Armenier, Kommunist, Mann der Résistance: Missak Manouchian wird ins Pantheon aufgenommen (21.2.2024)

„Missak Manouchian hat zur grandeur Frankreichs beigetragen. Seine einzigartige Tapferkeit, sein patriotischer Elan … und sein stiller Heroismus … stellen eine besondere Quelle der Inspiration für unsere Republik dar. Missak Manouchian verkörpert die universellen Werte so wie „die zwanzig und drei, die im Fallen FRANKREICH schrie’n“, und auch sie werden mit ihm gefeiert. Denn die Gruppe Manouchian -Ausländer, Juden, Kommunisten-  verteidigte eine Republik, in der das Bekenntnis zu den Prinzipien der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit alle Heldentaten ermöglicht, alle Opfer erlaubt und alle Schicksale vereint und überhöht….. Das für Frankreich vergossene Blut hat für alle die gleiche Farbe.“[1]

Mit diesen pathetischen Worten verkündete Präsident Macron seine Entscheidung, den Widerstandskämpfer Missak Manouchian in den Ruhmestempel Pantheon aufzunehmen, die höchste Ehrung der französischen Republik. Seine sterblichen Überreste werden dort, zusammen mit denen seiner Frau Mélinée[2]–  an der Seite von Rousseau und Voltaire, von Zola und Victor Hugo, von Jean Moulin und der zuletzt ins Pantheon aufgenommenen Josephine Baker aufgebahrt sein.

Präsident Macron hat für diese Ankündigung einen besonderen Anlass gewählt: Nämlich den 18. Juni 2023, den Jahrestag des für die Geschichte Frankreichs wegweisenden Appells des Generals de Gaulle vom 18.Juni 1940. Nach der französischen Niederlage hatte der in einer Rundfunkansprache von Radio London dazu aufgerufen, weiter Widerstand gegen die deutsche Besatzung zu leisten. Frankreich sei zwar besiegt, habe aber nicht den Krieg verloren, weil die Flamme des Widerstands noch nicht erloschen sei.[3]

1960, wiederum an einem 18. Juni,  hatte de Gaulle, inzwischen Staatspräsident, auf dem westlich von Paris gelegenen Mont-Valérien eine Erinnerungsstätte für die im Kampf gegen Hitlerdeutschland Gefallenen eingeweiht. Der Mont-Valérien war während des Zweiten Weltkriegs der hauptsächliche Ort gewesen, an dem die Besatzer Mitglieder des Widerstands, Juden, Kommunisten und Geiseln hinrichteten.[4] Und nun, am 18. Juni 2023 erklärte Präsident Macron bei der Gedenkfeier auf dem Mont-Valérien alle, die an diesem Widerstand gegen die Besatzer teilgenommen hatten, zu Helden. Dazu gehörten auch die ausländischen und kommunistischen Mitglieder des Widerstands, die die „Gruppe Manouchian“ bildeten. Am 21. Februar 1944 wurden 23 Mitglieder der Gruppe auf dem Mont-Valérien hingerichtet. Und 80 Jahre später, am 21. Februar 2024, wird  Missak Manouchian zusammen mit seiner Frau stellvertretend für die ausländischen Mitglieder der Résistance in das Pantheon aufgenommen werden.[5]

Wer war Missak Manouchian, und warum ist er, wie in den französischen Medien einhellig geurteilt wird, der Pantheonisierung würdig? Geboren wurde er am 1. September 1906 im Osmanischen Reich. Seine Eltern wurden während des Ersten Weltkriegs Opfer des Völkermords an den Armeniern. Mit seinem Bruder gelang ihm die Flucht ins Gebiet des heutigen Libanon und 1924 kam er nach Frankreich. Dort arbeitete er zunächst als Tischler in Marseille, dann bei Citroën in Paris, wo  damals viele Armenier Zuflucht suchten. Manouchian war literarisch interessiert, besuchte Kurse der Sorbonne und gründete eine armenische Literaturzeitschrift, für die er Baudelaire und Rimbaud übersetzte, nebenher schrieb er auch selbst Gedichte. 1931 trat er der Kommunistischen Partei bei. [5a]1933 beantragte er die französische Staatsbürgerschaft: Er wolle so rasch wie möglich eingebürgert werden, schrieb er am 1. August 1933 an das Justizministerium, um seinen Militärdienst ableisten zu können. Die Eingabe war allerdings erfolglos; vermutlich, weil er damals aufgrund der Weltwirtschaftskrise arbeitslos war.In einem armenischen Arbeitskreis der Partei lernte er Mélinée kennen, seine künftige Frau. Auch ihre Familie war dem Genozid zum Opfer gefallen. 1939 engagierte er sich freiwillig in der französischen Armee. Da er aber in der Bretagne stationiert war, nahm er 1940 nicht an den Kämpfen teil und wurde nach dem Waffenstillstand demobilisiert.

1941 schlossen sich Missak und Mélinée dem Widerstand gegen die NS-Besatzung an, weil er das Land, das ihn beschützt hatte, nun selbst beschützen müsse, wie er später schrieb. Er wurde an die Spitze des Pariser Netzwerks FTP-MOI (Francs-tireurs et partisans-Main d’œuvre immigrée) befördert, eine Gruppe, in der vor allem Armenier, Italiener, Spanier und verfolgte Juden organisiert waren. 1943 verübten sie insgesamt dreißig Anschläge, vor allem auf militärische Eisenbahntransporte, aber auch Einrichtungen und Personen der Besatzungsmacht. Spektakulär war vor allem das Attentat auf den SS-General Julius Ritter, der in Frankreich den Service du travail obligatoire (STO) leitete, der die besonders verhasste Zwangsarbeit von Franzosen in Deutschland organisierte. Als Repressalie wählten die Besatzer 50 Gefangene als Geiseln aus und erschossen sie auf dem Mont-Valérien. Aufgrund der Anschläge wurde die FTO-MOI von den auf die Verfolgung „innerer Gegner“ spezialisierten brigades spéciales der französischen Polizei immer engmaschiger überwacht, bis ein beträchtlicher Teil des Netzwerks identifiziert war. Die deutsche Besatzungsmacht wäre dazu nicht in der Lage gewesen, wärend die französische Polizei ja schon seit längerem Ausländer, Juden und Kommunisten im Visier hatte.

Dies ist das Organigramm der Gruppe Manouchian, hergestellt von den französischen Spezialbrigaden aufgrund der vermutlich zwischen dem 24. Juli und 11. November 1943 durchgeführten Beschattungsaktionen.[6] Die Namen beziehen sich zum Teil auf äußere Merkmale der Beobachteten, meist auf den Ort der ersten Identifizierung. Missak Manouchian, der zum ersten Mal im Bahnhof Bourg-la-Reine ins Fadenkreuz der Spezialbrigaden kam, firmiert -in der Mitte des Spinnennetzes-  unter dem Namen Bourg.

Hier ein Auszug aus einem Protokoll einer Beschattungsaktion (filature) vom 9. November 1943- da ist Manouchian schon identifiziert: „Manouchian verlässt seine Wohnung um 7.15 Uhr, nimmt die Metro in Pernety und steigt an der Gare de Lyon aus. Mit dem Zug um 8.02 Uhr fährt er bis Brunoy, wo er um 8.45 aussteigt. Beim Bahnhofsausgang trifft er Estain“.  Dabei handelte es sich um den Manouchian übergeordneten Joseph Epstein, den militärischen Führer der FTP-MOI[7]. „Sie begeben sich nach Épinay-sous-Sénart, drehen dann um und betreten ein Café vor dem Bahnhof von Brunoy. Dort bleiben sie 50 Minuten. Sie trennen sich um 11.30 Uhr, und Manouchian fährt mit dem Zug zurück nach Paris.“[8] Allerdings schlägt die französische Geheimpolizei hier noch nicht zu, sondern erst einige Tage später.  Am 16. November wird Manouchian verhaftet, verhört und dann mit weiteren Mitgliedern seiner Gruppe den Deutschen überstellt.

