizei hätten erklären müssen, wo man uns ausgeraubt hatte…). Anstattdessen klopfte der Fahrer ans Eisentor, das sich kurz darauf einen Spaltbreit öffnete. Ein kurzer Wortwechsel zwischen ihm und einem hinter dem Tor hantierenden „Bekannten“ und wir gelangten in den Besitz einer riesig großen Bäckerstüte mit backfrischen, dampfenden Croissants. Ich weiß nicht mehr, wieviele ich verschlungen hatte, aber ich erinnere mich, dass der Verzehr des frischen Gebäcks meine Müdigkeit schlagartig verfliegen ließ. Ich habe bis dato und seither nie mehr so gute und frische Croissants gegessen und jeder Kauf danach musste sich in meinem Geiste mit jenen aus dieser Nacht messen lassen. – Heute, mit 65 Jahren, bin ich dankbar, dass mir das Leben diese Geschichte schrieb.
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In der Tat: eine wunderbare Geschichte! Vielen Dank dafür! W.J.
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Hallo!
Zwischendurch einfach einmal Danke für Ihre Gedanken und Informationen.
Ich greife mittlerweile gerne auf Ihren Blog zurück, wenn ich zwischen und vor meinen Aufenthalten in Paris noch kleine Gustostückerl mitnehmen will …
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Freut mich! Und „Gustostückerl“ (was für ein schönes Wort!) gibts in Paris ja genug….
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Danke, Wolf, für die Notiz zum Star des Tages. Wir haben in unserer Umgebung lange nach guten Croissants gesucht und finden die von Görtz (Ludwigshafener Bäckereikette) passabel. Sie können wahrscheinlich mit denen von Doucet nicht mithalten.
Gruß, Wolfgang G.
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Hier in der Umgebung siehts, was croissants angeht, ziemlich traurig aus. Dafür freuen wir uns dann umso mehr wieder auf die in Paris…
Herzlichen Gruß und à bientôt! Wolf
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