Polizeifotos der Préfecture de Police von Paris, November 1943[9]

Es folgt ein Prozess vor dem Kriegsgericht beim Kommandanten von Groß-Paris, im Hotel Continental rue de Rivoli/rue de Castiglione.  Dabei wandte sich Manouchian an die Kollaborateure der Spezialbrigaden und sagte den berühmten Satz: „Ihr habt die französische Staatsbürgerschaft nur geerbt, wir haben sie uns verdient.“[10] Am 21. Februar 1944 wird er auf dem Mont-Valérien mitsamt 21 seiner Genossen hingerichtet. Joseph Epstein wird erst später verurteilt und hingerichtet. Der französischen Spezialpolizei ist seine wahre Identität unbekannt -für sie ist „Estain“ ein Franzose, der in einen Propaganda-Prozess gegen Ausländer und Juden nicht passt   [11]

8 Mitglieder der Gruppe kurz vor der Erschießung. Dritter von links in der Reihe/Zweiter von links auf dem Foto ist Manouchian.[12] 

Hinrichtung der Widerstandskämpfer der Gruppe Manouchian, Lichtung der Erschossenen des Mont-Valérien, 21. Februar 1944. Von der Erschießung durften keine Fotos gemacht werden. Es war ein deutscher Unteroffizier, der Nazigegner Clemens Rüther, der heimlich drei Fotos der Hinrichtung machte. Olga Bancic, die einzige Frau in der Gruppe, wird nach Deutschland gebracht und dort enthauptet. Wollte man den deutschen Soldaten ersparen, auf eine Frau zu schießen? [13]

Vielleicht wären Missak Manouchian und die Mitglieder seiner Gruppe unter den vielen Opfern der Résistance und des Krieges in Vergessenheit geraten, hätte es nicht das „Rote Plakat“ (affiche rouge) gegeben. Es war ein Propagandaplakat der deutschen Besatzer und der Vichy-Behörden, auf dem die am 21. Februar Erschossenen als ausländische und mehrheitlich jüdische  Kriminelle dargestellt wurden- an der Spitze Missak Manouchian: „Armenier, Anführer der Bande, 56 Attentate, 150 Tote, 600 Verwundete“. Die rote Farbe ist die Farbe des Blutes.[14]

Jedenfalls fragte sich später Mélinée Maouchian, die die Verfolgung u.a. dank des Schutzes der Familie Aznavour überlebte:  „Es gibt Tage, an denen ich nicht anders kann, als daran zu denken, dass vielleicht, wenn die Nazis nicht dieses rote Plakat gemacht hätten, niemand über Manouchian, Boczor, Rajman, Alfonso und die anderen ausländischen Kämpfer gesprochen hätte. Sie wären begraben und vergessen worden.“[15]

Flugblatt zu dem Plakat.[16] Die nationalistische Propaganda stellte die Manouchian-Gruppe als Feinde Frankreichs dar. Ihre Aktionen seien „ein ausländisches Komplott gegen das Leben der Franzosen“. Um dieser Propaganda nicht Vorschub zu leisten, verübten die FTP-MOI nur Anschläge auf deutsche Militärangehörige und militärische Objekte, nicht auf Franzosen.

Es gibt unterschiedliche Darstellungen, wo und in welchem Umfang Plakat und Flugblatt verbreitet wurden.[17] Und unterschiedlich wird auch dargestellt, wie die französische Bevölkerung auf das Plakat reagierte. Verbreitet wird festgestellt, es habe nicht die gewünschten Reaktionen provoziert; ganz im Gegenteil: Die Pariser hätten die Plakate beschmiert, Blumen niedergelegt und in großen Lettern „morts pour la France“ (gestorben für Frankreich) darauf geschrieben.“[18] Nach den Forschungen von Annette Wieviorka gibt es dafür aber keinen Beweis; „rien ne le prouve.“[19] Dazu passt auch die Einschätzung von Lionel Rochman, selbst ein Mann des kommunistischen Widerstands, in seinen Erinnerungen:

„Hätten sie Martin oder Durand geheißen, hätte ich mich mit ihrem Tod und in ihrem Martyrium identifiziert. Aber sie hießen Grzywacz und Wajsbrot und Fingercweig, und das war unaussprechlich. Ja, die Propagandisten machten ihre Sache gut, als sie die Rote Karte druckten. Ja, nach Jahren antisemitischen Einhämmerns mussten selbst die Widerstandskämpfer gute, bodenständige Franzosen sein. […] Die fromme Lüge, dass Frankreich beim Aufhängen des Roten Plakats heimlich im Schmerz vereint war, eine Lüge, die von unserem „guten nationalen Gewissen“ aufrechterhalten wurde, hat zu lange verschleiert, dass Propaganda (heute würde man sagen Desinformation) die Macht hat, aus dem Nichts eine zweite Wahrheit zu erschaffen, die nach und nach die Wahrheit verdrängt.“[20]

Selbst nach der Befreiung hörte die Verdrängung der Wahrheit nicht auf: General de Gaulle betrachtete sich als den wahren Repräsentanten des Widerstands, der für ihn vor allem die FFI (Forces françaises de l’intérieur ), die nach seinem Appell von 1940 neu aufgebaute Armee, und die compagnons de  la Libération des von ihm 1940 gegründeten Ordens der Befreiung umfasste.  Immerhin war de Gaulles Appell vom 18. Juni 1940 die Geburtsstunde des französischen Widerstands, während die Moskau-treuen Kommunisten erst nach dem Bruch des Hitler-Stalin-Pakts, also dem Angriff der Wehrmacht auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941, den organisierten Kampf gegen die Besatzer aufnahmen. In aktuellen Würdigungen bleibt das gerne außen vor oder wird schamhaft umschrieben. Es habe da, heißt es beispielsweise in einer aktuellen Würdigung der FTP-MOI, 1940 „quelques hésitations“ seitens der KPF gegeben… Auch Missac und Mélinée Manouchian schlossen sich ja erst dann dem Widerstand an.[21] Vor allem nach dem Ausbruch des Kalten Kriegs entbrannte ein wahrhafter Krieg um die Deutungshoheit des Widerstands, „une longue bataille de mémoire“ (Guy Konopnicki) . Das Pantheon ist dafür ein bezeichnender Gradmesser: Eine ganze Reihe von fast ausschließlich gaullistischen Mitgliedern des Widerstandes wurde bisher schon ins Pantheon aufgenommen: Félix Eboué (1949), René Cassin (1987), André Malraux (1996), Pierre Brossolette, Geneviève de Gaulle-Antonioz, Germaine Tillon (2015) und Josephine Baker (2021). Erst jetzt, mit Missak Manouchian, widerfährt einem Mitglied des kommunistischen Widerstands diese Ehre.

Einen „Krieg der Erinnerung“ gab es aber auch innerhalb der KPF. Die Partei vertrat damals eine sehr patriotische Linie, zu der die Herausstellung kultureller und sprachlicher Besonderheiten nicht passte. So tat sie sich schwer mit der Anerkennung ihrer jüdischen und ausländischen Résistance-Kämpfer. Zwei Beispiele: 1946 war ein Sammelband mit Briefen von erschossenen Widerstandskämpfern erschienen, Lettres de fusillés. 1951 gab es eine der von der Partei abgesegnete Neuauflage Lettres de communistes fusillés, zu der Louis Aragon, prominenter Dichter und militanter Stalinist, das Vorwort schrieb. Die in der ersten Auflage noch enthaltenen 10 Briefe von Mitgliedern der FTP-MOI waren darin nicht mehr enthalten.[23] Nicht genug damit: 1953 wandten sich zwei ehemalige Mitglieder der FTP an Aragon wegen der Veröffentlichung von 10 Episoden aus dem Widerstand. Die erste erzählte die Geschichte von Michel Manouchian. Aragons Antwort: „Man darf nicht den Eindruck erwecken, dass der französische Widerstand einfach so, von derart vielen Ausländern gemacht wurde. Man muss ein wenig französisieren.“ [24] Die Französisierung des Vornamens reichte da offenbar nicht.

1955 dann die Kehrtwende Aragons – vielleicht aus Reue, vielleicht auch vor dem Hintergrund der sich anbahnenden Entstalinisierung nach dem Tod Stalins 1953.  1955 also veröffentlichte Aragon in dem kommunistischen Parteiorgan L’Humanité (und ein Jahr später in Le Roman inachevé) das Gedicht Strophes pour se souvenir/ L’Affiche rouge, das Léo Ferré dann ganz wunderbar vertonte. [25] Anlass war -nach einem gescheiterten ersten Anlauf 1951- die Benennung einer Straße im „roten“ 20. Arrondissement von Paris nach der Gruppe Manouchian.

Aragon bezieht sich in diesem Gedicht auf den Abschiedsbrief Manouchians an seine Frau unmittelbar vor seiner Hinrichtung.[26] Die Gruppe Manouchian wird mit diesem Gedicht in den Kreis der von der KPF gefeierten Helden aufgenommen. Das Rot des Plakats ist jetzt das Rot des Kommunismus. Aragon betont in dem Gedicht die Uneigennützigkeit der Widerstandskämpfer der Gruppe: Vous n’avez réclamé la gloire ni les larmes. Nicht den Ruhm hätten sie gesucht, sondern ihr Leben für ein höheres Ideal hingegeben. Er hebt auch den Humanismus der Gruppe hervor, indem er aus dem Abschiedsbrief Missak Manouchians sinngemäß zitiert: „Ich sterbe ohne Hass auf das deutsche Volk.“  Und vor allem betont er den Patriotismus der Gruppe: „zwanzig und drei Ausländer und gleichwohl unsere Brüder“.  Sie hätten sich zu Frankreich bekannt (français de préférance) und noch im Fallen FRANKREICH geschrien, was Präsident Macron in seine anfangs zitierte Pantheonisierungsankündigung dann auch aufnahm. Aber auch das „FRANKREICH“ als letzter Ruf aller könnte eine Legende sein….  [27]

Bemerkenswert ist übrigens, worauf Annette Wieviorka mit Recht hinweist, dass in dem Lied Aragons das Wort „Jude“ oder „jüdisch“ überhaupt nicht vorkommt – obwohl doch die faschistische Propaganda gerade das hervorgehoben hat: Von den 10 auf dem roten Plakat abgebildeten Widerstandskämpfern werden ja 7 ausdrücklich als Juden herausgestellt. Nach Wieviorka wirkt in der Auslassung Aragons noch der sowjetische Antisemitismus: 1952 waren in Prag im Slansky-Prozess die Beschuldigten wegen „zionistischen Komplotts“ zum Tode verurteilt worden. Und einer von ihnen, Artur London, im Krieg führendes Mitglied der FTP-MOI, entging nur wegen seiner guten Beziehungen zur den Führern der KPF dem Tod, saß aber 1955, als Aragon sein Gedicht schrieb, immer noch in Haft… [27a]

Fresko von Popov für die Manouchian-Gruppe aus dem Jahr 2012 mit Zitaten aus dem Abschiedsbrief Manouchians an seine Frau. 20. Arrondissement, 1 Passage du Surmelin/Ecke rue Darcy

Detail des Freskos: Mitglieder der Gruppe mit rotem Heiligenschein kurz vor der Hinrichtung

Mit dem Heldenlied Aragons war die Auseinandersetzung um Manouchian und seine Gruppe allerdings noch nicht beendet. Denn es kam 1984/1985 noch zur sogenannten „Affaire Manouchian“.[28] Auslöser war der Dokumentarfilm „Des terroristes à la retraite“ von Mosco Levi Boucault über die jüdischen und ausländischen Mitglieder des kommunistischen Widerstands auf der Grundlage von Interviews mit Überlebenden. Das Ergebnis stand in erheblichem Widerspruch mit dem Geschichtsbild der PCF. Da war, angesichts der vielen von den Nazis erschossenen Widerstandskämpfer, die Frage nach der Verhältnismäßigkeit. War der Widerstand militärisch sinnvoll oder ging es eher darum, Einfluss auf die Politik der Résistance zu gewinnen und auf die in dieser Zeit intensiv vorbereitete Nachkriegspolitik Frankreichs? – Die von Stéphane Courtois vertretene These: „In dieser entscheidenden politischen Periode bediente sich die KPF ihres Images als der dynamischsten, heroischsten und in ihrem Patriotismus nicht zu übertreffenden Widerstandsorganisation. Um dieses Image zu unterstreichen, waren spektakuläre Aktionen inmitten der französischen Hauptstadt für die Kommunisten lebenswichtig.“[29]

Einer der interviewten ehemaligen Kämpfer, Louis Grojnowski, dazu: „Wir konnten nicht kapitulieren. Bestimmte Gruppen mussten kämpfen. In jedem Krieg opfert man Menschen.“ Zwar spät -nach dem Bruch des Hitler-Stalin-Pakts-  gekommen, waren die Kommunisten damals tatsächlich die einzigen, die in Paris den städtischen Guerillla-Kampf wagten, auch wenn sie damit die von den Besatzern als Repressalie angekündigten und unerbittlich exekutierten Geiselerschießungen in Kauf nahmen. Erste FTP-Gruppen waren allerdings schnell aufgerieben worden. Und obwohl es deutliche Hinweise gab, dass die Polizei auch der Manouchian-Gruppe auf der Spur war, wurde sie nicht von der Parteileitung aus Paris abgezogen. Annette Wieviorka schreibt dazu: „Warum sollten sie in Paris weiter kämpfen, obwohl die Führung davon ausgehen konnte, dass sie schon von der Polizei entdeckt und überwacht wurden? Warum wurden sie nicht in der Provinz in Sicherheit gebracht? Warum wurden sie nicht in die Maquis geschickt, die sich überall im Land auszubreiten begannen?  (…) Im Juni 1943 beging die Leitung des MOI oder der kommunistischen Partei den Fehler, den man als kriminell bezeichnen kann, nämlich die Kämpfer in Paris zu belassen…..“[30] Diese Position vertritt auch der Journalist Garnier-Raymond, Autor des Buches ‚L’affiche rouge‘ von 1976, der ebenfalls in dem Film zu Wort kommt: „Meiner Meinung nach hat die Leitung der FTP mit einem großen Zynismus die Manouchian-Gruppe im Stich gelassen und geopfert.“[31] Es kam daraufhin zu einer erbitterten Auseinandersetzung um die Ausstrahlung des Films vor dem Hintergrund zunehmender Spannungen zwischen PS und PCF, deren Minister damals aus der Regierung austraten, und einer Umstrukturierung der politischen Landschaft Frankreichs. Die PCF beklagte eine Diffamierungskampagne, mit der „die Ehre und das Erbe der Partei“ beschmutzt  werde und versuchte, die  Ausstrahlung des Films zu verhindern. Schließlich wurde er doch, mit einer Stellungnahme der PCF vorab und einer Diskussion danach, gesendet. 13 Millionen Franzosen saßen vor den Fernsehern, fast 30% Einschaltquote![32]

Jetzt, mit der Pantheonisierung Manouchians, ist der „Krieg der Erinnerung“ zu einem guten Ende gekommen und die getrennten Erinnerungsstränge von Gaullisten und Kommunisten wurden zusammengeführt, „ein wahrhafter geschichtspolitischer Wendepunkt.“ [33]  Damit wird auch die Vorhersage Manouchians im Abschiedsbrief an seine Frau erfüllt, dass nämlich das französische Volk eines Tages das Andenken an die Gruppe würdig ehren werde.  

Ein Portrait Manouchians  des Straßenkünstlers und Malers Christian Guemy (C 215) im Gefängnis von Fresnes. Dort wurde Manouchian vor seiner Hinrichtung  gefangen gehalten. [34]

Die Reaktionen auf die Entscheidung Macrons waren denn auch ausgesprochen positiv- und das will angesichts der weit verbreiteten Kritik am Präsidenten schon etwas heißen. Kritisiert wurden höchstens der späte Zeitpunkt der als überfällig angesehenen Ehrung (z.B. Peschanski) oder die Beschränkung auf die Manouchians (z.B. Wieviorka).

Natürlich ging es Präsident Macron nicht nur um ein geschichtspolitisches Werk der Versöhnung. Die Auswahl Manuchians hat, wie andere Pantheonisierungs-Entscheidungen- einen aktuellen Bezug. Mit der Wahl werden auch zwei auf die Gegenwart bezogene gesellschaftspolitische Botschaften vermittelt, die Macron selbst deutlich herausgestellt hat. Am 7. Dezember letzten Jahres besuchte er das Pantheon zur Vorbereitung der Aufnahme der Manouchians. Seine Aufgabe sei es, so stellte er aus diesem Anlass fest, die Einheit der Nation zu bewahren.[35] Und dazu passt natürlich die Beschwörung der Einheit des antifaschistischen Widerstands, des kämpferischen Frankreichs (la France combattante), dessen bedeutendster Erinnerungsort der Mont-Valérien ist. Ein kämpferisches Frankreich wünscht sich Macron auch in der Gegenwart: Nachdem er 2020 anlässlich der Covid-Pandemie schon verkündet hatte, Frankreich befinde sich im Krieg, proklamierte er in seiner Ansprache zum neuen Jahr 2024 eine umfassende Wiederbewaffnung (réarmement): réarmement der Poltik, der Gesellschaft, vor allem der Schule, der Wirtschaft, der Moral…. Inzwischen hat die kriegerische Terminologie noch weitere Kreise gezogen: Da geht es sogar, angesichts der auch in Frankreich sinkenden Geburtenraten, um ein réarmement démographique und neuerdings, angesichts der protestierenden Bauern, um ein réarmement agricole …. Aber das aux armes citoyens! Ist den Franzosen ja vertraut.[36]

Die von Macron beschlossene Ehrung der ausländischen und jüdischen Helden des antifaschistischen Widerstands hat in einer Zeit der Xenophobie, des Antisemitismus, der Drohung eines angeblichen Bevölkerungsaustauschs und der Forderung nach einer radikalen Begrenzung der Einwanderung noch eine weitere Dimension: Sie soll ja gerade auf das große Engagement und die Opferbereitschaft von Ausländern für Frankreich und seine Freiheit hinweisen.[37] Immerhin waren von den 1006 Widerstandskämpfern und Geiseln, die während des Krieges auf dem Mont-Valérien erschossen wurden, 185 Ausländer.[38] Allerdings wird diese Botschaft, die von dieser Pantheonisierung ausgehen sollte, von weiten Teilen der französischen Bevölkerung und ihren Volksvertretern nicht gehört. Das zeigt das von einer Parlamentsmehrheit im Dezember 2023 beschlossene und von dem rechtsradikalen Rassemblement National Marine le Pens bejubelte Immigrationsgesetz. Erst durch eine Notbremse des Conseil constitutionnel, des französischen Verfassungsgerichts, wurde es wieder etwas entschärft. Und von konservativer Seite wird ausdrücklich zurückgewiesen, die Pantheonisierung Manouchians für „aktuelle politische Polemiken zu instrumentalisieren.“ [39] Der durch die letzte Pantheonisierung von Josephine Baker und jetzt die von Missak Manouchian erneut beschworene Geist der Résistance hat seine Wirkkraft offensichtlich verloren.

Denis Peschanski, Kurator der Ausstellung im Mémorial de la Shoah, hat einen sehr ausführlichen Kommentar zu dem Blog-Beitrag geschrieben, für den ich mich sehr bedanke. Ich drucke ihn nachfolgend ab:

Lieber Wolf, Bravo für diese langjährige Arbeit. Ich entdecke Ihren Blog und die Sorgfalt, mit der Sie die Themen im Detail behandeln. Ich erlaube mir einige Anmerkungen.

  1. zu den Gründen für die Verhaftung der Gruppe: Sie sollten die Chronologie präzisieren: In Moscos Dokumentarfilm von 1985 werden am Ende die KPF und Boris Holban als Verantwortliche für den Sturz genannt, weil sie sie an die Polizei ausgeliefert haben. Hätte Epstein, der zusammen mit Manouchian verhaftete Führer der Pariser FTPF, ausgesagt, wäre die gesamte Führung der PCF verhaftet worden. Eine anschließende Beschattung führte zur Verhaftung aller französischen Kader der FTPF in Paris. Schließlich schrieb Manouchian in seinem letzten Brief: „Ich vergebe allen außer dem, der uns verraten hat (Dawidowicz), und denen, die uns verkauft haben“. Die uns verraten haben? Der Ausdruck bezieht sich offensichtlich auf den französischen Staat und die Pariser Polizei. Wenn er an die KPF und/oder Holban dachte, würde das bedeuten … Vichy und der französischen Polizei vergeben, die sie verfolgt, verhaftet und gefoltert hat. Das ist natürlich lächerlich. Dann, für das Buch „Le Sang de l’étranger“, das 1989 erschien, bestand mein Beitrag vor allem darin, die drei Beschattungen, die von Januar bis November 1943 aufeinander folgten, zu recherchieren und zu analysieren. Dies reichte aus, um den Fall zu erklären, zumal Manouchian selbst bereits am 24. September 1943, also fast zwei Monate vor seiner Verhaftung, beschattet worden war, und zwar durch eine hochprofessionelle Polizei. Angesichts des Offensichtlichen wurde ein weiteres Argument vorgebracht: Man habe gewusst, dass sie bedroht waren und hätte sie in Sicherheit bringen müssen. Aber warum erst vor den Verhaftungen im November 43? Warum nicht vor der ersten Verhaftungswelle im Juli 43? Oder vor der ersten, als Krasucki im März 43 fiel? Und warum nicht vor dem Dezember 42, als zwei der drei Mitglieder der Pariser FTP-MOI-Führung verhaftet wurden? Und so weiter. Der beste Weg, nicht wegen Widerstands verhaftet zu werden, war … sich nicht an der Résistance zu beteiligen. Und das gilt für die gesamte Résistance, deren Geschichte von Verhaftungen geprägt ist.
  2. Zur Frage der Pantheonisierung. Sie schreiben, dass ich dem Präsidenten der Republik vorwerfe, dass er Manouchian nicht früher pantheonisiert hat. Das ist zutreffend, aber man muss bedenken, dass er der erste Präsident ist, der einen ausländischen Widerstandskämpfer und einen kommunistischen Widerstandskämpfer pantheonisiert hat. Wie ich bereits geschrieben habe, gab es generell eine wahre Revolution des Gedenkens: Am 18. Juni 2023 war bei der gaullistischen Gedenkfeier auf dem Mont Valérien zum ersten Mal ein Präsident auf die Lichtung herabgestiegen, auf der die Erschießungen stattfanden; und da wurden nicht nur die ausländischen und kommunistischen Widerstandskämpfer geehrt, sondern auch die Erinnerung an den gaullistischen Widerstand und an die auf der Lichtung Erschossenen zusammengeführt. Von den 185 erschossenen Ausländern trugen 92 nicht das symbolische, aber sehr wichtige Prädikat „Mort pour la France“. Emmanuel Macron beschloss, ihnen allen dieses Prädikat zuzuerkennen und forderte, die Frage für alle Erschossenen oder an allen Hinrichtungs- oder Haftorten Verstorbenen zu prüfen. Man kann ihm vorwerfen, was man will, aber sicher nicht diese Sequenz des Gedenkens.
  3. Da ich von Anfang an zum Leitungsteam des von Jean-Pierre Sakoun initiierten Komitees für die Pantheonisierung Manouchians im August 2021 gehörte, habe ich alle Etappen miterlebt. Und von Anfang an war klar, dass alle im Prozess der affiches rouges Erschossenen eine besondere Ehrung erfahren würden. A. Wieviorka hat also nicht Recht, wenn sie sagt, dass nur von Manouchian die Rede sei. Sie wusste jedoch bereits Anfang September letzten Jahres (in der Sendung „Répliques“ von Finkielkraut, France Culture, zu der wir beide eingeladen waren), dass eine Ehrung der ganzen Gruppe mit einer Gedenktafel im Pantheon stattfinden würde. Wenn Sie dorthin gehen, werden Sie sehen, dass darauf tatsächlich alle Namen der Gruppe in goldenen Buchstaben an der Wand neben der Gruft XIII stehen, in der Missak und Mélinée Manouchian ruhen. A. Wieviorka wusste das ganz genau, und im Übrigen hatte der Präsident in seiner Rede vom 18. Juni 2023 darauf hingewiesen, und die Information wurde im Bulletin Quotidien vom 27. September 2023 veröffentlicht. Es ist daher amüsant, sie am 22. Februar 2024 auf France Culture den Erfolg der doppelten Gedenkfeier (Mont Valérien und Panthéon) für sich und die Unterzeichner ihres Schreibens vom 26. November 2023 reklamiert.
  4. Sie sind so freundlich, die beiden Ausstellungen zu erwähnen, die eine im Mémorial de la Shoah über „Des étrangers dans la Résistance“, die andere im Pantheon. Die erste Ausstellung habe ich gemeinsam mit Renée Poznanski kuratiert, die zweite habe ich selbst kuratiert. Auch der Film von France 2 unter der Regie von Hugues Nancy, an dem ich mitgeschrieben habe, trägt den Titel „Missak Manouchian et ceux de l’Affiche rouge“ und stellt die Gruppe in ihrer Gesamtheit gut dar. Es ist also nicht zutrefend, dass wir nur von Missak Manouchian sprechen! Die Person und ihr Lebensweg verdienen Respekt und Interesse. Diese Erinnerungsepisode hat zu neuen Forschungen und Entdeckungen über diesen Lebensweg geführt, insbesondere über die beiden Einbürgerungsanträge und die Beziehung zwischen seinem politischen Engagement und seiner Leidenschaft für die Poesie.
  5. Schließlich zeigen Sie deutlich die Widersprüchlichkeit der Aussagen, die Aragon zugeschrieben werden. Wie kann er 1953 meinen, man dürfe nicht den Eindruck erwecken, die Résistance bestehe nur aus Ausländern, und weniger als zwei Jahre später ein Gedicht schreiben, dessen Bedeutung und Schicksal bekannt sind? Es wäre gut, die zitierten Quellen zu recherchieren. Im einen Fall handelt es sich um eine mündliche Quelle, die dreißig Jahre nach den Ereignissen in einer Zeitung wiedergegeben wird, im anderen Fall um die Realität des Schreibens und der Veröffentlichung.
  6. All dies zeigt, wie sehr Ideologie und Politik in die Erinnerungsarbeit eingreifen und leider manchmal auch in das, was der wissenschaftliche Ansatz des Historikers sein sollte. Ein aufmerksamer Blogger wie Sie sollte auch darauf achten, wie Sie es im Allgemeinen so gut machen! Ihre Liebe zu Frankreich und zu Paris hätte Sie allerdings in folgendem Punkt mehr leiten müssen: Alle diese Kämpfer teilten zwei Hauptmatrizen, die kommunistische und internationalistische Matrix und die Matrix, die sie mit Frankreich verband, dem Land, in dem die meisten von ihnen (einige wurden in Frankreich geboren und sind sogar Franzosen) zu Hause waren, aber natürlich nicht das Frankreich Pétains, sondern das Frankreich der Französischen Revolution, der Menschenrechte und der Aufklärung. Auch das ist eine Lehre für heute. Bien amicalement
    Denis Peschanski

Annette Wieviorka, Ils étaient juifs, résistants, communistes. Paris: Perrin 2018

Adam Rayski, L’affiche rouge. Herausgegeben vom Comité d‘Histoire de la Ville de Paris 2009 https://www.fondationresistance.org/documents/cnrd/Doc00128.pdf

Stephane Courtois, Denis Peschanski, Adam Rayski, L’Affiche Rouge – Immigranten und Juden in der französischen Résistance. Verlag Schwarze Risse. Berlin 1994

Emmanuelle Cart-Tanneur, Missak: Un résistant. Books on demand

Denis Peschanski, Des étrangers dans la résistance. Paris, Éditions de l’Atelier/Éditions ouvrières, 2013

Jeanne-Marie Martin, Missak Manouchian. In: dies.: Portraits de résistants. 10 vies de courage. Librio 2015, S. 52ff

Dominique Moncond’huy, Sylvain Boulouque, et al, Mélinée et Missak Manouchian, une histoire francaise: La mémoire du groupe des 23. Collection Une autre Histoire 2024

Benoît Rayski, L’affiche rouge. Denoël 2024

Le Monde hors-série, Résistants. Missak Manouchian et sa compagne Mélinée entrent au Pantheon. 2024

Eine Ausstellung im Mémorial de la Shoah

17, Rue Geoffroy l’Asnier  75004 Paris

Ab 2. Februar 2024

Öffnungszeiten:  Mo, Di, Mi, Fr, So 10-18 Uhr; Do 10- 22 Uhr; Sa geschlossen

Die Konferenz zur Eröffnung der Ausstellung am 1.2.2024 ist zugänglich auf: https://www.google.com/search?q=youtube+Memorial+de+la+Shoah+conference+Etrangers+dans+la+Resistance&oq=youtube+Memorial+de+la+Shoah+conference+Etrangers+dans+la+Resistance

Pädagogische Handreichungen zur Ausstellung: https://www.memorialdelashoah.org/wp-content/uploads/2016/05/livret-pedagogique-affiche-rouge.pdf

Eine außerordentliche Ausstellung in der Krypta des Pantheons

Vom 23. Februar bis zum 8. September 2024 gibt es, anlässlich der Pantheonisierung von Missak Manouchian und seiner Gruppe, eine Ausstellung in der Krypta des Pantheons.

 « Vivre à en mourir. Missak Manouchian et ses camarades de Résistance au Panthéon »,

Sie dokumentiert den Lebensweg von Missak Manouchian und das Engagement der Francs-Tireurs et Partisans de la Main d’Œuvre Immigrée.


Zur Zeremonie am 21. Februar

Im Vorfeld der Zeremonie am 21.2. gab es erhebliche Diskussionen um die Teilnahme von Vertretern der rechtsradikalen Parteien an der Pantheonisierung von Missak und Mélinée Manouchian. In einem Interview mit der Zeitung L’Humanité hatte Präsident Macron die Meinung vertreten, Marine Le Pen vom RN und der Parteivorsitzende Jordan Bardella täten gut daran, in Anbetracht des Kampfes der Manouchians und des Charakters der Partei der Veranstaltung fernzubleiben. Auch das Unterstützungskomittee, das seit Jahren die Pantheonisierung betrieben hat, äußerte sich in diesem Sinne. Die Rechtsradikalen gehörten nicht zum „arc républicain“. Marine le Pen und Bardella haben das entschieden zurückgewiesen. Der Präsident habe nicht das Recht zu entscheiden, welches die guten und welches die schlechten Abgeordneten der République française seien. (La Croix, 19.2.) Sie werden also am 21. dabei sein – und offenbar will/kann man es ihnen auch nicht verwehren. „Eine letzte Etappe des Prozesses der Normalisierung?“, wie Le Monde fragt. Eine „Brandmauer“ gibt in Frankreich schon seit längerem nicht (mehr)…

Le Monde, 20.2.2024

Titelseite von Libération: „La France enfin reconnaissante“ – (das endlich dankbare Frankreich) bezieht sich auf die Inschrift auf dem Portikus des Pantheon: la patrie reconnaissante. Das enfin drückt aus, dass es endlich Zeit sei für die Anerkennung des Engagements der ausländischen Widerstandskämpfer.

l’Humanité vom 21. Februar 2024

„Entre ici Manouchian“ bezieht sich auf die berühmte Rede, die André Malraux am 19. Dezember 1964 anlässlich der Pantheonisierung des Widerstandskämpfers Jean Moulin hielt: „Entre ici, Jean Moulin!“

(L’Est éclair 21.2.24)

Paris ehert Missak Manouchian und seine Mitstreiter, Fremde, Widerständler, Gestorben für Frankreich

Foto: Wolf Jöckel, Februar 2024 Rue de la Roquette, 11. Arrondissement

Foto: Wolf Jöckel im März 2024

Anmerkungen

[1] Wortlaut des Kommuniqués: https://www.elysee.fr/emmanuel-macron/2023/06/18/ceremonie-du-18-juin-2023

[2] Missak und Mélinée Manouchian sind das vierte Paar, das ins Pantheon aufgenommen wird nach Marcellin und Sophie Berthelot (1907), Pierre und Marie Curie (1995) und Simone und Antoine Veil (2018), wobei  allerdings Pierre Curie seine Pantheonisierung nicht seiner Ehe, sondern eigenen Verdiensten zu verdanken hat.

[3] Bild aus: https://www.gouvernement.fr/partage/8708-l-appel-du-18-juin-du-general-de-gaulle

[4] Zum Mont Valérien siehe: https://www.mont-valerien.fr/informations-pratiques-et-pedagogie/les-visites/

[5] Bild aus: https://www.pariszigzag.fr/insolite/histoire-insolite-paris/missak-melinee-manouchian

[5a] Nach den neuesten Forschungen von Denis Peschanski, der auch die Ausstellung im Mémorial de la Shoah kuratierte, trat Missak Manouchian schon 1931 in die KPF ein und nicht erst, wie üblicherweise angegeben, 1934. Siehe Au fil des archives. Missak et Mélinée Manouchian entrent au Panthéon. In: Mémoire d’avenir. Le Magazine des Archives nationales. No 53, Januar-März 2024, S. 11. Dort auch, auf Seite 10, die Begründung Manouchians für seinen Antrag auf Naturalisation: „Je désire être naturalisé au plus vite pour faire mon service militaire.“

[6] Aus den Archives de la Préfecture de Police de Paris. Abgebildet in der Ausstellung Les Étrangers dans la Résistance en France im Mémorial  de la Shoah

[7] http://classes.bnf.fr/heros/arret/03_4_2.htm

[8] Courtois/Peschanski/Rayski, L’Affiche Rouge, S.264

[9] https://theatrum-belli.com/les-resistants-du-groupe-manouchian/

[10] «Vous avez hérité de la nationalité française, nous, nous l’avons méritée.» Siehe: Eve Szeftel, Missak Manouchian, apatride mais français par le sang versé. In: Libération vom 21. Februar 2022  

[11] Siehe: Léonardo Kahn, Der armenische Dichter Missak Manouchian wurde 1944 von Nazis hingerichtet. Jetzt wird er ins Panthéon aufgenommen – als erster ausländischer Widerstandskämpfer. Süddeutsche Zeitung vom 19. Juni 2023 https://www.sueddeutsche.de/kultur/missak-manouchian-pantheon-kommunist-1.5947203 Allerdings ist der dort angegebene Zeitpunkt der Verhaftung Manouchians (Februar 1944) unzutreffend.

Zur Biographie Manouchians u.a.  https://eduscol.education.fr/3736/missak-manouchian-entre-au-pantheon und Missak Manouchian — Wikipédia (wikipedia.org)

.[12] Quelle: Bundesarchiv.  Aus: https://www.radiofrance.fr/franceculture/missak-manouchian-au-pantheon-trahisons-et-ornieres-d-un-memoire-communiste-capricieuse-7848386

[13] © Association Les Amis de Franz Stock/ECPAD   https://www.cheminsdememoire.gouv.fr/de/das-gedenken-den-widerstand-mont-valerien  Siehe dazu: https://www.fondationresistance.org/pages/rech_doc/photographie-execution-mont-valerien-membres-groupe-manouchian_photo15.htm

[14] Bild und weitere Informationen in: https://de.wikipedia.org/wiki/Affiche_rouge

[15] Übersetzung eines Zitats aus dem Film Des „terroristes“ à la retraite von 1985. Originalzitat: https://museedelaresistanceenligne.org/media5072-Plaque-la-mmoire-des-23-membres-de-lAffiche-rouge 

Entsprechend Guillaume Perrault: „Cette médiatisation a sauvé paradoxalement le groupe Manouchian de l’oubli complet dans lequel sont tombés tant de héros.“ Aus: Quand l’affaire Manouchian passionnait la France en 1884-1985. In: Le Figaro vom 20. Juni 2023, S. 18

[16] Aus der Ausstellung Les Étrangers dans la Résistance en France im Mémorial de la Shoah, Paris

[17] Das Mémorial de la Shoah geht (Januar 2024) von 15 000 gedruckten Exemplaren und der Verbreitung in ganz Paris aus.

[18] Siehe zum Beispiel einen Text des Erziehungsministeriums zum schulischen Gebrauch: „Mais le placardage de plusieurs milliers d’exemplaires de cette affiche dans Paris occupé et la distribution de milliers de tracts qui les qualifient d’« armée du crime » a produit l’effet contraire. Loin de provoquer peurs et condamnations, elle éveille plutôt des manifestations de sympathie dans une partie de l’opinion publique.“ https://eduscol.education.fr/3736/missak-manouchian-entre-au-pantheon

Léonardo Kahn, Der armenische Dichter Missak Manouchian wurde 1944 von Nazis hingerichtet. Jetzt wird er ins Panthéon aufgenommen – als erster ausländischer Widerstandskämpfer. Süddeutsche Zeitung vom 19. Juni 2023 https://www.sueddeutsche.de/kultur/missak-manouchian-pantheon-kommunist-1.5947203

[19] Annette Wieviorka,  Ils étaient juifs, résistants, communistes. Perrin 2018, S.281

[20] Zitiert von Annette Wieviorka, Ils étaient juifs, résistants, communistes. Perrin 2018 S. 281

[21] „Les militants communistes se sont engagés dans le combat contre le nazisme uniquement après la rupture du pacte germano-soviétique de 1939 et l’invasion de l’URSS par l’Allemagne, reprenant à leur compte le discours du Parti. …  Missak Manouchian est un parfait stalinien.“  https://www.slate.fr/story/248803/tribune-missak-manouchian-entree-pantheon-non-sens-histoire-resistance-ftp-communiste Zitat aus: Dimitri Manessis und Jean Vigreux, Aves tous tes frères étrangers de la MOE au FTO-MOI. éditions Libertalia, Montreuil 2024. Siehe dazu auch: Ces révolutionaires internationalistes que la France honore. In: Le Monde vom 16.2.2024

[22] Siehe dazu: https://www.marianne.net/societe/missak-et-melinee-manouchian-enfin-au-pantheon-la-longue-bataille-de-la-reconnaissance  

[23] Guillaume Perrault, Le Figaro 20.6.2023

[24] „On ne peut pas laisser croire que la Résistance française a été faite comme ça, par autant d’étrangers. Il faut franciser un peu.“  Zitiert in: L’Affiche rouge (chanson) — Wikipédia (wikipedia.org) Zu Aragons Umgang mit Manouchian siehe auch: https://www.radiofrance.fr/franceculture/missak-manouchian-au-pantheon-trahisons-et-ornieres-d-un-memoire-communiste-capricieuse-7848386

[25] https://genius.com/Louis-aragon-strophes-pour-se-souvenir-laffiche-rouge-annotated Deutsche Übersetzung: https://www.songtexte.com/uebersetzung/leo-ferre/laffiche-rouge-deutsch-3bd6d810.html

Ferré singt L’affiche rouge: https://www.youtube.com/watch?v=Tj5XwjOuq7s

[26] https://www.mont-valerien.fr/fileadmin/user_upload/lettres/lettre_manouchian_1.jpg

https://lmsi.net/Ma-Chere-Melinee

[27] „Vive le parti communiste!“, „Vive l’Armée rouge!“ „Vive Staline!“ und „Mort à Hitler“ sollen sie (auch) gerufen haben… https://www.freitag.de/autoren/wwalkie/ein-roter-stern-stirbt-niemals Siehe auch:

„Contrairement à ce qu’écrit Louis Aragon, devenu le chantre d’un PCF cocardier, dans son poème Strophes pour se souvenir de 1955 (chanté ensuite par Léo Ferré), ils ne «criaient» donc pas tous forcément et uniquement «la France en s’abattant“.  https://www.slate.fr/story/248803/tribune-missak-manouchian-entree-pantheon-non-sens-histoire-resistance-ftp-communiste

und: https://lmsi.net/Manouchian-n-est-pas-un-heros-de-roman-national :  „c’est pour la liberté et non pour « la France » qu’ils sont morts. Et enfin que ce n’est pas sur d’improbables « valeurs de la République » ou de « la France des Lumières » qu’ils ont fondé leur goût de la liberté, leur soif d’égalité sociale et leur sens de la solidarité humaine, mais au nom d’un idéal communiste…“

[27a] Siehe: „Pourquoi faire entrer un couple au Panthéon, alors que c’était un groupe qui était visé par les nazis? Le Monde, 16. Februar 2024

und: Annette Wieviorka, Anatomie de l’Affiche Rouge. Paris: Seuil 2024

[28] Siehe: Quand L’affaire Manouchian passionnait la France en 1984-1985. Le Figaro 20.6.2023 Darauf vor allem stütze ich mich im Folgenden. Zum Thema auch: Philippe Robrieux, L’Affaire Manouchian: Vie et mort d’un héros communiste. 1986;  J.P.R., Les trois enseignements de l’Affaire Manouchian. Esprit Nr.104/105, August/September 1985, S. 76-78 

[29] Courtois/Peschanski/Rayski, L’Affiche Rouge, S.294

Entsprechend: Stéphane Courtois, Le groupe Manouchian: sacrifié ou trahi? Le Monde 2./3. Juni 1985. Zitiert von Wieviorka a.a.O., S. 275

[30] Wieviorka a.a.O., S. 272/273

[31] Entsprechend auch Adam Rayski, von 1941 bis 1949 Leiter der jüdischen Sektion der PCF, der 1985 auf die Frage, ob es eine Verantwortung der Partei für den Fall der Gruppe Manouchian gegeben habe:

„En mai 1943, devant le bilan des pertes des organisations juives, j’ai demandé le repli. le transfert de notre direction dans la zone Sud. Le Parti a refusé, qualifiant cette attitude de « capitularde ». Le PC voulait continuer à frapper dans la capitale, avec ce qui restait son unique bras séculier : les FTP-MOI. Stratégiquement, la direction, pour affirmer sa suprématie vis-à-vis de Londres et du Conseil national de la Résistance, désirait capitaliser les actions d’éclat de la MOI.“ Article paru dans la revue L’histoire, n°81 Septembre 1985. Propos recueillis par Alain Rubens. https://uneautrehistoire.blog4ever.com/1943-qui-a-trahi-manouchian

[32] Widerstandskämpfer im Ruhestand,  Frankreich1983   MI 21.2., 23:45 Uhrarte Synchronfassung, Online verfügbar von 14/02 bis 22/03

Französische Fassung: https://www.youtube.com/watch?v=Uqg11c7SUik

[33] Zitat von Denis Peschanski: „un véritable tournant mémoriel“. In: Mémoire d’avenir. Le Magazine des Archives nationales No 53, Januar-März 2024, S.11

Ziel der Pantheonisierung Manouchians nach Überzeugung von Le Monde: „réconcilier la mémoire de la Résistance longtemps partagée entre gaullistes et communistes, mettre en valeur le rôle de ces derniers dans la lutte contre l’occupant nazi.“ https://www.lemonde.fr/idees/article/2023/06/19/missak-manouchian-au-pantheon-des-lecons-pour-aujourd-hui_6178222_3232.html

Entsprechend Eve Szeftel und Victor Boiteau in Libération vom 16. Juni 2023. Manouchians Pantheonisation  „marque aussi une nouvelle étape dans l’histoire de la mémoire de la Seconde Guerre mondiale et de la Résistance. Celle, après des décennies de tiraillements entre les mémoires gaullistes et communistes“, sie ist, nach den Worten des Historikers Denis Peschanski, Autor eines aktuellen Buchs über Manouchian, Ausdruck einer „convergence mémorielle inédite.“

[34] Das Portrait entstand im Rahmen einer Aktion aus dem Jahr 2020. Damals wurden die Portraits von 21 ehemaligen prominenten Häftlingen im Gefängnis ausgestellt. https://www.leparisien.fr/val-de-marne-94/fresnes-les-portraits-de-c215-colorent-les-murs-de-la-prison-12-02-2020-8258448.php  

Anlässlich der Pantheonisierung von Missak Manouchian und seiner Gruppe hat C 215 im Gefängnis von Fresnes Portraits der Männer des affiche rouge und weiterer Personen von FTP- MOI angefertigt. Siehe l’Humanité vom 20.2.2024 https://www.humanite.fr/politique/c215/manouchian-au-pantheon-lhommage-de-lartiste-c215-a-la-prison-de-fresnes

[35] https://www.lemonde.fr/politique/article/2023/12/08/face-aux-tensions-emmanuel-macron-veut-tenir-l-unite-du-pays-et-promet-un-rendez-vous-avec-la-nation-en-janvier_6204710_823448.html

[36] Siehe dazu z.B.  https://www.ouest-france.fr/politique/mais-pourquoi-emmanuel-macron-veut-tout-rearmer-95f65530-af99-11ee-82ae-73e88db45bf9

https://www.francetvinfo.fr/politique/emmanuel-macron/rearmement-demographique-emmanuel-macron-essaye-de-parler-a-l-electorat-d-extreme-droite-estime-la-porte-parole-d-osez-le-feminisme_6309345.html

Siehe: Stéphane Foucart, Le réarmement chimique de l’agriculture. In: Le Monde 4./5. Februar 2024: „Le surgissement et la diffusion éclair de certains mots, qui sculptent tout à coup le débat public, a quelque chose de fascinant. Ainsi du vocabulaire martial subitement apparu le 31 décembre 2023 dans la parole présidentielle et, depuis, inlassablement commenté, répercuté, repris, répété, et surtout raccommodé jusqu’à l’indignation par les membres du gouvernement: il faut se réarmer, il faut tout réarmer. L’armement et les armes sont devenus en quelques semaines la métrique de toute chose.“

[37] Siehe: https://www.liberation.fr/politique/pantheonisation-de-missak-et-melinee-manouchian-nous-sommes-collectivement-les-heritiers-de-la-resistance-

https://www.humanite.fr/culture-et-savoir/missak-manouchian/pourquoi-missak-manouchian-doit-entrer-au-pantheon-782738

https://www.lemonde.fr/idees/article/2023/06/19/missak-manouchian-au-pantheon-des-lecons-pour-aujourd-hui_6178222_3232.html

[38] Denis Peschanski in: https://www.francetvinfo.fr/societe/debats/pantheon/probable-entree-de-missak-manouchian-au-pantheon-c-est-la-reconnaissance-de-cette-composante-si-importante-de-la-resistance-francaise-explique-un-historien_5893147.html

[39] „Il est légitime d’honorer le souvenir de Manouchian. Il est inconvenant d’instrumentaliser sa mémoire pour le faire servir aux polémiques politiques du présent“ Guillaume Perrault in Le Figaro vom 20. Juni 2023

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9 Gedanken zu “Armenier, Kommunist, Mann der Résistance: Missak Manouchian wird ins Pantheon aufgenommen (21.2.2024)

  1. Anonymous

    (je vous laisse corriger !!)

    Lieber Wolf, Bravo für diese langjährige Arbeit. Ich entdecke Ihren Blog und die Sorgfalt, mit der Sie die Themen im Detail behandeln. Ich erlaube mir einige Anmerkungen.

    1. zu den Gründen des Niedergangs. Sie sollten die Chronologie präzisieren: In Moscos Dokumentarfilm von 1985 werden am Ende die KPF und Boris Holban als Verantwortliche für den Sturz genannt, weil sie sie an die Polizei ausgeliefert haben. Hätte Epstein, der zusammen mit Manouchian verhaftete Führer der Pariser FTPF, ausgesagt, wäre die gesamte Führung der PCF verhaftet worden. Eine anschließende Beschattung führte zur Verhaftung aller französischen Kader der FTPF in Paris. Schließlich schrieb Manouchian in seinem letzten Brief: „Ich vergebe allen außer dem, der uns verraten hat (Dawidowicz), und denen, die uns verkauft haben“. Die uns verraten haben? Der Ausdruck bezieht sich offensichtlich auf den französischen Staat und die Pariser Polizei. Wenn er an die KPF und/oder Holban dachte, würde das bedeuten … Vichy und der französischen Polizei vergeben, die sie verfolgt, verhaftet und gefoltert hat. Das ist natürlich lächerlich. Dann, für das Buch „Le Sang de l’étranger“, das 1989 erschien, bestand mein Beitrag vor allem darin, die drei Beschattungen, die von Januar bis November 1943 aufeinander folgten, aufzuspüren und zu analysieren. Dies reichte aus, um den Fall zu erklären, zumal Manouchian selbst bereits am 24. September 1943, also fast zwei Monate vor seiner Verhaftung, beschattet worden war. Eine hochprofessionelle Polizei. Angesichts des Offensichtlichen wurde ein weiteres Argument vorgebracht: Man habe gewusst, dass sie bedroht waren und hätte sie in Sicherheit bringen müssen. Aber warum nur vor dem Sturz im November 43? Warum nicht vor dem zweiten Sturz im Juli 43? Und vor dem ersten Sturz, als Krasucki im März 43 fiel? Und warum nicht vor Dezember 42, als zwei der drei Mitglieder der Pariser FTP-MOI-Führung verhaftet wurden? Und so weiter. Der beste Weg, nicht wegen Résistance verhaftet zu werden, war … sich nicht an der Résistance zu beteiligen. Und das gilt für die gesamte Résistance, deren Geschichte von Verhaftungen geprägt ist.
    2. Zur Frage der Pantheonisierung. Lassen Sie mich sagen, dass ich dem Präsidenten der Republik vorwerfe, dass er Manouchian nicht früher pantheonisiert hat. Das ist originell, wenn man bedenkt, dass er der erste Präsident war, der einen ausländischen Widerstandskämpfer und einen kommunistischen Widerstandskämpfer pantheonisiert hat. Wie ich bereits geschrieben habe, gab es generell eine wahre Revolution des Gedenkens: Neben dem ausländischen und dem kommunistischen Widerstandskämpfer wurde am 18. Juni 2023 bei einer gaullistischen Gedenkfeier auf dem Mont Valérien, bei der noch nie ein Präsident auf die Lichtung hinabgestiegen war, verkündet, dass die Erinnerung an das kämpfende Frankreich und an die auf der Lichtung Erschossenen konvergieren müsse. Von den 185 erschossenen Ausländern trugen 92 nicht die symbolische, aber sehr wichtige Inschrift „Mort pour la France“. Emmanuel Macron beschloss, sie zu vergeben und forderte, die Frage für alle Erschossenen oder an allen Hinrichtungs- oder Haftorten Verstorbenen zu prüfen. Man kann ihm vorwerfen, was man will, aber sicher nicht diese Sequenz des Gedenkens.
      3) Da ich von Anfang an zum Leitungsteam des von Jean-Pierre Sakoun initiierten Komitees für die Pantheonisierung Manouchians im August 2021 gehörte, habe ich alle Etappen miterlebt. Und von Anfang an war klar, dass alle im Prozess der Roten Plakate Erschossenen eine besondere Ehrung erfahren würden. A. Wieviorka wollte sich zurückziehen und sagen, dass nur von Manouchian die Rede war. Sie wusste jedoch bereits Anfang September letzten Jahres (in der Sendung „Répliques“ von Finkielkraut, France Culture, zu der wir beide eingeladen waren), dass eine solche Ehrung mit einer Tafel, die sie ausdrücklich nennen würde, im Pantheon stattfinden würde. Wenn Sie dorthin gehen, werden Sie sehen, dass es tatsächlich diese Namen sind, die in goldenen Buchstaben an der Wand neben der Gruft XIII stehen, in der Missak und Mélinée Manouchian ruhen. Sie wusste es ganz genau, und im Übrigen hatte der Präsident in seiner Rede vom 18. Juni 2023 darauf hingewiesen, und die Information wurde… im Bulletin Quotidien vom 27. September 2023. Es ist daher amüsant, sie am 22. Februar 2024 auf France Culture sagen zu hören, als sie den Erfolg der doppelten Gedenkfeier (Mont Valérien und Panthéon) feststellt, dass sie und diejenigen, die ihr offizielles Schreiben … am 26. November 2023 unterzeichnet haben, dass die 23 auf diese Weise geehrt werden.
      4) Übrigens: Sie sind so freundlich, die beiden Ausstellungen zu erwähnen, die eine im Mémorial de la Shoah über „Des étrangers dans la Résistance“, die andere im Pantheon. Die erste Ausstellung habe ich gemeinsam mit Renée Poznanski kuratiert, die zweite habe ich selbst kuratiert. Auch der Film von France 2 unter der Regie von Hugues Nancy, an dem ich mitgeschrieben habe, trägt den Titel „Missak Manouchian et ceux de l’Affiche rouge“ und stellt die Gruppe in ihrer Gesamtheit gut dar. Es ist also schwer zu sagen, dass wir nur von Missak Manouchian sprechen! Die Person und ihr Lebensweg verdienen Respekt und Interesse. Diese Erinnerungsepisode hat zu neuen Forschungen und Entdeckungen über diesen Lebensweg geführt, insbesondere über die beiden Einbürgerungsanträge und die Beziehung zwischen seinem politischen Engagement und seiner Leidenschaft für die Poesie.
    3. 5) Schließlich zeigen Sie deutlich die Widersprüchlichkeit der Aussagen, die Aragon zugeschrieben werden. Wie kann er 1953 meinen, man dürfe nicht den Eindruck erwecken, die Résistance bestehe nur aus Ausländern, und weniger als zwei Jahre später ein Gedicht schreiben, dessen Bedeutung und Schicksal bekannt sind? Es wäre gut, die zitierten Quellen zu recherchieren. Im einen Fall handelt es sich um eine mündliche Quelle, die dreißig Jahre nach den Ereignissen in einer Zeitung wiedergegeben wird, im anderen Fall um die Realität des Schreibens und der Veröffentlichung.
    4. All dies zeigt, wie sehr Ideologie und Politik in die Erinnerungsarbeit eingreifen und leider manchmal auch in das, was der wissenschaftliche Ansatz des Historikers sein sollte. Ein aufmerksamer Blogger wie Sie sollte auch darauf achten, wie Sie es im Allgemeinen so gut machen! Ihre Liebe zu Frankreich und zu Paris hätte Sie mehr leiten müssen: Alle diese Kämpfer teilten zwei Hauptmatrizen, die kommunistische und internationalistische Matrix und die Matrix, die sie mit Frankreich verband, dem Land, in dem die meisten von ihnen (einige wurden in Frankreich geboren und sind sogar Franzosen) zu Hause waren, aber natürlich nicht das Frankreich Pétains, sondern das Frankreich der Französischen Revolution, der Menschenrechte und der Aufklärung. Auch das ist eine Lehre für heute.

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    1. Vielen Dank für diese deutsche Version. Ich habe sie -leicht korrigiert- meinem Beitrag angefügt. Das französische Original bleibt aber in den Kommentaren erhalten. Bien cordialement Wolf Jöckel

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  2. Anonymous

    Cher Wolf, Bravo pour ce long travail. Je découvre votre blog et votre soin à développer longuement les sujets. Je me permets quelques remarques.
    1. Sur les raisons de la chute. Vous devriez préciser la chronologie : dans le documentaire de Mosco en 1985, le PCF et Boris Holban sont désignés à la fin comme responsables de la chute en les ayant livrés à la police. C’est absurde si l’on raisonne un peu: si Epstein, le chef des FTPF parisiens arrêté en compagnie de Manouchian, avait parlé, toute la direction du PCF était arrêtée. En outre, une filature qui a suivi a entraîné l’arrestation de tous les cadres FTPF français parisiens. Enfin quand Manouchian écrit dans sa dernière lettre: je pardonne à tous sauf à celui qui nous a trahi (Dawidowicz) et „à ceux qui nous ont vendus“. Ceux qui nous ont vendus? L’expression de l’époque vise évidemment l’Etat français et la police parisienne. Imaginons qu’il pensait au PCF et/ou à Holban, cela voudrait dire qu’il pardonne… à Vichy et à la police française, celle qui les a suivis, arrêtés, torturés. C’est évidemment ridicule. Ensuite, pour le livre paru en 1989 „Le Sang de l’étranger“, ma contribution a consisté en particulier à trouver et analyser les trois filatures qui se sont enchaînées de janvier à novembre 1943. Cela suffisait pour expliquer la chute, d’autant que Manouchian lui-même était repéré dès le 24 septembre 1943, près de deux mois avant son arrestation. Une police très professionnelle. Alors, face à l’évidence, un autre argument a été avancé: on savait qu’ils étaient menacés et ils auraient dû être mis au vert. Mais pourquoi avant la chute de novembre 43 seulement ? Pourquoi pas avant la 2e chute, si grave, de juillet 43 ? Et avant la première chute où Krasucki est tombé en mars 43 ? Et pourquoi pas avant décembre 42 quand deux des trois membres de la direction des FTP-MOI parisiens ont été arrêtés ? Et ainsi de suite. La meilleure façon de ne pas être arrêté pour Résistance, c’était… de ne pas s’engager dans la Résistance. Et tout cela vaut pour toute la Résistance dont l’histoire est scandée par les arrestations.
    2. Sur la panthéonisation. Vous me faites dire que je reproche au président de la République de ne pas avoir panthéonisé Manouchian plus tôt. Original, alors que c’est justement le premier président à panthéoniser un résistant étranger et un résistant communiste. De façon générale, comme je l’ai écrit, on a assisté à une vraie révolution mémorielle : outre le résistant étranger et le résistant communiste, on a l’annonce faite le 18 juin 2023 lors d’une commémoration gaullienne au Mont Valérien où jamais un président ne descendait alors à la clairière; pas ce geste, il participait à une volonté de convergence mémorielle entre ceux de la France combattante et les fusillés de la clairière. Ajoutons que sur les 185 étrangers fusillés, 92 n’avaient pas la mention, symbolique mais très importante, „Mort pour la France“. Emmanuel Macron a décidé de leur attribuer et a demandé qu’on vérifie la question pour tous les fusillés ou morts sur tous les lieux d’exécution ou d’emprisonnement. On peut lui reprocher ce qu’on veut mais certainement pas cette séquences mémorielle.
    3. Ayant été dès l’origine dans l’équipe de direction du comité pour la panthéonisation de Manouchian initiée par Jean-Pierre Sakoun en août 2021, j’ai connu toutes les étapes. Et d’emblée il était clair qu’un homme particulier serait rendu à tous les fusillés du procès de l’Affiche rouge. A. Wieviorka a souhaité mené un combat d’arrière garde pour dire qu’on ne parlait que de Manouchian. Elle était pourtant au courant dès début septembre dernier (émission „Répliques“ chez Finkielkraut, France Culture, dont nous étions les 2 invités) qu’un tel hommage était rendu avec une plaque les nommeraient explicitement au sein même du Panthéon. Si vous y passez, vous verrez qu’il s’agit en fait des noms inscrits en lettre d’or sur le mur adjacent au caveau XIII où reposent Missak et Mélinée Manouchian. Elle le savait parfaitement et, d’ailleurs, le président l’avait laissé entendre dans son discours du 18 juin 2023 et que l’information est sortie… dans le Bulletin Quotidien du 27 septembre 2023. Alors c’est amusant de l’entendre dire le 22 février 2024 sur les ondes de France Culture toujours, constatant la réussite de la double commémoration (Mont Valérien et Panthéon) que c’est grâce à elle et à ceux qui ont signé sa lettre officielle… le 26 novembre 2023 si les 23 étaient ainsi honorés.
    4. Au passage, vous avez la gentillesse d’évoquer les deux expositions, l’une au Mémorial de la Shoah sur „Des étrangers dans la Résistance“, l’autre au Panthéon. Je suis co-commissaire de la première exposition avec Renée Poznanski et commissaire de la deuxième exposition. De même le film de France 2, réalisé par Hugues Nancy et dont je suis le coauteur avec lui, porte le itre „Missak Manouchian et ceux de l’Affiche rouge“ et rend bien compte du groupe dans son ensemble. Difficile donc de dire qu’on ne parle que de Missak Manouchian ! Au demeurant, le personnage et son itinéraire méritent à la fois le respect et l’intérêt. Cet épisode mémoriel a suscité de nouvelles recherches et des découvertes sur cet itinéraire, dont les deux demandes de naturalisation et le rapport entre son engagement politique et sa passion pour la poésie.
    5. Enfin, vous montrez bien la contradiction de propos prêtés à Aragon. Comment peut-il, en 1953, considérer qu’on ne doit pas faire croire qu’il n’y a que des étrangers dans la Résistance et moins de deux ans plus tard écrire le poème dont on connaît l’importance et la destinée? Ce serait bien de fouiller dans les sources citées. Dans un cas on aurait une source orale reprise dans un journal trente ans après les faits, dans l’autre la réalité d’une écriture et d’une publication.
    Tout cela illustre combien l’idéologie et la politique interfèrent dans le mémoriel et, malheureusement aussi, quelquefois dans ce qui devrait être la démarche scientifique de l’historien. Au blogger attentif que vous êtes de veiller aussi à cela comme vous le faites si bien plus généralement ! Votre amour de la France et de Paris auraient dû davantage vous guider : tous ces combattants partageaient deux matrices principales, la matrice communiste et internationaliste et la matrice les rattachant à la France, leur terre d’accueil pour la plupart (quelques-un sont nés en France et son même français), mais pas la France de Pétain bien entendu, la France de la Révolution française, des droits de l’Homme, des Lumières. C’est aussi une leçon qu’un devrait retenir pour aujourd’hui.
    Bien amicalement
    Denis Peschanski

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    1. Bonjour Denis, ich bedanke mich sehr herzlich, dass Sie als DER Fachmann in diesem Bereich sich die Zeit für diesen so gehaltvollen Kommentar genommen haben! Ich habe ihn jetzt direkt an meinen Artikel angefügt. Damit erhält er den ihm gebührenden Platz. Merci beaucoup et bien cordialement Wolf Jöckel

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  3. Anonymous

    Guten Abend,
    schon lange wollte ich mich für den wunderbaren Blog mit den interessanten und gründlich rechechierten Themen bedanken, auch diesen aktuellen Beitrag über Manouchian habe ich wieder mit viel Interesse und Gewinn gelesen.
    Mir gefallen auch Ihre sorgfältigen Quellenangaben.
    Ein kleiner Hinweis: Manouchian ist nicht im ‚Ottomanischen‘ Reich geboren, Sie meinten sicher das ‚Osmanische Reich‘. Ein kleiner Tippfehler. Ich hoffe, es ist in Ihrem Sinne, dass ich Sie darauf aufmerksam mache – gerade, weil Ihre Beiträge immer so gründlich sind. Bitte nicht falsch verstehen.
    Merci beaucoup et bonne soirée,
    UB

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    1. Vielen Dank für das freundliche feed-back und den netten Hinweis: Da habe ich den französischen Ausdruck etwas „wörtlich“ übersetzt. Natürlich werde ich das korrigieren. bien cordialement Wolf Jöckel

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  4. Christoph-M. Stegers

    Der, dessen Widerstandsgruppe das Rote Plakat als „Armee des Verbrechens“ bezeichnete, schrieb Stunden vor seiner Exekution an seine Frau, er hege keinen Hass gegen das deutsche Volk und wen auch immer. Nach dem Krieg werde man in Frieden und Brüderlichkeit leben.

    Welche Größe brachte dieser Mann auf. Welche Hoffnung drückte er in Stunden absoluter Finsternis aus. Danke

    Christoph-M. Stegers

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    1. Ja, welche Größe! merci für den Hinweis! Auch das ist eine Botschaft mit aktueller Bedeutung – ich denke da an den Krieg im Nahen Osten. Wie wunderbar/was für ein Wunder wäre es, wenn dort Juden und Palästinenser einmal -trotz alledem- in Frieden und Brüderlichkeit zusammen leben könnten! Bien cordialement Wolf Jöckel

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